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Good Practice

STIHL Tirol: online und offline lernen

Online-Lernplattformen eignen sich dazu, Lehrlinge auf die Praxis in der Produktion vorzubereiten, theoretische Inhalte zu vermitteln und den Wissensstand zu überprüfen. Bei STIHL Tirol wurde eine E-Learning- Plattform angeschafft und eine weitere selbst entwickelt.

ein Jugendlicher arbeitet an elektronischen Geräten, die mit verschiedenen Steckern miteinander verbunden sind.
© STIHL Tirol

Wie kann es gelingen, technikbegeisterte junge Mitarbeiter:innen auch für Sicherheitsthemen zu interessieren? Bei der STIHL Tirol GmbH setzt man auf die Kombination von klassischem Lernen „offline“ in der Lehrwerkstatt bzw. in den Abteilungen und der Online-Nutzung von Lernplattformen. Diese sind mit Inhalten vor allem für die Ausbildung in Mechatronik und Fertigungsmesstechnik befüllt und ermöglichen es, selbstständig zu lernen und das angeeignete Wissen zu überprüfen.

Bei STIHL Tirol sind über 800 Mitarbeiter:innen, davon 15 Lehrlinge, beschäftigt. Das Unternehmen hat sich auf die Produktion und Entwicklung von Gartengeräten und akkubetriebenen Produkten spezialisiert und gehört seit 1992 zur weltweit tätigen STIHL-Gruppe. Ausbildungsmöglichkeiten gibt es in sieben Lehrberufen: Mechatronik, Fertigungsmesstechnik, Metalltechnik, Elektrotechnik, Informationstechnologie, Industriekaufmann:-kauffrau und Logistikkaufmann:-kauffrau. Auch eine Lehre mit Matura kann absolviert werden.

Theorie und Praxis

DI Stefan Schafft vom Unfallverhütungsdienst in der AUVA-Außenstelle Innsbruck weist auf den hohen Stellenwert der Sicherheit in der Lehrlingsausbildung von STIHL Tirol hin: „Die Lehrlinge erwerben vertiefende Kenntnisse zur Arbeitssicherheit, speziell im Rahmen der Unterweisung, und wiederholen das in der Berufsschule Gelernte. Die Schulungselemente, die im Betrieb durchlaufen werden, sind zweigeteilt: Für den theoretischen Teil wird E-Learning samt Wissens-Check genutzt, der praktische Teil erfolgt an den Maschinen in der Lehrwerkstatt und in der Produktion.“

Porträt Stefan Schaff
Stefan Schafft, AUVA © STIHL Tirol
Porträt Andreas Kirchner
Andreas Kirchner © STIHL Tirol
Porträt Martin Kohler
Martin Kohler © STIHL Tirol
Porträt Anna Prommegger
Anna Prommegger © STIHL Tirol

„Ihr erstes Jahr verbringen die Lehrlinge ausschließlich in der Lehrwerkstatt, bevor sie sich in der Produktion erproben dürfen“, erklärt Markus Schoner, Gruppenleiter der Lehrlingsausbildung, und ergänzt: „Wer das Spezialmodul Mechatronik absolviert, bleibt ein halbes Jahr länger in der Lehrwerkstatt. Das zweite Lehrjahr findet zum Großteil in Rotation in fast allen Abteilungen statt, das dritte Jahr hauptsächlich in der Abteilung, die den Lehrling danach übernehmen wird.“

E-Learning-Plattformen

Bei STIHL Tirol sind schon seit Längerem Lernplattformen in Verwendung. Die Idee dahinter beschreibt Schafft folgendermaßen: „Junge Menschen kann man über Bilder und Videos, über die Kombination unterschiedlicher Medien am besten erreichen. Sie brauchen immer wieder einen Medienbruch.“ In Zeiten von sozialen Medien und interaktiven Online-Angeboten sei es sinnvoll, auch für die Vermittlung von Lehrinhalten Anwendungen mit Animationscharakter einzusetzen.

STIHL Tirol nutzt seit 2021 die für kaufmännische und gewerblich-technische Ausbildungen entwickelte E-Learning-Plattform Vocanto. Diese punktet laut Schoner durch die einfache Anwendung und den strukturierten Aufbau. Fertige Lehrinhalte, unter anderem zu den Themen Arbeitsschutz, Ergonomie und Unfallverhütung, werden visuell aufbereitet vermittelt. Kurze Übungen dienen dazu, das Wissen zu festigen. 

„In der Ausbildung ist es oft schwer, einen ‚roten Faden‘ zu erkennen: Was hat der Lehrling schon gemacht, was hat er auch verstanden und was muss er noch einmal wiederholen? Auf der Lernplattform sieht man das auf einen Blick“, so Schoner. Erst, wenn man eine Übungseinheit erfolgreich absolviert hat, wird der nächste Inhalt freigeschaltet. Vocanto kommt in Mechatronik und Fertigungsmesstechnik zum Einsatz, in der Ausbildung zum:zur Industriekaufmann:-frau findet derzeit ein Probebetrieb statt. Die Lernplattform lässt sich auch auf mobilen Geräten und somit auf den Laptops, die alle Mechatronik-Lehrlinge vom Unternehmen erhalten, nutzen.

Da speziell auf STIHL Tirol zugeschnittene Inhalte und bestimmte Funktionen für alle Lehrberufe ebenfalls über eine Lernplattform angeboten werden sollten, entschieden sich Schoner und die anderen Lehrkräfte für eine zusätzliche E-Learning-Plattform. Die „Lernplattform STIHL Tirol“ wurde 2021 im Unternehmen mittels SharePoint erstellt und steht allen Lehrlingen zur Verfügung. Zusätzlich zur Vermittlung von Inhalten dient sie auch zum Speichern der Ausbildungsdokumentation jedes Lehrlings. „Eine Lernplattform selbst aufzubauen ist viel Aufwand, aber wenn sie fertig ist, erleichtert sie die Arbeit sehr“, stellt Schoner fest.

Eine wesentliche Funktion kommt den beiden E-Learning-Plattformen bei der Unfallprävention zu. Bevor die Lehrlinge Werkzeugmaschinen betätigen dürfen, lernen sie über die Plattformen, worauf sie bei der jeweiligen Maschine achten müssen. Als Beispiel bringt Schoner Arbeiten mit der Bandsäge: „Dabei wird vor allem auf die erforderliche PSA hingewiesen. Man braucht eine Schutzbrille und beim Tauschen des Sägeblatts Schutzhandschuhe – aber man darf die Handschuhe nicht tragen, wenn die Säge eingeschaltet ist.“ Auch auf „Kleinigkeiten“ wie das Sauberhalten des Arbeitsplatzes, das z. B. Unfälle durch Sturz und Fall verhindern kann, wird hingewiesen.

ein Mann und ein Jugendlicher stehen einander gegenüber, der Mann zeigt dem Jugendlichen ein Gerät
„In der Ausbildung ist es schwer, einen ‚roten Faden‘ zu erkennen: Was hat der Lehrling schon gemacht, was muss er wiederholen? Auf der Lernplattform sieht man das auf einen Blick“, sagt Markus Schoner, Gruppenleiter der Lehrlingsausbildung (links). © STIHL Tirol

Sicherheit in der Ausbildung

Selbst wenn ein Lehrling in der Theorie alles Notwendige gelernt hat, kann es vorkommen, dass er in der Praxis auf Schutzmaßnahmen vergisst. Andreas Kirchner, Sicherheitsfachkraft und Lehrlingsausbildner, sieht hier die Ausbildner:innen gefordert: „Es muss immer eine geschulte Aufsichtsperson anwesend sein. Sie weist den Lehrling ein, überzeugt sich davon, dass er alles verstanden hat, und steht dabei, wenn er an einer Maschine arbeitet.“ Es sei ein Vorteil, dass mit Schoner eine Person dafür abgestellt ist, die sich hauptberuflich der Lehrlingsausbildung widmet. Kirchner nennt einige Gefahren im Betrieb, auf die er die Lehrlinge als Aufsichtsperson besonders aufmerksam macht: In der Metallbearbeitung können wegspritzende Späne im wahrsten Sinn des Wortes ins Auge gehen, wenn man keine Schutzbrille trägt. Wegen der Lärmbelastung durch Maschinen muss im Schleifraum Gehörschutz verwendet werden. Aufgrund der Einzugsgefahr ist es verboten, beim Arbeiten mit rotierenden Werkzeugen Handschuhe zu tragen. Mechatronik-Lehrlinge sind darüber hinaus elektrischen Gefahren im Niederspannungsbereich ausgesetzt.

Dazu kommen für alle Beschäftigten geltende Sicherheitsmaßnahmen, etwa die Tragepflicht für Sicherheitsschuhe im gesamten Lehrwerkstätten- und Produktionsbereich. Wichtig sei es, dass sich sämtliche Mitarbeiter:innen an die Vorschriften halten und die Älteren den Lehrlingen mit gutem Beispiel vorangehen, so Kirchner. Die Summe der Maßnahmen, von der Vermittlung theoretischer Inhalte mit Unterstützung durch die Lernplattformen über die Unterweisung bis zur Arbeit unter Aufsicht, zeigt Wirkung, wie die geringen Unfallzahlen unter Lehrlingen beweisen.

Betriebliche Gesundheitsförderung

STIHL Tirol verfügt im Bereich betriebliche Gesundheitsförderung über einen hauseigenen Fitnessraum, den die Mitarbeiter:innen außerhalb der Arbeitszeit kostenlos nutzen können, und bietet für alle Beschäftigten und Lehrlinge günstige Kurse an, z. B. „Rückenschule“ oder Yoga. Für Teamsportler:innen gibt es eine eigene Fußballmannschaft, eine Volleyballtruppe und ein Laufteam. Zur Motivation der jungen Mitarbeiter:innen dienen auch Prämien, etwa für gute Berufsschulzeugnisse, eine gute Leistung bei der Lehrabschlussprüfung oder die erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrlingswettbewerb. Neue Lehrlinge werden jedes Jahr mit einem besonderen Event willkommen geheißen, so Schoner: „Anfang September machen wir immer einen Lehrlingsausflug. 2022 haben wir das STIHL-Kettenwerk in der Schweiz besucht, in den Jahren davor ist z. B. Rafting oder Bogenschießen auf dem Programm gestanden.“ Darüber hinaus werden für die gesamte Belegschaft Schi- und Wandertage, Grill- und Weihnachtsfeiern veranstaltet.

Neue Anreize schaffen

Die Lehrlingsausbildner:innen und Sicherheitsfachkräfte arbeiten laufend daran, die Lehrlingsausbildung attraktiv zu gestalten und Anreize zur Einhaltung von Schutzmaßnahmen zu schaffen. Dabei wird gern auf die Expertise der AUVA zurückgegriffen; ungefähr einmal pro Monat findet ein Austauschtreffen mit Schafft oder einem:einer seiner Kollegen:Kolleginnen statt. „Wir SFKs wollen, dass Sicherheit tagtäglich gelebt wird. In einem Workshop der AUVA ist es darum gegangen, wie Sicherheitsfachkräfte spielerische Methoden einsetzen können“, erklärt Sicherheitsfachkraft Martin Kohler.

Einblick in die E-Learning-Plattform
Auf der E-Learning- Plattform Vocanto werden fertige Lerninhalte visuell aufbereitet vermittelt. © STIHL Tirol

Der Workshop wurde von Anna Prommegger, BA MA, von der AUVA-Landesstelle Salzburg durchgeführt. „Vom Kreieren von Wortgittern über ein Arbeitssicherheitsquiz bis hin zu PSA-Speed-Wettbewerben gibt es ein breites Repertoire an kreativen Möglichkeiten der Wissensvermittlung. Mir als Lehrlingsausbildnerin ist es immer wichtig, gemeinsam mit den Betrieben konkrete Ideen zur praktischen Umsetzung von Sicherheits- und Gesundheitsthemen im Arbeitnehmer:innenschutz zu erarbeiten. Lehrlingsausbildung ist dann ein Erfolg, wenn wir es schaffen, sicherheitsrelevante Inhalte so zu gestalten, dass die Auseinandersetzung damit auch Spaß macht“, so Prommegger.

Eine konkrete Maßnahme für Lehrlinge, um die Sicherheit bei der Arbeit an den Maschinen zu erhöhen, ist noch für heuer geplant. Im Sommer wird die Lernplattform Vocanto eine neue Funktion freischalten, mit der QR-Codes generiert werden können. „Wir werden Sicherheitsunterweisungen für die einzelnen Maschinen filmen und einen QR-Code an die jeweilige Maschine kleben. Die Lehrlinge können den Code dann mit dem Handy scannen und kommen direkt zum Film“, beschreibt Schoner. Damit haben die Lehrlinge die Möglichkeit, direkt vor Ort die nötigen Informationen abzurufen.

Interview

 

Moritz Jäger

Lehrberuf: Mechatroniker

STIHL Tirol

3. Lehrjahr

Welche Gefahren gibt es bei den Tätigkeiten, die Sie bisher ausgeübt haben?
Es gibt hauptsächlich Gefahren durch Span- und Funkenflug, aber auch Gefahren durch Kühlschmiermittel und elektrische Gefahren.

Wie kann man sich vor diesen Gefahren schützen?
Die persönliche Schutzausrüstung verwende ich immer, z. B. die Schutzbrille und Sicherheitsschuhe. Zusätzlich schützt mich bei einer Dreh- oder Fräsmaschine die Schutztüre. Bei den elektrischen Arbeiten schütze ich mich durch das Einhalten der fünf Sicherheitsregeln der Elektrotechnik. Bei unserer Lehrlings-Übungstafel für elektrische Schaltungen gibt es einen Schlüssel. Wir Lehrlinge müssen unseren Ausbildner fragen, wenn wir üben wollen, damit er einschaltet, um gefährliche Körperspannungen auszuschließen.

Wie informieren Ihre Ausbildner:innen die Lehrlinge über Gefahren und Schutzmaßnahmen?
Unsere Ausbildner:innen erinnern uns sehr oft daran, dass wir die Schutzmaßnahmen einhalten, weil das für unseren Eigenschutz wichtig ist. Am Anfang der Lehre, schon am ersten Tag, werden wir auf einer unserer Lernplattformen generell über Schutzmaßnahmen informiert. Bevor wir dann eine Maschine das erste Mal verwenden, bekommen wir eine Unterweisung, dabei werden wir spezifisch auf die Sicherheit der zu verwendenden Maschine geschult. Einmal im Jahr werden wir zusammen mit dem Betriebsrat über die Sicherheit aller unserer Maschinen informiert und unterwiesen. Auf unseren Lernplattformen bekommen wir Informationen, in den einzelnen Kapiteln werden zwischendurch immer wieder Fragen zur Sicherheit gestellt.

Haben Sie schon einmal einen Arbeitsunfall oder einen Beinahe-Unfall erlebt bzw. gesehen? Wenn ja: Was ist passiert und wie könnte man so einen Vorfall verhindern?
Einmal habe ich beim Bohren mit der Ständerbohrmaschine vergessen, die Schutzbrille aufzusetzen. Ich selbst habe es nicht bemerkt, aber mein Ausbildner hat mich sofort darauf angesprochen, dann habe ich sie gleich aufgesetzt. Da hätte ein Unfall passieren können, aber das ist zum Glück verhindert worden.

Wie können Sie selbst zur Sicherheit im Betrieb beitragen?
Die Sicherheit ist bei uns im Betrieb sehr wichtig. Das finde ich auch gut so, weil so Arbeitsunfälle verhindert werden können. Ich selbst kann andere Mitarbeiter:innen auf Fehlverhalten hinweisen, z. B., dass sie eine Schutzbrille aufsetzen sollen, und dass sie Beinahe-Unfälle melden.

Zusammenfassung

STIHL Tirol nutzt Online-Lernplattformen in der Lehrlingsausbildung. Zusätzlich zu einer zugekauften Lösung wurde eine E-Learning-Plattform selbst entwickelt, die speziell für den Betrieb relevante Inhalte enthält und zum Speichern der Ausbildungsdokumentation dient. Mit Hilfe von Online-Lernplattformen werden Wissen und Sicherheitsthemen vermittelt und überprüft, ob das Gelernte verstanden wurde.


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