Leichen leben (doch noch) länger: Eine F(L)achgeschichte zur VbF – Verordnung brennbare Flüssigkeiten
Seit dem Jahr 2018 kann man im RIS (Rechtsinformationssystem des Bundes) den Entwurf zur neuen VbF finden. Man darf ihn lesen, man darf ihn sogar verstehen – aber eben noch immer nicht (zumindest nicht einfach und direkt) anwenden. Bis es so weit ist, hat noch immer die „alte“ VbF, die aus der „Vor-GHS-Zeit“ stammt und wahrlich keine leichte „Kost“ darstellt, Rechtsbestand, wiewohl sie aber eine ausnahmefähige Verordnung darstellt. Der:Die geneigte Leser:in muss sich also fragen: Was gilt jetzt eigentlich?
Dies ist natürlich eine klassische Frage an alle Juristinnen:Juristen, und die nicht einhellige Fachantwort aus der Paragraphenecke lautet für die Praxis: je nach Örtlichkeit beides! Die bisherige alte Verordnung hat ohnehin noch Rechtsbestand, ist aber gleichzeitig eine ausnahmefähige Verordnung. Somit ist, so man sich am neuen Text orientiert, der als fachlich zumindest gleichrangig anzusehen ist, eben per genehmigtem Ausnahmebescheid (quasi interimistisch über die Hintertür) auch der Entwurf der neuen Verordnung anwendbar. In Analogie zu so mancher mittelalterlichen Königsnachfolge könnte man also folgendes Bild zeichnen: Während die eine Version schon fast auf der Pathologie liegt, steckt die andere noch im Geburtskanal im Kreißsaal fest! Weder ein schönes noch ein befriedigendes Bild, aber das sind ja Realitäten in Österreich selten, noch dazu komplexe.
Kommen Sie also mit auf eine fantastische Fachreise in die Welt der brennbaren Flüssigkeiten, wo auf wunderbare Weise besonders gefährliche brennbare Flüssigkeiten wie von Zauberhand fast verschwinden, Zonen im Explosionsschutz apodiktisch das Licht der Welt erblicken und im Brandschutz wichtige wassermischbare Eigenschaften im Lichte der Paragraphen verdampft zu sein scheinen.
Um es gleich klarzustellen: Was auch immer man den Molekülen in Vorschriften zu- oder abgeschrieben hat: Sie werden das „tun“, was sie immer schon „gemacht“ haben: Sie werden sich gemäß den Naturgesetzen verhalten – nicht mehr, aber auch nicht weniger!
In medias res – also mittendrin
Die zentralen Einteilungskriterien und wichtigsten sicherheitstechnischen Kenngrößen bei brennbaren (entzündbaren) Flüssigkeiten sind Dampfdruck, Flammpunkt und Siedepunkt. Auch wenn im Titel der Verordnung „brennbare Flüssigkeiten“ steht, geht es nach exaktem Sprachgebrauch um entzündbare flüssige Stoffe. Dabei ist zu beachten, dass diese Werte gemäß normierter Prüfvorschriften bestimmt werden, die – streng genommen – auch jedes Mal neben dem entsprechenden Zahlenwert anzugeben sind. Bei Flammpunkten zum Beispiel gibt es 2 wesentliche Bestimmungen, die Methode nach Abel-Pensky und die nach Pensky-Martens. Diese Kenngrößen findet man im Punkt 9 eines Sicherheitsdatenblattes.
Es existieren nun mehrere Erfassungs- und Einteilungssysteme, die sich jeweils ihrer Regelungsabsicht entsprechend mit einer Zuordnung entzündbarer Flüssigkeiten befassen. Das GHS und ADR i. d. g. F betrachtet nur Flüssigkeiten mit Flammpunkten bis 60 °C. Die österreichische VbF erweitert den Rahmen bis zu Flammpunkten von 100 °C, jedoch nur für mit Wasser NICHT mischbare Flüssigkeiten. Entzündbare Flüssigkeiten mit Flammpunkten von 100 °C bis 370 °C (oberste Bestimmungsmöglichkeit nach Pensky-Martens) sind nicht vom GHS, ADR oder der VbF erfasst.
Während das GHS von Kategorien (Kat.) ausgeht, spricht das ADR von Verpackungsgruppen (VP) und die VbF-Version (BGBL 240/1991, „alte“ Kriterien, aber juristisch ohne Antrag gültig) im § 5 von zwei Gruppen A und B, wobei A mit Wasser nicht mischbare, hingegen B die wassermischbaren Flüssigkeiten umfasst. Interessanterweise ist nicht jede sicherheitstechnische Kenngröße in den drei Regelwerken für die Zuordnung herangezogen worden. Das Einteilungsbild, das sich daraus ergibt, ist in Tabelle 1 dargestellt.
Die GHS-Kategorie 4 wurde in die europäische Verordnung CLP (Classification, Labelling and Packing) nicht übernommen. Brennbare Flüssigkeiten im Sinne der VbF sind definitionsgemäß Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt von nicht mehr als 100 °C und einem Dampfdruck bei 50 °C von nicht mehr als 3 bar.
Der Begriff der Gefahrgutklasse 3 ist etwas anders definiert und umfasst Stoffe sowie (erweitert) Gegenstände, die Stoffe dieser Klasse enthalten, mit einem Dampfdruck bei 50 °C von höchstens 300 kPa (3 bar), die bei 20 °C und dem Standarddruck von 101,3 kPa nicht vollständig gasförmig sind.
In der VbF wird nun gemäß § 5 eine Einteilung in mit Wasser nicht mischbare (A) und mischbare (B) Stoffe getroffen, die man im Entwurf 2018 nicht mehr findet: Für die (wasser-)umweltrelevanten Zwischenfälle und auch im Brandgeschehen ist es jedoch schon sehr wertvoll, über diese Eigenschaft Bescheid zu wissen.
Brennbare Flüssigkeiten der Gruppe A sind Flüssigkeiten, die selbst oder deren brennbare Bestandteile bei 15 °C nicht oder nicht in jedem beliebigen Verhältnis mit Wasser mischbar sind. Brennbare Flüssigkeiten der Gruppe B sind Flüssigkeiten, die selbst oder deren brennbare Bestandteile bei 15 °C in jedem beliebigen Verhältnis mit Wasser mischbar sind.
In der Zusammenschau von VbF-Entwurf 2018 und den GHS-Regelungen ergibt sich das in Abbildung 1 grafisch dargestellte Bild.
Nachdem die Einteilung nach Wassergefährdung abhandengekommen ist, stellt man bei den Kriterien für die besonders gefährlichen brennbaren Flüssigkeiten zwischen den zwei VbF-Versionen erhebliche Auffassungsunterschiede fest: Während sich die VbF 1991 am bereits seit 2 Jahrzehnten nicht mehr gültigen ADR 1999 und dessen Vorgängerversionen festhält und orientiert, gibt es diese Eigenschaftsgruppe der oft bedeutenden Nebengefahren (meistens giftig und ätzend) generell im VbF-Entwurf 2018 gar nicht mehr, dafür in deutlich abgewandelter Spezialversion bei den Sicherheitsschränken.
Warum im § 12 des VbF-Entwurfs gerade für einen Bereich (Brandabschnitt, Sicherheitsschrank) eine Spezialregelung existiert, wo doch bereits dadurch eine erhöhte „Sicherheitszone“ existiert, erschließt sich nicht gänzlich.
- Sind die besonders gefährlichen brennbaren Flüssigkeiten außerhalb des Sicherheitsschrankes nicht mehr gefährlich?
- Was ist mit den Regelungen der großen Gruppen der anderen besonders gefährlichen brennbaren Flüssigkeiten passiert?
- Es wurden neben den dem Giftrecht unterliegenden brennbaren Flüssigkeiten auch in Nebeneigenschaft chronisch schädigende Stoffe in eine Lagerbestimmung aufgenommen. Auch hier erschließt sich nicht ganz der Regelungszwang, da für Lagerung physikalisch akute Eigenschaften viel bestimmender sind!
- Die VbF 1991 ist die einzige österreichische Vorschrift zur Lagerung von brennbaren flüssigen Peroxiden: Mit dem Außerkrafttreten verschwindet diese Regelung!
Und auch sonst kämpft man mit Besonderheiten und Spezialitäten:
Weiterbrandtest: Stoffe mit einem Flammpunkt von mehr als 35 °C, die gemäß den Kriterien des Handbuchs Prüfungen und Kriterien, Teil III Unterabschnitt 32.5.2, keine selbständige Verbrennung unterhalten, sind keine entzündbaren Flüssigkeiten (GHS). Werden diese Stoffe jedoch auf oder über ihren Flammpunkt erwärmt zur Beförderung aufgegeben und befördert, sind sie Stoffe der Gefahrgutklasse 3 der brennbaren Flüssigkeiten!
Entzündbare flüssige Stoffe, die nach den Absätzen 2.2.61.1.4 bis 2.2.61.1.9 ADR i. d. g. F. beim Einatmen sehr giftig sind, und giftige Stoffe mit einem Flammpunkt von 23 °C oder darüber sind Stoffe der Gefahrgutklasse 6.1 (Gefahrgutklasse der giftigen Stoffe – siehe Unterabschnitt 2.2.61.1).
Flüssige Stoffe, die beim Einatmen sehr giftig sind, sind in ihrer offiziellen Benennung für die Beförderung in Kapitel 3.2 Tabelle A Spalte (2) als „beim Einatmen giftig“ zu bezeichnen oder in Spalte (6) durch die Sondervorschrift 354 zu kennzeichnen.
Als Mittel zur Schädlingsbekämpfung (Pestizide) verwendete flüssige Stoffe und Präparate, die sehr giftig, giftig oder schwach giftig sind und einen Flammpunkt von 23 °C oder darüber haben, sind Stoffe der Gefahrgutklasse 6.1 (siehe Unterabschnitt 2.2.61.1).
Der Begriff der Gefahrgutklasse 3 ist etwas weiter gefasst als der GHS-Begriff: Er umfasst auch flüssige Stoffe und feste Stoffe in geschmolzenem Zustand mit einem Flammpunkt über 60 °C, die auf oder über ihren Flammpunkt erwärmt zur Beförderung aufgegeben oder befördert werden. Diese Stoffe sind der UN-Nummer 3256 zugeordnet.
Der Begriff der Gefahrgutklasse 3 umfasst auch desensibilisierte explosive flüssige Stoffe. Desensibilisierte explosive flüssige Stoffe sind explosive Stoffe, die in Wasser oder anderen Flüssigkeiten gelöst oder suspendiert sind, um zur Unterdrückung ihrer explosiven Eigenschaften ein homogenes flüssiges Gemisch zu bilden. In Kapitel 3.2 Tabelle A im ADR sind dies die Eintragungen der UN-Nummern 1204, 2059, 3064, 3343, 3357 und 3379. Man könnte hier also von „maskierten brennbaren Flüssigkeiten“ sprechen, wobei keine Entsprechung in den GHS-Stoffvorschriften vorhanden ist.
Anwendung der Verordnung brennbare Flüssigkeiten
Die Verordnung gilt:
- für jede Lagerung und Verwendung brennbare Flüssigkeiten in Betriebsanlagen.
Sie gilt nicht:
- für den Transport ADR, RID, ADN, IMDG oder IATA,
- für Tankinhalte von Fahrzeugen und Maschinen bis zu 300 Liter,
- für Ethanol in Nahrungsmitteln, Kosmetika, Medizin bis zu bestimmten Höchstmengen.
Lagerung im Sicherheitsschrank
Sinn eines Sicherheitsschrankes (siehe Abbildung 2) ist es, für eine relativ kleine beschränkte Menge eine brandschutztechnisch von der Umgebung abgeschottete inerte Lagermöglichkeit zu schaffen.
Lagerung in Sicherheitsschränken gemäß § 9 VbF: Dies sind ortsfeste Schränke mit höchstens 1 m3 Inhalt, die:
- ausschließlich der Aufbewahrung von brennbaren Flüssigkeiten dienen,
- bei einem Brand für 90 Minuten sicherstellen, dass vom Schrankinneren keine zusätzliche Gefährdung oder Brandausbreitung ausgeht,
- Türen besitzen, die selbsttätig schließen und versperrbar sind (eine zusätzliche thermische Steuerung des Türschließmechanismus ist zulässig, die ein sofortiges Schließen der Türen jedenfalls dann gewährleistet, wenn die Umgebungstemperatur 50 °C überschreitet),
- mit an ein Lüftungssystem anschließbaren Zu- und Abluftöffnungen versehen sind, die im geschlossenen Schrank einen mindestens zehnfachen Luftwechsel je Stunde ermöglichen und die sich im Brandfalle selbsttätig schließen, und
- im Inneren mit einer unterhalb der untersten Stellfläche angebrachten Auffangwanne ausgestattet sind, die aus nicht brennbarem Material besteht und ein Fassungsvermögen von mindestens 10 Liter aufweist.
Ist es nicht oder nur mit sehr großem Aufwand möglich, den Sicherheitsschrank an eine Absaugung anzuschließen, gibt es die Möglichkeit ihn mit einem Filteraufsatz im Umluftbetrieb zu versehen (siehe betreffenden Erlass GZ: BMASK-461.308/0008-VII/A/2/2013 der Arbeitsinspektion).
Vorsicht! Neben der VbF ist der Sicherheitsschrank in ein Explosionsschutzkonzept gemäß VEXAT einzubinden. Ist der Sicherheitsschrank an eine externe Abluftanlage angeschlossen, kann Zone 2 vergeben werden, bei Verwendung eines Filteraufsatzes kann im Inneren Zone 1 und im Nahbereich Zone vergeben werden. Welche Zone dann wirklich vorherrscht, hängt von der Sauberkeit und Dichtheit aller Gebinde im Schrank und dessen Umgebung maßgeblich ab!
Das Festlegen obengenannter Zonen ist KEINE Sicherheitsmaßnahme!
Lagerung geringer Mengen brennbarer Flüssigkeiten
Brennbare Flüssigkeiten dürfen in Betrieben unter bestimmten Bedingungen (Mengen, Behältergrößen, Beschaffenheit der Behälter) auch außerhalb von eigenen Lagerräumen gelagert werden.
In Tabelle 2 findet sich eine Zusammenstellung, welche Mengen von brennbaren Flüssigkeiten, abhängig von Gefahrenklassen und Art der verwendeten Behälter, außerhalb von Sicherheitsschränken und Lagerräumen gelagert werden dürfen.
Praktischer Tipp: Chemikalien, namentlich Gefahrgüter, werden, so es sich nicht um Innenverpackungen von Gefahrgutsendungen handelt, zumeist in sogenannten baumustergeprüften Verpackungen angeliefert. Diese Umschließungen wurden in ihrer Bauart Fallprüfungen unterschiedlicher Höhe nach Gefahrengrad der jeweiligen Flüssigkeit unterzogen.
Es ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass diese Verpackungen sowohl den Anforderungen der VbF 1991 als jenen auch des Entwurfs der VbF 2018 entsprechen. Für Um- und Abfüllungen können, dürfen und sollen entsprechende gefahrguttaugliche Leergebinde angeschafft werden. Diese sind wie die Originalgebinde zu kennzeichnen, innerbetrieblich gemäß GHS bzw. bei Transport gemäß ADR.
Vorschriften für Lagerräume für brennbare Flüssigkeiten (§ 81, § 82 und § 83 VbF)
- Umgebende Bauteile brandbeständig, je nach Lage sind eventuell auch Pufferräume nötig
- Türen Gefahrenklasse I und II hochbrandhemmend, Gefahrenklasse III brandhemmend
- in Fluchtrichtung aufschlagend, versperrbar und selbstschließend
- Türschwelle maximal 3 cm
- Fußboden
- flüssigkeitsundurchlässig
- fest und nicht brennbar
- mit Gefälle oder Sumpf, damit ausgelaufene Flüssigkeit sich sammelt und Fluchtwege nicht gefährdet werden
- Umfassungswände fugenlos anschließend
- Lüftungsöffnungen für natürliche Lüftung oder mechanische Lüftung
- elektrische Anlage bei Gefahrenklasse I und II: explosionsgeschützt, bei Gefahrenklasse III entsprechend brandgefährdeten Räumen
- im Lagerraum keine Gas- und Wasserinstallation und keine Putztürchen
- Abwasser und Luftleitungen brandbeständig ummantelt
- Aufschriften:
- „Lagerraum für brennbare Flüssigkeiten“
- „Feuergefährlich! Rauchen, Hantieren mit offenem Feuer und Licht sowie das Einbringen und Verwenden sonstiger Zündquellen verboten!“
- eingelagerte Gefahrenklassen (I, II oder III)
- höchstzulässige Lagermenge
- Im Lagerraum dürfen außer den brennbaren Flüssigkeiten nur Stoffe und Materialien gelagert werden, die für den sicheren Transport der brennbaren Flüssigkeiten erforderlich sind.
Zusammenlagerung brennbarer Flüssigkeiten gemäß VbF 1991
Eine Zusammenlagerung liegt vor, wenn brennbare Flüssigkeiten verschiedener Gefahrenklassen nicht brandbeständig voneinander getrennt gelagert werden. Die Gruppeneinteilung nach A und B ist bei einer Zusammenlagerung nicht von Relevanz.
Zusammenlagerung geringer Lagermengen
Bei der Zusammenlagerung geringer Lagermengen gibt es Sonderbestimmungen über die zulässigen Mengen entsprechend den Gefahrenklassen:
Zusammenlagern von Gefahrenklassen I, II und III:
- Gefahrenklasse I: 10 Liter
- Gefahrenklasse II: 150 Liter
- Gefahrenklasse III: 300 Liter
oder
- Gefahrenklasse I: 10 Liter
- Gefahrenklasse II: 125 Liter
- Gefahrenklasse III: 400 Liter
Davon dürfen insgesamt höchstens 5 Liter besonders gefährliche brennbare Flüssigkeiten sein.
Lagerung im Sicherheitsschrank
- 100 Liter unabhängig von der Gefahrenklasse
- besonders gefährliche brennbare Flüssigkeiten unbegrenzt
VORSICHT! In § 12 des Entwurfs der VbF gibt es eine Einschränkung auf 1-Liter-Gebinde!
Zusätzliche Lagermengen außerhalb des Schrankes:
- Gefahrenklasse II: 150 Liter
- Gefahrenklasse III: 300 Liter
oder
- Gefahrenklasse II: 125 Liter
- Gefahrenklasse III: 400 Liter
Die besonders gefährlichen brennbaren Flüssigkeiten sind detailliert im § 67 VbF 1991 geregelt!
Bei der Lagerung von Mengen, welche die geringen Lagermengen überschreiten, ist die Genehmigung durch die zuständige Behörde notwendig.
Zusammenlagerung größerer Lagermengen
Bei einer Zusammenlagerung verschiedener Gefahrenklassen entsprechen:
- 2 Liter der Gefahrenklasse II einem Liter der Gefahrenklasse I
- 200 Liter der Gefahrenklasse III einem Liter der Gefahrenklasse I
- 100 Liter der Gefahrenklasse III einem Liter der Gefahrenklasse II
Im VbF-Entwurf 2018 gehört die Herumrechnerei weitgehend der Vergangenheit an (deckt sich auch mit den mangelnden Rechenkapazitäten beim Hausverstand, vulgo Kopfrechnen beim Einlagern). Im § 33 des Entwurfs 2018 existiert eine relativ leicht anzuwendende Tabelle gemäß zulässiger Höchstmengen je Lagerort, im § 32 gibt es die Zusammenlagerungsvorschriften!
Auffällig: Das, was die VbF 1991 nicht erlaubt hat, nämlich das Zusammenlagern mit Aerosolen (Spraydosen), ist gemäß VbF-Entwurf 2018 erlaubt, wobei die Aerosole wie Flüssigkeiten der Gefahrenkategorie 2 betrachtet werden. Dies stellt eine wesentliche Erleichterung dar!
VORSICHT! Das Zulagern von Flüssiggaskartuschen („Campinggaskartuschen“) im Sicherheitsschrank ist nach wie vor nicht sinnvoll (1 Liter verflüssigtes Gas (Flüssiggas) sind rund 254 Liter Gas!)
Beim VbF-Entwurf 2018 ist nun Folgendes zu beachten: Die Definitionen befinden sich im § 3, Kategorien 1, 2 und 3 sind ident mit GHS und kompatibel mit den Verpackungsgruppen I, II und III im ADR, wobei hier zu beachten gilt: Die an dieser Stelle erwähnte Kategorie 4 betrifft Petroleum und Gasöle und hat nichts mit der von der CLP-VO der EU nicht übernommenen UN-GHS-Kategorie 4 im Intervall 60 °C bis 93 °C zu tun! Der Begriff der besonders gefährlichen brennbaren Flüssigkeiten des § 6 VbF 1991 mit detaillierten Lagerbestimmungen im § 67(1) VbF 1991 ist verschwunden und existiert nur mehr in § 12 des VbF-Entwurfs 2018 beim Sicherheitsschrank, dort aber in abgewandelter Definitionsform, wobei erstmals bei der Lagerung auch chronische Organschädigungen berücksichtigt werden.
Sehr gelungen ist die im deutschen Sprachraum bereits geläufige Definition für aktive und passive Lagerung, wobei erstere jedenfalls ein praxisrelevantes Explosionsschutzkonzept bedingt und nachvollziehbare Basisforderungen an die nachhaltige, saubere Lagerführung definiert. Die detaillierte Zoneneinteilung lege artis für die passive Lagerung bietet hingegen keinen Sicherungsgewinn, da Zonenfestlegungen einerseits keinen technischen Sicherheitsvorteil gegenüber Zonenfreibereichen bieten, anderseits aber eine Reihe an Anforderungen im sekundären Explosionsschutz hinsichtlich Zündquellenvermeidung mit konsequenter Einhaltung fordern, die einige Investitionen auslösen. So darf z. B. für die Zone 2 nur ein kategorisierter Stapler verwendet werden.
Die Lagerräume werden im § 10 des VbF 2018-Entwurfs definiert. Der Lagerraum ist als Brandabschnitt auszuführen. Bei der Einlagerung von doppelwandigen Lagerbehältern ist nichts Besonderes vorgeschrieben, sonst gilt Folgendes zu beachten:
Das Auffangvolumen muss dem des größten Einlagerungsbehälters entsprechen, jedoch mindestens 10 % des Volumens der Lagermenge! Entweder erfolgt die Lagerung über Auffangwannen, oder der Fußboden ist wannenartig auszugestalten mit Gefälle zum Rauminneren. Ferner ist eine ständig wirksame Lüftung von 1 % Bodenfläche zu installieren, mindestens jedoch mit 200 cm2 Querschnitt. Bei aktiver Lagerung der Kategorien 1, 2 und 3 (zumeist auch Verpackungsgruppen I, II und III – aufpassen! Ausnahmen! Z. B bei Giften, Gefahrgutklasse 6.1) ist ein 5-facher Luftwechsel vorgeschrieben, mechanisch, ins Freie führend, und ständig in Betrieb, während die Behältnisse offen sind!
Beim Sicherheitsschrank ist ein zehnfacher Luftwechsel gefordert, der ständig in Betrieb sein muss, mit mechanischer Ausführung. Ist dies nicht möglich, kann ein Filteraufsatz für Kohlenwasserstoffe als Abluft im Raum installiert werden, dann gelten aber folgende Höchstlagermengen:
- Höchstlagermenge von Kategorie 1 oder 2 (je) 100 Liter
- Gebinde von Kategorie 2 maximale Fassung 5 L
- Gebinde von Kategorie 1 maximale Fassung 1 L
- Gebinde von Kategorie 1 mit Nebengefahr giftig der Kategorien 1, 2 oder 3 sowie STOT single Kategorie 1 oder STOT repeated Kategorie 1, vorher erwähnte Höchstgrenzen, also 1 Liter maximale Gebindegröße
Das Auffangvolumen des Schrankes muss 10 % der Lagermenge entsprechen. Wird die mechanische Lüftung überwacht, ist keine Zone (2) zu vergeben, sonst Zone 2 inklusive der Abluftleitung, quasi verordnet. Für die Praxis ist eine saubere Aufbewahrung der Gebinde der beste Explosionsschutz! Keine Einlagerung offener, unverdeckelter Gebinde! Sehr beliebt ist in der Praxis die Lagerung von Pinseln und diversen Gerätschaften in Lösemitteln, vorzugsweise offen! Dafür gibt es verschließbare und dichte Pinselboxen!
Im Entwurf der VbF 2018 sind die maximal zulässigen Lagermengen wie folgt definiert (ohne Gasöle, Petroleum Kat. 4 der VbF!): Im § 33 des Entwurfs sind ferner noch Regelungen für:
- Lagerräume, Sicherheitsschränke oder Lagergebäude
- Lagerung im Freien
zu finden.
In den §§ 18 und 19 finden sich explizite Zonenfestlegungen für den Explosionsschutz. Bei passiver Lagerung gilt in Räumen bis zu 100 m2 der ganze Raum als Zone 2. Für Räume ab 100 m2 gilt: Zone 2 bis über 0,5 Meter über der höchsten Einlagerung, mindestens jedoch Höhe 1,5 m über Grund. Bei aktiver Lagerung gilt das gesamte Raumvolumen bis 100 m3 als Zone 1, Zone 2 in einem Abstand von 1 m um Öffnungen in andere Räume. Bei expliziter Lesart bedeutet dies für Türen eine Vorsatz-Kubatur von 1 m3, also quasi ein „Vorsatzkasten“ rundherum auch oberhalb der Türe, der bei Dämpfen die schwerer als Luft sind, keinen Sinn machen würde.
Im Rahmen der Erstellung eines Explosionsschutzkonzepts kann bei passiver Lagerung auch folgender Ansatz dienen, der jedoch so nicht in der Verordnung abgebildet ist:
Bei Gefahrgutverpackungen gibt der sogenannte Baumusterprüfcode quasi die Verpackungsgüte wieder, X, Y, Z geben als Angabe über die „Güte“ = „Wertigkeit“ der Verpackung, hier über die geprüfte Fallhöhe, Auskunft:
X = VP I,II, III: Fallhöhe 1,8 Meter
Y = VP II, III: Fallhöhe 1,2 Meter
Z = VP III: Fallhöhe 0,8 Meter
Enthält nun der Einlagerungsplan folgende Angaben:
- Lagerung der baumustergeprüften Gebinde nicht höher als diese Codierung,
- bestehende Gebindekontrolle auf Dichtheit/Sauberkeit bei Ein- bzw. Auslagerung,
- rein passive Lagerung,
so entsteht im Normalbetrieb keine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre. Für Zwischenfälle sind ohnehin unmittelbar geltende Notfallmaßnahmen zur sofortigen Beseitigung und Aufnahme, also Verdampfungsverhinderung, zu treffen. Als Fazit im Vergleich der Versionen stellt man fest, dass der Entwurf in vielen Aspekten wesentlich einfacher und praxisnäher und somit auch zeitgemäßer ist als die VbF 1991. Jedwede technische Lagervorschrift ist aber nur so erfolgreich, wie in organisatorischer Hinsicht eine verständliche Schulung der Mitarbeiter:innen erfolgt. Daher sind abschließend im folgenden Absatz einige Kontrollpunkte exemplarisch aufgezählt:
Checkliste Warenannahme: Auf welche Bereiche schaue ich bei der Warenannahme/Lagerung?
- Alle Gebinde intakt/dicht? (Sichtprüfung)
- Lässt sich die Ladung überhaupt entladen (Verrutscht, Leckage …)?
- Sind die Gebinde richtig gekennzeichnet (GHS, ADR-Gefahrgut)?
- Wird auch das geliefert, was auf dem Begleitschein / auf Begleitdokumenten steht?
- Wo werden die Gebinde eingelagert, existiert ein Einlagerungsplan?
Was ist zu tun, wenn ein Gebinde undicht ist/wird?
- Bei Zurückweisung der Sendung auf den Verkehrsträger wird man zum Absender im Gefahrgutrecht! VORSICHT! Dies sollte niemals ungeprüft erfolgen!
- Entladung auf Sperrlager, Sperrzone: Ist so eine Lagerzone eingerichtet?
- Existiert ein Notfalltraining mit Ausrüstung (Handschuhe, Gesichtsschutzschirm, Schutzkleidung, Schürze etc.)?
- Fotodokumentation der Schäden als Beweissicherung nach Maßgabe der Möglichkeiten ohne Eigengefährdung im Notfallgeschehen
Zusammenfassung
Der Autor analysiert, welche Rechtsvorschriften wann auf brennbare Flüssigkeiten anzuwenden sind.