Ergonomie
Tageslicht in Arbeitsstätten
Tageslicht in Arbeitsstätten spart nicht nur Kosten und Energie, sondern gilt als wesentlicher Faktor für Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden. Menschen benötigen den visuellen Anteil des Lichts, um Sehaufgaben zu erfüllen, und den nicht visuellen Anteil zur Beibehaltung des Tag-Nacht-Rhythmus. Tageslicht ermöglicht beides unter optimalen Bedingungen. Zumeist wird uns das leider erst dann bewusst, wenn es an ausreichend Tageslicht fehlt. Wie wir mehr Tageslicht an unsere Arbeitsplätze bekommen und wie es unser Leben bereichert, wird im Folgenden diskutiert.
Wenn man an Italien denkt, so kommen einem zumeist Sonne, Strand und Urlaub in den Sinn. Kaum jemand würde vermuten, dass es dort einen kleinen Ort in einem Talkessel gibt, der fast drei Monate im Jahr im Dunkeln liegt. Der Ort Viganella kam deswegen international in die Schlagzeilen. Dort wurde das Problem des fehlenden Tageslichtes im Jahr 2006 über einen großen Spiegel, also über Tageslichtlenkung, in Angriff genommen. Medienberichten darüber kann man einerseits Details zu den technischen Spezifikationen, andererseits auch Vor- und Nachteile dieser kreativen Lichtlösung entnehmen. Als vorteilhaft wird beschrieben, dass der mit Tageslicht beleuchtete Teil des Dorfes sehr geschätzt wird und der recht einfach gebaute Spiegel Hoffnung gibt, dass sich mit Weiterentwicklung der Technologie noch mehr Tageslicht in dunkle Orte bringen lässt. Wie Viganella liegen nämlich einige Dörfer im Dunkeln und die Menschen ziehen daher von dort weg. Als Nachteil wird beschrieben, dass diese einfach klingende Lösung doch mit beträchtlichen Kosten verbunden ist und sich die Technologie noch weiterentwickeln muss.
Tageslichtlenkung im öffentlichen Bereich
Dennoch wurde 2013 in Norwegen wieder ein kleines Dorf namens Rjukan durch einen Spiegel mit Tageslicht erhellt. Auch dort steuert ein Computer die Spiegel (inzwischen ist es eher ein System von Spiegeln), die die Sonnenstrahlen einfangen und die Dorfbewohner:innen trotz der hohen Berge mit Sonnenlicht versorgen.
Tageslichtlenkung privat
Was in Dörfern ohne Sonnenlicht funktioniert, funktioniert auch seit Jahrzehnten in dunklen Bereichen von Gebäuden, etwa in Räumen mit niedrigen Decken und kleinen Fenstern als „Selfmade-Lösung“: Vor den Fenstern befinden sich längliche Spiegel, die das Tageslicht an die weißen Decken der Räume werfen und somit für eine angenehme Helligkeit in den Zimmern sorgen. Die Lösung mit Spiegeln ist kostengünstig und sehr einfach, muss aber wohl geplant sein und regelmäßig gepflegt werden. Heute werden solche Systeme in Gebäudehüllen integriert und eher oben an den Fenstern angebracht, um Blendungen und unerwünschte Reflexionen zu vermeiden.
Die ÖNORM EN 12464-1 Licht und Beleuchtung – Beleuchtung von Arbeitsstätten beschreibt Tageslicht als die wesentliche Lichtquelle für das menschliche Wohlbefinden.
Tageslicht und Wohlbefinden
Wie wichtig Tageslicht für das eigene Wohlbefinden ist, zeigt sich zumeist erst, wenn es fehlt. Trübe, nebelige Tage sind eine Herausforderung für die gute Laune, und wenn man auch noch Arbeitsleistung erbringen soll, bleibt die Motivation oft aus. Zeigen sich dann jedoch erste Sonnenstrahlen, hellt sich auch die Stimmung schlagartig auf. Diese Verbundenheit mit der Sonne und der Natur schlägt sich auch in der gesetzlichen Forderung nach direkter Sicht ins Freie vom Arbeitsplatz aus nieder, denn auch das ist für uns Menschen ein wichtiges grundlegendes Bedürfnis (siehe: ASchG § 21 (2), AStV § 25 (1) und (5) unter arbeitsinspektion.gv.at, Rubrik: Arbeitsplätze, Arbeitsstätten, kommentierte Arbeitsstättenverordnung).
Zur Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen (z. B. Beleuchtungsstärken an den Arbeitsplätzen in Abhängigkeit von der Tätigkeit) gibt es die ÖNORM EN 12464-1 Licht und Beleuchtung – Beleuchtung von Arbeitsstätten. Im Punkt B.7 (S. 101) wird dort Tageslicht als die wesentliche Lichtquelle für das menschliche Wohlbefinden beschrieben. Auch verweist sie auf die EN 17037:2018, die ein Bewertungsverfahren für die Tageslichtversorgung eines Raumes festlegt, um eine ausreichende Tageslichtversorgung über das ganze Jahr sicherzustellen.
Dass es nicht ohne künstliche Beleuchtung geht, liegt auf der Hand, jedoch ist weit mehr an natürlicher Belichtung möglich, als man oft denkt, einschließlich der Möglichkeit, das aktuelle Wetter und den Sonnenstand beobachten zu können.
Mehr als Fenster
Neben Fenstern gibt es weitere Möglichkeiten, Tageslicht in Arbeitsräume hereinzulassen. Kleinere und schmälere Fensterflächen, sogenannte Oberlichten, befinden sich zumeist im oberen Bereich von Wänden. Auch Lichtkuppeln und Glasdächer lassen Tageslicht in Innenräume, gelten jedoch nicht als Sichtverbindung ins Freie nach AStV § 25. Leider führen sie auch des Öfteren zu Blendungen und Reflexionen in Innenräumen und müssen gut durchdacht auch mit Blendschutzeinrichtungen versehen werden. Werden die Dächer sägezahnartig als Scheddächer ausgeführt (ev. mit Ausrichtung gegen den Sonnenverlauf) so könnten diese Blendungen leichter vermieden werden. Auch Atrien und Innenhöfe dienen in manchen Bauten dazu, Tageslicht nach innen zu bringen. Mit einer durchdachten Auslegung der Größe der Fensterflächen und der Einbeziehung eines flexiblen außenliegenden Sonnenschutzes lassen sich auch mögliche thermische Probleme im Innenraum von vornherein vermeiden.
Um Menschen das Tageslicht und dessen Bedeutung einfach und verständlich näherzubringen, haben sich vier Experten:Expertinnen aus der Tageslichtszene zusammengeschlossen. Sie haben ehrenamtlich eine Website sowie Postkarten rund um das Thema Tageslicht entwickelt. Mit einem feinen Augenzwinkern, niederschwellig, leicht provokant, aber fachlich absolut fundiert sind diese Themen ausgewählt worden und auf Deutsch und Englisch abrufbar unter aboutdaylight.org. Lassen Sie sich von Bildern und wertvollen Informationen über Tageslicht für das eigene Umfeld und die eigene Arbeit inspirieren – damit das Tageslicht aus seinem Schattendasein tritt.
Lichtlenksysteme können blendfrei Tageslicht in Arbeitsstätten holen und diese gesetzeskonform, gesundheitsförderlich und menschengerecht nutzbar machen. Links: vorher. Rechts: nach Einrichtung einer Tageslichtlenkung bzw. -leitung.
Beispiele für Präventionsberatung
In der Präventionsberatung werden die Experten:Expertinnen der AUVA nicht nur konkret zur ASchG-gerechten Beleuchtung befragt, sondern es geht auch immer wieder darum, Räume als Arbeitsstätten gesetzeskonform, gesundheitsförderlich und menschengerecht nutzbar zu machen. Hierzu seien ein paar Beispiele der letzten Jahre kurz beschrieben, die mit Tageslichtlenkung und / oder -leitung gelöst werden könnten:
- Produktion: Ein Produktionsbetrieb erhält einen Großauftrag und möchte diesen bestmöglich erfüllen. Leider sind die Räumlichkeiten beschränkt und eine Erweiterung im Sinne eines Anbaus ist nicht möglich. Jedoch stehen tiefer liegende Hallen leer und somit zur Verfügung, die nur über schmale Oberlichten verfügen und daher die Anforderungen des ASchG hinsichtlich Belichtung nicht erfüllen.
- Homeoffice: Immer mehr Mitarbeiter:innen verrichten ihre Arbeitstätigkeit zu Hause im Homeoffice. Gerade Licht und Beleuchtung sind da ein problematisches Thema, denn die privaten Räumlichkeiten entsprechen gerade in diesem Punkt meist nicht den Anforderungen des ASchG.
- Krankenhaus: Ein Krankenhaus platzt aus allen Nähten und muss nun Räumlichkeiten als Arbeitsstätten nutzen, die zwar im Erdgeschoß liegen, deren Fenster jedoch von den darüber liegenden Gebäudeteilen überragt werden und daher abgeschattet sind.
- Altbau: Ein Betrieb in einem Altbau hat Fensterflächen, die nur in einen Lichtschacht führen (und damit lt. ASchG keine direkte Sicht ins Freie aufweisen). Weitere Büroflächen liegen in Räumen, die von der Straße aus über Stiegen nach unten erreichbar sind – ergonomisch toll eingerichtet und auch sehr geräumig, aber leider nur spärlich mit Tageslicht versorgt.
- Großraumbüro: Großraumbüros erfreuen sich trotz ihrer bekannten ergonomischen Mängel wieder großer Beliebtheit (nicht bei den Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen, sondern aufseiten der Arbeitgeber:innen). Zwar ist es an den Arbeitsplätzen im unmittelbaren Fensterbereich ausreichend bis zu hell, jedoch nimmt die natürliche Belichtung zur Raummitte hin rapide ab und es muss dort ständig künstlich beleuchtet werden. Auch wird das dadurch entstehende Zwielicht als unangenehm empfunden (und daher oft die Beleuchtung abgeschaltet – was dort dann zu einer zu geringen Beleuchtungsstärke führt).
Erfolgsgeschichten der Arbeitsinspektion
Diese Liste der Beispiele kann nicht nur die AUVA-Prävention lange fortsetzen, sondern auch die Arbeitsinspektoren:-inspektorinnen können hier viele Beispiele nennen, wo sie um Unterstützung und Lösungsvorschläge gebeten werden. Ein Erfolgsbeispiel der Arbeitsinspektion, wie so eine Licht- und Beleuchtungsproblematik erfolgreich gelöst wurde, ist auf deren Website nachzulesen unter arbeitsinspektion.gv.at, Rubrik: Agenda, gute Beratung, Erfolgsgeschichten der Arbeitsinspektion März 2023. Für die oben genannten Beispiele bieten Firmen wie beispielsweise das Schweizer Unternehmen Heliobus AG (heliobus.com), das auch in Österreich tätig ist, verschiedene Lösungen an, blendfrei Tageslicht in Arbeitsstätten zu holen.
Inzwischen sind die Technologien weit vorangeschritten. Ausgefeilte und langjährig erprobte Systeme kommen zum Einsatz und können manchmal ohne großen Umbau in bestehende Strukturen integriert werden. Wie das umgesetzt werden kann und wie auch die Wirkung des Tageslichts in Innenräumen dann erlebt wird, ist in Bildern und Videos im Internet zu sehen. Auch gibt es einen Testbus, wo man selbst erleben kann, wie angenehm hell es mit Lichtlenkung darin werden kann.
Arbeiten bei Tageslicht
Gehen wir von einem Acht-Stunden-Tag aus, so verbringen wir ein Drittel jedes Tages in der Arbeit. Während es im Sommer vor und nach der Arbeit zumeist noch hell ist, ist es die überwiegende Zeit des Jahres leider vor allem dann hell, wenn wir uns arbeitend in Innenräumen aufhalten. Dabei wäre es so einfach, Tageslicht auch in Innenräumen zu genießen und davon profitieren zu können – noch dazu ohne die durchaus bekannten Nachteile, denen die Personen ausgesetzt sind, die im Freien arbeiten müssen: Hautschäden und Hitze. Somit wäre es also nicht nur sinnvoll, mehr Tageslicht in Arbeitsräume zu bringen, sondern auch leicht, die gesetzlichen Mindestanforderungen einzuhalten, und auch grundsätzlich an allen Arbeitsplätzen für eine gleichmäßige Ausleuchtung mit Tageslicht zu sorgen. Selbstverständlich ist mit künstlicher Beleuchtung zusätzlich zu ergänzen, aber alleine der Zugewinn an Wohlbefinden sowie die Kostenreduktion durch den Einsatz der kostenlosen Sonne sind doch etwas Planungsaufwand wert, oder?!
Zusammenfassung
Tageslicht in allen Arbeitsstätten wäre wünschenswert für Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden an jedem Arbeitsplatz. Solange nicht ein Zuviel an Sonnenlicht blendet oder beim Arbeiten die Haltung stört, gibt es nichts Besseres und noch dazu ist es kostenlos! Der Artikel zeigt, wie mittels Tageslichtlenkung und -leitung ideale Tageslichtbedingungen auch in dunklen Räumen hergestellt werden können.