Digitalisierung
Digitalisierte Logistik im Krankenhaus?
Ist eine digitalisierte Logistik im Krankenhaus überhaupt möglich? Der Wirtschafts- und Logistikleiter des Landeskrankenhauses (LKH) Graz Michael Kazianschütz gab in einem Gespräch Einblicke in laufende Digitalisierungsprojekte und sprach über die Rolle der Arbeitssicherheit in der Krankenhauslogistik. Weitere Themen waren ein Projekt der AUVA-Landesstelle Graz zur Blickbewegungsmessung und die Erfahrungen mit diversen Robotern im Krankenhaus.
Pro Tag müssen unter anderem 3.600 Speisen, 17 Tonnen Wäsche und 9,6 Tonnen Abfall im Uniklinikum Graz transportiert werden – und dazu kommt noch eine nicht zu vernachlässigende Menge an Sterilgut, Apothekenware und Materialwirtschaftsgütern. Damit alles erfolgreich sein Ziel erreicht, sind ca. 1.400 Transportfahrten pro Tag notwendig. Ganze 50 Kilometer legt ein:e Fahrer:in pro Tag zurück. Der Großteil davon erfolgt unterirdisch mittels einer Elektroschlepperflotte – in einem Tunnelsystem unterhalb des Klinikgeländes. Ein 1,9 km langer Logistiktunnel verbindet das Versorgungszentrum mit den meisten Kliniken, nur wenige Gebäude werden oberirdisch mittels Lkw beliefert. Ebenso angebunden ist die Lieferantenzufahrt, sozusagen die Tunneleinfahrt, wo sogenannte Verteilungskoordinatoren:-koordinatorinnen die Lieferungen entgegennehmen.
„Crossings“, Monotonie und „Schlingern“ als Risiko
In allen Bereichen kommt es zu „Crossings“ (Kreuzungsvorgängen) von Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen und Fahrzeugen, wodurch gewisse Gefahrenmomente nicht ausgeschlossen sind. In der Vergangenheit wurde zur Verbesserung der Situation bereits eine eigene Logistiktunnelordnung erstellt. Diese regelt beispielsweise, dass nur im Logistiktunnel beschäftigte Personen dort auch unterwegs sein dürfen.
Neben regelmäßigen Crossings kann auch die Monotonie aufgrund der unterirdisch recht gleichbleibenden Umgebung eine Herausforderung für die Fahrer:innen sein.
Als ein drittes Risiko im Tunnelsystem nennt Kazianschütz die Gefahr des Kippens von Transportwägen, wenn z. B. zu viele Wägen an einen Elektroschlepper angehängt wurden. Um ein „Schlingern“ und in weiterer Folge ein Kippen der Transportwägen zu vermeiden, wurde die maximale Anzahl an Transportwägen, die an den Elektroschlepper angehängt werden dürfen, limitiert. Insgesamt haben sich laut Kazianschütz diese Regelungen bewährt und es gibt kaum nennenswerte Vorkommnisse.
Die Situation wird sich jedoch aufgrund laufender Um- und Zubauten, aber auch geplanter innovativer Ansätze verschärfen. Mit der Inbetriebnahme der „Radiologie neu“ und einer zusätzlichen Tunnelverbindung werden Crossings im Tunnel zwischen dem Neubau und der Tunneleinfahrt / dem Versorgungszentrum weiter zunehmen. Um dem entgegenzuwirken, wird bereits jetzt an möglichen Entflechtungen gefeilt. Konkret werden die Transportwege nach Möglichkeit neu geplant, um die Dualität von Mensch und Technik bzw. Arbeitsmittel im exponierten Bereich zu entschärfen.
Einsatz von Blickbewegungsanalysen im Logistiktunnel
Um sich die aktuelle Situation genauer anschauen zu können und bei Bedarf bereits präventiv Maßnahmen setzen zu können, wurden mit Unterstützung des Unfallverhütungsdienstes der AUVA-Landesstelle Graz und der internen Sicherheitsfachkräfte Blickbewegungsanalysen (auch „Eyetracking“ genannt) im Logistiktunnel durchgeführt.
Für die Blickbewegungsanalyse im Logistiktunnel wurde die den Schlepper führende Person mit der Eyetracking-Brille ausgestattet. Auf diese Art und Weise wird ein Perspektivenwechsel ermöglicht. Die Umgebung wird aus Sicht der Person dargestellt, die die Brille trägt. Gefahren können durch die Aufzeichnung von Blickbewegungen sichtbar gemacht werden. Es wird erkannt, ob bzw. wie die bedienende Person bei ihrer Tätigkeit abgelenkt wird, ob alle Gefahrensituationen wahrgenommen werden können und wie in verschiedenen Situationen reagiert wird. Dabei steht der Arbeitsprozess selbst im Fokus der Aufmerksamkeit und nicht die handelnde Person.
Dargestellt werden können auch Sichteinschränkungen der arbeitenden Person wie z. B. in Abbildung 1 ersichtlich. Beim Ausstieg aus dem Lift besteht kurzzeitig eine Sichteinschränkung. Personen, die im unmittelbaren Nahbereich des Liftes arbeiten, könnten übersehen werden.
Das Bild der Situation zeigt anschaulich, wie massiv die Einschränkung ist, und kann damit andere Mitarbeiter:innen sensibilisieren und zu mehr Aufmerksamkeit im betroffenen Bereich motivieren.
Aus dem Gesamtpool der gewonnenen Eyetracking-Daten werden in weiterer Folge Maßnahmen zur Erhöhung des Arbeitnehmer:innenschutzes abgeleitet. Viele der Aufzeichnungen können – wie kurz beschrieben – zur Sensibilisierung und Unterweisung der Mitarbeiter:innen herangezogen werden. Weiters können die Aufnahmen die Planungen für den Einsatz von autonomen mobilen Robotern erleichtern.
Zunehmende Digitalisierung in Form von fortgeschrittener Robotik
Zusätzliche Brisanz im Logistikbereich, aber auch Abhilfe bei Belastungen wie zum Beispiel der besprochenen Monotonie ist durch den geplanten Einsatz von „autonomen mobilen Robotern“ (AMR) gegeben. Diese sollen einerseits Mitarbeitende entlasten, indem sie Güter von A nach B transportieren können, stellen damit aber ein zusätzliches zu beachtendes Moment dar. Erfahrungen aus anderen Branchen wie der Automobilindustrie zeigen jedoch, dass der Einsatz von AMR gut funktionieren kann, sofern das Thema Arbeitssicherheit bereits beim Planen der Arbeitsprozesse mitgedacht wird.
So zeigen die durchgeführten Blickbewegungsanalysen beispielsweise anschaulich, dass Lösungen für gewohnte Routen zu Fuß z. B. mit Hubwagen erforderlich sind. Idealerweise werden Wege zu Fuß so umgestaltet, dass es zu möglichst wenigen Crossings bzw. nur zu klar definierten Crossings mit autonomen Robotern kommt (siehe Abbildung 2).
Die Einführung der neuen autonomen mobilen Roboter wird aber nicht der erste Schritt in Richtung künstliche Intelligenz und Robotik für das Universitätsklinikum sein, das diesbezüglich bereits einige Jahre an Erfahrung vorzuweisen hat. So sind seit einiger Zeit etwa der Reinigungsroboter „Franzi 2.0“ und ein Fensterreinigungsroboter im Einsatz.
Der liebevoll auf den Namen „Franzi 2.0“ getaufte Roboter wird – insbesondere bedingt durch den Personalmangel auch in der Reinigung – zur Unterstützung der Mitarbeiter:innen eingesetzt. Er basiert auf einem erfolgreichen Pilotprojekt aus dem Jahr 2022 an der Universitätsklinik für Neurologie und wurde im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Die aktuelle Version Franzi 2.0 wurde vor Kurzem sogar mit einem Arztkittel ausgestattet. Eine anfängliche Skepsis sei laut Michael Kazianschütz inzwischen einer hohen Akzeptanz durch die Mitarbeiter:innen gewichen.
Primär erfolgt durch Franzi die Reinigung von Gängen, wobei hier die Raumgeometrie automatisch vom Roboter einprogrammiert („mapping“) wird. Der Roboter merkt sich quasi die Wege selbst und kann so mühelos reinigen.
In puncto Sicherheit gibt es mehrere „features“, wie beispielsweise das rechtzeitige Erkennen von Personen und Hindernissen. Personen, die sich zum Beispiel am Gang aufhalten, werden von Sensoren erkannt und stoppen den Roboter bei Begegnungen bzw. lassen diesen seitlich ausweichen. Zusätzlich wird auf eine Unterstützung der Mitarbeiter:innen durch personenbezogene Maßnahmen wie Unterweisungen und Einschulungen Wert gelegt.
Neben Franzi 2.0 ist am Uniklinikum auch ein Fensterreinigungsroboter im Einsatz. Da es am Klinikum einige Bereiche gibt, in denen Fenster und Glasfassaden aus architektonischen Gründen nicht herkömmlich gereinigt werden können, wurde die Idee geboren, diese mithilfe eines Fensterreinigungsroboters zu reinigen. Ein:e Mitarbeiter:in steuert besagten Fensterreinigungsroboter entweder manuell oder per Smartphone-App. Um Abstürzen des Roboters an senkrechten Flächen vorzubeugen, ist dieser mit einem Absturzseil ausgestattet.
Die eingesetzten Reinigungspads werden je nach Grad der Verschmutzung gewechselt und können oftmalig in der Waschmaschine wiederaufbereitet werden. Große Glasflächen wie zum Beispiel Glastrennwände, Glastüren etc. können ohne Steighilfe und mit geringer Lautstärke gereinigt werden. Mit dem Einsatz des neuen Roboters wurde das Reinigen von Fenstern in absturzgefährdeten Bereichen deutlich sicherer gestaltet.
Quo vadis?
Was genau die Zukunft in Sachen Robotik, künstlicher Intelligenz und digitalisierter Logistik bringen wird, ist derzeit schwer abzuschätzen und wird sich zeigen. Sicher ist, dass das Universitätsklinikum LKH Graz bereits einiges an Maßnahmen gesetzt hat, um sowohl der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung zu tragen als auch neue Technologien sicher im Arbeitsalltag ihrer Mitarbeiter:innen einzubauen.
Zusammenfassung
Wie sich digitalisierte Logistik und Arbeitssicherheit verbinden lassen, zeigt dieser Artikel basierend auf einem Gespräch mit dem Wirtschafts- und Logistikleiter des LKH Graz. Besprochen werden Maßnahmen zur Erhöhung der Produktivität und Sicherheit im Rahmen der Logistik, u. a. beim Einsatz von Elektroschleppern und Robotern. Ein gemeinsam mit der AUVA-Landesstelle Graz durchgeführtes Eyetracking-Projekt wird vorgestellt.