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Absturzsicherungen

Gut gesichert vor und bei Absturz

Sturz und Fall sind nach wie vor die häufigsten Ursachen für Unfälle sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld. Entsprechend der AUVA-Arbeitsunfallstatistik verunfallt im Durchschnitt pro Woche eine Person schwer aufgrund eines Absturzes. Besonders gravierende Verletzungen entstehen zum Beispiel beim Sturz von einem Dach oder einer Leiter. Die Gründe dafür sind oft simpel: Es werden zu wenige oder keine entsprechenden Schutzmaßnahmen getroffen und das Bewusstsein für das hohe Risiko fehlt – und das, obwohl Arbeiten in der Höhe in fast allen Branchen zumindest hin und wieder durchgeführt werden.

ein gut gesicherter Bauarbeiter mit Helm und Schutzausrüstung montiert Photovoltaikpanels auf einem Dach
© Adobe Stock

Dass Stürze selten glimpflich ausgehen, ist wohl vielen bewusst. Trotzdem zeigt die betriebliche Praxis, dass die Absturzsicherung häufig vernachlässigt wird. Wie kann das sein? Argumentiert wird häufig mit fehlenden Strukturen für eine Sicherung, zu hohen Kosten oder der Feststellung, man habe es auch bisher nicht gemacht. Die gesetzlich vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen für Arbeiten in der Höhe fehlen also in vielen Fällen oder sind nur teilweise vorhanden. Das liegt neben dem mangelnden Risikobewusstsein oft auch an fehlender Kenntnis geeigneter Lösungen. Speziell für das Arbeiten in der Höhe gibt es jedoch eindeutige gesetzliche Bestimmungen. In diesem Beitrag werden daher die gesetzlichen Vorschriften für Arbeiten in der Höhe aufbereitet und wichtige Aspekte erläutert. Konkrete Anwendungsbeispiele zur Planung von Absturzsicherungen, und wie sicheres Arbeiten an erhöhten Standplätzen in der Praxis aussehen kann, werden in einer kommenden Ausgabe von SICHERE ARBEIT beleuchtet. 

Regelungen für Arbeiten in der Höhe

Die Gefahr abzustürzen betrifft nicht nur Berufsgruppen, die aufgrund ihrer Profession mit Arbeiten in der Höhe betraut sind, sondern auch Metallbautechniker:innen, Instandhaltungspersonal, Personen, die für das Facility Management in einem Unternehmen tätig sind, Klimatechniker:innen u. v. m. Grundsätzlich werden in nahezu jedem Industriebetrieb, unabhängig von der Branche, zumindest fallweise Arbeiten in der Höhe durchgeführt, wie etwa das Rüsten und Warten von Maschinen, ein Lampentausch, das Ausbessern von Putzarbeiten an Fassaden oder auch das Begehen des Dachs des Betriebsgebäudes. Dementsprechend ist die Evaluierung von Absturzsicherungen nicht nur für Baustellen oder Dacharbeiten relevant und gesetzlich verpflichtend, sondern für alle Bereiche, in denen Arbeiten in der Höhe durchgeführt werden. Das Festlegen und die Planung von geeigneten Schutzmaßnahmen ist gesetzlich geregelt: Arbeitgeber:innen müssen im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Arbeitsplatzevaluierung, die ganz allgemein in den §§ 3 und 4 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) festgelegt ist, entsprechende Maßnahmen setzen. Auch die Reihenfolge der Maßnahmen ist im ASchG geregelt: Kollektive Maßnahmen stehen vor individuellen bzw. persönlichen. Umgelegt auf das Arbeiten in der Höhe bedeutet das, dass Absturzstellen mit Absicherungen durch Geländer auszuführen sind. Nur, wenn das nicht möglich ist, ist eine Absicherung durch persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) zu wählen. Wenn PSAgA verwendet wird, dann müssen Arbeitgeber:innen ein entsprechendes Sicherungskonzept dafür entwickeln und festlegen.

Vielfältige Absturzgefahren 

Im Rahmen der Evaluierung muss der Arbeitgeber das Thema des Absturzes behandeln. Absturz bedeutet in diesem Zusammenhang das Herabfallen einer Person auf eine tiefer gelegene, ausreichend breite und tragfähige Fläche mit einer Absturzhöhe von mehr als einem Meter. Als Absturz gilt daher auch das Durchbrechen durch eine nicht tragfähige Fläche – statistisch gesehen sind diese Sturzunfälle sogar häufiger als Abstürze über eine Kante. Arbeitsplätze mit Absturzgefahr lassen sich also nicht nur durch die Absturzhöhe definieren, sondern finden sich auch in Arbeitsbereichen, wo Personen durch den Sturz in Öffnungen in Böden, Decken, Gruben, Gräben, Künetten oder Lichtkuppeln sowie Vertiefungen und Installationsöffnungen verletzt werden bzw. in Stoffen oder Wasser versinken oder ertrinken können, wie zum Beispiel bei Arbeiten in Kläranlagen, Silos sowie bei Arbeiten an oder über Gewässern. Für Absturzsicherungen ist auch dann seitens des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin Sorge zu tragen, wenn zwar an der Absturzstelle gerade nicht gearbeitet wird, aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeiten im Bereich der Absturzstelle durchgeführt werden.

Sonderfall Baustellen

Neben dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) ist für Baustellen auch die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) gesetzliche Vorschrift. Auf Baustellen ist in der Regel nicht nur ein:e Arbeitgeber:in tätig, sondern mehrere, die sich miteinander zu koordinieren haben. Es gibt zwar in vielen Fällen einen:eine Generalunternehmer:in, trotzdem müssen sich die verschiedenen Arbeitgeber:innen auf einer Baustelle gemäß § 8 des ASchG in Fragen des Sicherheits- und des Gesundheitsschutzes abstimmen und Zugang zu den Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten haben. Das heißt, die Evaluierung auf einer Baustelle muss allen Arbeitgebern:Arbeitgeberinnen bekannt sein und den Arbeitnehmern:Arbeitnehmerinnen auch im Rahmen einer Unterweisung weitergegeben werden. 

Koordination der Arbeitgeber:innen in Bezug auf Absturzsicherungen 

Neben der Koordinationsverpflichtung entsprechend § 8 ASchG sind auch die Bestimmungen des § 9 ASchG einzuhalten – hierin wird die Überlassung von Arbeitnehmern:Arbeitnehmerinnen geregelt. Für die überlassenen Arbeitskräfte gilt der:die Beschäftiger:in als Arbeitgeber:in und muss daher den:die Überlasser:in über die für die Tätigkeit und Arbeiten erforderliche Eignung der Arbeitskräfte und die Merkmale des jeweiligen Arbeitsplatzes informieren und unterweisen. Darüber hinaus haben Beschäftiger:innen den Überlasser:innen auch den Zugang zu den Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten zu ermöglichen. Überlasser:innen werden dazu verpflichtet, ihre Arbeitnehmer:innen entsprechend darüber zu informieren. In der Praxis geht es insbesondere um folgende Tätigkeiten, mit denen Überlasser:innen konfrontiert sind: 

  • Tätigkeiten und Arbeiten auf Baustellen bzw. auswärtigen Arbeitsstellen 
  • Reinigungsarbeiten, Montage, Instandhaltung an Maschinen und Arbeitsmitteln in Arbeitsstellen des Auftraggebers durch Fremdbetriebe (Auftragnehmer:innen)
  • Tätigwerden mehrerer ausführender Unternehmen (Arbeit-geber:innen) auf einer Baustelle oder auswärtigen Arbeitsstelle
  • mehrere Arbeitgeber:innen in einer gemeinsam genutzten Arbeitsstätte

Darüber hinaus bedarf es der Koordination aller tätigen Arbeitnehmer:innen in Bezug auf den Sicherheits- und Gesundheitsschutz. Für die Einhaltung des § 7 BauV ist der:die jeweilige Arbeitgeber:in verantwortlich (und nicht etwa der:die Generalunternehmer:in). An dieser Forderung vermag auch die im § 8 ASchG angeführte Bestimmung, welche eben die Koordination der Arbeitgeber:innen untereinander regelt, nichts zu ändern. § 7 BauV sieht vor, dass auf einer Arbeitsstelle mit Absturzgefahr entsprechende Schutzeinrichtungen anzubringen sind, und gemäß § 8 sind geeignete Absturzsicherungen anzubringen. Diese Absturzsicherungen bestehen aus tragsicheren und unverschiebbaren Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen oder Umwehrungen (Geländer) an den Absturzkanten, die aus Brust-, Mittel- und Fußwehren bestehen. Bei Wandöffnungen, Stiegenpodesten und Standflächen zur Bedienung oder Wartung von Maschinen bis zu einer Absturzhöhe von 2 m und bei Stiegenläufen können die Fußwehren entfallen.

Umwehrungen an Absturzkanten 

Zusätzlich müssen für die Ausführung von Geländern folgende Punkte berücksichtigt werden: 

  • Brust-, Mittel- und Fußwehren müssen aus widerstandsfähigem Material hergestellt und so befestigt sein, dass sie nicht unbeabsichtigt gelöst werden können. Werden Wehren aufgesteckt oder mit Klammern oder Nägeln befestigt, müssen sie derart angebracht sein, dass sie bei Belastung gegen die Stützen gedrückt werden. Die Befestigungselemente für Wehren, wie Steher, müssen den einwirkenden Kräften durch belastete Brust-, Mittel- und Fußwehren sicher standhalten.
  • Die Oberkante von Brustwehren muss in voller Länge mindestens 1,00 m über der Standfläche liegen. Brust- und Mittelwehren müssen für eine waagrecht oder senkrecht nach oben gerichtete Kraft von 0,30 kN sowie eine senkrecht nach unten gerichtete Kraft von mindestens 1,25 kN ausgelegt sein. 
  • Die Oberkante von Fußwehren muss mindestens 15 cm über der Standfläche liegen. Die Unterkante muss möglichst dicht mit der Standfläche abschließen. 
  • Mittelwehren müssen zwischen Brustwehren und Fußwehren derart angebracht werden, dass die lichten Abstände zwischen den Wehren nicht mehr als 47 cm betragen. 
  • Ketten dürfen nicht als Wehren verwendet werden. Seile als Wehren sind nur im Stahlbau sowie im Turm- und Schornsteinbau zulässig. Werden dabei zur Augenausbildung Backenzahnklemmen verwendet, sind mindestens drei Backenzahnklemmen anzuordnen, wobei die Klemmbacken jeweils am auf Zug beanspruchten Teil des Seiles anzuordnen sind.
Ein Arbeiter steht auf einem Dach, hantiert mit einer Wasser-Lanze, er ist gesichert aber mit Schlappseil.
Gegen Abstürze werden oft zu wenige Schutzmaßnahmen getroffen. Die Folge: laut Statistik verunfallt im Durchschnitt eine Person pro Woche schwer. © Adobe Stock

Neben diesen Bestimmungen muss § 9 BauV beachtet werden. Demnach sind anstelle von Absturzsicherungen nach § 8 auch stabile Abgrenzungen durch Brustwehren aus Holz, Metallrohr, gespannten Seilen oder Ketten zulässig – jedoch nur, wenn ein Dach bzw. die Dachflächen eine maximale Neigung von 20° aufweisen. Diese Abgrenzungen sind 2 m von der Absturzkante anzuordnen. Der Bereich zwischen Abgrenzung und Absturzkante darf nur betreten werden, wenn dies aus arbeitstechnischen Gründen erforderlich ist. In diesem Fall müssen die Arbeitnehmer:innen durch geeignete persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz gesichert sein. Das bedeutet nicht automatisch, dass jedes Dach mit Anschlageinrichtungen ausgestattet werden muss, sondern es ist im Rahmen der Evaluierung zu bewerten, welche Dachflächen und Bereiche zu begehen sind.

Nicht durchbruchsichere Dächer

Des Weiteren muss im Rahmen der Evaluierung der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Dächer mitunter nicht durchbruchsicher ausgeführt sind. Arbeiten auf nicht durchbruchsicheren Dachflächen behandelt § 90 BauV. Nicht durchbruchsichere Dachflächen dürfen nur betreten werden, wenn folgende Sicherungsmaßnahmen gegen das Durchbrechen getroffen sind, wie z. B.: Unterdachkonstruktionen (wie volle Schalung), Unterspanntafeln oder korrosionsbeständiges Maschendrahtgitter, Lauf- und Arbeitsstege sowie Dachleitern.

Lauf- und Arbeitsstege müssen bei Dachneigungen bis 20° und bei einer Verlegerichtung der Eindeckungselemente parallel zum Dachsaum mit einer Breite von mindestens 25 cm verlegt sein. In den übrigen Fällen müssen sie mit einer Breite von mindestens 50 cm verlegt sein. Beträgt die Dachneigung mehr als 20°, müssen Lauf- und Arbeitsstege gegen unbeabsichtigtes Verschieben bzw. Abrutschen gesichert sein. Sie müssen bei einer Dachneigung von mehr als 10° mit Trittleisten und bei einer Dachneigung von mehr als 30° mit Stufen versehen sein. 

Weiters ist zu erwähnen, dass Dachleitern ohne zusätzliche Maßnahmen gegen Durchbrechen bei Dachneigungen von 20° bis 75° verwendet werden dürfen. Bei Dachneigungen unter 20° dürfen sie nur verwendet werden, wenn durch geeignete Maßnahmen wie Unterspanntafeln ein Durchbrechen zwischen den Sprossen vermieden wird. Wenn aber die Absturzhöhe ins Innere des Bauwerkes mehr als 5 m beträgt, sind Schutzmaßnahmen gegen Absturz zu treffen, wie z. B.: Unterdachkonstruktionen, Fanggerüste, Auffangnetze, sowie die Sicherung der Arbeitnehmer durch Absturzsicherungssysteme als persönliche Schutzausrüstung, wenn geeignete Anschlagpunkte zur Verfügung stehen

Insbesondere ist zu beachten, dass vom Hersteller als „durchbruchsicher“ bezeichnete Dachelemente nach Ablauf der Gewährleistung wie ungesicherte Öffnungen zu behandeln sind. Nicht durchbruchsichere Dachelemente sind wie alle anderen Öffnungen in Dachflächen unabhängig von der Absturzhöhe durch geeignete Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen abzusichern. Der Gefahrenbereich unterhalb von nicht durchbruchsicheren Dachflächen ist entsprechend abzusperren und durch Warnschilder zu kennzeichnen.

Generell sind die geeigneten Schutzmaßnahmen für Arbeiten auf Dächern abhängig von der Absturzhöhe, der Dachneigung, dem Umfang und der Dauer der auszuführenden Arbeiten, der Dacheindeckung und den Witterungseinflüssen (Hitze, Wind, Regen und Schnee). Bis zu einer Absturzhöhe von 3 m und bis max. 45° Dachneigung können Absturzsicherungen (Wehren, Abgrenzungen, Schutzeinrichtungen oder Anseilen) entfallen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: 

  • günstige Witterungsbedingungen 
  • unterwiesene, erfahrene und körperlich geeignete Arbeitnehmer:innen 
  • keine Arbeiten am Dachsaum bei Absturzhöhen bis 3 m und Dachneigungen größer 45°, ansonsten sind entsprechende Schutzmaßnahmen vorzusehen (dafür gelten die gleichen Bestimmungen wie bei Absturzhöhen über 3 m)

Maßnahmen bei der Gefährdung durch Absturz

Maßnahmen für sicheres Arbeiten auf Dächern sind in der ÖNORM B 3417 zu finden. Dächer sind so zu planen, dass Personen für später erforderliche Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten permanent gesichert sind (durch bauliche Maßnahmen oder Dachsicherheitssysteme wie z. B. Anschlageinrichtungen). Die Sicherheitsausstattung sollte generell dauerhaft mit dem Bauwerk verbunden sein. Die gesamte Dachfläche gilt als Gefahrenbereich, besondere Absturzgefahr besteht jedoch, wenn sich eine Person in einem Bereich von bis zu 2 m zu einer Absturzkante aufhält. Hier müssen entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen werden. Ist ein Aufenthalt in diesen Bereichen bei den anstehenden Arbeiten nicht erforderlich, sind diese Bereiche in geeigneter Weise abzugrenzen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei Gegebenheiten wie Sturz vom Dachrand, Durchbrechen durch Dachflächen oder Sturz durch eine Dachöffnung eine besondere Absturzgefahr besteht. 

Kollektive Schutzeinrichtungen

Geeignete Schutzmaßnahmen für Arbeiten auf Dächern sind abhängig von der oben beschriebenen Absturzhöhe, der Dachneigung, dem Umfang und der Dauer der auszuführenden Arbeiten, der Dacheindeckung und den Witterungseinflüssen (Hitze, Wind, Regen und Schnee). Kollektive Schutzeinrichtungen (z. B. Geländer, Attika, Brüstung, Durchsturzgitter) haben absoluten Vorrang gegenüber dem Anseilschutz. Mögliche Absturzsituationen sind zu vermeiden, daher ist Rückhaltesystemen der Vorzug zu geben. Bei Bereichen mit Auffangfunktion ist der freie Fall auf ein Minimum zu begrenzen, denn Verletzungen durch Stürze in Auffangsysteme sind nicht auszuschließen und können lebensbedrohend sein. 

Ein Mann hängt an verschiedenen Sicherungsgeräten und Seilen an einem Gebäude. Er hat eine Bohrmaschine in der Hand.
Neben Gurten kann auch ein Auffangsystem zum Einsatz kommen. Dabei ist ein Absturz zwar möglich, das System dämpft aber die größten Gefahren ab. © R.Reichhart/AUVA

PSA gegen Absturz (PSAgA)

Wenn die Arbeitsplatzevaluierung ergibt, dass technische Maßnahmen wie z. B. Geländer nicht möglich sind, dann sind persönliche Schutzmaßnahmen einzusetzen. Diese müssen aber genau geplant sein, denn es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme im Bereich PSA gegen Absturz. Neben dem Gurt (Auffang- oder Haltegurt) zählen auch das zugehörige Verbindungsmittel und der geeignete Anschlagpunkt zur PSAgA. Es muss evaluiert werden, ob ein Halte- oder ein Auffangsystem zum Einsatz kommt. Bei einem Haltesystem z. B. mit Haltegurt (Bauch- bzw. Hüftgurt) ist ein Absturz erst gar nicht möglich, weil man nicht zur Absturzkante gelangt oder durch eine Lichtkuppel durchbrechen kann. Bei einem Auffangsystem ist ein Absturz grundsätzlich möglich. Der Auffanggurt umfasst die Person nicht nur im Bauch- bzw. Hüftbereich, sondern auch im Brustbereich, damit im Falle eines Absturzes keine Gefährdung des Rückenbereichs auftritt. Zusätzlich zum Auffanggurt muss ein dämpfendes Element verwendet werden. Dieses dämpfende Element ist überlebenswichtig, da bei einem Absturz Kräfte von mehr als 1,5 Tonnen bzw. 15 kN auf den Körper auftreten können. Der sogenannte Bandfalldämpfer nimmt bei Krafteinwirkung Energie auf, indem die verwebten Bänder aufreißen, und begrenzt so die auf den Körper wirkende Kraft auf ein „erträgliches“ Maß von kleiner 6 kN (etwa 600 kg).

Anschlageinrichtungen

Mit PSAgA werden Personen an einem Anschlagpunkt, einem Seilsicherungs- oder Schienensystem gesichert. Grundsätzlich werden zwei Typen von Anschlageinrichtungen unterschieden: Als „starrer Anschlagpunkt“ werden Einzelanschlagpunkte mit einer einzelnen Anschlagöse bezeichnet. Als „beweglicher Anschlagpunkt auf Seil oder Schiene“ werden Gleiter auf Seil- oder Schienensicherungssystemen bezeichnet. Der Gleiter enthält eine Anschlagöse und fährt frei über Teilbereiche oder die gesamte Strecke der Anschlageinrichtung. Die ÖNORM EN 795:2012-10-15 differenziert noch weiter und unterscheidet fünf Typen von Anschlageinrichtungen: 

  • Typ A: fest mit dem Untergrund verbundene Einzelanschlagpunkte
  • Typ B: temporäre Anschlagpunkte, die nach Verwendung ohne bauliche Veränderung wieder entfernt werden können
  • Typ C: Seilsicherungssysteme 
  • Typ D: Schienensicherungssysteme 
  • Typ E: Anschlageinrichtungen, die durchdringungsfrei sind und nur durch Eigengewicht gehalten werden

Anschlagmöglichkeiten zur Absturzsicherung 

Neben den oben angeführten technischen Anschlageinrichtungen können auch sogenannte Anschlagmöglichkeiten zur Absturzsicherung eingesetzt werden. Dabei handelt es sich zum Beispiel um tragfähige Konstruktionsteile wie Träger, Balken oder Rohre, die temporär als Befestigungsmöglichkeit für PSAgA genutzt werden können. Hierbei muss von dem:der Verwender:in selbst die ausreichende Tragfähigkeit der Struktur beurteilt werden, an der er:sie sich sichert. Um gesichert den Gefahrenbereich betreten zu können, muss der:die Verwender:in seine:ihre PSAgA mit der Anschlageinrichtung mit einem geeigneten Verbindungsmittel und der Körperhaltevorrichtung (Auffanggurt) verbinden. In der Praxis finden je nach Situation auch mitlaufende Auffanggeräte oder Höhensicherungsgeräte Verwendung. Höhensicherungsgeräte sind auch für eine horizontale Anwendung zugelassen. 

Zusätzlich zu den Anschlageinrichtungen müssen sichere Zugänge zum Dach und zur Anschlageinrichtung vorhanden sein. Gehwege, Dachaufstiege und -ausstiege oder Leitern sind dazu gesondert festzulegen, ggf. Gefahrenbereiche abzusperren. Es kann erforderlich sein, an Dachaufstiegen und Dachausstiegen zusätzliche Anschlagpunkte in Reichweite anzuordnen. Beim Zugang zur Anschlageinrichtung sind die Positionen der Einstiegstellen und/oder Anschlagpunkte zu dokumentieren.

Eignung von PSAgA 

Jeder:Jede Benutzer:in muss dafür sorgen, dass die verwendete PSAgA für den Einsatzzweck geprüft und geeignet (CE-Kennzeichnung beachten) und mit den vorhandenen Anschlageinrichtungen kompatibel ist. Für Rückhaltesysteme gilt: Die Länge des Systems muss immer so eingestellt sein, dass Bereiche mit Absturzgefahr nicht erreicht werden können. Abhängig vom Auffangsystem ist auf die erforderliche lichte Höhe unterhalb des Verwenders:der Verwenderin zu achten, damit er:sie beim Auffangvorgang nicht an Teilen der Umgebung anprallt. Verbindungsmittel, die bei einem Sturz auf eine Kante auftreffen könnten, müssen auch für eine Beanspruchung bei einem Sturz über eine Kante geprüft sein. Ob ein Verbindungsmittel über eine Kante verwendet werden darf, ist der Verwenderinformation des Herstellers zu entnehmen. Bei der Planung von Auffangsystemen muss darauf geachtet werden, dass ein Pendelsturz möglichst vermieden wird. 

Abschließend kann festgehalten werden, dass für jeden Anwendungsfall in der Praxis, bei dem eine Absturzsicherung erforderlich ist, auch eine entsprechende Lösung gefunden werden kann. In einer nachfolgenden Ausgabe von SICHERE ARBEIT werden konkrete Anwendungsbeispiele zur Planung von Absturzsicherungen beschrieben. 

Fassadenkletterer in luftiger Höhe, darunter sieht man Wien
Professionell gesicherte Fassadenkletterer © R.Reichhart/AUVA

Arbeitsplätze mit Absturzgefahr

  • Arbeiten auf Dächern
  • Hubarbeitsbühnen 
  • Arbeitskörbe, die an Kranen verwendet werden
  • Personenaufzüge, Bauaufzüge, Transportbühnen
  • Fassadenbefahranlagen
  • Regalbediengeräte 
  • Erdbaumaschinen mit Arbeitskorb  

Bei der Ermittlung von Absturzgefahren sind besonders zu berücksichtigen:

  • der Höhenunterschied zwischen Absturzkante und tiefer liegender Fläche
  • der Abstand zur Absturzkante, wie zum Beispiel der horizontale Abstand zur tragfähigen bzw. nicht tragfähigen Fläche, sowie der Abstand zwischen Gerüstbelag und Gebäude
  • Gefahren durch die Beschaffenheit der tiefen liegenden Fläche, wie z. B.: Schüttgüter (versinken, ersticken), Wasser (versinken, ertrinken), Beton (harter Aufschlag), Bewehrungsanschlüsse (aufspießen), Behälter mit heißen Flüssigkeiten (verbrennen, verbrühen), Behälter mit Flüssigkeiten (ertrinken, verätzen), sowie Gegenstände/Maschinen einschließlich deren bewegte Teile, die sich auf dieser Fläche befinden
  • die Art und Dauer der Tätigkeit, wie zum Beispiel körperlich leichte oder schwere, kurzzeitige oder lang anhaltende, einmalige oder häufige Tätigkeiten
  • die Witterungseinflüsse, wie zum Beispiel Sturm, Eis, starker Schneefall …
  • die Sichtverhältnisse, wie zum Beispiel die Erkennbarkeit der Absturzkante, Beleuchtung, Tageszeit, Blendwirkung durch helle Flächen oder Gegenlicht

Zusammenfassung

Beschäftigte in unterschiedlichsten Branchen sind der Gefahr eines Absturzes ausgesetzt. Ungeachtet der meist schweren Folgen dieser Unfälle werden die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen oft nicht oder nicht zur Gänze eingehalten. Gründe dafür sind unter anderem fehlendes Wissen um geeignete Sicherungskonzepte sowie ein geringes Risikobewusstsein. In dem Artikel bereitet der Autor die gesetzlichen Vorschriften für Absturzsicherungen auf. Praktische Lösungen zur Planung von Absturzsicherungen werden in der Fortsetzung des Artikels in SICHERE ARBEIT 2/2023 aufgezeigt.


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