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Arbeitsmedizin

eine Frau zeigt einer zweiten vor einem Computer sitzenden Frau die optimale Einstellung für den Monitor
© M. Smetana

Verstärkung für den Präventivdienst

Seit Juli 2022 können Arbeitsmediziner:innen vom arbeitsmedizinischen Fachdienst unterstützt werden.

Der Mangel an Arbeitsmedizinern:-medizinerinnen hat Folgen: Bereits jetzt können Arbeitgeber:innen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Präventivdienstbetreuung zum Teil nicht mehr nachkommen. Bevorstehende Pensionierungen und fehlender Nachwuchs drohen die Lage weiter zu verschärfen. Abhilfe schaffen soll ein arbeitsmedizinischer Fachdienst (AFa), dessen Tätigkeiten zu maximal 30 Prozent in die arbeitsmedizinische Präventionszeit einrechenbar sind. Die rechtliche Grundlage dafür wurde durch die am 1. Juli 2022 in Kraft getretene Novelle zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) geschaffen, die Verordnung über arbeitsmedizinische Zentren (AMZ-VO) wurde hinsichtlich der arbeitsschutzspezifisch relevanten Berufsgruppen erweitert.
Ob sich die Qualität der Betreuung aufrechterhalten lässt, wenn Arbeitsmediziner:innen Aufgaben an den AFa abgeben, sollte im Vorfeld durch eine Studie der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention geklärt werden. „Die Studie war ein Türöffner. Aufgrund der Ergebnisse hat das Arbeitsinspektorat die Einführung des AFa befürwortet“, erklärt Dr.in Roswitha Hosemann, Fachärztin für Arbeitsmedizin in der AUVA-Landesstelle Graz. Im Rahmen der Studie wurde ein Pilotprojekt evaluiert, bei dem eine Fachassistentin aus dem gehobenen Dienst für die Gesundheits- und Krankenpflege den Arbeitsmediziner in einem oberösterreichischen Produktionsbetrieb unterstützte.
„Die Themenbereiche, die die Fachassistentin betreuen sollte, sind im Vorfeld definiert worden. Zu Beginn war mehr Kontakt zum Arbeitsmediziner erforderlich. Je länger das Projekt gedauert hat, umso eigenständiger hat die Fachassistentin arbeiten können“, beschreibt Dr.in Andrea Kernmayer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmedizin und Arbeitspsychologie des Zentral-Arbeitsinspektorats. Der Anspruch, die arbeitsmedizinische Betreuung ohne Qualitätsverlust aufrechtzuerhalten, wurde erfüllt. Es ergab sich sogar eine Verbesserung, da die vorgeschriebene Präventionszeit vor dem Projekt nur schwer eingehalten werden konnte.

Zusammenarbeit

Damit die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsmediziner:in und AFa funktioniert, sollten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Eine wesentliche Rolle kommt dabei dem:der Arbeitgeber:in zu. In einem Informationsschreiben des Zentral-Arbeitsinspektorats an alle Arbeitsinspektorate wird darauf hingewiesen, dass der:die Arbeitgeber:in vor einer AFa-Beiziehung das Einvernehmen mit dem:der Arbeitsmediziner:in der Arbeitsstätte herstellen muss.
„Wenn der:die Arbeitgeber:in nur aus Ersparnisgründen einen arbeitsmedizinischen Fachdienst in den Betrieb holen möchte, ohne sich mit dem:der Arbeitsmediziner:in abzustimmen, wird es nicht funktionieren. Auch die Einbeziehung von Betriebsrat und Sicherheitsfachkräften ist wichtig“, betont Kernmayer. Die Letztentscheidung über den AFa-Einsatz verbleibt aufgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften – z. B. eine ordnungsgemäße arbeitsmedizinische Betreuung – bei dem:der Arbeitgeber:in.
Nachdem die ASchG-Novelle in Kraft getreten war, bestand die Befürchtung, dass Unternehmen versuchen würden, so viele Präventionsstunden wie möglich durch den – kostengünstigeren – AFa abzudecken. Das hat sich laut Kernmayer nicht bewahrheitet: „Es gibt mehr als genug Arbeit sowohl für Arbeitsmediziner:innen als auch für den arbeitsmedizinischen Fachdienst. Die Notwendigkeit, einen:eine Arbeitsmediziner:in zu beschäftigen, wird nicht in Frage gestellt, da der AFa ja nur unter der Leitung und in Kooperation mit dem:der Arbeitsmediziner:in tätig sein kann.“

© Adobe Stock

Wenn der:die Arbeitgeber:in nur aus Ersparnisgründen einen arbeitsmedizinischen Fachdienst in den Betrieb holen möchte, ohne sich mit dem:der Arbeitsmediziner:in abzustimmen, wird es nicht funktionieren. Auch die Einbeziehung von Betriebsrat und Sicherheitsfachkräften ist wichtig.

Andrea Kernmayer

Entlastung

Wie Arbeitsmediziner:innen dazu stehen, dass sie vom AFa unterstützt werden, hängt unter anderem davon ab, inwieweit man sie in den Entscheidungsprozess einbezieht. „Optimal ist, wenn der:die Arbeitsmediziner:in bei der Auswahl des AFa mitwirkt und eine Person mit einem Quellenberuf wählt, der einer im Betrieb erforderlichen Qualifikation entspricht“, erläutert Kernmayer. So kann z. B. jemand aus dem logopädisch-phoniatrisch-audiologischen Dienst audiometrische Untersuchungen von Beschäftigten, die an ihren Arbeitsplätzen einer erhöhten Lärmbelastung ausgesetzt sind, vornehmen.
Bisherige Erfahrungen zeigen, dass insbesondere Arbeitsmediziner:innen in großen Betrieben froh darüber sind, durch den AFa entlastet zu werden. Mitunter lässt sich erst dadurch die vorgeschriebene Anzahl an Präventionsstunden realisieren. Ältere Arbeitsmediziner:innen erhalten durch die Unterstützung die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, sofern sie das wünschen. Das kann, so Kernmayer, den Effekt haben, dass der:die Arbeitsmediziner:in länger im Berufsleben bleibt, statt in Pension zu gehen.
Größere Unternehmen beschäftigen in der Regel eigene Arbeitsmediziner:innen, während sich Klein- und Mittelbetriebe meist einen:eine Arbeitsmediziner:in „teilen“ müssen. In diesem Fall gestaltet sich die Kommunikation und Kooperation zwischen Arbeitsmediziner:in und AFa schwieriger. Eine mögliche Lösung sieht Kernmayer darin, dass Arbeitsmediziner:in und AFa als Team gemeinsam mehrere Betriebe betreuen.

© privat

Die ärztliche Letztverantwortung hat der:die Arbeitsmediziner:in, daher müssen Angehörige des AFa immer Rücksprache halten.

Andrea Kernmayer
Abbildung zeigt die Entwicklung der Altersstrukturen der AMed zwischen 2005 und 2022

Arbeitsteilung

Darin, dass der AFa zwar unter der Leitung von Arbeitsmedizinern:-medizinerinnen arbeitet, aber bei der Anwendung von Fachkunde weisungsfrei und zur eigenständigen Durchführung bestimmter Tätigkeiten berechtigt ist, sieht Kernmayer keinen Widerspruch. Es könnte z. B. eine Blutabnahme durch den AFa durchgeführt werden, die Befundung bleibt jedoch dem:der Arbeitsmediziner:in vorbehalten. „Die ärztliche Letztverantwortung hat der:die Arbeitsmediziner:in, daher müssen Angehörige des AFa immer Rücksprache halten“, so Kernmayer. In der Praxis sollte anhand der Qualifikationen festgelegt werden, welche Tätigkeiten der AFa übernehmen kann.
Die Mitwirkung des AFa an Maßnahmen der allgemeinen oder freiwilligen betrieblichen Gesundheitsförderung, die keinen Bezug zu den betriebsspezifischen Arbeitsbedingungen aufweist, ist nicht auf die Präventionszeit anrechenbar. „Wenn eine Diätologin im arbeitsmedizinischen Fachdienst Ernährungsberatung in einem Betrieb durchführt, ist sie weisungsfrei, weil es sich um ihre erlernte Qualifikation handelt. In die Präventionszeit eingerechnet werden kann diese Beratung aber nur in Ausnahmefällen – etwa, wenn es um die richtige Ernährung bei schweren körperlichen Tätigkeiten in Nachtschichtbetrieben geht“, erklärt Kernmayer.

Informationsquellen

Informationsschreiben des ZAI

Einen Überblick über die wichtigsten Punkte der Novellen von ASchG und AMZ-VO und eine Interpretation, wie sich der AFa in der Praxis einsetzen lässt, finden sich im Informationsschreiben des Zentral-Arbeitsinspektorats an die Arbeitsinspektorate. Dieses ist auf der Website des Arbeitsinspektorats abrufbar: arbeitsinspektion.gv.at/Uebergreifendes

AUVA-Merkblatt M 030, 16. Auflage

Das AUVA-Merkblatt M 030 „ArbeitnehmerInnenschutzgesetz“ (kommentiert) ist ein Arbeitsbehelf mit Anmerkungen, Verweisen und Stichwortverzeichnis. Die 16. überarbeitete Auflage 2023 berücksichtigt bereits die ASchG-Novelle.
Download oder Bestellung unter auva.at/merkblaetter

 

Mag.ᵃ Rosemarie Pexa
Freie Journalistin und Autorin
r.pexa@chello.at

 

 

Das neue „Berufsbild“ arbeitsmedizinischer Fachdienst

man sieht einen Teil eines Arztes, der mit den Händen gestikuliert, davor sitzt offenbar eine Patientien, wo man ebenfalls nur die Hände sieht.
© Adobe Stock

Mit diesem Artikel möchte die Autorin Arbeitsmediziner:innen dazu motivieren, die Arbeit in der Betreuung der Firmen mit dem arbeitsmedizinischen Fachdienst gemeinsam zu bewältigen und dadurch Freiräume für die Arbeitsmediziner:innen zu schaffen.

Im Dezember 2016 gaben das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen sowie das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in Kooperation mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt eine Studie in Auftrag mit dem Titel: „Bedarfsanalyse zur mittel- und langfristigen Sicherstellung der arbeitsmedizinischen Versorgung in Österreich“. Die Analyse zeigte, dass in den nächsten 10 Jahren das Angebot an Arbeitsmedizinern:-medizinerinnen (AMed) sinken wird, weil mehr AMed in Pension gehen, als ausgebildet werden, und zusätzlich aufgrund der demografischen und epidemiologischen Entwicklungen der Bedarf an arbeitsmedizinischen Leistungen steigen wird (vgl. Abb. 1).
AFa als Ressource in der Arbeitsmedizin nutzen
Die Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention (AAMP) hat erste Schritte gesetzt, um den AMed gut ausgebildete Fachkräfte zu definierten Arbeitsbereichen zur Seite zu stellen. Dies soll die Arbeitsüberlastung minimieren. Bereits seit 2017 gibt es die erweiterte Form der AFa-Ausbildung als universitären Lehrgang und 2021 wurde eine weitere Ausbildungsstätte an der Wiener Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention (WIAP) geschaffen. PROGES, ein österreichischer Anbieter von Ausbildungen im Gesundheitswesen, bietet seit 2022 in Linz die AFa-Ausbildung, jedoch ohne universitären Background, an. AFa haben sich auch als Fachgruppe in der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin (ÖGA) formiert. So gibt es einen firmenübergreifenden Austausch. 90 % der Personen, die eine Ausbildung zum:zur AFa absolvieren, sind DGKP, 10 % sind MTA.

Zielgruppen der Ausbildung im ASchG

Die ASchG-Novelle soll künftig ermöglichen, zur Unterstützung und Entlastung von Arbeitsmedizinern:-medizinerinnen qualifizierte AFa einzusetzen (§ 82c neu). Bis jetzt durften AFa nur in der Rolle des:der Experten:Expertin arbeiten. Die erbrachte AFa-Tätigkeit kann in die arbeitsmedizinische Präventionszeit (§§ 82, 82a ASchG) mit bis zu 30 % eingerechnet werden, sofern in der Arbeitsstätte nur Büroarbeitsplätze (oder hinsichtlich Gefährdungen und Belastungen vergleichbare Arbeitsplätze) eingerichtet sind. Im Begehungsmodell ist die AFa-Tätigkeit ebenfalls zulässig (§ 77a ASchG) und auch Präventionszentren der Unfallversicherungsträger können AFa einsetzen (§ 78a Abs. 2a).

Die AAMP hat ein Curriculum erstellt und die nachfolgenden Bereiche zur Kooperation der AFa mit den AMed definiert:

Bewusstsein/Kooperation

AFa unterstützt AMed bei der Vermittlung der Bedeutung der Arbeitsmedizin, des Arbeitnehmer:innenschutzes und der Gesundheitsförderung
AFa ist Ansprechpartner:in für inner- und außerbetriebliche Kommunikation

Arbeitsplatzanalyse

AFa unterstützt AMed bei Begehungen und achtet auf Einflussfaktoren bei Arbeitsplätzen
AFa erhebt arbeitsbedingte Risiken, führt Gespräche mit den Präventivfachkräften (SFK) und Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen
AFa analysiert und dokumentiert Einflussfaktoren und bespricht relevante Informationen mit AMed

mehrere Personen stehen beisammen, lächelnd, mit Cafetassen, Tablet bzw. einer Schreibunterlage in den Händen. Die Umgebung wirkt sehr modern; manche Personen haben einen weißen Arztkittel an
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Arbeitsmedizinische Untersuchung

AFa hat Fachwissen über arbeitsmedizinisch relevante Untersuchungen, kennt gesetzlich vorgeschriebene Untersuchungen – VGÜ und freiwillige Untersuchungen
Untersuchungen werden auf Anweisungen durchgeführt und Abläufe werden von AFa koordiniert

Arbeitsplatzgestaltung und -schutzmaßnahmen

AFa wirkt beim Definieren von Maßnahmen bei Arbeitsplatzbegehungen mit
AFa unterstützt AMed bei Kontrolle und Bewertung der Effektivität und Effizienz der beschlossenen Maßnahmen

Qualitätsmanagement

AFa hat Fachwissen über das Qualitätsmanagement im Arbeitnehmer:innenschutz
AFa recherchiert Fachliteratur und arbeitsrelevante Themen
Medizinprodukte werden auf ordnungsgemäßen Funktionszustand überprüft und die erforderlichen Kontrollen werden in die Wege geleitet

Erste Hilfe

Manuela Smetana

Organisieren der Abläufe der Ersten Hilfe im Betrieb
Verwaltung und Dokumentation der Arbeitsunfälle und bei Bedarf Durchführung von Nachevaluierungen bei Arbeitsunfällen
Organisation der Erste-Hilfe-Schulungen, die der:die AMed abhält, und Abhaltung von Präventionsschulungen

Gesundheitsförderung und -beratung

AFa übernimmt von AMed die Entwicklung und inhaltliche Umsetzung von Projekten und kommuniziert deren Bedeutung im Betrieb
AFa erhebt mit dem Betrieb die relevanten Themen und begleitet die betriebliche Gesundheits-förderung mit verschiedenen Aktivitäten

 

Manuela Smetana, DGKP

Arbeitsmedizinischer Fachdienst, IBG GmbH

m.smetana@ibg.at

Zusammenfassung | Summary | Résumé

Mit der seit Juli 2022 geltenden Novelle des ASchG hat der Gesetzgeber den „Arbeitsmedizinischen Fachdienst“ (AFa) neu geregelt. Der AFa soll die Arbeitsmedizin entlasten und sie bei definierten Tätigkeiten unterstützen. Damit will man auch auf die geringer werdende Zahl von Arbeitsmedizinern:-medizinerinnen in Österreich reagieren und für die Wirtschaft eine qualitativ hochwertige arbeitsmedizinische Betreuung sicherstellen.

Effective since July 2022, the Austrian Labour Protection Act (ASchG) includes an amendment of the national occupational health care service (AFa). The latter is supposed to take pressure off occupational healthcare and support it in specific fields. This measure is also intended to compensate for the decreasing number of occupational physicians in Austria and to ensure high-quality occupational health care for the national industry.

L’amendement de la loi autrichienne sur la protection des travailleurs (ASchG) entré en vigueur en juillet 2022 s’est traduit par une nouvelle réglementation pour le service autrichien spécialisé en médecine du travail (AFa), qui doit venir soulager la médecine du travail et l’assister dans un certain nombre d’activités. Cette nouvelle réglementation vient en réaction à la diminution du nombre de médecins du travail en Autriche et vise à garantir une médecine du travail de qualité pour l’activité économique du pays.


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