Good Practice
Gastronomie im Hochgebirge
Das Matrashaus in den Berchtesgadener Alpen zählt zu den Kategorie-1-Hütten, die nur nach einem längeren Fußmarsch oder mit dem Hubschrauber erreichbar sind. Auch hier gelten Vorschriften zu Sicherheit und Gesundheitsschutz, die man allerdings schwerer umsetzen und kontrollieren kann als bei einem herkömmlichen Gasthaus.
Eine Schutzhütte stellt an den:die Betreiber:in ganz andere Anforderungen als ein Gastronomiebetrieb im Tal. Welche das sind, weiß Roman Kurz genau, denn er ist seit 31 Jahren Hüttenwirt und seit 25 Jahren Pächter eines der am höchsten gelegenen Schutzhäuser in den österreichischen Alpen. Das Matrashaus steht auf 2.941 m Höhe am Gipfel des Hochkönigs und lässt sich nur zu Fuß oder mit dem Hubschrauber erreichen.
Durch den langen Aufstieg von mindestens fünf bis sechs Stunden ergeben sich auch für den Besuch durch AUVAsicher-Präventivfachkräfte Schwierigkeiten: Legt ein:e Mitarbeiter:in den Weg ohne Begleitung zurück, handelt es sich um einen Alleinarbeitsplatz. Darüber hinaus sind Auf- und Abstieg samt Begehung nicht an einem Arbeitstag bewältigbar.
Arbeitsinspektions-Schwerpunkt
Ing.in Maria Weinhart, AUVAsicher-Sicherheitsfachkraft und Einsatzleiterin im Präventionszentrum Salzburg, war gefordert, gemeinsam mit Kurz eine Lösung zu finden. Den Anlass dafür bot der Kontrollschwerpunkt der Salzburger Arbeitsinspektion, die im Herbst 2022 einen Fokus auf Berghütten legte. Geplant war auch eine Begehung des Franz-Eduard-Matras-Hauses, wie es mit vollem Namen heißt. Neben dem Arbeitsinspektor sollten auch der Geschäftsstellenleiter des Österreichischen Touristenklubs (ÖTK) als Verpächter der Hütte, Fachleute zur Überprüfung der elektrischen Anlagen und der Brandschutzeinrichtungen sowie Weinhart als Vertreterin von AUVAsicher vor Ort sein.
Schnell war klar: Diese Gruppe von Personen konnte nur mit dem Hubschrauber zum Matrashaus transportiert werden. Das klingt einfacher, als es ist, da die Wetterbedingungen häufig keine Flüge erlauben. „80 bis 90 Prozent der Hubschrauberflüge müssen verschoben werden. Die Gründe sind starker Wind und Nebel, der aufsteigt und den Gipfel einhüllt“, erklärt Kurz. Das ist vor allem deswegen ein Problem, weil die Schutzhütte ausschließlich mit dem Hubschrauber versorgt wird. Vier- bis fünfmal pro Saison werden Lebensmittel, Getränke und Brennmaterial auf die Hütte geflogen und auf dem Rückflug Leergut, Abfälle und Fäkalien zur fachgerechten Entsorgung gebracht.
Erforderliche Schutzmaßnahmen
Am 21. Juni 2023 passte das Wetter – und die genannte Personengruppe landete wohlbehalten vor der Schutzhütte. Bei der Begehung wurden einige Punkte, bei denen Verbesserungen erforderlich waren, festgestellt, die Kurz der Reihe nach erledigte. Der Elektriker, der die VRLA-Batterieanlage installiert hatte, war vor Ort und konnte die Anlage gleich gemäß den Vorschriften adaptieren. Auch die Entfernung von brennbaren Materialien aus dem Stiegenhaus ließ sich ohne viel Aufwand erledigen. Eine zweite Änderung im Stiegenhaus betraf die Beleuchtung, so Weinhart: „Die Lampen wurden gegen hellere LEDs getauscht.“
Weitere Maßnahmen waren die Installation von CO2-Warnmeldern und der Einbau einer neuen Brandschutztür, die im Oktober 2023 mit dem Hubschrauber zum Matrashaus geflogen wurde. Kurz absolvierte die Ausbildung zum Ersthelfer und ergänzte die Dokumente in der Sicherheits- und Gesundheitsorganisations-Mappe (SGO-Mappe). „Wenn man etwas schriftlich hat, kann man leichter zum Personal sagen: ‚Das muss sein!‘ – z. B. bei der Brotschneidemaschine den Stecker ziehen, wenn man putzt“, erklärt Kurz, der zwei Mitarbeiter:innen und im August zwei weitere beschäftigt.
Riskante Verhaltensweisen
Bei den Gästen herrscht mitunter ebenfalls Informationsbedarf. Das Matrashaus ist von Anfang Juni bis Ende September bewirtschaftet, außerhalb dieser Zeit steht ein ungeheizter Winterraum offen. Kurz erinnert sich an einen Silvesterabend, den er allein auf der Hütte verbrachte – bis eine Gruppe Bergsteiger:innen aufkreuzte. Der Hüttenwirt brachte es nicht übers Herz, die Gruppe in den kalten Winterraum zu schicken, und kochte ihnen Kakao. Eine Frau verschüttete das Getränk und begann entgegen der Warnung von Kurz, den Kakao aufzuwischen. „Im Winter hat es in der Hütte minus 14 Grad, da entsteht beim Putzen ein hauchdünner Eisfilm, auf dem man ausrutschen kann“, so Kurz.
Die größte Gefahr geht jedoch von einer Unterschätzung der Zeit, die man für den Aufstieg braucht, und von schlechten Wetterbedingungen aus. Ein „harmloser“ Regen im Tal wird weiter oben zum Schneesturm, und die Hütte erkennt man erst dann, wenn man direkt davorsteht. Um ein Gefühl für das Leben als Hüttenwirt in einem derart ausgesetzt gelegenen Schutzhaus zu entwickeln, muss man zu Fuß heraufkommen und nicht mit dem Hubschrauber, ist Kurz überzeugt.
Zusammenfassung
Das Matrashaus in 2.941 m Höhe auf dem Hochkönig ist ein typisches Beispiel für eine Kategorie-1-Hütte, die sich nur nach einem längeren Fußmarsch oder mit dem Hubschrauber erreichen lässt. Infolge einer Begehung setzte Hüttenpächter Roman Kurz mehrere Arbeitsschutzmaßnahmen um.