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Fahrtüchtigkeit

Sicherheitsfaktor Fahrtüchtigkeit

Bin ich munter genug, um mich ans Steuer zu setzen? Reagiere ich langsamer, weil ich letzten Abend Wein getrunken habe? Soll ich trotz eines grippalen Infekts Auto fahren? Ein neues AUVA-Merkblatt informiert über den richtigen Umgang mit Müdigkeit, Ablenkung, Substanzen, Erkrankungen und Stress.

Ein Mann sitzt am Steuer, in der einen Hand hält er sein Handy, in der anderen eine Wurstsemmel, vor im ist das Navi aktiv, darunter eine Checkliste mit viel Text, daneben sitzt eine Frau und zeigt auf die Straße.
© AUVA

Entscheidet man sich, eine Fahrt anzutreten, obwohl die Fahrtüchtigkeit nicht gegeben ist, kann ein schwerer Unfall die Folge sein. Das neue AUVA-Merkblatt M.plus 800 „Sicher unterwegs. Richtiger Umgang mit Müdigkeit, Ablenkung, Substanzen, Erkrankungen und Stress“ bietet eine Orientierungshilfe.

In dem Merkblatt wird beschrieben, unter welchen Umständen der:die Lenker:in eines Kraftfahrzeugs fahrtüchtig ist. MMag. Martin Unterkircher, Arbeitspsychologe und Sicherheitsfachkraft in der AUVA-Außenstelle Innsbruck, unterscheidet zwischen aktuell eingeschränkter Fahrtüchtigkeit, z. B. durch Müdigkeit oder den Konsum von Substanzen, und chronischen Einschränkungen, etwa aufgrund eines verminderten Seh- bzw. Hörvermögens oder einer Suchterkrankung.

Risikofaktoren

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für körperliche und psychische Beeinträchtigungen, beispielsweise nimmt das Sehvermögen vor allem in der Dämmerung und in der Nacht ab. Auch Erkrankungen wie Diabetes oder Alkoholsucht kommen häufiger vor. Zum Teil lassen sich diese Beeinträchtigungen kompensieren, etwa durch Fahrerfahrung in Kombination mit besonderer Vorsicht. So vermeiden z. B. Fahrer:innen, die in der Nacht nicht gut sehen, Nachtfahrten.

Portraitbild MMag. Martin Unterkircher
© AUVA

 

 

MMag. Martin Unterkircher Arbeitspsychologe und Sicherheitsfachkraft AUVA-Außenstelle Innsbruck

Lenkt man ein Fahrzeug, obwohl man nicht fahrtüchtig ist, verstößt man damit gegen die Straßenverkehrsordnung. Laut § 58 StVO darf ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er:sie das Fahrzeug beherrscht und in der Lage ist, die zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen.

Unterkircher sieht sowohl den:die Arbeitgeber:in als auch den:die Arbeitnehmer:in in der Pflicht, die rechtlichen Bestimmungen einzuhalten und auf ausreichende Fahrtüchtigkeit zu achten, auch wenn das aufgrund des Fahrer:innenmangels oft eine Herausforderung darstellt: „Die Unternehmen achten darauf, dass ihre Fahrer:innen arbeitsfähig bleiben, andererseits herrscht ein starker Termindruck. Man muss die Aufträge abwickeln und soll gleichzeitig die Fahrer:innen nicht überlasten. Hält eine hohe Belastung zu lange an, hat das negative körperliche und psychische Auswirkungen.“

ein gähnender Autofahrer
Müdigkeit ist ein oft unterschätzter Faktor: Die Aufmerksamkeit ist herabgesetzt, die Wahrscheinlichkeit für Sekundenschlaf steigt. © AUVA

Müdigkeit

Ein oft unterschätzter Faktor, der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, ist Müdigkeit. In den letzten Jahrzehnten hat die durchschnittliche Schlafdauer abgenommen, viele Menschen kommen nicht auf die empfohlenen sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht. 17 Stunden ohne Schlaf haben einen ähnlichen Einfluss auf das Reaktionsvermögen wie 0,5 Promille Alkohol im Blut, 22 Stunden wie 1,0 Promille. Die Aufmerksamkeit ist herabgesetzt, die Wahrscheinlichkeit für Sekundenschlaf steigt. Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h verlängert sich der Anhalteweg durch zwei Sekunden Schlaf von 27 auf 55 Meter.

Zu den Ursachen für Müdigkeit zählen Schlafzeiten von weniger als sechs Stunden, eine durchgehende Wachheit von über 17 Stunden, gestörter Schlaf, etwa durch Schichtarbeit, und pathologische Schlafstörungen wie Schlafapnoe. Zu bestimmten Tageszeiten nimmt die Müdigkeit zu: zwischen 6 und 8 Uhr in der Früh, zwischen 14 und 16 Uhr am Nachmittag sowie in den Nachtstunden.

Der:die Arbeitgeber:in kann dazu beitragen, dass Fahrten mit dem eigenen Fahrzeug in übermüdetem Zustand vermieden werden, etwa durch Werksbusse für Schichtarbeiter:innen. Bei Unternehmen mit einer größeren Anzahl an Beschäftigten besteht die Möglichkeit, mit dem jeweiligen Verkehrsbetrieb eine Abstimmung des Fahrplans auf die Arbeitszeiten zu vereinbaren. Die Übernachtung in einem Hotel erspart es Außendienstmitarbeitern:-mitarbeiterinnen, am Abend noch nach Hause fahren zu müssen. Videokonferenzen im Homeoffice ersetzen mitunter persönliche Treffen mit langer Anfahrt.

Fahrer:innenassistenzsysteme wie das Warnsystem bei Müdigkeit und nachlassender Aufmerksamkeit, der automatische Notbremsassistent und der Spurhalteassistent sind technische Hilfsmittel, die Unfälle übermüdeter Lenker:innen verhindern können. Sie sollten aber keinesfalls dazu veranlassen, sich bewusst trotz Müdigkeit ans Steuer zu setzen. Eine ergonomische Sitzeinstellung und gute klimatische Bedingungen im Fahrzeug beugen der Ermüdung vor.

Auf organisatorischer Ebene schaffen Rahmenbedingungen Abhilfe, die das Einhalten der Ruhezeiten und bei Bedarf einen kurzen „Power-Nap“ ermöglichen. Zusatztätigkeiten während der Fahrt, z. B. Telefonate, steigern die Müdigkeit und sind daher zu vermeiden. „Wenn der:die Lenker:in sehr müde ist, sollte er:sie auch die Möglichkeit haben, eine längere Fahrt zu verschieben“, so Unterkircher.

Wenn der:die Lenker:in sehr müde ist, sollte er:sie auch die Möglichkeit haben, eine längere Fahrt zu verschieben.

Martin Unterkircher

Personenbezogene Maßnahmen sollten in der Unterweisung vermittelt werden. Dabei geht es darum, dass der:die Lenker:in lernt zu erkennen, wann er:sie zu müde zum Fahren ist. Hilfreich sind auch Tipps für einen besseren Schlaf, z. B. das Handy mindestens ein Stunde vor dem Schlafengehen nicht mehr zu benutzen. Vom Unternehmen angebotene Gesundenuntersuchungen tragen dazu bei, dass Erkrankungen wie Schlafapnoe entdeckt werden.

Ablenkung

Laut Verkehrsunfallstatistik wird mehr als ein Drittel aller tödlichen Unfälle durch Ablenkung bzw. Unachtsamkeit mitverursacht. Es sollte daher jede Art von Ablenkung vermieden werden – die visuelle, z. B. durch die Bedienung eines Navigationssystems, die mentale, etwa durch ein komplexes Gespräch mit Mitfahrenden oder am Mobiltelefon, und die motorische, wie durch essen, trinken oder rauchen.

eine Hand eines Autofahrers, das ein Hand bedient, dahinter ein aktives Navigationssystem
Mehr als ein Drittel aller tödlichen Unfälle wird durch Unachtsamkeit mitverursacht. Jede Art von Ablenkung sollte daher vermieden werden: essen, trinken oder Bedienen eines Navigationssystems. © AUVA
eine Autofahrerin, die aus einem Cafebecher trinkt
© AUVA

Das Risiko einer Ablenkung durch das Handy lässt sich durch eine von Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in getroffene Vereinbarung minimieren. Fühlt sich der:die Lenker:in nicht dazu verpflichtet, jederzeit erreichbar zu sein, kann er:sie während der Fahrt den Flugmodus aktivieren oder eine:n Anrufer:in in der nächsten Pause zurückrufen. Navis und sonstige Eingabegeräte sollten nur bei stehendem Fahrzeug bedient werden.

Substanzen

Alkohol, illegale Drogen, aber auch Medikamente können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Man unterscheidet zwischen der akuten Wirkung nach dem Konsum einer Substanz und chronischem Missbrauch. Spitzenreiter dabei ist laut Unterkircher Alkohol: „Etwa 14 Prozent der Österreicher:innen konsumieren Alkohol in einem Ausmaß, das längerfristig gesundheitsschädlich ist. Jedes Jahr gibt es zirka 30 Tote und 2.600 Verletzte wegen Alkohols am Steuer.“ Wie lange der Einfluss von Alkohol anhält, wird oft unterschätzt: Man baut pro Stunde nur rund 0,1 Promille ab.

Je nach konsumierter Menge kann Alkohol anregend, enthemmend oder narkotisierend wirken, typisch sind Nachlassen der Konzentration, Verlangsamung der Reaktion, erhöhte Risikobereitschaft und herabgesetzte Wahrnehmungsfähigkeit. „Bei illegalen Drogen und Medikamenten unterscheiden sich die Auswirkungen je nach Substanz: Dämpfende Substanzen verringern die Konzentrationsfähigkeit, aktivierende begünstigen einen aggressiven, schnellen Fahrstil“, erklärt Unterkircher.

Sowohl Arbeitgeber:innen als auch Arbeitnehmer:innen sind in der Pflicht, die rechtlichen Bestimmungen einzuhalten und auf ausreichende Fahrtüchtigkeit zu achten.

Martin Unterkircher

Ist Alkohol im Unternehmen verfügbar, erhöht sich das Risiko einer Alkoholisierung von Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen. Verringern lässt es sich, indem z. B. in der Kantine oder an Automaten keine alkoholischen Getränke angeboten werden. Um zu vermeiden, dass sich jemand alkoholisiert ans Steuer eines Firmenwagens setzt, bietet sich die Ausstattung der Fahrzeuge mit einer Alkohol-Wegfahrsperre an.

Das Unternehmen muss verbindliche und klare Regeln für den Umgang mit Substanzen aufstellen und in Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen festhalten, z. B. das Verbot von Alkohol während der Arbeitszeit. Wie Führungskräfte den Missbrauch von Substanzen erkennen und bei Auffälligkeiten von Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen vorgehen können, sollte in einem Interventionsleitfaden festgehalten werden. Hilfreich ist es, im Betrieb eine Ansprechperson zum Thema Substanzmissbrauch zu installieren. Welche Regeln gelten, muss den Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen bei Unterweisungen kommuniziert werden.

Erkrankungen

Verkehrsunfälle können auch in Zusammenhang mit Erkrankungen stehen. „Laut österreichischem Fehlzeitenreport 2018 erscheint im Durchschnitt jede:r Beschäftigte an viereinhalb Tagen pro Jahr mit Krankheitssymptomen an seinem:ihrem Arbeitsplatz“, so Unterkircher. Welche fatalen Folgen Präsentismus haben kann, wenn es sich beim Arbeitsplatz um ein Fahrzeug handelt, erläutert Unterkircher anhand eines Beispiels: Ein an einem grippalen Infekt erkrankter und übermüdeter Lkw-Fahrer verlor kurz nach Verlassen einer Baustelle am Steuer seines Lkw das Bewusstsein und prallte gegen eine Hausmauer. Er erlitt eine Gehirnerschütterung und ein Schleudertrauma.

Um zu verhindern, dass Mitarbeiter:innen trotz Krankheit in die Arbeit kommen, muss man bei den Gründen dafür ansetzen. Häufig steht dahinter die Angst, bei zu vielen Krankenstandstagen den Job zu verlieren. Auch wer fürchtet, nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz mit der in der Zwischenzeit angehäuften Arbeit nicht zurande zu kommen, wird seine:ihre Fehlzeiten so gering wie möglich halten. Rücksicht auf Kollegen:Kolleginnen, die die Arbeit des:der Abwesenden zusätzlich zu ihrer eigenen übernehmen müssen, spielt ebenfalls eine Rolle.

Der:die Arbeitgeber:in kann durch faire Arbeitsverträge mit realistischen Zielvereinbarungen, Vertretungsregelungen bei Abwesenheit und der Schaffung einer Vertrauenskultur im Umgang mit Krankheiten und Fehlzeiten gegensteuern. Das Thema Präsentismus sollte in Unterweisungen, bei Gesundheitstagen und Mitarbeiter:innengesprächen behandelt werden. Erscheint ein:e Mitarbeiter:in krank am Arbeitsplatz, ist es Aufgabe des:der Vorgesetzten, ihn:sie zu bestärken, sich krankschreiben zu lassen.

Medikamente

Bestimmte Medikamente zählen, wie oben erwähnt, zu den Substanzen, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen können. Dazu gehören neben Psychopharmaka, Antiepileptika, Antihistaminika, Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmitteln auch meist als „harmlos“ betrachtete Husten- und Erkältungsmittel. Ob die Fähigkeit, ein Fahrzeug zu lenken, durch ein Medikament negativ beeinflusst werden kann, ist dem Warnhinweis auf der Verpackung zu entnehmen.

Muss ein:e Arbeitnehmer:in Medikamente einnehmen und beeinträchtigen diese die Fahrtüchtigkeit, kann mit dem:der behandelnden Arzt:Ärztin abgeklärt werden, ob eine Umstellung auf ein weniger beeinträchtigendes Präparat möglich ist. Bei Schlafmitteln ist darauf zu achten, dass kein Fahrzeug gelenkt wird, wenn die Wirkung des Mittels noch anhält. Die vorgeschriebene Dosis sollte man nicht überschreiten, beeinträchtigende Medikamente dürfen keinesfalls mit Alkohol kombiniert werden.

Chronische Erkrankungen

Leidet jemand z. B. unter vermindertem Seh- oder Hörvermögen, bestimmten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mit nicht beherrschter Unterzuckerung, Epilepsie, Schlafapnoe oder einer Suchterkrankung, kann ihm:ihr der Führerschein entzogen werden. Manche Betroffenen versuchen daher, diese Beeinträchtigungen zu verbergen. Krankheitssymptome, aber auch eine Häufung von Unfällen oder Verkehrsstrafen können darauf hindeuten, dass die Fahrtüchtigkeit nicht mehr gegeben ist.

ein Autofahrer die mit erhobenem Arm aus dem Fenster schreit
© AUVA

Führungskräfte sollten für diese Alarmzeichen sensibilisiert sein und die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass betroffene Mitarbeiter:innen über ihre Erkrankung reden. Wichtig ist es klarzustellen, dass Beeinträchtigungen der Fahrtüchtigkeit nicht zwangsläufig zum Verlust des Arbeitsplatzes führen, sondern nach Möglichkeit Maßnahmen für eine Weiterbeschäftigung gesetzt werden, etwa die Vermeidung von Nachtfahrten. Eine weitere Option besteht im Wechsel an einen anderen Arbeitsplatz, der keine Fahrtätigkeit erfordert.

Stress

Stress im Straßenverkehr kann ebenfalls die Fahrtüchtigkeit beeinflussen. Hohe psychische Anspannung wirkt sich negativ auf psychische Funktionen wie Gedächtnis, Konzentration oder Problemlösefähigkeit aus. Es hängt aber auch von Persönlichkeitsmerkmalen ab, wie Fahrer:innen in stressigen Situationen reagieren: mit erhöhter Sensibilität für Gefahren verbunden mit einer eher defensiven Fahrweise oder mit einem riskant-aggressiven Fahrverhalten.

Bei der Evaluierung können betriebsspezifische und verkehrsbezogene psychische Belastungen erkannt und adäquate Maßnahmen abgeleitet werden. Dazu zählen organisatorische und technische Maßnahmen zur Vermeidung von belastenden bzw. ablenkenden Zusatztätigkeiten sowie eine Tourenplanung, bei der die Einhaltung der gesetzlichen Fahr- und Pausenzeiten möglich ist. Im Fall einer Panne, von Unfall, Überfall oder Erkrankung auf einer Dienstreise sollte sich der:die Mitarbeiter:in an einem Notfallplan orientieren können.

 

 

Weiterführende Informationen:

Das AUVA-Merkblatt „M.plus 800 Sicher unterwegs“ beleuchtet diverse Aspekte der Fahrtüchtigkeit und zeigt mögliche präventive Maßnahmen auf. 

Zusammenfassung

Müdigkeit, Ablenkung, der Konsum von Alkohol, Suchtmitteln oder Medikamenten, akute oder chronische Erkrankungen sowie Stress können die Fahrtüchtigkeit vorübergehend, aber auch längerfristig negativ beeinflussen. Das AUVA-Merkblatt M.plus 800 „Sicher unterwegs. Richtiger Umgang mit Müdigkeit, Ablenkung, Substanzen, Erkrankungen und Stress“ informiert, wie man derartige Beeinträchtigungen erkennt und richtig darauf reagiert. 


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