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Komm gut an! – Sichtbarkeit

Sicherheit durch Sichtbarkeit

Das Unfallrisiko im Straßenverkehr steigt durch schlechte Sicht bei Dämmerung, Dunkelheit und künstlicher Beleuchtung. Fußgänger:innen, Radfahrer:innen, aber auch Personen, die auf der Straße arbeiten, können sich durch fluoreszierendes und reflektierendes Material sowie durch aktiv leuchtende Warnkleidung schützen.

ein Plakat an einer Straße mit der Aufschrift: meine Mama arbeitet für dich. Danke, dass du aufpasst. ASFINAG, darauf ist ein Junge mit Schutzweste und einer Lampe zu sehen.
© ASFINAG

Die Sichtbedingungen im Spätherbst und Winter sind denkbar schlecht: Zu bedecktem Himmel, Nebel, Regen oder Schnee kommen kürzer werdende Tage. Auf dem Weg in die Arbeit oder wieder nach Hause ist es häufig noch bzw. schon dunkel. Nicht nur Autolenker:innen können durch ein entsprechendes Fahrverhalten dazu beitragen, Unfälle zu verhindern. Auch wer zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem E-Scooter unterwegs ist, kann durch bessere Sichtbarkeit für die eigene Sicherheit sorgen.

Warum das oft nicht geschieht, liegt für DI Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV), an einer fatalen Fehleinschätzung: „Viele glauben, dass die Autofahrer:innen sie sehen, weil sie das Auto sehen – das heißt aber nicht, dass die Autofahrer:innen sie gut erkennen können.“ Vor allem die in gedeckten Farben gehaltene typische Winterkleidung hebt sich an „grauen“ Tagen kaum vom Hintergrund ab. Die Folge sind oft schwere, manchmal auch tödliche Unfälle.

KFV-Sichtbarkeitsstudie

Wie groß der Einfluss der Kleidung auf das Unfallgeschehen tatsächlich ist, erhob das KFV für die Sichtbarkeitsstudie 2022. In die Studie flossen die Daten von 10.000 Beobachtungen pro Jahr ein, die im gesamten Bundesgebiet durchgeführt wurden. Die Auswertung ergab, dass sich in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich jeder zweite tödliche Verkehrsunfall mit Personen, die zu Fuß unterwegs waren, und jeder fünfte tödliche Verkehrsunfall mit Personen am Fahrrad bei schlechter Sicht ereignet hatte.

„Fußgänger:innen in reflektierender Kleidung können von Pkw-Fahrern:-fahrerinnen bei Dunkelheit oder schlechter Sicht bereits aus rund 140 Metern Entfernung erkannt werden. Tragen sie helle, kontrastreiche Kleidung, sieht man sie aus rund 40 Metern Entfernung. In dunkler Kleidung ohne Reflektoren werden Fußgänger:innen erst entdeckt, wenn sie nur noch zirka 25 Meter entfernt sind – das ist der Anhalteweg eines Pkw bei 50 km / h“, erklärt Robatsch.

Viele glauben, dass die Autofahrer:innen sie sehen, weil sie das Auto sehen – das heißt aber nicht, dass die Autofahrer:innen sie gut erkennen können.

Klaus Robatsch, Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV)

Er appelliert an die bei einer Kollision besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmer:innen: „Helle, reflektierende Kleidung kann Leben retten, denn das Unfallrisiko wird dadurch um fast 50 Prozent gesenkt.“ Sonderlich beliebt ist ein Outfit in bunten, leuchtenden Farben in unseren Breiten jedoch kaum, wie die Erhebungen im Rahmen der Sichtbarkeitsstudie 2022 zeigten. Besonders wenig farbenfroh kleiden sich – wenig überraschend – ältere Menschen, die bei Unfällen die höchste Wahrscheinlichkeit haben, sich schwer zu verletzen. Aber auch Jugendliche und sogar viele Kinder bevorzugen dunkle Kleidung.

Laut den Erhebungen des KFV sind 63 Prozent der Fußgänger:innen aufgrund dunkler Kleidung schlecht sichtbar. 16 Prozent tragen zwar helle Farben, aber keine Reflektoren, mit denen nur rund jede:r Fünfte ausgestattet ist. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Personen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind. 60 Prozent können wegen ihrer dunklen Kleidung nicht gut gesehen werden. 13 Prozent sind zwar hell gekleidet, verwenden jedoch keine Reflektoren auf ihrem Outfit. 27 Prozent haben Reflektoren an ihrer Kleidung bzw. tragen – unabhängig von der Ausstattung des Fahrrads – reflektierende Accessoires.

ein Mädchen fährt mit Helm, Schutzweste, Stirnlampe (im Nacken) Rad, es wirkt dämmrig, dahinter zwei Autos
© Adobe Stock / Halfpoint

Fluoreszierendes Material

Noch besser sichtbar als „nur“ helle sind fluoreszierende Farben, die oft für Sportbekleidung verwendet werden. Genauer gesagt handelt es sich dabei um Tagesleuchtfarben (Neonfarben), die durch Fluoreszenz das kurzwellige UVB-Licht der Sonne in langwelliges Licht wie Gelb, Orangerot oder Rot umwandeln. Diese drei Farben sind laut ÖNORM EN ISO 20471 für das Hintergrundmaterial von Warnkleidung zulässig.

Das Auge nimmt Gelb, Orange und Rot bei gleicher Lichtstärke wesentlich heller wahr als andere Farben, wodurch sich vor allem bei trübem Wetter und in der Dämmerung der Kontrast zur Umgebung deutlich erhöht. Da fluoreszierende Farben in der natürlichen Umgebung nicht vorkommen, fallen sie auch stärker auf. Damit fluoreszierende Tagesleuchtfarben ihre Wirkung entfalten können, muss eine Licht­quelle – also Tages- oder Scheinwerferlicht – vorhanden sein.

Retroreflektierendes Material

Zusätzliche Sicherheit bieten Reflektoren, die das einfallende Licht zurückwerfen. Im Straßenverkehr ist sogenanntes retroreflektierendes Material besonders zu empfehlen, da dieses das Licht genau in jene Richtung zurückwirft, aus der es gekommen ist. Wird das retroreflektierende Material von einem Autoscheinwerfer angeleuchtet, erscheint es dem:der Lenker:in gleißend hell. Dieser Effekt tritt nur auf, wenn der Retroreflektor direkt angestrahlt wird.

Warnkleidung ist mit retroreflektierenden Streifen ausgestattet, die bei Tageslicht unscheinbar grau wirken. Auch Sportkleidung und Schultaschen sind oft mit derartigen Streifen versehen. Reflex-Klettbänder und -Anhänger erhöhen die Sichtbarkeit „normaler“ Kleidung. Um beim Kauf sicherzugehen, dass ein als retroreflektierend gekennzeichnetes Produkt diese Eigenschaft tatsächlich aufweist, kann man es mit einer in Höhe der Augen gehaltenen Taschenlampe bzw. dem Handylicht anleuchten.

Portraitbild Klaus Robatsch
Klaus Robatsch © KFV
Portraitbild Corina Walther
Corina Walther © DGUV
Portraitbild Bernhard Lautner
Bernhard Lautner © ASFINAG

Warnkleidung

Worauf man bei der Anschaffung von Warnkleidung noch achten sollte, weiß DIin Corina Walther vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA): „Zum Teil werden retroreflektierende Materialien verkauft, die zu kleine Flächen haben. Diese suggerieren eine hohe Sichtbarkeit, können aber leicht verdeckt werden, wenn man sich bewegt.“ So ist z. B. bei Warnwesten in Kindergrößen nach EN 17353 für die Anwendung auf Autobahnen und Landstraßen darauf zu achten, dass die Reflexstreifen – wie bei Westen für Erwachsene – nach ÖNORM EN ISO 20471 eine Breite von 50 mm aufweisen.

Beim Tragen von Warnwesten oder Kleidungsstücken aus fluoreszierendem bzw. retroreflektierendem Material sollte auf eine gute Rundumsichtbarkeit geachtet werden. Diese wird vermindert, wenn man das Kleidungsstück nicht schließt oder den Rückenteil durch einen Rucksack – sofern nicht auch dieser aus gut sichtbarem Material besteht – verdeckt. Beim Überqueren einer Straße ist vor allem die seitliche Sichtbarkeit entscheidend.

Autofahrer:innen sind dazu verpflichtet, für Pannen eine Warnweste mitzuführen, Walther empfiehlt sie aber auch anderen Verkehrsteilnehmenden: „Wenn Motorräder in einer Kolonne fahren, sollte die erste und die letzte Person der Kolonne eine Warnweste tragen.“ Da eine Warnweste wenig Platz einnimmt und man sie schnell über der Alltagskleidung anziehen kann, ist sie für alle praktisch, die in die Situation kommen können, bei schlechten Sichtbedingungen unterwegs zu sein.

ein Plakat an einer Straße mit der Aufschrift: meine Mama arbeitet für dich. Danke, dass du aufpasst. ASFINAG, darauf ist ein Mädchen mit Schutzweste und einem Huterl zu sehen.
Um ihre Mitarbeiter:innen zu schützen, setzt die ASFINAG einerseits auf Warnkleidung und -signale, andererseits auf Kampagnen wie „Danke, dass du aufpasst“ zur Bewusstseinsbildung. © ASFINAG

Sichtbarkeitsaccessoires

Im Ortsgebiet sind Lenker:innen von Kraftfahrzeugen bei Dunkelheit mit einer Vielzahl an Lichtern und reflektierenden Flächen konfrontiert. Damit Träger:innen einer Warnweste oder reflektierender Kleidung als Person erkannt werden, rät Walther, die sich bewegenden Arme und Beine mit retroreflektierenden Aufnähern oder Klickbändern zu versehen. Wer eine Warnweste mitführt, kann die Accessoires dazu packen, um diese immer griffbereit zu haben.

Wer mit dem Fahrrad oder E-Scooter unterwegs ist, sollte besonders auf Sichtbarkeit achten. Radfahrer:innen können – zusätzlich zu den am Fahrrad montierten vorgeschriebenen Reflektoren – Sichtbarkeitsaccessoires nicht nur an Armen und Beinen, sondern auch am Helm anbringen. LEDs – als Accessoire, in Warnwesten oder Schuhe integriert – tragen ebenfalls dazu bei, dass man besser gesehen wird. Sie dürfen allerdings nicht zu hell leuchten, weil sonst die Gefahr besteht, andere Verkehrsteilnehmer:innen zu blenden. Die Ausstattung aktiv leuchtender Warnkleidung ist in der Norm DIN / TS 91418:2021-07 geregelt.

Sicheres Verhalten

Bei schlechten Sichtverhältnissen entscheidet auch das Verhalten darüber, ob man rechtzeitig gesehen wird. Wenn Autofahrer:innen damit rechnen, dass an einer bestimmten Stelle Fußgänger:innen queren oder entlang der Straße gehen, werden sie langsamer fahren bzw. auf Personen am Straßenrand achten. Fußgänger:innen sollten stark frequentierte Straßen bei Dämmerung und Dunkelheit daher nur an gesicherten Stellen mit Ampeln, Schutzwegen oder Mittelinseln überqueren. Auf Freilandstraßen ohne Gehsteig müssen Fußgänger:innen die linke Straßenseite benutzen, weil sie entgegenkommende Fahrzeuge dadurch schon von weitem sehen und im Notfall rechtzeitig ausweichen können.

Zu Fuß sicher unterwegs zu sein bedeutet auch, Rutsch- und Sturzunfälle zu vermeiden. Peter Schwaighofer, BSc Experte für Verkehrssicherheit in der AUVA-Hauptstelle, empfiehlt Personen, die zumindest einen Teil ihres Arbeitswegs zu Fuß zurücklegen, die Wetterprognose abzurufen und für die jeweilige Witterung geeignete Schuhe zu wählen: „Bei Nässe, Eis oder Schnee braucht man rutschfeste Sohlen. Oftmals ist bei Business-Schuhen ein Ausrutschen aufgrund der Sohlenbeschaffenheit sehr wahrscheinlich, daher sollte man sie mitnehmen und für den Arbeitsweg andere Schuhe anziehen.“ Das Gleiche gilt für Schuhe mit hohen Absätzen. Beim Radfahren rät er, rutschfeste Schuhe mit reflektierendem Material zu tragen.

Danke, dass du aufpasst

Ein im wahrsten Sinn des Wortes leuchtendes Vorbild bezüglich Sichtbarkeit ist die ASFINAG. Um die mehr als tausend Mitarbeiter:innen angesichts der hohen auf Autobahnen gefahrenen Geschwindigkeiten zu schützen, setzt das Unternehmen einerseits auf Warnkleidung und -signale, andererseits auf Bewusstseinsbildung aufseiten der Autofahrer:innen. Zu diesem Zweck wurde 2021 die Kampagne „Danke, dass du aufpasst“ ins Leben gerufen.

Den Anlass für die Informationskampagne bildeten Rückmeldungen der Mitarbeiter:innen vor Ort: Der Verkehr wird mehr, die Rücksichtnahme weniger, viele Autofahrer:innen haben kein Verständnis dafür, dass sie im Baustellenbereich die Geschwindigkeit reduzieren sollen. 2020 ereigneten sich auf insgesamt rund 10.300 Baustellen 142 durch Pkw- bzw. Lkw-Lenker:innen verschuldete Unfälle. „Die Baustellen sind beschildert, es leuchtet und blinkt, und trotzdem fahren viele nicht langsamer. Daher haben wir einen Ansatz auf der Emotionsebene mit den Kindern der Mitarbeiter:innen gewählt“, erklärt DI Bernhard Lautner von der ASFINAG-Konzernsteuerung.

Im Rahmen der Kampagne berichteten ASFINAG-Mitarbeiter:innen von konkreten Gefährdungen in ihrem Arbeitsalltag. Dazu zählt beispielsweise der Beinaheunfall eines ASFINAG-Traffic-Managers, der sich nur durch einen Sprung über die Betonleitwand vor einer Kollision retten konnte. Das letzte Wort in den kurzen Videos, die unter blog.asfinag.at/menschen-bei-der-asfinag/danke-dass-du-aufpasst/ abrufbar sind, haben die Kinder der Beschäftigten: Sie bedanken sich bei den Zusehenden, dass diese auf ihre Eltern aufpassen.

Die Einbeziehung der Belegschaft hat bei der ASFINAG Tradition. Sie wissen nicht nur, welchen Risiken sie ausgesetzt sind, sondern mitunter auch, wie man diese reduzieren könnte, wobei bessere Sichtbarkeit eine wesentliche Rolle spielt. Lautner bringt ein Beispiel: In den 1990er-Jahren wurde der Warnleitanhänger mit Beleuchtung und Beschriftung von einem Mitarbeiter der Autobahnmeisterei St. Pölten in Kooperation mit dem damaligen Straßenmeister der Gemeinde St. Pölten entworfen. Heute sind diese Vorwarneinrichtungen, für die mittlerweile digitale LED-Displays verwendet werden, zur Absicherung von Tagesbaustellen Standard.

Zusammenfassung

Helle, reflektierende Kleidung senkt das Unfallrisiko um fast 50 Prozent, besonders gut sichtbar sind fluoreszierende und retroreflektierende Materialien. Die ASFINAG achtet bei ihren auf Autobahnen tätigen Beschäftigten auf gute Sichtbarkeit und appelliert in einer Kampagne an die Autofahrer:innen, Rücksicht zu nehmen.


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