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Arbeitsmedizin

Gesunde Arbeitsplätze für junge Menschen

Junge Arbeitnehmer:innen sind häufiger von Arbeitsunfällen betroffen, körperliche Belastungen verursachen bei ihnen meist erst nach Jahren Erkrankungen. Psychische Probleme haben sich durch die Pandemie verstärkt. Diese Situation stellt für Arbeitgeber:innen, aber auch für Arbeitsmediziner:innen eine besondere Herausforderung dar.

Jugendliche mit Lärmschutz um den Nacken stehen lächelnd beisammen und besprechen ein Werkstück
© Adobe Stock / alfa27

Beim Begriff „altersgerechtes Arbeiten“ denkt man in der Regel an ältere Beschäftigte – den jungen schenkt man häufig zu wenig Beachtung. Dabei wird leicht übersehen, dass viele Jugendliche und junge Erwachsene Risiken noch nicht richtig einschätzen können und nicht merken, ob sie ihren Körper überlasten. Führungskräfte sind gefordert, sich mit den Erkenntnissen der Arbeitsmedizin zu jungen Arbeitnehmern:Arbeitnehmerinnen auseinanderzusetzen und für sie gesundheitsfördernde Verhältnisse am Arbeitsplatz zu schaffen.

Körperlich belastende Berufe

Zu den Berufen, in denen junge Arbeitnehmer:innen häufig körperlichen Belastungen ausgesetzt sind, zählen jene in der Baubranche. Eine häufige ungünstige Einwirkung sind Hand-Arm-Vibrationen, die abhängig von der Frequenz und der Expositionszeit Nerven, Blutgefäße oder die Gelenke der oberen Extremität schädigen können. Jugendliche sind, solange die Epiphysenfugen der langen Röhrenknochen noch nicht geschlossen sind, besonders gefährdet. Hinsichtlich der Belastung durch Hand-Arm-Vibrationen fehlt oft eine Evaluierung, in der berücksichtigt wird, dass für Jugendliche andere Grenzwerte herangezogen werden müssen.

Ein weiteres „Sorgenkind“ der Arbeitsmediziner:innen ist die Berufsgruppe der Friseure:Friseurinnen. „Die Grundzüge des Hautschutzes, über die wir seit Jahren in den Betrieben, in den Berufsschulen, bei einschlägigen Veranstaltungen und über die Medien informieren, werden leider immer noch nicht ausreichend berücksichtigt“, bedauert Dr.in Kristina Horner, Ärztin für Arbeitsmedizin in der AUVA-Landesstelle Wien, Außenstelle St. Pölten. Von den im Friseurgewebe häufigen berufsbedingten Hauterkrankungen sind in hohem Maße Lehrlinge betroffen, oft bereits im ersten Lehrjahr.

Zu Beginn ihrer Berufsausbildung werden Lehrlinge oft für die einfache Tätigkeit der Haarwäsche eingesetzt. Sind die Hände dabei ungeschützt, lässt das Wasser die Haut aufquellen und zerstört die Schutzschicht, was die Entstehung von Ekzemen begünstigt. Viele Haarfärbemittel und Stylingprodukte enthalten allergieauslösende Stoffe. Es sollten daher von Anfang an geeignete Schutzhandschuhe, Hautschutz- und Pflegeprodukte verwendet werden, die der:die Arbeitgeber:in zur Verfügung stellen muss.

Berufskrankheiten mit „Verzögerung“

Allergische Erkrankungen der Haut, etwa im Friseurberuf, aber auch durch allergieauslösende Stoffe verursachte Lungenerkrankungen wie allergisches Asthma bronchiale sind Berufskrankheiten, die schon in jungen Jahren auftreten können. In der Regel ist ein Berufswechsel unvermeidbar. Da die Symptome zeitnah auftreten, fällt es leichter, die Ursache zu erkennen und den Jugendlichen zu vermitteln, dass sie sich schützen müssen.

Die meisten Erkrankungen, die als Berufskrankheit anerkannt werden können, entstehen jedoch erst durch die jahrelange Einwirkung schädlicher Einflüsse. Die ersten Symptome zeigen sich oft nach vielen Jahren. In diesen Fällen ist es viel schwieriger, die jungen Menschen von der Notwendigkeit zu überzeugen, Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Horner beschreibt, wie es trotzdem gelingen kann: „Zusammenhänge müssen erklärt werden, denn was man versteht, befolgt man eher als scheinbar sinnlose Vorschriften.“

Vermeidung von Unfällen

Während von Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats vorwiegend ältere Arbeitnehmer:innen betroffen sind, liegen bei Unfällen die jüngeren vorne. „Jugendliche Arbeitnehmer:innen haben ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko. Die häufigsten Unfälle ereignen sich in Zusammenhang mit Werkzeugen und Maschinen. Verletzungen durch Anstoßen, Zusammenstoßen, Treten auf spitze Gegenstände, aber auch Sturz und Fall sind häufig gemeldete Unfallursachen“, so Horner.

eine junge Nageldesignerin lackiert den Nagel einer Frau, eine andere Frau blickt ihr freundlich prüfend über die Schulter
Allergische Erkrankungen der Haut treten zeitnah auf, wodurch es leichter fällt, deren Ursache zu erkennen. Die meisten Berufskrankheiten zeigen sich jedoch oft erst nach vielen Jahren. © Adobe Stock / Monkey Business

Bei – insbesondere männlichen – Jugendlichen ist häufig eine erhöhte Risikobereitschaft zu beobachten. Die Ärztin führt das teilweise auf Unwissenheit zurück, weil Gefahren noch nicht richtig erkannt werden. Junge Menschen überschätzen ihre Fähigkeiten oft. Eine Rolle spielt aber auch, dass man die eigene körperliche Stärke demonstrieren möchte. Beispiele dafür sind das Heben und Tragen schwerer Lasten und der Verzicht auf sichere Aufstiegshilfen oder Schutzausrüstung.

Mangelnde Aufmerksamkeit führt nicht nur, aber auch bei jungen Personen zu fehlerhaftem Verhalten und damit oft zu Unfällen. Das Smartphone sorgt häufig für Ablenkung. Horner plädiert daher dafür, die Smartphone-Nutzung am Arbeitsplatz genau zu regeln. Wie bei den Risiken für Berufskrankheiten gilt es auch im Hinblick auf Unfälle, ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen, damit Präventionsmaßnahmen von Beginn an eingehalten werden.

Psychische Belastungen

Bei der Evaluierung der psychischen Belastungen wird die Gruppe der jugendlichen Arbeitnehmer:innen laut Horner selten im Speziellen berücksichtigt. Schon der Wechsel von der Schule in die Arbeitswelt stelle für manche Jugendliche eine Herausforderung dar, so die Ärztin: „Sie müssen sich erstmalig ohne Unterstützung der Eltern in ein bestehendes Sozialgefüge integrieren. Das gelingt oft sehr gut, manchmal müssen selbstverständliche Dinge erst gelernt und geübt werden: Grüßen, Pünktlichkeit, ein respektvoller Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen:Kolleginnen, gepflegtes und sauberes Erscheinen in der Arbeit – oder einfach eine ‚normale‘ Kommunikation.“

Schwierigkeiten ergeben sich laut Horner auch, wenn ein:e Berufsanfänger:in nur wenig Interesse für die Tätigkeiten hat, die er:sie erlernen soll, oder wenn Lehrende und Ausbildner:innen Inhalte und Fertigkeiten nicht in geeigneter Form vermitteln können. „Werden junge Menschen wiederholt mit Aufgabenstellungen konfrontiert, die nicht ihren Fähigkeiten entsprechen, führt das zu Überforderung und Ängsten und ist somit der ‚Motivationskiller‘ schlechthin“, gibt Horner zu bedenken.

Ein förderliches Arbeitsumfeld ermöglicht jungen Beschäftigten eine zeitlich und fachlich angemessene Einarbeitung in neue Aufgaben, bietet Unterstützung und ist selbstverständlich frei von Diskriminierung oder Mobbing. Empfehlenswert sind Ansprechpersonen, an die sich die neuen Mitarbeiter:innen jederzeit wenden können. Da speziell junge Menschen großen Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance legen, sollte diese vom Unternehmen ermöglicht werden.

Die subjektive Einschätzung

Fragt man junge Menschen, was sie im Beruf besonders belastet, erhält man ganz andere Antworten als von älteren Beschäftigten. „Im Bereich der physischen Belastungen, z. B. durch Lärm, Vibrationen, Staub, Heben und Tragen, zeigen junge Arbeitnehmer:innen oft eine sehr hohe Toleranzgrenze. Die meisten dieser Einwirkungen zeigen keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Gesundheit, Schädigungen passieren oft schleichend. Erste Anzeichen werden daher gar nicht wahrgenommen“, so Horner.

Führungskräfte sind gefordert, sich mit den Erkenntnissen der Arbeitsmedizin zu jungen Arbeitnehmern:Arbeitnehmerinnen auseinanderzusetzen und für sie gesundheitsfördernde Verhältnisse am Arbeitsplatz zu schaffen.

Dr.in Kristina Horner, Ärztin für Arbeitsmedizin

Anders sieht es bei den psychischen Belastungen im Berufsleben aus. Von diesen können Jugendliche und junge Erwachsene sogar stärker beeinträchtigt werden als ältere Menschen, erklärt Horner: „Die Ergebnisse von Befragungen von Jugendlichen in Österreich zeigen teilweise ein erschreckendes Bild, mit bedingt durch die Covid-19-Pandemie. Auswirkungen wie depressive Symptomatik, Angst- oder Schlafstörungen sind keine Seltenheit mehr.“ Diese Probleme können auch am Arbeitsplatz Auswirkungen zeigen und durch das berufliche Umfeld verstärkt oder abgeschwächt werden.

Arbeiter:innen mit Helm und Schutzweste stehen in einer Lagerhalle beisammen
© Adobe Stock / Chalermphon

Gesetzliche Vorschriften

Während sich die Vermeidung psychischer Belastungen nur schwer in Regeln fassen lässt, sondern vielmehr von den sozialen Fähigkeiten der Führungskräfte und dem Arbeitsklima abhängt, existieren bezüglich der körperlichen Belastungen klare rechtliche Vorgaben. „Prinzipiell gilt – mit wenigen Ausnahmen – das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nebst Verordnungen für alle Arbeitnehmer:innen in Betrieben und somit auch für Jugendliche. Für weibliche Jugendliche gilt zusätzlich auch das Mutterschutzgesetz (MschG)“, erläutert Horner.

Im Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz (KJBG) bzw. der Verordnung über Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Jugendliche (KJBG-VO) wird die allgemeine Fürsorgepflicht der Arbeitgeber:innen noch weiter konkretisiert. Die Arbeit mit gefährlichen Arbeitsmitteln wie Kettensägen oder selbstfahrenden Arbeitsmitteln ist verboten, die maximale tägliche Arbeitszeit auf acht Stunden, die maximale wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden beschränkt.

Bezüglich der gesetzlich geregelten Untersuchungspflicht wird kein Unterschied zwischen Jugendlichen und Erwachsenen gemacht. Ergibt die Evaluierung eine untersuchungspflichtige Exposition, müssen auch bei Lehrlingen Eignungs- und Folgeuntersuchungen entsprechend der Verordnung über die Gesundheitsüberwachung am Arbeitsplatz (VGÜ) durchgeführt werden. Horner weist auf einen Unterschied hin: „Bei den Untersuchungen nach § 50 AschG, Arbeiten unter Einwirkung von Lärm, findet sich die Besonderheit, dass es für Jugendliche eine Nichteignung für Lärmarbeit gibt. Ab dem vollendeten 18. Lebensjahr ist eine Nichteignung bei bestehender Hörminderung nicht mehr vorgesehen.“

Schutzmaßnahmen in der Praxis

Die meisten, aber noch nicht alle Betriebe halten diese Beschäftigungsverbote ein. Mitunter wissen die Verantwortlichen nicht Bescheid darüber, welche Einschränkungen für Jugendliche gelten. Diese werden bisweilen für Tätigkeiten herangezogen, für die man keine besonderen Qualifikationen benötigt, etwa für manuellen Lastentransport, Reinigungs- oder längere Stemm- und Schleifarbeiten – teilweise sogar mit Arbeitsmitteln, die dem Beschäftigungsverbot für Jugendliche unterliegen.

Probleme bezüglich der Umsetzung von Schutzmaßnahmen in die Praxis ergeben sich laut Horner vor allem in jenen Betrieben, in denen keine ausreichende Gefährdungsbeurteilung existiert: „Die Beurteilung von manueller Lasthandhabungen ist als ‚ausbaufähig‘ zu bezeichnen. Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sind in der Krankenstands-Statistik führend, der Grundstein für spätere Probleme in diesem Bereich wird oft in der Jugend gelegt.“

Zur Beurteilung von manuellen Lasthandhabungsprozessen gibt es unterschiedliche Methoden. Horner nennt als Beispiel die Last-Handhabungs-Tabellen (LHT) des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, die für Jugendliche eigene Beurteilungskriterien beinhalten. „Gerade bei Jugendlichen wäre eine individuelle, an den Stand der körperlichen und geistigen Reifung angepasste Beurteilung der Einsetzbarkeit am Arbeitsplatz wichtig“, so die Ärztin.

eine Gruppe Jugendlicher sitzen mit einem Coach zusammen
Die AUVA bietet Informationsmaterialien und Schulungen für alle Altersgruppen. Es gibt auch speziell auf Lehrlinge zugeschnittene Schulungen zu branchentypischen Gefährdungen. © Adobe Stock / Monkey Business

Angebote der AUVA

Eine Orientierungshilfe bieten die Informationsmaterialien und Schulungen der AUVA. Zusätzlich zu Angeboten für alle Altersgruppen gibt es speziell auf Lehrlinge zugeschnittene – etwa Schulungen zu branchentypischen Gefährdungen. Aktuell werden Friseurlehrlinge im ersten Lehrjahr mit einem „Starterpaket“ ausgestattet, das in der Berufsschule nach einem Vortrag zum Thema Hautschutz übergeben wird. Das Paket enthält Informationsmaterialien, eine Hautschutz- und eine Hautpflegecreme sowie Schutzhandschuhe.

Die AUVA führt auch Schulungen von Lehrlingen und jungen Arbeitnehmern:Arbeitnehmerinnen direkt in den Betrieben durch. Bei Interesse kann man sich an die Präventionsabteilungen der zuständigen AUVA-Landesstellen wenden.

Zusammenfassung

Bestimmte Erkrankungen, etwa Allergien, treten bereits bei jungen Arbeitnehmern:Arbeitnehmerinnen auf. Die Auswirkungen körperlicher Belastungen machen sich dagegen oft erst Jahre später bemerkbar, was die Präventionsarbeit erschwert. Bei der Bewertung von physischen und psychischen Belastungen am Arbeitsplatz sollte speziell die Gruppe der Jugendlichen und jungen Beschäftigten berücksichtigt werden. 


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