Good Practice
Welser Profile: praxisnahe Ausbildung
Das auf die Entwicklung und Produktion von Sonderprofilen spezialisierte niederösterreichische Familienunternehmen Welser Profile GmbH hat vor vier Jahren ein neues Ausbildungszentrum eröffnet. An der Lehrlings-Profilieranlage erledigen die Lehrlinge anschließend an das Schulungsprogramm auch Echtaufträge.
Die Welser Profile GmbH verfolgt in der Lehrlingsausbildung ein ehrgeiziges Ziel: Die jungen Mitarbeiter:innen sollen lernen, selbstständig zu arbeiten. Dafür sorgen eine praxisnahe Ausbildung ebenso wie die Aufgabenstellung, selbst Lösungen für Verbesserungen am Arbeitsplatz zu finden. Das geeignete Umfeld bietet das mit einem modernen Maschinenpark ausgestattete Ausbildungszentrum am Produktionsstandort Gresten in Niederösterreich.
In den Werken in Österreich, Deutschland, den USA, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern werden nach dem Rollprofilierverfahren Spezialprofile aus Stahl – z. B. für den Automobil- und Fahrzeugbau, die Energie-, die Bau- und die Möbelbranche – entwickelt und gefertigt. Seit der Errichtung des Produktionsstandorts Gresten im Jahr 1972 wurde das Werk kontinuierlich ausgebaut. Das 2019 eröffnete, über 2.000 m2 große Ausbildungszentrum beherbergt neben der Ausbildungs-Profilieranlage auch Schulungs- und Aufenthaltsräume.
Ausbildungszentrum mit Profilieranlage
Bei der Einrichtung des Ausbildungszentrums legte Welser Profile auf die Arbeitssicherheit großen Wert, betont DI Dietmar Geyer von der AUVA-Außenstelle St. Pölten: „Das Zentrum ist mit einem modernen Maschinenpark mit allen Schutzeinrichtungen und einer Absaugung ausgestattet. Die Schulungen erfolgen in einem geschützten Bereich, die Ausbildungs-Profilieranlage entspricht sicherheitstechnisch den abgesicherten Produktionsmaschinen.“
Seit 1950 bildet Welser Profile Lehrlinge aus; in Österreich werden neun Lehrberufe angeboten: Prozesstechniker:in, Werkzeugbautechniker:in, Maschinenbautechniker:in, Zerspanungstechniker:in, Mechatroniker:in, Elektrobetriebstechniker:in, IT-Techniker:in, Technischer:Technische Zeichner:in und Industriekaufmann:-frau. „Aktuell haben wir 107 Lehrlinge in Ausbildung, die von acht fachlichen Lehrlingsausbildnern:-ausbildnerinnen betreut werden“, erklärt Ausbildungsleiter Peter Reiböck.
Das Herzstück des Ausbildungszentrums ist eine spezielle Profilieranlage, deren Steuerung jener der „echten“ Produktionsmaschinen entspricht. An dieser Anlage erledigen die Lehrlinge anschließend an das Schulungsprogramm Echtaufträge in Kleinchargen von 5.000 bis 10.000 Laufmetern. Die von den Lehrlingen gefertigten Profile unterliegen einer Qualitätsprüfung. Kommt es zu Abweichungen von den vorgegebenen Parametern, erfolgt gemeinsam mit dem:der Ausbildner:in eine Evaluierung.
„Im ersten Lehrjahr vermitteln wir den Lehrlingen die Grundlagen der Metallverarbeitung – drehen, bohren, fräsen, feilen – und die Grundlagen der Elektrik. Im zweiten Lehrjahr beginnt die Vorbereitung auf die betriebliche Ausbildung. Die Lehrlinge durchlaufen in einem Zehn-Wochen-Turnus jene Bereiche, die für ihren Lehrberuf relevant sind“, beschreibt Reiböck die Lehre in den Metall- und Elektroberufen. Der Fokus liegt dabei auf den Anforderungen in der Produktion. In der Regel werden die fertig ausgebildeten Lehrlinge von Welser Profile übernommen.
Arbeitsunfälle vermeiden
Theorie und Praxis gehen in der Ausbildung Hand in Hand, so Reiböck: „Die Lehrlinge bekommen einen theoretischen Input, den sie bei einer Präsentation zurückspiegeln. So sieht man, ob sie alles verstanden haben. Erst dann erfolgt die praktische Umsetzung an der Maschine.“ Die Ausbildner:innen achten darauf, welche Unterstützung jeder einzelne Lehrling in seiner Arbeit benötigt. Diese Vorgehensweise garantiert ein hohes Maß an Sicherheit und hilft damit, Unfälle zu vermeiden.
Eine konkrete Gefahrensituation ergibt sich dadurch, dass junge Mitarbeiter:innen das Gewicht der Eisenstangen oft falsch einschätzen. „Eine Stange hat rund 50 bis 80 kg. Wenn sie ins Rollen kommt, kann man sie nicht aufhalten. Versucht man es, passieren leicht Quetschungen oder Schnittverletzungen“, erklärt Reiböck. Auch die Geschwindigkeit, mit der ein Profil die Anlage verlässt, wird häufig unterschätzt, was ebenfalls ein Verletzungsrisiko mit sich bringt.
Schutz bietet die richtige persönliche Schutzausrüstung (PSA). Die Ausbildner:innen achten darauf, dass die Lehrlinge PSA verwenden und gehen selbst mit gutem Beispiel voran. Ereignet sich trotzdem ein Unfall oder ein Beinaheunfall, wird dieser von dem:der Ausbildner:in gemeinsam mit den Lehrlingen sachlich besprochen. Dabei sollen keine Schuldigen gesucht werden, sondern es geht darum, wie sich ein derartiger Vorfall in Zukunft vermeiden lässt.
„Die Lehrlinge sollen Lösungen selbst erarbeiten. Wir wollen weg von ‚Das ist zu tun!‘ und hin zu selbstständigem Arbeiten“, erklärt Ausbildungsleiter Peter Reiböck (links).
Verbesserung von Arbeitsplätzen
Kreativität ist bei den 5S-Projekten gefragt. „5S“ beschreibt eine aus fünf Schritten bestehende Vorgehensweise, wie Arbeitsplätze systematisch verbessert, diese Verbesserungen aufrechterhalten und kontinuierlich weiterentwickelt werden können. Nach theoretischen Informationen erhalten die Lehrlinge die Aufgabe, im Ausbildungszentrum selbst etwas zu finden, das sich verbessern lässt. In einem der 5S-Projekte befassten sich die Lehrlinge mit dem Gefahrstoffschrank. Für die Inhaltsstoffe erarbeiteten sie eine Systematisierung und regten die Anschaffung einer Auffangwanne an.
Das Ziel dieser Projekte ist es, dass die Lehrlinge mit offenen Augen durch den Betrieb gehen und erkennen, welche Arbeitssituationen und -plätze nicht optimal gestaltet sind. Nur wenn die Lehrlinge keine Idee haben, wo sich noch etwas verbessern ließe, machen die Ausbildner:innen Vorschläge. Was man verändern könnte, wird laut Reiböck jedoch nicht vorgegeben: „Auch die Lösung sollen die Lehrlinge selbst erarbeiten, angeleitet von den Ausbildnern:Ausbildnerinnen. Wir wollen weg von ‚Das ist zu tun!‘ und hin zu selbstständigem Arbeiten, damit die Ausbildung spannend und interessant bleibt.“
Das Lernen bei Welser Profile beschränkt sich nicht auf die berufliche Tätigkeit, sondern bezieht auch den Umgang der Beschäftigten miteinander ein. Vorurteile junger Mitarbeiter:innen gegenüber älteren und umgekehrt sollen abgebaut werden bzw. erst gar nicht entstehen. Dafür bietet sich der Kontakt zwischen jungen Lehrlingen und älteren Quereinsteigern:-einsteigerinnen an, die aus anderen Branchen kommen und ebenfalls bei Welser Profile eine Ausbildung absolvieren.
„Die branchenfremden Erwachsenen haben eine eigene Anlage, die neben der Anlage der Lehrlinge steht. Beide Gruppen werden in der Ausbildung durchmischt. Wenn das schon im Lernumfeld unter den Anforderungen geschieht, die später in der regulären Produktion gestellt werden, kann man die jeweils anderen und ihre Sichtweise leichter kennenlernen und entwickelt ein besseres Verständnis für sie. Das hilft später im Umgang miteinander“, zählt Reiböck die Vorteile dieses Ansatzes auf. Lernen jüngere und ältere Personen gemeinsam, entwickeln sie auch eine ähnliche Arbeitsweise.
Motivation für junge Beschäftigte
Gerade für junge Menschen ist es wichtig, dass ihnen Erwachsene auf Augenhöhe begegnen. Dazu zählt auch, sie in Entscheidungen mit einzubinden. Reiböck nennt ein Beispiel: Für Jugendliche hat das Smartphone einen besonderen Stellenwert, allerdings kann Handynutzung in der Produktion ein Sicherheitsrisiko darstellen. Im Rahmen eines Workshops erarbeiteten Ausbildner:innen und Lehrlinge ein „Handy-Agreement“, in dem festgehalten wurde, wie Smartphones sinnvoll und für den Betrieb dienlich genutzt werden können und bei welchen Maschinen aus Sicherheitsgründen auf eine Nutzung verzichtet werden muss. Da die Lehrlinge die Regeln selbst mitgestaltet haben, ist die Akzeptanz hoch.
Um die Motivation der Lehrlinge zu steigern, hat Welser Profile mehrere Anreize geschaffen. Für gute Erfolge in der Berufsschule und die Teilnahme an Landeswettbewerben gibt es Prämienzahlungen. Besonders engagierte Lehrlinge erhalten die Möglichkeit, neben der Lehre die Matura zu machen oder Auslandspraktika zu absolvieren. Als Zusatzschulungen werden z. B. Sprachkurse, Persönlichkeitstrainings, ein Erste-Hilfe-Kurs, ein Schweißkurs oder der Staplerschein angeboten. Besonders beliebt bei den jungen Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen sind Exkursionen und Teambuilding-Aktivitäten.
Aktuelle Projekte für Lehrlinge
Ebenfalls auf dem Programm stehen mit der AUVA durchgeführte Schulungen zum Thema Sicherheit. „Wir haben gemeinsam mit den Lehrkräften ein Schulungskonzept erarbeitet. Die Lehrlinge sollen für Sicherheit und Gesundheit sensibilisiert werden“, so Geyer, der laufend mit Welser Profile in Kontakt ist.
„Für heuer ist eine Schulung zu den häufigsten Arbeitsunfällen – Quetschungen und Schnittverletzungen – geplant: Was sind die Ursachen? Wo passieren diese Unfälle gehäuft? Worauf muss man achten, um sie zu vermeiden?“, so Reiböck. Ein erhöhtes Risiko besteht z. B., wenn Lehrlinge nach der Ausbildung das erste Mal ins betriebliche Umfeld kommen. In ihrer Lehrzeit arbeiten sie noch an kleineren Maschinen und ohne den in der Produktion bestehenden Zeitdruck. Gefahren durch ein gesichertes Erleben bewusster zu machen, ist in Schulungen möglich – z. B., indem man die Lehrlinge eine Eisenstange heben lässt, damit sie ein Gefühl für ihr Gewicht bekommen.
Auch zum aktuellen Präventionsschwerpunkt der AUVA, zur Verkehrssicherheit, hat Welser Profile Aktivitäten geplant. Eine Verringerung der Anzahl von Fahrten, die mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor durchgeführt werden, soll zur Vermeidung von Verkehrsunfällen und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen. Mithilfe einer Mobility-App werden Mitarbeiter:innen dabei unterstützt, Fahrgemeinschaften mit Elektro-Bussen zu bilden.
Interview
Manuel Adelsberger
Lehrberuf: Werkzeugbau und Technischer Zeichner
Welser Profile GmbH
1. Lehrjahr
Welche Gefahren gibt es bei den Tätigkeiten, die Siebisher ausgeübt haben?
Bei schnellen Handlungen an der Fräse kann sehr leicht eine Schnittverletzung passieren. Ich achte daher beim Arbeiten an der Fräse besonders darauf, dass ich mich nicht an der Fräskante verletze.
Wie kann man sich vor diesen Gefahren schützen?
Wichtig bei der Arbeit an der Fräse ist, keine Handschuhe zu tragen, weil es aufgrund der rotierenden Bearbeitung des Werkstücks zu sehr schweren Verletzungen kommen kann. Die Schutzabdeckung muss vor der Inbetriebnahme immer geschlossen sein. Sicherheitsschuhe und Schutzbrille sind auf jeden Fall zu tragen.
Wie informieren Ihre Ausbildner:innen die Lehrlinge über Gefahren und Schutzmaßnahmen?
Unsere Ausbildern:innen erklären uns im Vorfeld die Theorie der Fräsbearbeitung, z. B. den Aufbau einer Fräsmaschine, das Zubehör und die Verwendung der verschiedenen Aufnahmen. Wenn wir die Theorie verstanden haben, geht es zur Praxis an der Fräse. Dabei wird auf den sicheren Umgang mit der Fräse sehr genau eingegangen. Wenn der:die Ausbildner:in überprüft hat, dass wir die Maschine gut und sicher bedienen können, dürfen wir immer selbstständiger unsere Werkstücke fertigen.
Haben Sie schon einmal einen Arbeitsunfall oder einen Beinahe-Unfall erlebt bzw. gesehen?
Ein Kollege hat sich bei der Bandsäge eine Schnittverletzung am Zeigefinger zugezogen. Wenn eine Verletzung passiert, informiert uns der Ausbildner darüber, was passiert ist, und wir evaluieren mit ihm gemeinsam den Arbeitsunfall. Wir erarbeiten auch gemeinsam einen technischen Verbesserungsvorschlag oder werden, wenn das nicht möglich ist, auf diesen Arbeitsschritt sensibilisiert. In diesem Fall haben wir den Schnittspalt verkleinert bzw. die Auflagefläche für das Werkstück vergrößert.
Wie können Sie selbst zur Sicherheit im Betrieb beitragen?
Den Ausbildnern:Ausbildnerinnen ist es sehr wichtig, dass wir bei Beinaheunfällen Fehler nicht vertuschen. Fehler können und sollen wir offen ansprechen. Das hilft, Unfälle zu vermeiden.
Zusammenfassung
Selbstständiges und praxisnahes Arbeiten steht bei Welser Profile im Fokus der Lehrlingsausbildung. An einer Ausbildungs-Profilieranlage erledigen die Lehrlinge für Kunden Echtaufträge in Kleinchargen. Im Rahmen von 5S-Projekten üben sie, bei Arbeitsplätzen im Ausbildungszentrum Verbesserungspotenziale zu erkennen und selbst Lösungen zu finden. Lehrlinge werden auch in Entscheidungsprozesse mit einbezogen, z. B. zur Handynutzung im Betrieb.