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Digitalisierung – New Work

Führungskräfte beeinflussen Technostress

New Work ist die Antwort auf die Transformation der Arbeitswelt durch Digitalisierung, Globalisierung und demografischen Wandel. Diese Prozesse führen zu veränderten Rahmenbedingungen und Strukturen der Arbeitsprozesse und haben somit auch Konsequenzen für die Mitarbeitenden. Führungskräfte haben dabei einen großen Einfluss auf die Auswirkungen für die Beschäftigten und die Entstehung von Stress.

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Mitarbeitende sind von den Veränderungen durch die Digitalisierung am Arbeitsplatz unterschiedlich betroffen – und sie können unterschiedlich gut damit umgehen. Manche besitzen die notwendigen Fähigkeiten, um sich anzupassen, andere sind durch die Neuerungen stark beansprucht.

Selbst wenn Technologie als eine große Herausforderung wahrgenommen wird, heißt es nicht, dass dieser auch zwangsläufig zu einer negativen Beanspruchungsfolge wie Technostress bei den Mitarbeitenden führen muss. Eine Erklärung dafür, ob bei den Mitarbeitenden Stress entsteht oder nicht, bietet das transaktionale Stressmodell von Lazarus und Folkmann (1984, vgl. Abb. 1). Nach diesem Modell erfolgt durch die Mitarbeitenden zuerst eine Bewertung, ob die digitale Technologie eine potenzielle Herausforderung oder Bedrohung darstellt. 

Wird diese Technologie als potenzielle Herausforderung oder Bedrohung wahrgenommen, kommt es auf die zweite Bewertung an: Hier geht es darum, ob der:die Mitarbeitende die vorhandenen Ressourcen als ausreichend ansieht. Führungskräfte können dabei einen großen Einfluss darauf haben, wie das Ergebnis dieser Bewertungen bei den Mitarbeitenden ausfällt (Rade­maker, Klingenberg & Süß, 2023).

Führung, die Technostress erhöht

Destruktive Verhaltensweisen tragen zu einer Erhöhung des Stresses bei. Im Kern geht es darum, dass Führungskräfte so handeln, dass verfügbaren Ressourcen eingeschränkt werden und die Mitarbeitenden das Verhalten als aggressiv oder respektlos wahrnehmen. Dies kann bewusst und systematisch von den Führungskräften eingesetzt werden, um (ihre) Unternehmensziele zu erreichen. Oft kommt es allerdings auch daher, dass die Führungskraft selbst unter Stress steht und daher zum Beispiel wiederholt zu spät oder gar nicht zu wichtigen Besprechungen kommt, nicht grüßt oder Informationen nicht weiterleitet. 

Im Zusammenhang mit Digitalisierung haben auch die Erwartungen von Führungskräften auf die Verfügbarkeit von Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen außerhalb der Arbeitszeit einen Einfluss auf den Stress. Der Allgegenwärtigkeit der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien können sich die Beschäftigten nur schwer entziehen, sowohl während als auch außerhalb der Arbeitszeit. Zum einen können Führungskräfte selbst mit den Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen außerhalb der regulären Arbeitszeit kommunizieren. Zum anderen können indirekt Erwartungen geschaffen werden, wenn Vorgesetzte selbst eine ungesunde Nutzung von Kommunikationstechnologien vorleben und somit als ungünstiges Vorbild fungieren. In weiterer Folge kann dies die Fähigkeit der Mitarbeitenden beeinträchtigen, sich in ihrer Freizeit von der Arbeit zu erholen.

Eine wahrgenommene Situation wird durch zwei Bewertungen analysiert – erst nach ihrer Bedeutung, dann nach verfügbaren Ressourcen – und kann zu Stress führen, wenn die eigenen Mittel als unzureichend eingeschätzt werden.
Transaktionales Stressmodell.indd

Führung, die Technostress verringert

Rademaker et al.5 haben Führungsverhalten, wie Unterstützung, Förderung von Autonomie und Empowerment unter der Dimension „technostress-reduzierende Führung“ zusammengefasst. So sind Mitarbeitende, die die Unterstützung ihrer Vorgesetzten wahrnehmen, besser in der Lage, mit den digitalen Anforderungen umzugehen. Weiters hilft es den Mitarbeitenden, wenn die Führungskraft auch ein „gesundes“ digitales Vorbild im Umgang mit den neuen Technologien ist, das den Wandel aktiv vorlebt.

Das heisst, wenn sie selbst gesund sind, mit Stress umgehen können und mit dem Verhalten erfolgreich sind, welches sie zeigen und auch von ihren Beschäftigten einfordern.

Bezüglich neuer Kommunikationstechnologien bedeutet dies, dass Führungskräfte diese auch selbst nutzen und dabei darauf achten, dass sie diese Technologien bewusst und gesundheitsförderlich einsetzen – zum Beispiel, indem sie Kollegen:Kolleginnen nur während der Arbeitszeit anrufen. Auch E-Mails sollten nicht außerhalb der regulären Arbeitszeit geschickt werden, da sonst die Erwartung entstehen könnte, auch als Mitarbeiter:in in der Freizeit zu arbeiten und regelmäßig den E-Mail-Account zu kontrollieren zu müssen, um nichts Wichtiges zu übersehen. Die Ergebnisse einer Studie von Stamer6 unterstreichen diese besondere Bedeutung der Führungskräfte für die Abgrenzung von der Arbeit. Umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte sich dieser Bedeutung bewusst sind und notwendige Weiterbildung in diesem Bereich erhalten.

Destruktive Führung:

Dr. Matyssek5 nennt folgende Beispiele:

  • Mitarbeitende ohne klare Vorgaben allein lassen
  • zusätzliche Druckerhöhung (enge Zeitvorgaben)
  • keine klare Linie – „Fähnchen im Wind“
  • willkürliche Entscheidungen
  • engmaschige Kontrolle
  • Misstrauen
  • aktives Suchen von Fehlern
  • unerreichbar sein Unterstützung versagen
  • Mitarbeitenden vor Kunden:Kundinnen in den Rücken fallen
  • herunterputzen, destruktive Kritik, Fokus auf Fehler
  • ignorieren, Bevorzugung einzelner Mitarbeitender

Möglichkeiten der Führungskräfte

Führungskräfte haben unterschiedliche Möglichkeiten, die Ressourcen ihrer Mitarbeitenden zu erhöhen und damit die Bewertungsprozesse im Sinne des transaktionalen Stressmodells positiv zu beeinflussen, sodass die Mitarbeitenden weniger Stress erleben. Wie oben erwähnt, können sie Unterstützung, Wertschätzung und Sinnstiftung als Ressourcen bieten. 

Sie können allerdings auch die Arbeitsbedingungen beeinflussen und so Hindernisse und Stressoren beseitigen, zum Beispiel durch die Bereitstellung einer guten technischen Ausstattung: Um „ortsflexibel“ arbeiten zu können, bedarf es Informations- und Kommunikationstechnologie, die einen zuverlässigen Zugriff auf notwendige Daten und die Kommunikation mit Kollegen:Kolleginnen bzw. Kunden:Kundinnen unabhängig vom Einsatzort ermöglicht. 

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© Adobe Stock / BESTIMAGE

Technostress bezeichnet die Auswirkung, die im Zusammenhang mit der Nutzung von digitalen Technologien entstehen kann.

Außerdem brauchen die Beschäftigten auch die notwendigen Kompetenzen im Umgang mit den Technologien, die gegebenenfalls durch Schulungen aufgebaut werden können. Allerdings machen viele Mitarbeitende die Erfahrung, dass neue Programme im Unternehmen eingeführt werden und die Mitarbeitenden sich dann – jede:r für sich – mit den Programmen auseinandersetzen und den Umgang damit selbständig lernen müssen. Diese selbständige Einarbeitung erfordert zusätzliche Zeit, die in weiterer Folge für die Bearbeitung anderer Aufgaben fehlt. Dies kann dazu führen, dass die Arbeitszeit ausgeweitet wird, Überstunden anfallen oder sogar, dass unentgeltlich in der Freizeit weitergearbeitet wird. Damit die Mitarbeitenden bei den Bewertungen im Sinne des transaktionalen Modells nicht zu einem negativen Ergebnis kommen, ist es wichtig, dass frühzeitig abgeklärt wird, welches Wissen, welche Fähigkeiten bereits vorhanden sind, und ausgehend davon ein Schulungsplan für die noch fehlenden Kompetenzen erstellt wird.

Weiters ist es wichtig, dass den Mitarbeitenden bei auftretenden Problemen im Umgang mit der (neuen) Technologie ein guter technischer Support zur Verfügung steht.

Orientierung in Zeiten der Veränderung

Aufgrund der sich schnell ändernden Prozesse und der zunehmenden Digitalisierung besteht ein zentrales Bedürfnis der Beschäftigten nach Orientierung, die dabei hilft, die Einführung neuer Technologien nicht als Bedrohung zu sehen. Es ist also eine wesentliche Aufgabe der Führungskräfte, die Belegschaft auf die veränderten Prozesse und Strukturen im Zusammenhang mit der Einführung von neuen Technologien vorzubereiten. 

Der Leitfaden des DGFP1 führt dazu folgende Orientierungsfragen an:

  • Welchen Umfang (quantitativ wie qualitativ) hat die Einführung neuer Technologien, Tools oder Arbeitsweisen in der Organisation beziehungsweise im Team?
  • Welche Veränderungen ergeben sich daraus für den Arbeitsalltag?
  • Welche Schwierigkeiten können sich aus den Veränderungen für die einzelnen Mitarbeitenden und das gesamte Team ergeben?
  • Welche Konflikte und Problemlagen können von den Führungskräften tatsächlich abgefangen werden? Welche Instrumente und Fähigkeiten müssen ihnen dafür in die Hand gegeben werden?

Interaktion über neue Informations- und Kommunikations­technologien

Die Veränderung von Arbeitsprozessen durch den Einsatz neuer Technologien, insbesondere aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, bewirkt auch einen Wandel von Führung. In diesen veränderten Strukturen treffen Führungskräfte und Mitarbeitende nicht im gewohnten Setting, zu den gewohnten Zeiten aufeinander, sodass der Austausch zwischen beiden völlig andere Formate annehmen muss. 

Findet die arbeitsbezogene Interaktion und Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften zunehmend über virtuelle Medien statt, hat dies auch einen Einfluss auf relevante Ressourcen wie soziale Anerkennung, zufriedenstellende Interaktionen und die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse (Schneider, 2018). Somit können sich im Sinne des transaktionalen Stressmodells die Bewertungen der Mitarbeitenden ändern. Es scheint dabei, dass die stressreduzierenden Effekte von Führung an Effektivität verlieren können, wenn sie durch digitale Technologie ausgeübt wird (Rademaker, Klingenberg, & Süß, 2023).

Daher ist es besonders wichtig, virtuelle Führung gesundheitsförderlich zu gestalten. Kordsmeyer et al.2 fassen die folgenden Maßnahmen für die digitale Teamarbeit zusammen: 

  • Vertrauen signalisieren (seitens der Führungskraft)
  • Aufgaben- und Verantwortungsbereiche klar aufzeigen und durch Dokumentation transparent und verfügbar machen
  • Kommunikations- und Erreichbarkeitsregeln mit Beschäftigten vereinbaren
  • regelmäßige Mitarbeiter:innengespräche und Feedback einplanen 
  • Handlungsspielräume der Beschäftigten erhöhen, indem Aufgaben und Verantwortung delegiert werden 
  • den informellen, nicht-aufgabenbezogenen Austausch unter den Beschäftigten anregen, zum Beispiel in Form von „digitalen Kaffeepausen“ 
  • die Bedeutung von Erholungs- und Regenerationszeiten kommunizieren

Auch wenn die Veränderungen der Arbeitswelt große Herausforderungen mit sich bringen, gibt es viele Lösungsansätze, die zu gut gestalteten Arbeitsbedingungen beitragen, damit vor allem die Vorteile der Digitalisierung wie Schnelligkeit, Effizienz und neue Formen der Zusammenarbeit zum Tragen kommen.

Quellen

[1] DGFP – Deutsche Gesellschaft für Personalführung (2016). Leitfaden: Führen im digitalisierten Unternehmen. Ergebnisse aus Expertenkreisen im Rahmen eines BMWi-geförderten Forschungsprojekts.

[2] Kordsmeyer, A., Rohwer, E., Harth, V. & Mache, S. (2020). Gesundheitsfördernde Führung von Teams im Homeoffice. Bremen: Kompetenznetz Public Health COVID‐19.

[3] Lazarus, R. S. & Folkman, S. (1984). Stress, appraisal, and coping. New York: Springer.

[4] Matyssek. Destruktive Führung – do care! https://www.do-care.de/destruktive-fuehrung/, abgerufen am 31.01.2025.

[5] Rademaker, T., Klingenberg, I., & Süß, S. (2023). Leadership and technostress: a systematic literature review. Management Review Quarterly. doi:DOI:10.1007/s11301-023-00385-x.

[6] Stamer, K. (2021). Berücksichtigung der Beschäftigten im Prozess der Digitalisierung aus Sicht von Personalverantwortlichen. Z. Arb. Wiss., 75, S. 105–116.

Zusammenfassung

Die Digitalisierung hat Auswirkungen auf die Beanspruchung der Mitarbeitenden und kann zu negativen Folgen wie Technostress führen. Führungskräfte haben dabei einen großen Einfluss auf die Entstehung von Stress. Durch die zunehmende Interaktion über Informations- und Kommunikationstechnologie ändern sich auch die Anforderungen an Vorgesetzte, um diese virtuelle Führung gut zu gestalten. 


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