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AUVAfit

Arbeitsgestaltung mittels sozial-flankierender Aktivitäten

Kernaufgaben beruflicher Rehabilitations- und AMS-naher Bildungseinrichtungen umfassen die Qualifizierung, Vermittlung und Administration von Kursteilnehmern:-teilnehmerinnen. Unterstützenden sozial-flankierenden Aktivitäten kommt bei deren Umsetzung eine große Bedeutung zu.

© Eckerstorfer

Für die Gestaltung sozial-flankieren­der Aktivitäten – als Quelle psychischer Arbeitsbelastung sowie als Ressource für eine gute Arbeitsgestaltung – benötigt es differenzierte Daten für Taten.

Präventionsprogramm: „AUVAfit“

Dazu wurde von 2014 bis 2019 im BFI Burgenland das Präventionsprogramm „AUVAfit“ entlang von drei Mitarbeiter:innenbefragungen, wiederholten qualitativen Analysen und diversen Interventionen zu verschiedenen Zeitpunkten sowie einer mehrmonatigen beteiligungsorientierten Arbeits­gestaltung als Maßnahmenentwicklung durchgeführt.

Sozial-flankierende Aktivitäten

Sozial-flankierende Aktivitäten sollen Teilnehmer:innen beruflicher Rehabilitations- und AMS-naher Bildungseinrichtungen unterstützen, beruflich und sozial handlungsfähig zu werden bzw. zu bleiben10. Erreicht werden kann dies entlang psycho-sozialer, emotionaler und gesundheitlicher Stabilisierung und Kompetenzerweiterung, einer Stärkung der Selbstbestimmung und -verantwortung, einer Erweiterung der beruflichen und sozialen Perspektiven sowie einer Wiedergewöhnung an soziale und institutionalisierte Lernprozesse6. Sozial-flankierende Aktivitäten sind: 

  • Sozial-flankierende Tätigkeiten als (Beratungs-)Gespräche, Einzel- und Gruppencoachings sowie Unterstützung und (soziale) Begleitung bei diversen psycho-sozialen und emotionalen Problemen sowie eine Zusammenarbeit mit verschiedenen, auch organisationsexternen – sozial-flankierenden – Akteuren:Akteurinnen und 
  • Sozial-flankierende Maßnahmen als Gestaltung stabilisierender organisatorischer Unterstützungsstrukturen.
  • Belastungen durch 
  • sozial-flankierende Aktivitäten 
  • Verdichtung sozial-flankierender Tätigkeiten durch einen personellen Um- und Abbau, vor allem auch im sozial-pädagogischen Bereich infolge veränderter sozialpolitischer Rahmenbedingungen 
  • Hohe Bearbeitungs- und Betreuungsintensität aufgrund schwieriger Biografien von Teilnehmern:Teilnehmerinnen 
  • Anspruchsvolle Kooperationsarbeit mit Teilnehmern:Teil­nehmerinnen durch eine ausgeprägte emotionale Eingebundenheit von Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen in lebensbiografische Zusammenhänge von Teilnehmern:Teilnehmerinnen samt mangelnder Berücksichtigung und Anwendung emotionsregulierender Strategien
  • Wenig ausdifferenzierte Methoden bei sozial-flankierenden Aktivitäten, auch infolge von oft nicht explizit ausgewiesenen Prozessen dazu
  • Unstimmigkeiten und Kränkungen unter Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen infolge eines oft gering ausgeprägten Konsenses hinsichtlich der Leistungsziele 
  • Ungünstige informative Versorgung bedingt durch informative Brüche aufgrund des informellen Charakters sozial-flankierender Aktivitäten 
  • Unzulängliche Eingebundenheit in Planungs- und Entscheidungsprozesse durch unzureichende Austausch- bzw. Mitsprachemöglichkeiten von Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen und Arbeitsteams 
  • Mangelnde Wertschätzung sozial-flankierender Aktivitäten als wichtigen Beitrag zur Zielerreichung und implizite Abwertung als Regulationsbehinderung (im Sinne von „Störungen“ der Arbeitsabläufe und des Bildungsgeschehens)5
Funktionsübergreifende Fallbesprechung © Eckerstorfer

Modell einer sozial-aktivierenden Arbeitsgestaltung

Die Gestaltung sozial-flankierender Aktivitäten passiert in der Regel kommunikativ und fokussiert vor allem auf ein „Wie“ der Leistungserbringung. Das Modell einer sozial-aktivierenden Arbeitsgestaltung skizziert hierzu einen Rahmen2,3,4. Dabei gilt es, nicht nur die Arbeitsaufgaben und -abläufe im Blick zu haben, sondern vor allem folgende Punkte zu beachten:

  • Unternehmens- und Führungs- / Leadership-Kultur
  • fachliche und sozial-emotionale Kompetenz des Personals
  • innerbetriebliche soziale Beziehungen 
  • selbstorganisierte Arbeitsweisen 
  • emotionsregulierende, kommunikative Haltungen, Strategien und Techniken

Dabei soll die Zusammenarbeit nicht nur auf sachlich-rationale Dimensionen fokussieren. Psycho-soziale und emotionale Themen, kurz „Menschlichkeit“, sollten in die Arbeitsgestaltung miteinbezogen werden7. Emotionen, wertneutral gesehen, gelten dabei als Grundlage für eine gute Arbeitsgestaltung. Bei ausreichendem Raum dafür kann es gelingen, Arbeitsbedingungen (kommunikativ) menschlich(er), günstig(er) und auch „geschmeidig(er)“ wahrzunehmen und zu gestalten. Dazu erforderlich sind kommunikative Strategien in Form professioneller Anteilnahme durch Empathie und Abgrenzung („Detached Concern“)8. Als kommunikative Technik bietet sich, vor allem in der Arbeit mit Teilnehmern:Teilnehmerinnen, das „Motivational Interviewing“ als beziehungsförderliche, klientenorientierte und motivierende Gesprächsführung an9.

Prinzipien einer sozial-aktivierenden Arbeitsgestaltung

Die verschiedenen inferenzstatistischen Auswertungen im Laufe des „AUVAfit“-Projekts im BFI Burgenland ergaben, dass es in erster Linie „weiche“ Faktoren sind, die Gesundheit und Wohlbefinden sowie Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Mitarbeiter:innen fördern und unterstützen. Das sind etwa Mitarbeiter:innen-orientierte Unternehmensführung, Wertschätzung, (soziale) Unterstützung und Rückendeckung, Möglichkeiten zur Arbeitsgestaltung (Zugestehen von Tätigkeitsspielräumen), gute Konfliktkultur (im Sinne einer Lösungskultur) sowie adäquate informative Versorgung.

Zur Gestaltung sozial-flankierender Aktivitäten bedarf es darüber hinaus folgender Gestaltungsprinzipien /Ansatzpunkte:

  • Wirkungs- und Leistungsziele: Konsens hinsichtlich gemeinsamer Werte, Ziele und Leitsätze bezüglich sozial-flankierender Aktivitäten
  • Führung und Leadership mit Fokus auf eine Balance von Regelungen und Freiräumen, die auf die Eigenverantwortung der Mitarbeiter:innen fokussieren. Führung soll nicht nur instrumentell-funktional, sondern vor allem sozial und verständigungsorientiert sein.
  • Selbstorganisierte Arbeitsweisen sollen ermöglicht und unterstützt werden. Das fördert eine kollektive Identität und Identifikation mit der Arbeit. 
  • Kommunikative Haltungen, Strategien und Techniken: Lebendige Kommunikation und gelingende Kooperationen brauchen sozial-kommunikative Räume und tragfähige kommunikative Haltungen und Strategien. Das Konzept des „Detached Concern“ in Form einer „professionellen Anteilnahme durch Empathie und Abgrenzung“8 kann hier die (Beziehungs-)Arbeit und die kommunikativen Anforderungen zwischen allen Beteiligten erleichtern und helfen, fallweise auftretende emotionale Irritationen und Kränkungen zu verhindern, abzuschwächen oder gar aufzulösen. Motivational Interviewing als kommunikative Technik in der (Beziehungs-)Arbeit mit Klienten:Klientinnen ist für einen Umgang mit Widerständen gut geeignet. Es wird beschrieben als „kooperativer, zielorientierter Kommunikationsstil mit einer besonderen Aufmerksamkeit auf die Sprache der Veränderung, Bestärkung, Erhalt“9.
© Eckerstorfer 2024

Arbeitsgestaltungsmaßnahmen, die

im „AUVAfit“-Projekt im BFI Burgenland über mehrere Monate beteiligungsorientiert erarbeitet wurden, waren:

  • Erweiterung der Wert- und Leitsätze hinsichtlich sozial-flankierender Aktivitäten
  • Abbildung sozial-flankierender 
  • Tätigkeiten in Stellenbeschreibungen
  • Beseitigung von Regulationsbehinderungen im Bereich: Kommunikation und Informationsaustausch
  • Korrekter Umgang mit sensiblen personenbezogenen Daten
  • Orientierungs- statt „Sanktions- 
  • und Drop-out-Tools“ (v. a. bei 
  • Maßnahmen für Jugendliche) 
  • Abbildung sozialer Problemstellungen von Teilnehmern:Teilnehmerinnen in der Trainer:innen-Dokumentation 
  • Internes Krisenmanagement 
  • Standardisiertes Vorgehen hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Eltern und Erziehungsverantwortlichen
  • Inter- und Supervisionsangebote für Mitarbeiter:innen 
  • Handlungsorientierte betriebliche Qualifizierungen für sozial-flankierende Tätigkeiten

Zusammenfassung

Insgesamt sind sozial-flankierende Aktivitäten aufgrund ihres informellen Charakters schwierig zu organisieren. Die Arbeitsprozesse sind emotional oft herausfordernd und durch zwangsläufig miteinfließende Empathie, Wertschätzung und Anerkennung beeinflusst. Der damit verbundene Aufwand kann auch als Belastungsfaktor von personenbezogenen Dienstleistungen angesehen werden.

Ansatzpunkte für die Vermeidung dieser und der weiteren, oben genannten, Belastungen sind: eine Unternehmens- und Führungs- / Leadership-Kultur, fachliche und sozial-emotionale Kompetenzen des Personals, innerbetriebliche soziale Beziehungen, selbstorganisierte Arbeitsweisen sowie emotionsregulierende, kommunikative Grundhaltungen, Strategien und Techniken. 

Gut regulierte Emotionen ermöglichen es, Arbeitsbedingungen (kommunikativ) menschlich, günstig und auch „geschmeidig“ zu gestalten. Dafür notwendige kommunikative Haltungen, Strategien und Techniken wirken in Form professioneller Anteilnahme durch Empathie und Abgrenzung („Detached Concern“) und in Form von „Motivational Interviewing“ als beziehungsförderliche, klienten:-klientinnenorientierte und motivierende Gesprächsführung.

Damit wird eine wertschätzend gelebte, empathisch entspannte Haltung gegenüber Kooperationspartnern:-partnerinnen ermöglicht, die einen professionellen Umgang mit diversen Herausforderungen und Unwägbarkeiten ermöglicht. Dieser kann auch als „Potenzial für eine Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten“ verstanden werden1, indem im Zuge von sozial-flankierenden Aktivitäten die Handlungsorientierung keinen „Zusatzaufwand“ darstellt, sondern vielmehr helfen kann, Qualität und Effizienz der Arbeit zu erhöhen und zugleich die subjektive Belastung aller Beteiligen zu reduzieren11.

Diese Form der Arbeitsgestaltung fördert zudem die Identifikation der Mitarbeiter:innen mit den Werten, Zielen und Leitsätzen der Organisation sowie die Bindung an das jeweilige Unternehmen. Es wird damit ein Handlungsrahmen geschaffen, der den menschlichen Basismotiven nach Kontrolle, Einflussnahme, Persönlichkeitsentwicklung und Kompetenzerweiterung gerecht wird und der die für Mitarbeiter:innen so wichtige Sinnstiftung generiert. Insofern erscheinen sozial-flankierende Aktivitäten nicht nur sinnhaft und erfüllend, sondern zudem vielseitig und interessant, da unterschiedlichste Ansprüche auf einen Nenner gebracht werden müssen. Gerade deshalb sind sie jedoch auch als fordernd einzustufen, wobei eine sozial-aktivierende Arbeitsgestaltung etwaiger Überforderung entgegenwirken kann.

„AUVAfit“ – das kostenlose Präventions- und Beratungs­angebot der AUVA

Es besteht die Möglichkeit, in weiteren „AUVAfit“-Projekten von MMag. Eckerstorfer, MPH gute Arbeitsbedingungen zu bestimmen und zu gestalten. Bei Interesse an einer kostenlosen „AUVAfit“-Beratung nehmen Sie bitte Kontakt mit MMag. Eckerstorfer, MPH auf. 

Zusammenfassung

Es werden Ursachen für Arbeitsbelastungen sowie Prinzipien für eine günstige Gestaltung von sozial-flankierenden Aktivitäten in beruflichen Rehabilitations- und AMS-nahen Bildungseinrichtungen beschrieben. Dabei wird auf das Konzept der Handlungsorientierung Bezug genommen und auf eine sozial-kommunikative und vor allem auch selbstorganisiert kooperative Ausführung und Organisation der Arbeit fokussiert. Diese Prinzipien werden in ein Modell zur sozial-aktivierenden Arbeitsgestaltung integriert, das vorgestellt wird.


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