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Digitalisierung – New Work

Inklusion durch Digitalisierung

Digitale Technologien können dazu beitragen, Inklusion am Arbeitsplatz zu verwirklichen. Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen erhalten damit die Möglichkeit, einen qualifizierten Beruf auszuüben, und Unternehmen profitieren von einem erweiterten Pool an Arbeitskräften.

Young deaf man with beard has digital virtual online conference with employees on computer, talking on video call, using sign language, showing gestures at screen. Sign language concept
© Adobe Stock / Tatjana Schustik

In Zeiten des Fachkräftemangels versuchen Unternehmen vermehrt, bei der Personalsuche weniger beachtete Gruppen anzusprechen. Dazu zählen Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen. Digitale Technologien können es ihnen ermöglichen bzw. erleichtern, berufliche Tätigkeiten auszuüben. Technische Lösungen allein reichen jedoch nicht aus, um förderliche Arbeitsbedingungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu schaffen.

Der Ansatz der Integration verfolgt das Ziel, Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen in bestehende Strukturen und Prozesse einzugliedern, indem man sie z. B. mit technischen Hilfsmitteln ausstattet. Bei der Inklusion werden dagegen Strukturen und Prozesse so umgestaltet, dass sie sich für Beschäftigte mit unterschiedlichen körperlichen, mentalen und sozialen Voraussetzungen eignen. Wesentlich dabei ist eine Unternehmenskultur, in der Vielfalt als Bereicherung angesehen wird.

Körper- und Sinnesbehinderungen

Im Zuge der Digitalisierung wurden neue Hilfsmittel für Menschen mit körperlichen Behinderungen bzw. Sinnes­behinderungen entwickelt und existierende verbessert. Laut Mag.a Dr.in Elisabeth Ponocny-Seliger, Universitätslektorin, Arbeitspsychologin, klinische und Gesundheitspsychologin, wird künstliche Intelligenz dabei eine zunehmend wichtige Rolle spielen.

Sehbehinderten stehen bereits jetzt Bildschirmlesegeräte, trag­bare Vorlese­hilfen oder Braille-Tastaturen für Mobiltelefone zur Verfügung. Gehörlose können Lichtsignalanlagen nutzen, um zu erkennen, ob jemand das Büro betritt. Mittels KI lässt sich ein gesprochener Text in Gebärdensprache übersetzen. Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen können den Computer mit den Augen steuern. Auch herkömmliche digitale Geräte und Programme weisen vermehrt hilfreiche KI-unterstützte Funktionen auf, etwa Bildschirmlupe, Spracherkennung oder Vorlesefunktion.

Digitale Hilfsmittel haben jedoch ihren Preis, und nicht jede:r Betroffene kann sich diese Geräte leisten. Eine Tätigkeit nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen auszuüben, weil Hilfsmittel fehlen, ist psychisch belastend. Stress erzeugen auch nicht barrierefreie Anwendungen und Internet-Seiten. Der:Die Arbeitgeber:in ist gefordert, Beschäftigte mit Behinderung durch die Anschaffung digitaler Hilfsmittel und spezieller Software zu unterstützen.

Porträt
Elisabeth Ponocny-Seliger © Privat
A blind woman uses a computer with a Braille display and a computer keyboard. Inclusive device
A blind woman uses a computer with a Braille display and a computer keyboard. Inclusive device. © Adobe Stock / Michail Reschetnikow

Neurodivergenzen

„Der Begriff Neurodiversität bezeichnet unterschiedliche Verarbeitungsprozesse im Gehirn“, erklärt Ponocny-Seliger. Weicht der neurologische Status z. B. durch Hypersensibilität, Autismus, Legasthenie oder Dyskalkulie von jenem der neurotypischen Mehrheit ab, spricht man von Neurodivergenz.

Hypersensible (Hochsensible) nehmen Reize wie Licht, Geräusche oder Gerüche, aber auch Gefühle intensiver wahr. Menschen auf dem Autismus-Spektrum hingegen haben Probleme damit, sich in andere hineinzuversetzen und nonverbale Signale richtig zu deuten. Ihre kognitiven Fähigkeiten sind sehr unterschiedlich, manche verfügen in bestimmten Gebieten sogar über ein überdurchschnittliches Wissen, etwa in Bereichen der numerischen Informationsverarbeitung. Beide Gruppen bevorzugen oft die Arbeit im Homeoffice, wobei der:die Arbeitgeber:in sicherstellen sollte, dass Hard- und Software den Erfordernissen entsprechen und negative Effekte wie Vereinsamung oder Arbeitsverdichtung vermieden werden.

Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie) und Rechenschwäche (Dyskalkulie) stellen Betroffene vor große Herausforderungen, wenn sie im Beruf rechnen bzw. Texte lesen oder schreiben sollen. Mithilfe digitaler Technologien lassen sich diese Schwächen heutzutage nahezu vollständig kompensieren. Texte, z. B. Schulungsunterlagen, können mittels KI optimiert oder in „Leichte Sprache“ übersetzt werden.

Tipps zur Inklusion

Arbeitgeber:innen und Kollegen:Kolleginnen sind oft unsicher, welche Unterstützung Menschen mit Behinderungen oder Neurodivergenzen benötigen. Ponocny-Seliger rät, vor der Anschaffung von technischen Hilfsmitteln mit der betroffenen Person abzuklären, was sie tatsächlich braucht. Bei Bedarf können Interessenvertretungen wie Behindertenverbände einbezogen werden.

Im Unternehmen sollten Ansprechpartner:innen zur Verfügung stehen, an die sich Beschäftigte mit Behinderungen oder Neurodivergenzen jederzeit wenden können. Arbeitet eine betroffene Person in einem (virtuellen) Team, sollte dieses sensibilisiert werden. Ideal wäre es laut Ponocny-Seliger, Betroffene in Entscheidungspositionen einzubinden, z. B. in der Personalabteilung.

Zusammenfassung

Digitale Technologien ermöglichen es Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen, qualifizierte berufliche Tätigkeiten auszuüben. Für eine gelungene Inklusion sind darüber hinaus Veränderungen bestehender Strukturen und Prozesse sowie eine entsprechende Unternehmenskultur erforderlich.


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