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Digitale Systeme

Was digitale Tools im Arbeitsschutz leisten können

Digitale Systeme sind häufig eine Herausforderung für den Arbeitsschutz – einige Anwendungen bieten jedoch hilfreiche Unterstützung für die Arbeitssicherheit. Die Möglichkeiten reichen dabei von intelligenter Schutzausrüstung mit Sensoren bis hin zu digitalen Simulationen von Arbeitsumgebungen. Nutzen und Risiken müssen im Einsatz immer abgewogen werden.

Eine Person trägt ein Virtual-Reality-Headset, auf dessen Display eine Simulation von Arbeitsprozessen, wie das Bedienen einer Maschine, zu sehen ist. In ihrer Hand hält sie einen Controller, der unscharf im Vordergrund erscheint.
© Richard Reichhart

Wie in vielen Bereichen des täglichen Lebens haben sich auch im Arbeitsschutz in den letzten Jahren digitale Systeme etabliert, um etwa Risiken für Unfälle oder Gefährdungen zu erkennen oder Sicherheit und Gesundheitsschutz im Arbeitsleben zu fördern.

Die Möglichkeiten sind dabei vielseitig: Digitale Systeme können zur Überwachung und Verbesserung der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten beitragen, indem sie beispielsweise in Form von intelligenter persönlicher Schutzausrüstung (PSA) Gase, Toxine, Lärmpegel und Hoch- oder Tieftemperaturen ermitteln. Auch Wearables – am Körper tragbare Geräte, die mit dem:der Träger:in interagieren und in Helme oder Sicherheitsbrillen eingebettete Sensoren nutzen – können zum Schutz der Arbeitnehmer:innen beitragen. Darüber hinaus etablieren sich mobile oder statische Systeme in Form von Kameras und Sensoren – z. B. Drohnen, die gefährliche Bereiche in der Bau- und Bergbauindustrie erreichen und überwachen können, ohne dass sich Menschen in Gefahr begeben müssen. 

Auch „Xtended Reality“ bietet als Technologie durch Immersionen, das Eintauchen in virtuelle Welten, gänzlich neue Möglichkeiten. Schließlich können Online-Tools und Applikationen einen weiteren Beitrag in der Prävention leisten und den:die Anwender:in unterstützen. Der thematische Umfang der digitalen unterstützenden Systeme ist groß. Es bedarf deshalb einer weiteren Unterteilung in die folgenden drei Kategorien:

  • Digitale Analysesysteme: Kameras und Sensoren, die zur Analyse und Bewertung von spezifischen Parametern auf Personen- und/oder Arbeitsplatzebene eingesetzt werden, wie etwa Wearables oder smarte PSA
  • Xtended-Reality-Technologien: XR-Systeme sind technisch betrachtet eine computerunterstützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung, oftmals angezeigt über „head-mounted displays“, in welchen Tätigkeiten und Betriebsumgebungen simuliert werden können.
  • Sonstige unterstützende digitale Tools für die Prävention: Online-Fragebögen, Checklisten oder Bewertungs- und Analyseanwendungen, die im Arbeitsschutz punktuell unterstützen 
Ein Mann trägt ein Virtual-Reality-Headset und ist mit Sensoren an Armen, Händen und Oberkörper ausgestattet. Diese Technologie ermöglicht das Aufzeichnen und Feedback von Bewegungen, beispielsweise für Schulungen oder ergonomische Untersuchungen.
Xtended Reality (XR) steht für immersive Technologien, die die reale Welt mit virtu­ellen Elementen kombinieren. Xtended Reality-Technologien sind in der Ergo­nomie längst etabliert: Sensoren können Bewegungen des Menschen aufzuzeichnen und für Schulungen oder als Feedbacksystem wieder darzustellen. © Richard Reichhart

Digitale Analysesysteme

Am Körper getragene Mini-Computer werden nicht nur zunehmend in der Arbeitswelt eingesetzt, sondern durchaus auch im alltäglichen Leben. Die als Wearables bezeichneten Technologien sind am Körper des:der Benutzers:Benutzerin getragene Sensor-/Computersysteme, die kontextbezogen mit diesem:dieser interagieren und/oder Informationen sammeln. Sie vereinen physische Sensoren, die zum Beispiel piezoelektrische Beschleunigungssensoren und inertiale Messeinheiten (IMUs) zur Erfassung von Bewegung, GPS, Mikrofon oder Kamera beinhalten, und physiologische Sensoren, die Bewegung und Vitalfaktoren an verschiedenen Körperstellen sowie mentale Zustände wie Konzentration, Aufmerksamkeit und Emotionen aufnehmen. Als Beispiele für Wearables können Smartwatches, „Hearables“, Inertialmesssensoren bis hin zu „smart clothes“ – in Kleidung integrierte Sensorik – genannt werden.

Die Erwartungen an smarte persönliche Schutzausrüstung (PSA) sind groß, und die Chancen sind durchaus vielversprechend. Eine Abgrenzung zwischen smarter PSA und Wearables muss nicht unbedingt gegeben sein, da auch Wearables mit dem Nutzer interagieren können. Smarte PSA zeichnet sich jedoch insbesondere dadurch aus, dass sie Daten aufnimmt, diese auswertet und Informationen an den:die Träger:in oder an eine externe Stelle weitergibt. Sie interagiert also mit der Umgebung, um so eine erhöhte Schutzwirkung zu erzielen. Ein Beispiel wäre etwa eine smarte Feuerwehrjacke, die mit Sensoren ausgestattet ist und Auskunft geben kann über den körperlichen Zustand der Person, die sie trägt (z. B. Vitalparameter wie Herzfrequenz, Körpertemperatur) oder auch über Umgebungsfaktoren (z. B. Standort oder schädliche oder giftige Substanzen).

Eine Drohne in einem Schutzkäfig liegt auf einem Holzbrett in einem engen Tunnel. Neben der Drohne befinden sich eine Tasche und ein Rucksack. Die Drohne ist für den Einsatz in gefährlichen oder schwer zugänglichen Bereichen der Bau- und Bergbauindustrie konzipiert.
Drohnen können als unbemannte Luftfahrzeuge gefährliche Bereiche in der Bau- und Bergbauindustrie erreichen und überwachen, ohne dass sich Menschen in Gefahr begeben müssen. © AEROVISION Drone Support GmbH

Unterstützung im Berufsalltag

Ob bei Industrierobotern, Automaten, Baumaschinen oder Flurförderzeugen – Kameras und Sensoren werden bei der zunehmenden Interaktion von Mensch und Maschine als Messverfahren für automatische und sichere Personenerkennung immer wichtiger. Dies reicht von der Überwachung ganzer Arbeitsbereiche und einzelner Ebenen bis hin zu menschzentrierter Überwachung und personenbezogenen Verfahren. Wie bei der kamerabasierten Bewegungsanalyse von Menschen können Objekte im Raum mit 3-D-Tiefensensoren detektiert werden.

Auch Motion-Capture-Systeme sind Sensor- oder Kamerasysteme. Sensorbasierte Bewegungsanalyse via Inertialmesssensoren fällt ebenso unter die Kategorie Wearables, was die Komplexität des Themas aufgrund des Ineinandergreifens der unterstützenden digitalen Systeme deutlich macht. 

Sensorsysteme wie „Captiv Motion“, das von der AUVA in der täglichen Beratungsarbeit eingesetzt wird, erlauben es, die Bewegungen des Menschen im dreidimensionalen Raum zu erfassen, mit Videoaufnahmen zu synchronisieren und Belastungsparameter auszuwerten. Kamerabasierte Systeme fußen oft auf dem „Time of flight“-Prinzip und erkennen Gelenkpunkte des Menschen. Sensoren lassen sich in sogenannte smarte Kleidung oder auch in Ganzkörper-Motion-Suits integrieren, um Bewegungen des Menschen aufzuzeichnen und in Form von Avataren darzustellen, die in weiterer Folge für Schulungen, zum Beispiel als Feedbacksystem in einer Virtual-Reality-Anwendung herangezogen werden können. Kombinationen aus mehreren Technologien wie Motion-Capture-Systemen und Xtended-Reality-Technologien sind in der Ergonomie längst etabliert. 

Wärmebildkameras, die etwa im Bau die an die Oberfläche von Objekten geleitete Wärmestrahlung erfassen, können zum Beispiel in der Ergonomie über Temperaturunterschiede die Belastung und Beanspruchung von muskuloskelettalen Strukturen des Menschen mit und ohne klinischen Kontext erfassen.

Lärmkameras sind als weiteres kamerabasiertes System zu nennen – sie lokalisieren präzise Lärmquellen und machen Problemstellen grafisch zielgenau sichtbar.

Drohnen bieten sich als unbemannte Luftfahrzeuge, die mit Kameras Fotos und Videos machen, für vielfältige Einsatzgebiete an, etwa für Inspektionen oder Überprüfungen in diversen Innenräumen wie Tanks, Behältern, Kesseln oder Schächten, die für den Menschen gefährlich sein könnten. Auch sie fallen in die Kategorie Kameras und Sensoren.

Eine Hand hält ein Tablet, auf dessen Bildschirm ein Diagramm zur Altersstruktur der Belegschaft für das Jahr 2024 und eine Prognose für 2027 angezeigt wird. Im Hintergrund stehen unscharf drei Personen in einer Werkstattszene.
Der Altersstrukturcheck, ein Tool der AUVA, lässt Berechnungen anstellen, inwieweit sich die Altersstruktur der Belegschaft in den nächsten Jahren verändern wird. © Richard Reichhart

Training in der erweiterten Realität

Das zweite Subthema im Bereich der digital unterstützenden Systeme ist Xtended Reality (XR). XR ist ein Überbegriff für immersive Technologien, die die reale Welt mit virtuellen Elementen kombinieren. Sie bezieht sich auf alle kombinierten realen und virtuellen Umgebungen und Mensch-Maschine-Interaktionen und ist sozusagen ein Sammelbecken für repräsentative Formen von Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) sowie der dazwischen angesiedelten Mixed Reality (MR). Begriffserklärungen siehe Infokasten.

Ein XR-System ist eine computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. In XR-Systemen können unter anderem Umgebungen und Tätigkeiten im Betrieb simuliert werden. Derartige Systeme können zum Beispiel dafür verwendet werden, Arbeitsabläufe zu üben oder die Sicherheit einer Arbeitsumgebung zu überprüfen.

Mögliche Vorteile des Einsatzes sind zusätzliche Informationen in Echtzeit, die Möglichkeit verschiedene, auch gefährliche Szenarien beliebig oft und in sicherer Umgebung zu trainieren und zu wiederholen, unsichtbare Gefahren darzustellen oder multiple Stressoren bei der Schulung von Beschäftigten zu addieren, das Erlernen des Umgangs mit Maschinen oder PSA oder die detaillierte Darstellung von Objekten. Als mögliche Nachteile sind eventuell Faktoren wie technologisch komplexe Anwendungen, Technologieabhängigkeit, Ablenkung von realen Einflüssen, „motion sickness“ oder auch die Ausgrenzung von Personen mit Einschränkungen zu bedenken.

Die AUVA setzt XR bereits in ihrer täglichen Präventionsarbeit ein – etwa das Tool  VeRgonomiX, mit dem das Heben von Lasten mittels feedbackbasierter Motion-Capture-Analysen trainiert werden kann, eine virtuellen Formatkreissäge, mit der das sichere Inbetriebnehmen des realen Geräts geschult werden kann, oder die VR-unterstützte Arbeitsplatzsimulationssoftware EMA, in der Arbeitsprozesse virtuell geplant und erlebt werden können.

Sonstige unterstützende digitale Tools 

In diese Kategorie fallen etwa Online-Plattformen und Applikationen. Online-Fragebögen, Checklisten oder Bewertungs- und Analysetools finden im Arbeitnehmer:innenschutz ebenso zunehmend Anwendung. Die AUVA bietet bereits einige Applikationen (Apps) für Smartphones oder Tablets an: die „Heben und Tragen“-App zum Erlernen von Bewegungsabläufen beim Heben von Lasten, die App „Zeichen der Sicherheit“ mit allen sicherheits- und gesundheitsrelevanten Zeichen oder auch das „Lexikon Prävention“.

Im Bereich der Online-Checklisten können Tools wie das „Verzeichnis gefährlicher Arbeitsstoffe“ das Erstellen und Führen von Dokumentationen gefährlicher Arbeitsstoffe erleichtern. Es steht für Unternehmen jeder Größe und aller Branchen zur Verfügung. Der Altersstrukturcheck, ein weiteres Tool, stellt unter Berücksichtigung der Altersstruktur der Bevölkerung Berechnungen an, inwieweit sich die Struktur der Belegschaft in den nächsten Jahren verändern wird. „KFZA online“ ist ein Online-Kurzfragebogen zur Arbeitsanalyse, der branchen- und tätigkeitsunspezifisch zur Evaluierung psychischer Belastung eingesetzt wird. 

Unter auva.at/evaluierung bietet die AUVA zudem ein Online-Tool zur „Musterevaluierung“ an. Aus fast 500 vorausgefüllten Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten können unterschiedliche Maßnahmenblätter mit einem Erhebungsblatt kombiniert und als individuelles Gesamtdokument heruntergeladen werden.

Zusammenfassung

Digitale Tools und Systeme sind in der Arbeitswelt inzwischen fest verankert und es gibt sie in vielfältiger Ausführung. Bei der Implementierung sind etwaige Gefährdungen zu berücksichtigen. Einige der im Artikel genannten Tools unterstützen den Arbeitnehmer:innenschutz im Betrieb bereits sehr gut. Mithilfe von digitalen Analysesystemen können Risiken schnell und effizient ermittelt und die Präventionsarbeit unterstützt werden. 


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