Ergonomie
Körperliche Belastungen am Arbeitsplatz
Langes Sitzen, schweres Heben, häufige Bewegungswiederholungen – wann werden Belastungen zu Schmerzen, und was muss der:die Arbeitgeber:in tun? Eine gute Evaluierung dieser Belastungen hilft dabei, geeignete Maßnahmen zu setzen.
Körperliche Belastungen am Arbeitsplatz können ganz unterschiedlich aussehen. Beispiel 1: Michael startet seinen Dienst als Küchenmonteur um 7 Uhr. Nach der morgendlichen Besprechung belädt er den Lieferwagen und schlichtet zusammen mit einem Kollegen verschieden schwere Pakete in das Auto ein. Danach machen sich die beiden Männer auf den Weg zum ersten Termin, laden die Pakete mit den Küchenmöbeln aus, tragen die einzelnen Teile zum Kunden und montieren die Küchenmöbel. Am Ende des Arbeitstages machen sich die zwei Kollegen auf den Weg zurück in die Firma und beenden ihren Dienst. Beispiel 2: Sonjas Arbeitstag sieht ganz anders aus, sie arbeitet als Friseurin. Heben und Tragen von Lasten kommt nur sehr selten vor, hauptsächlich arbeitet sie stehend, während sie die Haare ihrer Kunden:Kundinnen wäscht, schneidet, färbt oder glättet.
Michael und Sonja üben ganz unterschiedliche Berufe aus und sind beide verschiedenen körperlichen Belastungen an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt. Die zwei Geschichten stehen für jede:jeden von uns: Jeder Arbeitsplatz und jede Arbeitstätigkeit ist von anderen körperlichen Belastungen betroffen.
Unter körperlicher Belastung wird meist körperliche Arbeitsschwere verstanden, das heißt, das Aufbringen von sehr hohen Kräften oder das Heben und Tragen schwerer Lasten. Neben diesen Belastungsarten zählen aber auch Körperzwangshaltungen wie langes Stehen oder repetitive Bewegungen, wie es an Produktionsarbeitsplätzen häufig der Fall ist, zu verschiedenen Formen der körperlichen Belastungen.
Unabhängig von der Belastungsart sind körperliche Belastungen immer objektiv messbar und für jede Person gleich. Daraus resultieren individuelle Reaktionen, die Beanspruchung genannt werden und sehr unterschiedlich sein können. Sie zeigen sich beispielsweise in Schwitzen, erhöhtem Pulsschlag, Muskelaufbau oder aber auch Ermüdung oder Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE). Sowohl Belastungen als auch Beanspruchungen sind nicht generell negativ, es gilt der Grundsatz, „die Dosis macht das Gift“.
Deutliche Gesetzgebung
Bezogen auf die Dosis der körperlichen Belastungen findet man im Arbeitnehmer:innenschutzgesetz (ASchG) nur wenig konkrete Angaben, allerdings ist der Gesetzgeber dennoch durchaus deutlich. Er verweist in § 64 ASchG darauf, dass es bei der Handhabung von Lasten zu keiner Gefährdung des Bewegungs- und Stützapparats kommen darf bzw., dementsprechende Maßnahmen zu setzen sind, um solche Gefährdungen möglichst gering zu halten.
Auch die Themen Zwangshaltungen, taktgebundenes Arbeiten oder einseitige Belastungen finden sich im ASchG wieder, und auch hier gibt das Gesetz vor, dass gesundheitsschädigende Auswirkungen möglichst gering gehalten werden sollen. Mit Ausnahme des Mutterschutzgesetzes findet man in Österreich im Bereich des Arbeitnehmer:innenschutzes keine klaren gesetzlichen Lastgrenzen. Diese müssen u. a. im Rahmen der Arbeitsplatzevaluierung festgelegt werden.
Hohe körperliche Belastungen entstehen meist durch das Zusammenwirken von verschiedenen Faktoren. Treffen beispielsweise Parameter wie Lastschwere, Körperhaltung oder Häufigkeit ungünstig aufeinander, erhöht sich das Risiko einer körperlichen Überbeanspruchung und damit gleichzeitig das Risiko von negativen gesundheitlichen Folgen wie Muskel-Skelett-Erkrankungen. Zu MSE zählen Erkrankungen wie Rückenschmerzen, Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich oder Schmerzen in Händen und Armen.
Evaluierung der körperlichen Belastungen
Es bleibt die Frage: „Ab welcher Belastungshöhe kommt es zu gesundheitsschädigenden Auswirkungen und einer Gefährdung des Bewegungs- und Stützapparates?“ Diese Frage muss der:die Arbeitgeber:in für die jeweiligen Arbeitsplätze und Arbeitstätigkeiten im Rahmen der Arbeitsplatzevaluierung abklären. Ebenso wie andere Gefährdungen und Gefahren, welche am Arbeitsplatz auftreten können, müssen auch körperliche Belastungen ermittelt und beurteilt werden, um das Risiko einer Gesundheitsgefährdung einzuschätzen und mögliche notwendige Maßnahmen zu setzen.
Die Wahl des Verfahrens obliegt dem:der Arbeitgeber:in, Bewertungstools und Fachnormen helfen dabei, körperliche Belastungen zu erfassen, zu quantifizieren und das Risiko negativer Folgen für den Muskel-Skelett-Apparat einzustufen.
Ergonomische Bewertungsverfahren kann man auf verschiedenen Ebenen durchführen. Sie erfordern je nach Komplexität unterschiedliche Ressourcen. Für den Bereich der betrieblichen Praxis haben sich im deutschsprachigen Raum vor allem die kostenlos zur Verfügung stehenden Leitmerkmalmethoden durchgesetzt. Die von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) neu überarbeiteten und validierten Methoden bieten für unterschiedliche Belastungsarten jeweils eine Leitmerkmalmethode an. So lässt sich zum Beispiel anhand der Methode „Heben, Halten und Tragen von Lasten ≥ 3 kg“ eine Risikoeinschätzung für die Lastenhandhabung über den gesamten Arbeitstag durchführen. Hierzu werden verschiedene Parameter wie Lastgröße, Körperhaltung, Ausführungsbedingungen oder Häufigkeit erfasst, in Bezug zueinander gesetzt und ein Punktewert gebildet. Dieser Punktewert kann in eine vierstufige Skala eingeordnet werden und zeigt anhand eines Ampelschemas die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung und dient damit als Basis für eine weitere Maßnahmensetzung.
Zusammenfassung
Unterschiedliche Berufe sind mit verschiedensten körperlichen Belastungen für die Beschäftigten verbunden. Laut ASchG muss der:die Arbeitgeber:in dementsprechende Maßnahmen treffen, dass Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Die Evaluierung der Maßnahmen unterliegt dem:der Arbeitgeber:in.