AUVA Packen wir’s an!
AUVAfit im Blumenhandel
Heben und Tragen, Arbeiten im Stehen und in Bodennähe bestimmen den Arbeitsalltag bei „Blumen Karin“.
Als Good-Practice-Beispiel haben Besucher:innen der Veranstaltung „Belastungen reduzieren, Muskel-Skelett-Erkrankungen vorbeugen – innovative Lösungen und AUVAfit-Praxisbeispiele“ das AUVAfit-Projekt bei „Blumen Karin“ bereits kennengelernt. Seit dieser Veranstaltung zum AUVA-Präventionsschwerpunkt „Packen wir’s an!“ im April 2022 in Bad Ischl sind einige Monate vergangen. Karin Pelz, Inhaberin des Geschäfts für Blumen und Geschenke, hat die Zeit für die Umsetzung weiterer im Rahmen des Projekts erarbeiteter Maßnahmen genutzt.
Blumen Karin liegt im oberösterreichischen Bad Leonfelden und bezieht die verkauften Blumen zu rund 80 Prozent aus der Umgebung. Das Sortiment umfasst Schnittblumen, Gestecke, Topf- und Gemüsepflanzen, aber auch ausgewählte Bio-Lebensmittel und Geschenkartikel. Grabpflege wird für die Friedhöfe in Bad Leonfelden und in den Nachbargemeinden angeboten. Inhaberin Pelz beschäftigt fünf Mitarbeiterinnen und einen Lehrling.
Die Gesundheit ihrer Angestellten sei ihr schon immer ein Anliegen gewesen, betont Pelz: „Es ist wichtig, dass man auf seine Mitarbeiter:innen achtet. Die arbeitsintensivste Zeit ist bei uns im Mai. Für den Muttertag werden Blumen gekauft, es finden Hochzeiten statt, die Leute pflanzen im Garten und am Balkon Blumen. Wenn viel los ist, kümmere ich mich besonders um die Mitarbeiter:innen, schaue, dass sie sich zwischendurch strecken, sich kurz hinsetzen und genug trinken.“
AUVAfit-Modul Ergonomie
Auf AUVAfit wurde Pelz 2021 bei einer Veranstaltung für Unternehmer:innen aufmerksam, wo Mag. Mario Frei, Projekt-Kooperationspartner der AUVA, das kostenlose Präventionsprogramm der AUVA vorstellte. Pelz entschloss sich, das AUVAfit-Modul Ergonomie in Anspruch zu nehmen, und vereinbarte einen Termin für ein informatives Vorgespräch im August 2021.
Nach Erteilen des Projektauftrags legten Frei und Martina Lettner, BSc MPH, fachkundiges Organ Ergonomie in der AUVA-Landesstelle Linz, gemeinsam mit dem Unternehmen fest, welche Arbeitsplätze analysiert werden sollten. Die Wahl fiel auf den Bildschirmarbeitsplatz, das Binden von Gestecken, den Kassenbereich, die Grabpflege sowie auf Lieferung, Warenannahme und Tragetätigkeiten. Durch die Analyse sollte geklärt werden, welche physischen (Fehl-)Belastungen bei den jeweiligen Tätigkeiten auftreten und mit welchen Maßnahmen sich diese reduzieren lassen.
Frei führte die Analyse durch, die Ergebnispräsentation fand coronabedingt online statt. Ideen für konkrete Maßnahmen wurden gemeinsam mit dem Betrieb erarbeitet. „In einem Blumengeschäft kommt es zu vielen unterschiedlichen Belastungsarten. Oft reichen kleine Veränderungen aus, um eine Verbesserung zu bewirken“, stellt Lettner fest.
Bildschirmarbeitsplatz
Beim Bildschirmarbeitsplatz erwies sich der geringe verfügbare Platz als größte Herausforderung. Der Schreibtisch war zu klein, die Höhe des Tisches passte nicht zu der des Schreibtischsessels. Dieser verfügt zwar über Armlehnen, aber sie wurden nicht genutzt. Die Bildschirme waren in Bezug auf Sehabstand, Neigung und Höhe ungünstig positioniert, auch die Maus befand sich in keiner idealen Position. Obwohl es einen Stand-PC gab, wurde zu rund 90 Prozent am Notebook gearbeitet, für das keine externe Tastatur vorhanden war. Außerdem reichte die Beleuchtung nicht aus.
„Die Mängel wirken sich auf die Körperhaltung der Mitarbeiter:innen am Bildschirmarbeitsplatz aus. Da diese Arbeit auf alle Tage verteilt ist und sich nur auf zirka zehn bis zwölf Stunden pro Woche beläuft, ist die tägliche Arbeitszeit im Büro sehr kurz“, fasste Frei die Situation bei der Begehung zusammen. Auch wenn sich durch die in Summe geringe Arbeitszeit am Bildschirm keine hohe Belastung ergibt, sollte der Arbeitsplatz ergonomisch gestaltet werden. Der Computer wird für Vorbereitungsarbeiten für die Buchhaltung, zur Rechnungslegung und für das Schreiben von E-Mails benötigt. Meist erledigt Pelz diese Arbeiten selbst, derzeit ist eine Mitarbeiterin stundenweise als Bürokraft tätig.
Es ist wichtig, dass man auf seine Mitarbeiter:innen achtet
Die AUVA empfahl, die Anordnung der Arbeitsmittel zu optimieren. Die Höhe der Sitzfläche und der Armlehnen des Schreibtischsessels sollten auf die jeweils am Bildschirmarbeitsplatz arbeitende Person eingestellt werden. Auch eine Sensibilisierung der Mitarbeiter:innen für die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes wurde angeregt. Die Neuanschaffungen und die damit verbundenen Kosten hielten sich in Grenzen: Vorgeschlagen wurde nur der Kauf einer externen Tastatur für das Notebook und einer zusätzlichen Lampe.
Die Information, wie man mit kleinen Änderungen einen vorhandenen Bildschirmarbeitsplatz ergonomisch gestalten kann, sorgte bei Pelz für ein Aha-Erlebnis: „Mir war gar nicht bewusst, was man bei einem Büroarbeitsplatz falsch machen kann.“ Mittlerweile ist eine indirekte Beleuchtung des Arbeitsplatzes angebracht worden, auch die externe Tastatur für das Notebook steht schon bereit. Die Lösung des Platzproblems wird demnächst in Angriff genommen.
Gestecke binden
Zu wenig Platz gibt es auch an dem Arbeitsplatz, wo Gestecke gebunden werden. Die verfügbare Fläche auf dem ohnehin eher knapp bemessenen Arbeitstisch reduziert sich durch zahlreiche für die Arbeit benötigte Dinge, die griffbereit abgelagert sind. Zusätzlich zur größten Fläche stehen kleinere, niedrigere Flächen zur Verfügung. Sämtliche Höhen sind nicht veränderbar und daher nicht für alle Mitarbeiter:innen optimal. Die Arbeitsfläche liegt auf einem Ladenkasten auf, der keinen Bein- und Fußraum bietet. Kleinere Mitarbeiter:innen neigen dazu, aufgrund der zu hohen Arbeitsflächen die Schultern hochzuziehen, was Nacken und Schultern belastet. Bei der Analyse durch die AUVA wurde zum Teil auch eine starke Beugung des Nackens in Kombination mit hochgezogenen Schultern beobachtet, wodurch Verspannungen und Schmerzen im Nacken entstehen können. Wegen des fehlenden Bein- und Fußraums muss man zumindest eine Schuhlänge vom Tisch entfernt stehen und sich vorbeugen. „Das Zusammenhalten der Gestecke und Sträuße beim Binden ist anstrengend und erfordert viel Kraft“, weist Lettner auf eine zusätzliche Belastung im Hand-Arm-Bereich hin.
Im Rahmen der Maßnahmenfindung wurde festgelegt, dass eine für alle Mitarbeiter:innen passende Arbeitshöhe geschaffen werden sollte, entweder durch Adaptierung des vorhandenen Arbeitstisches oder durch Anschaffung eines neuen. An einer Lösung wird derzeit noch gearbeitet. Eine erste Verbesserung hat die Anschaffung einer höhenverstellbaren flexiblen Sitz-/Stehhilfe gebracht, die die Belastung durch die ungünstige Arbeitshöhe und langes Stehen verringert. Beim Binden der Gestecke wechseln sich die Mitarbeiter:innen ab, um die Hand-Arm-Belastung über den Tag zu reduzieren.
Kassenbereich
Auch im Kassenbereich werden Blumensträuße gebunden, vor allem aber Verkäufe getätigt. Die Bedienung der Kassa erfolgt über einen Touchscreen, der zu Beginn des Projekts auf dem Kassentisch so weit nach hinten gerückt war, dass man den Arm ganz strecken bzw. sich vorbeugen musste. Dadurch wurden Schultern, Nacken und oberer Rücken beansprucht. Eine hohe Belastung entstand jedoch nicht, da es sich dabei um keine häufig ausgeübte Tätigkeit handelt. Die Lösung für den Touchscreen war schnell gefunden, stellt Pelz fest: Die Kassa wurde einfach an den Rand des Tisches gerückt.
Lieferung, Warenannahme und Tragetätigkeiten
Heben und Tragen von Lasten ist bei Blumen Karin ebenfalls ein Thema. Der Arbeitstag beginnt damit, dass alle Blumenvasen aus dem Kühlraum geholt und im Verkaufsraum bzw. vor dem Geschäft platziert werden, teils in einem Regal, teils auf niedrigen Podesten oder auf dem Boden. Am Ende des Tages erfolgt der Rücktransport. Dazwischen werden die Vasen regelmäßig gereinigt und mit frischem Wasser befüllt. Zu Beginn des AUVAfit-Projekts wurden die Vasen getragen, oft zwei Stück gleichzeitig.
Wie groß die Belastung bei dieser Tätigkeit ist, hängt davon ab, ob man ergonomisch richtig hebt und trägt. Mit geradem Rücken in die Knie zu gehen ist wesentlich günstiger, als den Rücken zu beugen. Tragen die Mitarbeiter:innen zwei Vasen gleichzeitig, greifen sie meist von oben zu, wodurch die Handgelenke in einer ungünstigen Position stehen.
Die Empfehlung der AUVA, für den Transport der Vasen Hilfsmittel zu verwenden, konnte einfach und kostenlos umgesetzt werden, wie Frei beschreibt: „Ein Supermarkt in der Nähe hat neue Einkaufswagen angeschafft, die alten sollten verschrottet werden. Einige davon hat man Blumen Karin zur Verfügung gestellt. Damit werden Arme und Rücken entlastet.“ Auch für andere Tragetätigkeiten wurde eine ergonomisch günstigere Lösung gefunden. Die Mitarbeiter:innen bewässern die Pflanzen mit einem Gartenschlauch, bei Frostgefahr aber mit einer Gießkanne. Statt einer großen, schweren Gießkanne verwenden sie nun eine kleinere. Werden Waren mit dem Lastwagen angeliefert, führt man sie mit einem Transportwagen ins Lager. Wenn sich das Heben und Tragen schwerer Lasten – etwa von Kisten oder Säcken mit Erde – nicht vermeiden lässt, erledigen nun zwei Mitarbeiter:innen diese Arbeit gemeinsam.
Grabpflege
Bei der Grabpflege werden mehrere Tätigkeiten ausgeübt, die den Körper auf unterschiedliche Arten belasten. Dazu gehören das Anpflanzen, das Pflegen, regelmäßiges Gießen und Zurückschneiden der Pflanzen, das Entfernen von Unkraut sowie der Transport von Pflanzen und Arbeitsmitteln. Auch Erde für die Gräber und Kies für die Wege müssen herangeschafft werden. Der Arbeitsanfall ist saisonal unterschiedlich, am höchsten im März, im Sommer und im Oktober. Zu diesen Zeiten sind die Mitarbeiter:innen meist zwei ganze Tage durchgehend am Friedhof tätig. Wann und wie schnell die Arbeit erledigt werden muss, hängt auch vom Wetter ab.
Da der Großteil der Tätigkeiten am Boden oder in Bodennähe ausgeführt wird, muss viel in gebückter Körperhaltung oder kniend am Boden gearbeitet werden. In diesem Fall lassen sich die Arbeitsbedingungen nicht wirklich verändern. „Eine dauerhaft gebückte oder vorgeneigte Haltung wirkt sich stark belastend auf die Bandscheiben und den gesamten Rücken aus. Diese Haltung wird aber nicht immer zwangsläufig durch den Arbeitsplatz vorgegeben, sondern stellt ein individuelles Bewegungsmuster dar, das aus ergonomischer Sicht ungünstig ist. Des Öfteren wird eine starke Beugung im Nacken beobachtet, was die Bandscheiben belastet und Verspannungen und Schmerzen im Nacken begünstigt“, beschreibt Frei die Situation.
Den Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen ist meist nicht bewusst, welche Haltung sie bei der jeweiligen Tätigkeit einnehmen. Um sie dafür zu sensibilisieren, wurden während der Arbeit Fotos gemacht. Eine Schulung zu ergonomischen Arbeitsweisen soll dazu beitragen, dass jeder Mitarbeiter / jede Mitarbeiterin nicht nur anhand der Aufnahmen erkennt, welche persönlichen Arbeitshaltungen ungünstig sind, sondern auch weiß, wie er:sie diese positiv verändern kann.
Verbesserungspotenzial gab es auch beim Transport von Kies. „Ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen und habe gelernt, eine Milchkanne links und eine rechts zu tragen. Das habe ich auch mit dem Kies für die Wege am Friedhof so gemacht“, beschreibt Pelz ihre bisherige Methode, um einseitiges Tragen zu vermeiden. Bei der gemeinsamen Erarbeitung der Maßnahmen entstand die Idee, noch rückenschonender vorzugehen: Jetzt werden die Kübel mit dem Kies mit der Scheibtruhe befördert. Auch einen weiteren Vorschlag setze Pelz bereits um: Sofern es das Wetter erlaubt, wird die vergleichsweise schwere Arbeit am Friedhof auf mehrere Tage bzw. Mitarbeiter:innen aufgeteilt.
Für den Arbeitsalltag bei Blumen Karin gilt insgesamt, dass unterschiedliche Belastungen für das Muskel-Skelett-System vorliegen. Durch den Wechsel zwischen den Tätigkeiten und die Möglichkeit der freien Pausenwahl hält sich die Gesamtbelastung jedoch in Grenzen. In Bereichen, in denen ein erhöhtes Risiko für Beschwerden des Bewegungs- und Stützapparats besteht, kann dieses durch die bei AUVAfit erarbeiteten und zum Teil bereits realisierten Maßnahmen deutlich reduziert werden.
Nachdem im Bereich Ergonomie große Fortschritte erzielt worden sind, gibt es laut Lettner die Überlegung, mit dem Modul AUVAfit Arbeitspsychologie einen zweiten Schwerpunkt zu setzen. Durch nicht planbare Ereignisse ergibt sich kurzfristig oft eine hohe Arbeitslast. Außerdem haben Pelz und ihre Mitarbeiter:innen bei Bestellungen für Trauerfloristik oft persönlich mit Angehörigen Verstorbener zu tun. „Die Verstorbenen stammen meistens aus unserer Gegend, ich kenne ihre Familien persönlich. Man muss wissen, wie man mit Trauernden redet“, spricht Pelz einen wenig bekannten Aspekt ihres Berufs an. Sie selbst hat gelernt, mit dieser Situation umzugehen, und möchte auch ihre Beschäftigten dabei unterstützen.
Zusammenfassung
Im Blumenhandel fallen unterschiedliche Tätigkeiten an, bei denen die Mitarbeiter:innen verschiedenen Belastungen wie Heben und Tragen, längeres Arbeiten im Stehen oder in Bodennähe ausgesetzt sind. Bei „Blumen Karin“ in Oberösterreich wurden im Rahmen von AUVAfit Präventionsmaßnahmen erarbeitet und zum Teil bereits umgesetzt.