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Komm gut an!

Arbeitsplatz Cockpit

Im Rahmen eines Projekts wurden die Belastungen von Lkw-Fahrern:-Fahrerinnen in unterschiedlichen Logistikbereichen erhoben und Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen erarbeitet. Probleme gibt es vor allem im Stadtverkehr. Als besonders wirksam und einfach umsetzbar werden regelmäßige firmenseitige Schulungen für Lkw-Lenker:innen angesehen.

eine Gruppe Kinder bei einem Schulungs-LKW
Die Schulung anderer Verkehrsteil­nehmer:innen kann dazu beitragen, Unfälle mit Lkw zu verhindern © KFV

Schwierigkeiten mit der Verpflegung, Zeitdruck, aggressive Verkehrsteilnehmer:innen – dass die körperlichen und psychischen Belastungen von Lkw-Fahrern:-Fahrerinnen hoch sind, ist bekannt. Die Frage, ob die gleichen negativen Einflussfaktoren auf den gesamten Lkw-Verkehr zutreffen, wurde bisher jedoch noch nicht wissenschaftlich untersucht. Das Projekt „Arbeitsplatz Cockpit“ konnte diese Wissenslücke schließen.

„Arbeitsplatz Cockpit“ wurde vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) gemeinsam mit der Technischen Universität Wien und der nast consulting Ziviltechniker GmbH durchgeführt und im Rahmen des 6. Calls „schwer – Verkehr – sicher!“ des Österreichischen Verkehrssicherheitsfonds gefördert. Ziel des Projekts war, die Herausforderungen für Lkw-Lenker:innen in unterschiedlichen Logistikbereichen zu identifizieren und Vorschläge für Maßnahmen auszuarbeiten.

Unfälle mit Lkw-Beteiligung

Eine Reduktion der Belastungen soll nicht nur die Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer:innen verbessern, sondern auch die Anzahl der Unfälle auf Österreichs Straßen senken. Laut amtlicher Unfallstatistik von 2017 bis 2021 waren Lkw jährlich an durchschnittlich 3,9 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden beteiligt. Pro Jahr kam es im Schnitt bei 49 Lkw-Unfällen zu tödlichen Verletzungen, in 48 Prozent der Fälle handelte es sich dabei um Insassen:Insassinnen am Unfall beteiligter Pkw, in 13 Prozent um Fußgänger:innen.

eine Frau und ein Mann blicken gemeinsam auf eine Schreibunterlage, die Frau erkärt etwas, der Mann hört zu
Regelmäßige firmenseitige Schulungen von Lkw-Fahrern:-Fahrerinnen und die Weiter­entwicklung von Fahrer:innen­assistenz­systemen sind die wirk­samsten Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrs­sicherheit © Adobe Stock / goodluz

Aber auch für die Lkw-Lenker:innen selbst besteht – trotz der erhöhten Position der Fahrer:innenkabine und der Masse des Fahrzeugs – ein nicht zu unterschätzendes Verletzungsrisiko. Allein im Jahr 2022 wurden auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen mehr als 300 Lkw-Fahrer:innen bei Unfällen verletzt, neun weitere getötet. „Lkw-Fahrer:innen haben oft ein falsches Bild von Sicherheit“, so Peter Schwaighofer, BSc, Experte für Verkehrssicherheit in der AUVA-Hauptstelle.

Die häufigste Unfallursache mit Lkw-Beteiligung ist Unachtsamkeit bzw. Ablenkung, gefolgt von Vorrangverletzung und zu geringem Sicherheitsabstand. Hauptverursachende sind in erster Linie Pkw-Fahrer:innen. Platz zwei kommt Lkw-Alleinunfällen zu, Platz drei Fahrradfahrern:-fahrerinnen. „Radfahrer:innen werden leicht übersehen, vor allem beim Rechtsabbiegen. Das rechtzeitige Erkennen von Radfahrenden und Zufußgehenden ist für die Lkw-Fahrer:innen herausfordernd und daher ein Stressfaktor“, erklärt Mag.ª Raffaela Neustifter, Projektleiterin im Forschungsbereich für Verkehrssicherheit des KFV und Ko-Autorin des Berichts zum „Arbeitsplatz Cockpit“.

Porträtbild Raffaela Neustifter
Raffaela Neustifter © KFV

Allgemeine Problemlagen

Welche Faktoren die größten Belastungen für Lkw-Fahrer:innen darstellen, wurde bei dem Projekt in telefonischen Tiefeninterviews erhoben. 20 Lkw-Lenker:innen aus den Bereichen Baustellenlogistik, Entsorgungslogistik, Handelslogistik, Service- und Dienstleistungsverkehr sowie Spedition inklusive Paketdienstleistungen nahmen teil.

Unter den allgemeinen Problemlagen wurden die Lenk- und Ruhezeiten am häufigsten genannt. Zwölf Befragte gaben an, dass sie die – durch eine EU-Verordnung geregelten – starren Vorgaben zur Einhaltung der Ruhezeiten als problematisch und nachteilig für die Verkehrssicherheit sehen, da man die Pausen nicht nach Bedarf gestalten kann. Aufgrund fehlender Parkmöglichkeiten oder auch der getakteten Fahrpläne lassen sich die Ruhezeiten nur schwer einhalten.

Die finanzielle Situation lag bei den Belastungen an zweiter Stelle. Das vergleichsweise geringe Gehaltsniveau ergibt sich nach Ansicht der Befragten unter anderem aus dem steigenden Preisdruck, den die Unternehmen an die Lkw-Fahrer:innen weitergeben. Dazu kommen Verkehrsstrafen, welche die Lenker:innen selbst bezahlen müssen. Die weiteren angeführten Punkte waren Gesetzesverstöße bzw. Rücksichtslosigkeit anderer Verkehrsteilnehmer:innen, ein negatives Bild von Lkw-Fahrern:-Fahrerinnen in der Gesellschaft sowie Aggressivität und Egoismus im Straßenverkehr.

Verkehrssicherheitsprobleme

Auf die Frage nach jenen Problemen, welche die Verkehrssicherheit gefährden, nannten die Befragten am häufigsten wieder die Aggressivität und den Egoismus anderer Verkehrsteilnehmer:innen. Als konkrete Beispiele wurden das absichtliche Missachten des Vorrangs oder das „Schneiden“ beim Spurwechsel angeführt.

Im Stadtverkehr gilt allein schon das hohe Verkehrsaufkommen als Risikofaktor. Der Rechtsabbiegevorgang bei einem Lkw stellt nach Ansicht der Befragten ebenfalls eine Gefahr für die Verkehrssicherheit dar, die sich allerdings durch Fahrer:innenassistenzsysteme wie Abbiegeassistenten verringern lässt. Ablenkung, etwa durch das Hantieren mit dem Handy, wird vor allem als Problem anderer Verkehrsteilnehmer:innen betrachtet. Laut eigenen Angaben ist die Aufmerksamkeit der Lkw-Fahrer:innen nur manchmal beeinträchtigt, wenn sie während der Fahrt etwas trinken oder eine Kleinigkeit essen.

Unterschiede nach Bereichen

Je nach Bereich nannten die Befragten unterschiedliche allgemeine Problemlagen und Verkehrssicherheitsprobleme. Für Lkw-Fahrer:innen aus der Baustellenlogistik waren das geringe Gehalt sowie Schwierigkeiten mit den Lenk- und Ruhezeiten die größten Belastungen. Auch für die Befragten aus der Entsorgungslogistik standen Probleme mit dem Gehalt an erster Stelle, gefolgt von Gesetzesverstößen anderer Verkehrsteilnehmer:innen, der Aggressivität im Straßenverkehr und dem psychischen Druck.

Hände, die ein großes Lenkrad halten; im Hintergrund eine Wohnhausanlage
Der Stadtverkehr stellt für Lkw-Lenker:innen eine besondere Herausforderung dar © Adobe Stock / KM.Photo

In der Handelslogistik sowie im Service- und Dienstleistungsverkehr wurden insbesondere Lenk- und Ruhezeiten sowie Gesetzesverstöße anderer Verkehrsteilnehmer:innen am häufigsten als problematisch angesehen. Auch die Beschäftigten im Speditionsverkehr nannten die Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten als Herausforderung. Weitere Probleme sind für sie die Parkplatzsituation insbesondere auf Autobahnen und Schnellstraßen sowie das negative gesellschaftliche Bild von Lkw-Fahrern:-Fahrerinnen.

Einige der Befragten, vor allem jene aus der Baustellen- und Entsorgungslogistik, hatten bereits mindestens einen Unfall erlebt. Meist waren nur Sachschäden die Folge. Der Großteil der Unfälle betraf Unachtsamkeiten wie Anfahren an den Randstein, Beschädigung des Unterfahrschutzes oder Streifkollisionen. Ein im Service- und Dienstleistungsverkehr tätiger Lkw-Lenker schilderte den Verlust der Ladung und gab als Grund für die mangelhafte Ladungssicherung psychische Belastung durch Stress an.

Fokusgruppe Lkw-Fahrer:innen

Nach den Tiefeninterviews wurde eine Online-Fokusgruppe durchgeführt, an der 13 Lkw-Lenker:innen teilnahmen. „Ihre Aufgabe war, sich mit den Problemlagen aus den Einzelinterviews näher zu befassen. Sie sollten sich auf ein Thema einigen, das sie für besonders wichtig halten. Die Entscheidung fiel auf den Stadtverkehr. Nur für Langstreckenfahrer:innen waren geeignete Rastplätze und das Einhalten der Ruhezeiten ein größeres Problem“, so Neustifter.

Welche Aspekte des Stadtverkehrs speziell als belastend eingestuft wurden, hängt vom Bereich ab, in dem die Lkw-Fahrer:innen tätig sind. Die Beschäftigten in der Baustellenlogistik führten vor allem das Fehlen von Ladezonen an. Enge Gassen und rücksichtslose Verkehrsteilnehmer:innen bereiten den Lkw-Lenkern:-Lenkerinnen in der Entsorgungslogistik die größten Probleme. Im Service- und Dienstleistungsverkehr arbeitende Personen leiden hauptsächlich unter dem psychischen Druck aufgrund der hohen Verkehrsdichte und der Rücksichtslosigkeit anderer Verkehrsteilnehmer:innen. Im Speditionsverkehr macht den Fahrern:Fahre­rinnen der Mangel an Parkplätzen und das geringe Ansehen ihres Berufs zu schaffen.

Die Teilnehmenden an der Fokusgruppe sollten sich Vorschläge für die Lösung der genannten Probleme im Stadtverkehr überlegen. An erster Stelle wurde eine Sensibilisierung der schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen genannt, gefolgt vom verstärkten Einsatz von Toter-Winkel- bzw. Abbiegeassistenten. „Den anderen Verkehrsteilnehmern:-teilnehmerinnen fehlt oft das Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen der Lkw-Fahrer:innen“, so Neustifter.

zwei Männer in einem LKW essen lächelnd
Für Lkw-Lenker:innen ist es schwer, die richtige Verpflegung zu bekommen. Wegen der Größe der Fahrzeuge lassen sich Lebensmittelgeschäfte oft nicht anfahren, Pausen und Mittag­essen werden aufgrund von Zeitdruck ausgelassen © Adobe Stock / Drazen

Fokusgruppe Stakeholder:innen

Ergänzende Informationen aus Sicht der Stakeholder:innen im Bereich Schwerverkehr wurden über eine zweite Fokusgruppe eingeholt. Dieser gehörten Vertreter:innen der Wirtschaftskammer, der ASFINAG und eines Lkw-Fahrer:innenclubs, Geschäftsführer:innen von Unternehmen aus unterschiedlichen Logistikbereichen sowie Verkehrspsychologen:-psychologinnen und Verkehrssicherheitsexperten:-expertinnen an.

Bei der Diskussion in der Fokusgruppe wurden die von den Lkw-Fahrern:-Fahrerinnen genannten Punkte ebenfalls als problematisch eingestuft. Zusätzlich führte die Stakeholder-Gruppe weitere Belastungsfaktoren an: Die in Österreich für Lkw über 7,5 t geltende Geschwindigkeitsbeschränkung in der Nachtzeit führe zu einer hohen Geschwindigkeitsdifferenz gegenüber anderen Fahrzeugen, was die Unfallgefahr erhöhe. Außerdem bestünden Sichteinschränkungen durch Verkehrszeichen.

Von den Stakeholdern:Stakeholderinnen wurde auch das Thema Ernährung angesprochen. „Die richtige Verpflegung zu bekommen ist schwierig, wenn man wegen der Größe des Fahrzeugs Lebensmittelgeschäfte oftmals nicht anfahren kann“, gibt Schwaighofer zu bedenken. Lässt ein:e Lkw-Lenker:in das Mittagessen mangels einer geeigneten Einkaufs- bzw. Einkehrmöglichkeit oder aufgrund von Zeitdruck aus, kann es zu einem Blutzuckerabfall kommen. Symp­tome wie Sehstörungen oder Schwindel erhöhen das Risiko von Unfällen.

Die von den Lkw-Fahrern:-Fahrerinnen genannten Maßnahmen zur Reduktion ihrer Belastungen wurden von den Stakeholdern:-holderinnen als sinnvoll erachtet und durch weitere Vorschläge ergänzt. So sollte etwa das Angebot an gesunden Speisen unterwegs verbessert und bei Fah­rern:Fahrerinnen ein Bewusstsein für die Gefahr der Unterzuckerung geschaffen werden. Wichtig sei auch, die Deaktivierung von Fahrer:innenassistenzsystemen zu verhindern sowie Lkw-Routingsysteme bereitzustellen, um Ortsgebiete und Straßen mit stärkerer Steigung leichter vermeiden zu können. Systeme für den Informationsaustausch zwischen Infrastruktur und Fahrzeug wären zur Warnung vor Gefahrenstellen geeignet.

Workshop Stakeholder:innen

Anschließend an die Fokusgruppe fand ein Online-Workshop der Stakeholder:innen statt, in dem die Umsetzbarkeit der besprochenen Maßnahmen und deren Wirkung auf die Verkehrssicherheit bewertet wurden. Unter Berücksichtigung einerseits der Wirksamkeit, andererseits der Umsetzbarkeit erreichte eine regelmäßige firmenseitige Schulung der Lkw-Fahrer:innen den höchsten Durchschnittswert, gefolgt von der Weiterentwicklung von Fahrer:innenassistenzsystemen.

Weitere gut bewertete Maßnahmen waren die Weiterentwicklung und Implementierung von Systemen zur Gefahrenstellenwarnung, die Berücksichtigung des Sichtfelds der Lkw-Lenker:innen und der Lkw-Breite bei der Neu- bzw. Umgestaltung von Straßen sowie die Bewusstseinsbildung zum Thema Gesundheit und Ernährung.

Maßnahmen zur Liberalisierung der Vorschriften für Lenk- und Ruhezeiten sahen die Stakeholder:innen als wenig wirksam und schwierig umsetzbar an. Eine zwar als wirksam bewertete Maßnahme betrachteten die Workshop-Teilnehmer:innen jedoch als wenig realistisch, so Neustifter: „Die Schulung anderer Verkehrsteilnehmender wird als schwer umsetzbar bewertet. Eine Bewusstseinsbildung kann nur über eine lange Zeit hinweg gelingen, sollte aber unbedingt in Angriff genommen werden, da die Wirkung auf die Verkehrssicherheit als sehr hoch eingestuft werden kann.“

Zuammenfassung

In dem Projekt „Arbeitsplatz Cockpit“ erhob das Kuratorium für Verkehrssicherheit gemeinsam mit der TU Wien und der nast consulting Ziviltechniker GmbH, welchen Belastungen Lkw-Fahrer:innen in unterschiedlichen Logistikbereichen ausgesetzt sind, und erarbeitete Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen.


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