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Good Practice

„Ausgezeichnete“ Arbeitsplätze

Das Universitätsklinikum AKH Wien wurde beim europäischen Wettbewerb für gute praktische Lösungen prämiert, Rohrdorfer Baustoffe Austria wurde lobend erwähnt.

Ein Pfleger mit Mundschutz schiebt den Rollstuhl mit einer darinsitzenden Frau, die ebenfalls Mundschutz trägt. Das herumliegende Ambiente sieht nach einer Klinik aus.
© R. Pexa

Österreichische Unternehmen zählen europaweit zu den Vorbildern im Arbeitnehmer:innenschutz – das zeigte sich auch beim 15. Wettbewerb für gute praktische Lösungen der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA). Der Bewerb, der im Rahmen der Kampagne 2020 bis 2022 „Gesunde Arbeitsplätze – Entlasten Dich!“ stattfand, stand im Zeichen der Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE). Mit ihrem Präventionsschwerpunkt „Packen wir’s an!“ beteiligte sich die AUVA an der Kampagne.

Durch den Wettbewerb holte die EU-OSHA jene Unternehmen vor den Vorhang, die sich besonders für die aktive Ermittlung von Risiken und die Umsetzung innovativer, wirksamer Lösungen zur Verhinderung arbeitsbedingter MSE einsetzen. Ein Kriterium für die Auswahl der Preisträger bestand darin, dass die gesetzten Maßnahmen nachhaltig sind und auf andere Unternehmen, Branchen und Mitgliedstaaten übertragen werden können.

In einem ersten Schritt wurde unter allen Einreichungen eine Vorauswahl getroffen. Von fünf teilnehmenden Unternehmen aus Österreich schafften es zwei – das Universitätsklinikum AKH Wien und die Rohrdorfer Baustoffe Austria GmbH – auf die Shortlist. Das Universitätsklinikum AKH Wien zählte schließlich zu den acht Preisträgern, die am 14. und 15. November 2022 im spanischen Bilbao den „Healthy Workplaces Good Practice Award“ entgegennehmen konnten.

Universitätsklinikum AKH Wien

Das Universitätsklinikum AKH Wien, das größte Spital Österreichs, hatte sich mit einem Projekt der Betriebsabteilung, einer Organisationseinheit des infrastrukturellen Facility-Managements der Technischen Direktion, am Wettbewerb beteiligt. Aufgabe der Abteilung sind Support-Tätigkeiten für Patienten:Patientinnen und Mitarbeiter:innen in den Bereichen Patienten-:Patientinnentransport, Serviceleistungen auf den Stationen und Reinigung.

Im Transport von Patienten:Patientinnen tätige Mitarbeiter:innen legen rund 20 km pro Tag zurück. Das Schieben, Ziehen und Manövrieren der Betten belastet den Bewegungs- und Stützapparat. Mitarbeiter:innen, die Serviceleistungen auf den Stationen erbringen, haben Tabletts mit Speisen aus einem Transportcontainer zu heben und zu tragen. Bei der Reinigung werden unter anderem Drehbewegungen im Rumpf und wiederholte Bewegungen ausgeführt, die das Risiko für MSE erhöhen können. Die Koordinatoren:Koordinatorinnen in der Leitzentrale des Patienten-:Patientinnentransportdienstes, die für die Disposition der Transporte zuständig sind, nehmen bei langem Sitzen am Computer eine Körperzwangshaltung ein.

Um diese Belastungen zu reduzieren, setzt die Betriebsabteilung schon seit 2009 auf gesundheitsfördernde Maßnahmen mit Fokus auf der Prävention von MSE. Dieser Schwerpunkt wurde auch gewählt, weil der Altersschnitt der Beschäftigten bei rund 50 Jahren liegt und es mit fortschreitendem Alter vermehrt zu Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats kommt. Bei Befragungen nannten die Mitarbeiter:innen als häufigste gesundheitliche Probleme Rücken- und Gelenksbeschwerden.

Gesundheitsförderungsprojekte

Die neuesten Gesundheitsförderungsprojekte in der Betriebsabteilung fanden in den Jahren 2020 bis 2022 statt. Diese wurden vom Wiener Gesundheitsverbund ermöglicht und finanziert und von der internen Steuerungsgruppe der Betriebsabteilung zusammen mit dem Frauengesundheitszentrum (FEM) und dem Männergesundheitszentrum (MEN) umgesetzt. Der Fokus lag auf der Partizipation der Mitarbeiter:innen. „Alle Mitarbeiter:innen der Betriebsabteilung wurden eingeladen mitzumachen. Es gab acht Kick-off-Veranstaltungen, die sehr gut besucht waren“, erinnert sich Gerhild Katz, MSc, Leiterin der Betriebsabteilung. Es gab drei Projekte mit jeweils spezifischen Zielgruppen: je ein kultur- und genderspezifisches Projekt für Frauen und für Männer sowie ein neues Projekt für die Zielgruppe der Führungskräfte.

Um herauszufinden, welche Themen die Mitarbeiter:innen als besonders wichtig erachteten, wurden eine Befragung durchgeführt und Gesundheitszirkel zur Erarbeitung von Verbesserungsmaßnahmen abgehalten. Die am häufigsten genannten Themen waren Gesundheitsförderung, Umgang mit Stress, wertschätzende Kommunikation, geeignetes Arbeitsmaterial und die Bewältigung der Pandemiesituation.

Die männlichen Beschäftigten konnten beim gemeinsam mit MEN durchgeführten Projekt „Gesund arbeiten mit Männern“ unter den Angeboten Starker Rücken, Powerstretching, Umgang mit Stress-Situationen, Kommunikationstraining und gesunde Ernährung in Theorie und Praxis wählen. Für ihre Kolleginnen standen unter dem Titel „Vielfältig und gesund“ Wirbelsäulentraining, Gymnastik, Stressmanagement sowie gesunde Ernährung und Kochen auf dem Programm; hier fungierte FEM als Projektpartner.

Drei Frauen mit Mundschutz stehen um einen Reinigungswagen herum
© R. Pexa

Im Transport von Patienten:Patientinnen tätige Mitarbeiter:innen legen rund 20 km pro Tag zurück. Das Schieben, Ziehen und Manövrieren der Betten belastet den Bewegungs- und Stützapparat

Gerhild Katz, Universitätsklinikum AKH Wien

Das Teilprojekt „Resilienzsteigerung für Führungskräfte“ für Team- und Gruppenleiter:innen hatte sich zum Ziel gesetzt, Führungskräfte zu stärken und zu sensibilisieren. Für sie wurden „Gesundes Führen“, „Erfolgreich führen mit Resilienz“, Entspannungsübungen, Wirbelsäulentraining bzw. „Starker Rücken online“ sowie Einzelcoachings angeboten. Auch richtiges Loben, konstruktive Kritik und das Führen von Feedbackgesprächen konnten die Teilnehmenden bei diesem Projekt lernen.

Beim Kauf neuer Arbeitsmittel wurden und werden die Mitarbeiter:innen einbezogen. Sie können die Arbeitsmittel testen und z. B. Gewicht, einfaches Handling oder rückenschonende Handhabung bewerten. So wurden etwa in der Länge verstellbare Reinigungsgeräte, leichtgängige Transportsessel mit Griffen in einer ergonomisch günstigen Höhe und leichtere, bequeme Sicherheitsschuhe gemeinsam mit den Nutzenden ausgewählt. Derzeit wird an einer weiteren Optimierung der Transportmittel für das Team des Patienten-:Patientinnentransportdienstes gearbeitet.

Generationenmanagement

Parallel zu den Gesundheitsförderungsprojekten wurde das 2019 begonnene Projekt „Generationenmanagement“ weitergeführt. Die Betriebsabteilung nahm als eine von zwei Pilotabteilungen des Universitätsklinikums AKH Wien am Prozess zur Erlangung des Gütesiegels „Nestor Gold“ teil, welches das Sozialministerium an Unternehmen und Organisationen verleiht, deren Organisationsstruktur alterns-, generationen- und geschlechtergerecht gestaltet ist.

Die Anschaffung der Scherenhubtische für die Befüllung der Mischtrommel hat zu einer gestiegenen Arbeitszufriedenheit und einer gesunkenen Anzahl an Krankenständen geführt

Martin Dür, Rohrdorfer Baustoffe Austria
Ein Arbeiter in Schutzkleidung und Helm hebt einen Karton auf einen Hubwagen, darauf befinden sich viele weitere Kartons.
Je weniger Packungen auf der Palette stehen, umso tiefer muss man sich bücken um sie zu heben. Das bringt eine starke Belastung der Wirbelsäule mit sich: insgesamt 1.600 kg. © R. Pexa

Im Rahmen dieses Projekts wurden in der Betriebsabteilung Vorträge zu den Themen Generationen, Nachtarbeit, Pausengestaltung und Regeneration abgehalten. Mitarbeiter:innen aller Hierarchieebenen, Fachbereiche und Altersgruppen konnten an Workshops über Risikomanagement in Verbindung mit alternsgerechtem Arbeiten und Arbeitssicherheit teilnehmen. Für Führungskräfte gab es Workshops zum Thema „Rücksichtnahme auf die Lebensphase bei der Dienstplangestaltung“.

Katz nennt ein Beispiel für die Berücksichtigung der Lebensphase: „Wenn sich Wochenenddienste nicht mit einer spezifischen Situation vereinbaren lassen, erarbeiten die Führungskräfte je nach betriebsorganisatorischen Möglichkeiten gemeinsam mit den Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen alternative Lösungen wie Arbeitszeitänderungen, einen Wechsel des Einsatzorts oder die Umstellung auf die Fünf-Tage-Woche.“ Bei gesundheitlichen Einschränkungen ist ein Wechsel des Einsatzorts innerhalb der Abteilung bzw. eine Anpassung der Tätigkeiten möglich.

Ein Beispiel für generationengerechte Arbeitsorganisation sind die aus jüngeren und älteren, neuen und routinierten Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen zusammengesetzten Teams in der Reinigung. Die Jüngeren profitieren von den Tipps der Erfahrenen, während es für die Älteren eine Erleichterung sein kann, wenn Jüngere ihnen körperlich anstrengendere Tätigkeiten abnehmen.

Dass auch bei Neuzugängen ältere Mitarbeiter:innen willkommen sind, zeigen die Zahlen von 1. September 2021 bis 30. September 2022: Von den insgesamt 27 neu eingestellten Personen waren elf über 50 Jahre alt. Neue erhalten eine Startbegleitung durch routinierte Kollegen:Kolleginnen, die gemeinsam mit ihren Mentees praktische Aufgaben erledigen, um das „Learning by Doing“ zu fördern.

Weitere Maßnahmen

Die Prävention von MSE bzw. der Umgang mit Erkrankten ist auch Teil anderer gesundheitsfördernder Maßnahmen, etwa der „Initiative:Arbeitsfähigkeit“ im Universitätsklinikum AKH Wien. Diese bietet gesundheitlich gefährdeten oder erkrankten Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen Beratung, Vermittlung von Unterstützungsangeboten und Begleitung, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern bzw. wiederherzustellen, z. B. Diensterleichterungen beim Wiedereinstieg nach einem längeren Krankenstand.

Bereits seit 2013 werden in der Betriebsabteilung Gesundheitsmultiplikatoren:-multiplikatorinnen eingesetzt. Sie fungieren als Drehscheibe für Gesundheitsinformationen und als Anlaufstelle für gesundheitskompetente Kommunikation für ihre Kollegen:Kolleginnen im Betrieb. „Um die interessierten Frauen und Männer bestmöglich auf diese Aufgabe vorzubereiten, bietet der Wiener Gesundheitsverbund eine entsprechende modulare Qualifizierung an. Diese erfolgt gendersensibel und praxisorientiert. Zu den Aufgaben zählen die Weitergabe von Gesundheitsinformationen oder die Vermittlung von Ansprechstellen, z. B. zur Raucherentwöhnung oder für psychologische Beratungen“, erklärt Katz. In der Einbeziehung der Mitarbeiter:innen sieht sie einen wesentlichen Erfolgsfaktor für ein gelungenes Gesundheitsmanagement.

Rohrdorfer Baustoffe Austria

Auch bei Rohrdorfer Baustoffe Austria haben Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, Ideen für Verbesserungen am Arbeitsplatz einzubringen. Die Umsetzung des Vorschlags eines Mitarbeiters führte dazu, dass das Bauunternehmen von der EU-OSHA mit einer lobenden Erwähnung bedacht wurde. „Mischmeister Helmut Seidl vom Standort Retz hat die Idee gehabt, bei der Befüllung der Mischtrommel mit Stahlfasern einen Scherenhubtisch zu verwenden“, so Sicherheitsfachkraft DI Dr. Martin Dür, MBA, bei Rohrdorfer für Gesundheit, Arbeitssicherheit und Umwelt zuständig.

Bei der Erzeugung von Faserbeton wird die Mischtrommel des Fahrmischers mit Stahlfasern befüllt. An einigen der 40 österreichischen Transportbeton-Standorte von Rohrdorfer kann das nicht durch ein Einblassystem erfolgen, sondern ist manuell durchzuführen. Die auf Paletten angelieferten 20 kg schweren Packungen mit Stahlfasern müssen von der Palette gehoben und über eine Rampe von oben in die Mischtrommel entleert werden.

„Die obersten Packungen sind relativ leichter herunterzuheben. Je weniger Packungen auf der Palette stehen, umso tiefer muss man sich bücken. Das bringt eine starke Belastung der Wirbelsäule mit sich. Bei der Beladung eines Fahrmischers kommen insgesamt 1.600 kg zusammen“, beschreibt Prim.Dr. med. Erich Albert Pospischil, Facharzt für Arbeits- und Betriebsmedizin und Facharzt für Innere Medizin, die Ausgangssituation. Der Arzt berichtet, dass es bei Mitarbeitern, die in der Beladung der Fahrmischer tätig sind, häufiger zu Krankenständen gekommen ist. Auch im Hinblick auf das Durchschnittsalter der Belegschaft erschien es sinnvoll, eine Arbeitserleichterung zu schaffen. Seidl schlug vor, ein Flurfördergerät mit Scherenhubtisch in den Arbeitsablauf zu integrieren. Die Palette mit den Stahlfaserpaketen wird nun mit dem Flurfördergerät mit Scherenhubtisch zur Rampe transportiert. Der Mitarbeiter passt die Abgriffhöhe mittels Handhubs nach Bedarf an, was die Hebearbeit wesentlich erleichtert.

„Die Rückmeldungen aus der Belegschaft sind durchwegs positiv“, stellt Michael Graf, Konzernbetriebsrat von Rohrdorfer Baustoffe Austria, fest. Mittlerweile stehen an weiteren fünf Standorten Scherenhubtische für die Befüllung der Mischtrommel zur Verfügung. Die Anschaffung hat zu einer gestiegenen Arbeitszufriedenheit und einer gesunkenen Anzahl an Krankenständen geführt.

Unfallvermeidung

Eine Verringerung der Krankenstände durch die Vermeidung von Unfällen ist das Resultat des 2005 geschaffenen Beinaheunfallsystems. Werden Situationen, die fast zu einem Unfall geführt hätten, bewusst wahrgenommen und erfasst, fördert man damit das Risikobewusstsein. „Jeder:Jede Mitarbeiter:in im Werksbereich soll zumindest einen Beinaheunfall pro Monat melden, jede:r im Bürobereich einen pro Jahr. Vor der Einführung des Beinaheunfallsystems haben wir rund 60 Unfälle pro Jahr gehabt, jetzt sind es nur rund sieben, acht – aber mehr als 2.500 Beinaheunfall-Meldungen jährlich“, erklärt Dür.

Ebenfalls zur Unfallvermeidung beitragen soll ein Video zum Thema Baustellensicherheit. Ein Problem besteht darin, dass auf manchen Baustellen, auf denen Betonpumpen von Rohrdorfer zum Einsatz kommen, weniger strenge Sicherheitsmaßnahmen gelten als bei Rohrdorfer. „Die Betonpumpe, ein Gerät mit einer Reichweite von über 50 m, muss sich in kürzester Zeit in die Baustellenorganisation eingliedern“, beschreibt Dür die Herausforderung. Dazu kommt, dass Erklärungen angesichts von Beschäftigten mit unterschiedlichen Muttersprachen schwierig sind. Das Video unterstützt bei einem der wichtigsten Elemente der Prävention: bei der Kommunikation mit den Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen.

Zusammenfassung

Beim Wettbewerb für gute praktische Lösungen der EU-OSHA zum Thema MSE-Prävention konnten zwei österreichische Unternehmen Erfolge verbuchen: Das Universitätsklinikum AKH Wien wurde für gesundheitsfördernde Maßnahmen der Betriebsabteilung mit dem Healthy Workplaces Good Practice Award ausgezeichnet, die Rohrdorfer Baustoffe Austria GmbH erhielt eine lobende Erwähnung für die Anschaffung eines Scherenhubtisches in der Erzeugung von Faserbeton.


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