Good Practice - Digitale Systeme
Wie eine App die Arbeitssicherheit erhöht
Der größte heimische Ziegelhersteller, Wienerberger Österreich, hat eine App zur Bekanntgabe von Sicherheitsbedenken entwickelt – so landen die Meldungen schnell bei den Verantwortlichen und Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit können umgehend gesetzt werden. Safety-Advisor Dietmar Schönauer erzählt, worauf es dabei ankommt und warum es weiterhin auch eine analoge Meldemöglichkeit gibt.
Wo mit schweren Maschinen gearbeitet wird und sich Hubstapler, Lkw und Mitarbeitende auf engem Raum begegnen, muss Sicherheit an oberster Stelle stehen. Der globale Baustoffkonzern Wienerberger beschäftigt in Österreich im Bereich Ziegelbaustoffe rund 450 Mitarbeitende, zwei Drittel davon in der Produktion. Um hier effektiv Arbeitsunfälle zu verhindern, ist es wichtig, dass Sicherheitsbedenken rasch gemeldet und Mängel behoben werden.
Dietmar Schönauer ist Safety-Advisor bei der Wienerberger Österreich GmbH und als Sicherheitsfachkraft für Arbeitssicherheit zuständig. Wenn Schönauer seinen Laptop aufklappt, hat er über das firmeneigene Safety-Portal Einblick in die Sicherheitslage der Produktionsstätten in Österreich. Hier werden alle relevanten Sicherheitsdaten zusammengeführt – das umfasst Beinaheunfälle ebenso wie Sachschäden und Sicherheitsbedenken. Wird von Mitarbeitenden oder einer Führungskraft eine Sicherheitslücke gemeldet, erhalten diese:r und die zuständigen Personen, wie etwa die Werksleiter:innen, eine E-Mail. So kann zeitnah reagiert und die Sicherheitslücke behoben werden.
Zeit- und ortsunabhängig melden
Während früher alle Sicherheitsbedenken über handgeschriebene Kärtchen gemeldet und anschließend in das Safety-Portal übertragen wurden, gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit, dafür die firmenintern entwickelte „Safety-App“ zu nutzen. „Der große Vorteil ist der schnelle Informationsfluss: Wichtige Dinge sind gleich im System und ich habe die Meldung sofort bei mir“, beschreibt Schönauer. Die Mitarbeitenden können der Meldung dabei die Priorität „low“, „medium“ oder „high“ zuschreiben. „Wenn etwas mit der Priorität hoch gemeldet wird, muss etwas passieren, und zwar sofort, am selben Tag.“
Die App ist speziell auf die Bedürfnisse des Konzerns zugeschnitten und wird inzwischen weltweit an zahlreichen Standorten eingesetzt. Ein wichtiger Schritt sei gewesen, die Nutzung auf allen Geräten möglich zu machen, nicht nur auf Firmenhandys. „Es hat nicht jeder ein Firmengerät und es will auch nicht jeder eines haben“, so Schönauer. So kann man jederzeit und von überall potenzielle Gefahren melden.
Praktisch, aber nicht für jeden
Die Nutzer:innenzahlen liegen im vierstelligen Bereich, so Schönauer. Zusätzlich gebe es aber weiterhin die Möglichkeit, Sicherheitsmängel auf analogem Weg über Kärtchen zu melden, die an der Arbeitsstation aufgehängt werden.
„Es ist für manche Mitarbeitenden im Werk immer noch einfacher, die Kärtchen zu nutzen, weil sie damit weniger Arbeit haben und es direkt an der Station sichtbar ist“, sagt Schönauer. Das sei auch eine Generationensache, die sich langsam ändere. „Die Jüngeren sind digital sehr affin, laden ein Foto hoch und nutzen die Diktierfunktion der App“. Auch dass in der App bisher manche Auswahlmöglichkeiten nur in Englisch verfügbar seien, halte noch manche ab. Es werde jedenfalls laufend an der Verbesserung gearbeitet, um die App praxistauglich zu gestalten.
Die App ist Teil des Sicherheitssystems und wird in regelmäßigen Sicherheitsgesprächen und Schulungen behandelt. Auch im Arbeitsalltag wird sie beworben: „Wir haben in den Werken in den Pausenräumen Bildschirme hängen, wo der QR-Code der App angezeigt wird“, so Schönauer.
Auf das Vertrauen kommt es an
Die Voraussetzung für ein funktionierendes Meldesystem – ob nun digital oder analog – ist das Vertrauen der Mitarbeitenden. Damit Sicherheitsbedenken geäußert werden, müsse das richtige Betriebsklima herrschen, betont Schönauer. Niemand dürfe sich vor den Folgen einer Meldung fürchten. Denn werden Gefahren übersehen, schadet das letztlich den Mitarbeitenden und der Firma: Beinaheunfälle, Arbeitsunfälle mit Krankenstand und hohe Kosten sind die Folge. „Die Anzahl der Meldungen ist für uns auch eine Bestätigung des Sicherheitsbewusstseins. Wenn keiner etwas meldet, ist es jedem egal.“ Die steigende Zahl der Meldungen ist für Schönauer deshalb ein positives Signal: „Begonnen haben wir mit ungefähr 300 Meldungen, das ist innerhalb von drei Jahren auf Tausend gestiegen und es geht nach wie vor nach oben. Wir entwickeln uns zu ungefähr 3000 Meldungen im Jahr“. In den letzten fünf Jahren sei so die Anzahl der Unfälle mit Krankenstand um die Hälfte gesunken.
Ein weiterer Faktor ist, von wem die Meldungen kommen. „Mir wäre es lieber, wir hätten viel mehr Meldungen von den Mitarbeitenden als von den Führungskräften“, betont Schönauer. Es wirke sich direkt auf das Unfallgeschehen aus, wenn diejenigen sich melden, die gefährdet sind, einen Unfall zu erleiden. „Je mehr Meldungen von den Mitarbeitenden, desto weniger Unfälle haben wir“, sagt Schönauer.
Zusammenfassung
Der Baustoffkonzern Wienerberger Österreich hat eine Sicherheitsapp entwickelt, mit der Mitarbeitende rasch Sicherheitsrisiken und -bedenken mit den Prioritätsstufen „low“, „medium“ oder „high“ am Smartphone melden können. Inzwischen wird die App auch in Wienerberger-Werken in anderen Ländern eingesetzt.