Robotik & KI
KI, aber wie? Wandel der Arbeit braucht Gestaltung
Rund um den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt ranken sich utopische und dystopische Vorstellungen. Vieles basiert auf anekdotischem Wissen. Stehen wir im Wettlauf gegen die KI, die uns zu ersetzen droht? Oder wird KI zum Assistenten, der unsere menschlichen Fähigkeiten ergänzt? Aktuelle Befunde sind auf den ersten Blick widersprüchlich. Auf den zweiten Blick zeigen sich Chancen für die Gestaltung guter Arbeit.
Allein schon der Begriff künstliche Intelligenz (KI) zeigt, dass technologische Anwendungen nicht nur als Werkzeuge betrachtet, sondern oft mit menschenähnlichen Eigenschaften ausgestattet werden. Dieser Trend spiegelt sich in Sprache und Denken wider. Eine Technologie wird üblicherweise als intelligent bezeichnet, wenn sie die Fähigkeit hat, Regelmäßigkeiten, Muster oder Zusammenhänge in maschinenlesbaren Datensätzen zu entdecken und nutzbar zu machen1. Maschinelles Lernen meint die Bearbeitung großer Datenmengen durch statistische und mathematische Methoden2. Anhand von eingespeisten Daten erlernt das Programm den Umgang mit potenziell unbekannten Daten. Neue generative KI-Systeme können durch Fortschreibung neue Inhalte erstellen3. Diese Tools sind folglich zunehmend in der Lage, sich selbst zu optimieren.
„Garbage in – Garbage out“
Maschinelles Lernen erfordert große Mengen an Daten, deren Qualität für das Ergebnis von entscheidender Bedeutung ist. Es ist also wesentlich, welche Daten für den Lernprozess herangezogen werden, denn KI-Systeme reproduzieren zuverlässig alle Verzerrungen und Stereotypen, die sie in den Daten finden. In der KI-Entwicklung wird dies als „Garbage in – Garbage out“-Problem bezeichnet1. Wenn wir darüber nachdenken, wer eigentlich KI entwickelt und unter welchen Bedingungen, ist ein prominentes Bild jenes der Experten:Expertinnen im Silicon Valley, die in Teams an hochkomplexen Rechenmodellen arbeiten.
Hier entstehen die Grundlagen und Feineinstellungen des KI-Systems. Auch in Österreich wächst dieser Sektor rasch. Die Plattform AI Landscape Austria, die die Entwicklungen auf diesem Sektor dokumentiert, geht von einem konstanten Wachstum von zehn Prozent aus und rechnet für Österreich bis Mitte 2025 mit 400 Unternehmen4. Wir sollten jedoch auch an Beschäftigte in Accra denken, die mit hundert anderen in einer Halle an Rechnern sitzen und digitale Bilder beschriften und kategorisieren. Sie schaffen die Basis, mit der KI-Modelle lernen. Das Handelsblatt5 schreibt, dass schätzungsweise weltweit zehn Millionen Menschen an der Bearbeitung von Trainingsdaten arbeiten und unsichtbare „ghost work“ verrichten. Global gesehen kann man die These, KI lasse die menschliche Arbeit verschwinden, definitiv verneinen. Menschliche Arbeit bleibt unverzichtbar.
Künstliche Intelligenz standardisiert Wissen und Verhalten.
KI im Arbeitskontext
In Österreich nützen aktuell elf Prozent der Unternehmen KI, so die Erhebung der Statistik Austria 20236. Es ist davon auszugehen, dass niederschwellig nutzbare KI-Technologien insbesondere im Bereich der Wissensarbeit mittlerweile noch deutlich häufiger genutzt werden, als es die Zahl suggeriert. Der Einsatz von KI in der Arbeitswelt ist als Teil eines jahrzehntelangen Prozesses der technologischen Automatisierung und Rationalisierung zu sehen. Inwiefern der Einsatz von Technologien menschliche Arbeit qualitativ verändert, ist in der Soziologie eine Debatte mit langer Tradition. Im Folgenden werden vier Thesen zu den Auswirkungen von KI in der Arbeitswelt präsentiert und es wird besprochen, wie diese einzuordnen sind.
KI schafft Arbeit: Im Zuge des KI-Booms entstehen zahlreiche neue Berufe und Tätigkeiten in der Herstellung der KI. Übersehen wird dabei jedoch oft, dass KI-Systeme nicht nur in ihrer Implementierungsphase, sondern auch über ihre Nutzungsdauer hinweg entwickelt und gestaltet werden müssen2. Eine Adaption und Wartung der Programme ist notwendig, denn die Komplexität erhöht sich enorm beim Schritt von KI-Entwicklung zur Anwendung. So muss etwa im Betrieb Kompetenz aufgebaut werden, um den Einsatz zu gestalten. So entstehen neue Tätigkeitsfelder rund um die Wartung der KI und die Standardisierung von Prozessen.7
KI ersetzt die menschliche Arbeitskraft: Heiß diskutiert wird die Frage, in welchem Ausmaß KI in der Lage ist, die menschliche Arbeitskraft zu ersetzen, bzw. inwieweit sie dies bereits tut. Prognosen zeichnen oftmals ein düsteres Bild. Dabei ist jedoch festzustellen, dass dieses nicht auf Basis von empirischen Beobachtungen entsteht, sondern aus Rechenmodellen zu einer fiktiven Zukunft abgeleitet wird. Es blendet dabei soziale, ethische, rechtliche und oft auch irrationale Faktoren aus. Eine aktuelle Befragung aus Deutschland8 zeigt, dass die Einschätzung der Zukunft in Bezug auf KI davon abhängt, ob die Fragen auf die eigene Betroffenheit abzielen. Die Befragten gehen meist davon aus, dass die Arbeit anderer durch KI ersetzt wird, die eigene Arbeit jedoch in deutlich geringerem Ausmaß. Das Bewusstsein für die individuelle Betroffenheit von KI im Unternehmen ist also sehr gering.
Sieht man sich die tatsächliche Verwendung von KI in Unternehmen an, so verdrängt sie kaum einen Arbeitsplatz zur Gänze. Ausgewählte Tätigkeiten werden aber sehr wohl von KI übernommen. Dieser tätigkeitsbasierte Ansatz zeigt, dass standardisierte Aufgaben eher bedroht sind ersetzt zu werden, wobei diese sowohl einfach als auch anspruchsvoll sein können. Immer größer wird die Diskussion, wie weit mittlerweile auch komplexe, flexibel gestaltete Aufgaben von generativer KI übernommen werden können.
KI entlastet und befähigt: Vielleicht haben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, wie es ist, statt vor einem leeren Blatt zu sitzen, mithilfe von KI eine Ideensammlung zu generieren, an der man weiterarbeitet? Diese Schnelligkeit und Effizienz fühlt sich zuerst einmal richtig gut an. Der Wegfall bestimmter Tätigkeiten durch den Einsatz von KI bringt idealerweise Entlastung. Das ist zumindest ein Wunsch, der mit allen Rationalisierungstechnologien verbunden ist. Ein nicht zu vernachlässigendes Risiko besteht jedoch darin, dass sich die gewonnene Zeit mit anderen Aufgaben füllt, was zu einer Verdichtung und Intensivierung der Arbeit führt. Die Fähigkeit der KI, Informationen und Erkenntnisse in Echtzeit bereitzustellen, eröffnet ihr ein beträchtliches Potenzial zur Unterstützung. Es ist jedoch die Kombination der komplementären Fähigkeiten von Mensch und KI, die die menschlichen Problemlösungsfähigkeiten tatsächlich verbessert3. Denn KI ist nur in einer stark vorstrukturierten Welt funktionsfähig, während der Mensch über eine deutlich flexiblere Intelligenz verfügt. KI sollte daher lediglich als zusätzliche Informationsquelle dienen, dann führt sie auch bei den Benutzern:Benutzerinnen zu einer signifikanten Steigerung der Selbstwirksamkeit und Zufriedenheit mit Entscheidungen9.
KI standardisiert und schränkt ein: Kooperation mit KI bedeutet nicht automatisch mehr Freiheit und mehr Optionen. Gelingt die Integration der KI als Unterstützung nicht, so kann sie den Handlungsspielraum der Menschen enorm einschränken. Denn KI braucht Standardisierung und erzeugt sie. Das Delegieren von Entscheidungen an automatisierte Systeme schränkt zum Beispiel die wahrgenommene Kontrolle über den Entscheidungsprozess ein. Denken außerhalb der von der KI angebotenen Möglichkeiten wird schwer und es kommt zu erhöhtem Konformitätsdruck, verminderter Selbstwirksamkeit und geringerem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Auch wird es für den Menschen immer schwieriger, bei Systemfehlern korrigierend einzugreifen. Werden Aufgaben an KI-Systeme delegiert, kann sich das langfristig negativ auf die menschlichen Kompetenzen und das Know-how auswirken. Das ist der Fall, wenn das Sammeln sinnvoller Erfahrungen unterbleibt und wesentliche Fähigkeiten und Fertigkeiten nur noch bei Bedarf wiedererlangt und trainiert werden3.
Zukunftsfähiger KI-Einsatz
Im Sinne der Beschäftigten ist für einen zukunftsfähigen KI-Einsatz Engagement auf individueller, betrieblicher und (trans-)nationaler Ebene erforderlich. Dabei kann man nicht oft genug betonen: KI ist menschengemacht und sozial geformt, ihr Einsatz ist mit spezifischen Interessen und Konsequenzen verbunden3. KI eröffnet Chancen für Menschen und Gesellschaft, aber sie birgt auch spezifische Risken. Sie ist eine Schlüsseltechnologie, an die hohe Erwartungen zur Bearbeitung von Komplexität geknüpft werden2.
Individuum, Betrieb, Staat und EU
Der Schlüssel zu einem guten Einsatz von KI ist auf individueller Ebene das Wissen. Dabei geht es um instrumentelles, reflexives und transformatives Wissen. Gemeint sind „digital literacy“ und Technikkompetenz sowie die Kompetenz, die Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und zu gestalten. KI muss als Kulturtechnik auch in der Ausbildung thematisiert werden. Nur so können sich notwendige Transparenz, Akzeptanz und Vertrauen entwickeln.
Für eine erfolgreiche Integration von KI in die Arbeitsorganisationen müssen die Beschäftigten Teil des Entwicklungs und Implementierungsprozesses sein. Die Arbeitsbedingungen werden zunehmend hybride, indem KI-Systeme die menschlichen Fähigkeiten ergänzen und erweitern. Für die betriebliche Ebene gilt der Grundsatz, dass die Humanisierung der Arbeit nicht aus dem Blick geraten darf, sondern ins Zentrum rücken muss. KI kann menschliches Handeln gut ergänzen und die Menschen in ihrer Entwicklung fördern. Die Einbeziehung von Beschäftigten und Betriebsräten beim Einsatz von Technologien ist dabei von Bedeutung.
Für die nationale und internationale Ebene lässt sich ableiten, dass Regulierung einen wichtigen Stellenwert hat. Auch wenn es die Konkurrenzfähigkeit mit Produkten aus anderen Erdteilen vermutlich erschwert, gilt es rote Linien in Bezug auf die Verwendung von Daten und den Einsatz von KI zu ziehen. Nicht zu vergessen ist dabei die Gestaltung globaler Wertschöpfungsketten, für die wir Verantwortung tragen. Erste Auswirkungen des europäischen KI-Gesetzes sind bereits zu sehen. So ist etwa eine wachsende Zahl von Unternehmen und Organisationen entstanden, die sich auf vertrauenswürdige KI, Compliance und Regulierung spezialisiert haben.
Quellen:
[1] Kreissl, R., von Laufenberg, R. (2022): Risiken und Gefahren der “Künstlichen” “Intelligenz”. Bericht aus dem Forschungsprojekt “Künstliche Intelligenz, Mensch, Gesellschaft”. KI.Me.Ge. Wie-ner Zentrum für Sozialwissenschaftliche Sicherheitsforschung (VICESSE)
[2] Heinlein, M., Huchler, N. (2022): Thesenpapier zu den sozialen Implikationen von künstlicher Intelligenz. Bericht aus dem Forschungsprojekt “Künstliche Intelligenz, Mensch, Gesellschaft”. KI.Me.Ge. ISF München
[3] Koeszegi, S. T. (2024): AI @ Work: Human Empowerment or Disempowerment? In: Werthner, H. et al. (Hg.): Introduction to Digital Humanism. Springer
[4] Austrian AI Landscape (2023): Das sind die KI-Unternehmen aus Österreich | brutkasten Aus-trian AI Landscape 2023: Das sind die KI-Unternehmen aus Österreich | brutkasten
[5] Handelsblatt (2023): Die wichtigsten KI-Firmen der Welt - hier entstehen KI-Start-ups. Die wich-tigsten KI-Firmen der Welt - hier entstehen KI-Start-ups (handelsblatt.com)
[6] Statistik Austria (2023): Pressemitteilung: 13 181-209/23.
[7] Von Richthofen, G.,Gümüsay, A. A., Send, H. (2021): Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. In: Altenburger, R., Schmidpeter, R. (Hg.): CSR und Künstliche Intelligenz, Managementreihe corporate Social Responsibility, Springer, S. 353-366
[8] Pfeiffer, S. (2022): KI als Kollegin (KIK) – Repräsentative Beschäftigtenbefragung zur Künstli-chen Intelligenz am Arbeitsplatz. Bericht aus dem Forschungsprojekt “Künstliche Intelligenz, Mensch, Gesellschaft”. KI.Me.Ge. FAU Erlangen-Nürnberg
[9] Langer, M., König, C. J., & Busch, V. (2021): Changing the means of managerial work: Effects of automated decision support systems on personnel selection tasks. Journal of Business and Psy-chology, 36(5), 751–769.
Zusammenfassung
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt hat mitunter widersprüchliche Auswirkun-gen: KI schafft Arbeit und ersetzt die menschliche Arbeitskraft, KI entlastet, befähigt, standardisiert und schränkt ein. Für einen zukunftsfähigen Einsatz von KI im Sinne der Beschäftigten braucht es Engagement auf individueller, betrieblicher und (trans-)nationaler Ebene.