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AUVA Packen wir's an!

Unfallfrei heben und tragen

Bei der Manipulation schwerer Lasten steigt das Unfallrisiko. Mit Maßnahmen wie der richtigen Arbeitstechnik und dem Einsatz von Hilfsmitteln kann man es reduzieren.

Ein Arbeiter müht sich, Lasten auf einer Palette mit Hilfe eines Handhubwagens auf dem Laderaum eines LKW auf die Laderampe zu verfahren
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Jeder zehnte anerkannte Arbeitsunfall steht in Zusammenhang mit einer „Bewegung des Körpers unter/mit körperlicher Belastung“. Das geht aus der AUVA-Unfallstatistik 2015 bis 2019 hervor. Durch die Manipulation schwerer Lasten erhöht sich nicht nur das Risiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE), sondern ebenso die Unfallwahrscheinlichkeit. Beim AUVA-Präventionsschwerpunkt 2021/22 „Packen wir’s an!“ im Rahmen der EU-OSHA-Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze – Entlasten Dich!“ ist daher auch Unfallverhütung ein wichtiges Thema.

Verletzungsgefahr

Unfälle können sich beim Anheben einer Last, beim Tragen, aber auch beim Ziehen oder Schieben ereignen. Verletzungsgefahr besteht z. B. beim Anfassen scharfkantiger, heißer oder kalter Gegenstände mit nicht bzw. unzureichend geschützten Händen. Rutscht oder fällt eine Last während des Hebens, sind Quetschungen, Abschürfungen oder Knochenbrüche möglich. Außerdem kann eine falsche Technik beim Heben eine Verletzung der Gelenke und des Bandapparats zur Folge haben.

Auch beim Tragen von Lasten spielen ein sicherer Griff und die richtige Körperhaltung eine wesentliche Rolle. Vor allem, wenn zwei oder mehrere Personen gemeinsam einen Gegenstand tragen, kann es durch mangelnde Koordination zum Rutschen oder Fallen der Last und damit zu Quetschungen, Abschürfungen oder Knochenbrüchen kommen. Die häufigsten Verletzungen bei der Manipulation von Lasten sind Verstauchungen, Zerrungen und Knochenbrüche infolge eines Sturzes, auch eine Gehirnerschütterung ist möglich. Abschürfungen, Prellungen oder Quetschungen passieren leicht infolge von Stößen.

Beim Ziehen oder Schieben erhöht sich die Unfallgefahr, wenn das Transportmittel überladen ist, man es nicht vorausschauend bewegt oder es zu schnell beschleunigt bzw. abbremst. Zu den typischen Beispielen zählen Verletzungen des Kniegelenks durch Verdrehung bei schnellen Richtungsänderungen oder der Lendenwirbelsäule bei starken Abbremsmanövern. Wie beim Heben und Tragen sind auch Stürze – etwa, wenn die Last kippt – und Anstoßen mit den entsprechenden Folgen möglich. Verliert man die Kontrolle über gerollte Lasten wie Fässer, muss man mit Quetschung oder Sturz rechnen.

Heilung

Ist es durch einen Unfall zu einer Verletzung gekommen, sollte man den Gesundungsprozess zur Gänze abschließen, bevor man den Körper wieder voll belastet, betont Dr. Kurt Leodolter, Facharzt für Arbeitsmedizin in der AUVA-Landesstelle Graz. Allerdings wirke sich nicht nur eine zu kurze Schonung negativ aus, sondern auch das Gegenteil: „Wenn eine zeitlich begrenzte Beschränkung der Belastung aus ärztlicher Sicht empfohlen wird, können sich manche Betroffene später nicht davon lösen und tappen in die ‚Schonungsfalle‘.“ Die AUVA unterstützt Arbeitnehmer:innen in der Rehabilitation nach einem Unfall dabei, dem eigenen Körper wieder zu vertrauen und ihn im richtigen Ausmaß zu belasten.

In manchen Fällen bleibt nach der Verletzung ein gesundheitlicher Schaden zurück, der laut Dr. Leodolter in der Folge MSE verursache oder verstärke: „Unser Körper hat eine große Fähigkeit zu heilen. Nicht immer jedoch gelingt die Heilung gänzlich und manche Narbe zeugt von einem überstandenen Unfall. Bei einigen Menschen führen die Auswirkungen des Unfalls wie länger andauernder Schmerz oder Schonhaltung zu weiteren Muskel-Skelett-Erkrankungen.“

Um Unfälle bei der Manipulation von Lasten zu vermeiden, ist es notwendig, ein ganzes Maßnahmenpaket zu schnüren.

Julia Lebersorg-Likar

Viele Menschen, die nach einem Unfall wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, nehmen den Unfall und seine Folgen zum Anlass für eine grundlegende Änderung ihrer Arbeitsweisen, gleichsam als „Schuss vor den Bug“. Sie halten sich an die betrieblichen Maßnahmen zum Schutz vor Muskel-Skelett-Erkrankungen und nutzen konsequent die angebotenen Hebe- und Tragehilfen. Statt roher Kraft setzen sie Techniken ein, achten auf richtiges Heben und Tragen und führen regelmäßig Ausgleichsübungen durch. Im Unternehmen fungieren sie damit als Vorbilder für ihre Kollegen:Kolleginnen.

Vorbeugen ist besser als Heilen – das gilt auch in Bezug auf Unfälle bei der Manipulation von Lasten. Um die richtigen Maßnahmen setzen zu können, muss man die Unfallursachen kennen. „Die meisten Unfälle sind auf das Zusammentreffen von mindestens zwei Faktoren zurückzuführen. Zur Manipulation einer schweren Last kommen beispielsweise zusätzlich ein unebener Boden, beengte Räumlichkeiten oder eine durch die Last beeinträchtigte Sicht“, erklärt Mag. Julia Lebersorg-Likar, fachkundiges Organ Ergonomie in der AUVA-Hauptstelle.

Substitution und technische Maßnahmen

Diese Faktoren müssen auch beim Setzen von Präventionsmaßnahmen berücksichtigt werden, wobei nach dem STOP-Prinzip – Substitution vor technischen und organisatorischen sowie zuletzt personenbezogenen Maßnahmen – vorzugehen ist. Der erste Schritt besteht darin, die händische Manipulation schwerer Lasten durch automatisierte Verfahren, etwa den Einsatz von Förderbändern, zu ersetzen.

Ist das nicht durchführbar, sind technische Maßnahmen das Mittel der Wahl. Minikräne, Elektrolifter, Hubwagen, Rolltische und Schubkarren erleichtern das Heben und Tragen. Die verwendeten Transporthilfen sollten eine hohe Eigenstabilität aufweisen, mit körpermaßgerechten Griffen, für den jeweiligen Untergrund passenden Rädern und bei Bedarf mit Feststellbremsen ausgestattet sein. Regelmäßige Reinigung und Wartung ermöglichen einen sicheren Betrieb. Diese Hilfsmittel sind gegenüber Hebeklemmen, Saugscheiben oder Tragegurten vorzuziehen, da Letztere zwar für einen sicheren Griff sorgen, das Gewicht der Last aber nicht verringern.

Mag. Michaela Strebl, Ergonomin in der AUVA-Hauptstelle, weist darauf hin, dass Hilfsmittel vor der Anschaffung, sofern möglich, durch Anwender:innen auf ihre Praxistauglichkeit getestet werden sollten. Auch die Einbeziehung von Präventivkräften in die Kaufentscheidung ist sinnvoll. Eine griffbereite Aufbewahrung und das Integrieren der Hilfsmittel in den Arbeitsprozess erhöhen die Akzeptanz bei den Benutzern:Benutzerinnen und sorgen damit für eine regelmäßige Verwendung.

Ob Mitarbeiter:innen verfügbare Hilfsmittel einsetzen, hängt auch davon ab, wie schwer sie eine Last einschätzen. „Bei leichteren Lasten unterschätzt man oft das Erkrankungs- bzw. Unfallrisiko und verzichtet daher auf Hilfsmittel, z. B. in Verteilzentren oder bei der Zustellung von Paketen. Auf Flughäfen versucht man, das Gewicht der Gepäckstücke durch Farbcodes zu verdeutlichen“, erklärt Dr. Leodolter.

Organisatorische Maßnahmen

Eine wesentliche organisatorische Maßnahme ist die zeitliche Beschränkung von Arbeiten, die den Bewegungs- und Stützapparat stark beanspruchen und damit zu schnellerer Ermüdung führen. Mit zunehmender Ermüdung lassen körperliche Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit nach, wodurch das Unfallrisiko steigt. Dem kann man mit Pausen entgegenwirken, wobei mehrere kurze Pausen einen größeren Effekt haben als wenige lange. Strebl rät zu einem Tätigkeitswechsel: „Man sollte zu einer weniger belastenden Tätigkeit wechseln, also nicht nach schwerem Heben und Tragen einen schweren Trolley ziehen.“

Zur Ermüdung trägt auch ein hohes Gewicht der Last bei. Müssen Behälter mit Arbeitsstoffen gehoben oder getragen werden, lässt sich das Gewicht oft durch die Wahl kleinerer Gebinde reduzieren. Bei großen, sperrigen Gegenständen empfiehlt es sich, diese zu zweit zu transportieren. Um Unfälle, z. B. durch Stolpern, zu vermeiden, sollte die Last auf Kommando aufgenommen und abgesetzt werden.

Personenbezogene Maßnahmen

Auch eine für die jeweilige Tätigkeit geeignete persönliche Schutzausrüstung (PSA) dient dazu, Verletzungen durch Unfälle zu vermeiden. Ist an einem Arbeitsplatz die Manipulation von Lasten vorgesehen, müssen Sicherheitsschuhe getragen werden, die mit einer rutschsicheren Sohle ausgestattet sind und dem Fuß Halt geben. Beim Transport schwerer Gegenstände sind Sicherheitsschuhe mit Zehenschutzkappe vorgeschrieben. Handschuhe schützen vor Verletzungen z. B. durch scharfkantige, heiße oder kalte Gegenstände bzw. ätzende Substanzen.

Strebl hat beobachtet, dass Schulung und Unterweisung als wesentliche personenbezogene Maßnahmen häufig zu kurz kommen: „Oft gibt es nur eine einmalige Schulung, aber man sollte regelmäßig schulen. Richtiges Heben und Tragen erfordert ein entsprechendes Training, da es für das Automatisieren von Bewegungen eine Vielzahl von Wiederholungen braucht. Dies wird häufig unterschätzt.“

Das Wissen über das richtige Verhalten und die korrekte Anwendung eines Hilfsmittels kann das Unfallrisiko reduzieren. Lebersorg-Likar führt ein konkretes Beispiel an: „Laut Arbeitsmittelverordnung darf man Leitern nur für kurzfristige Arbeiten im Greifraum verwenden, aber keine schweren Lasten über eine Leiter tragen. Dafür muss eine geeignete Aufstiegshilfe verwendet werden. Die Praxis zeigt immer wieder, dass schwere Lasten wie Werkzeugkisten über Anlege- oder Stehleitern transportiert werden. Das birgt eine große Unfallgefahr.“

Grafik Arbeitsunfälle
Daten: AUVA-Unfallstatistik, anerkannte Arbeitsunfälle von Erwerbstätigen ohne Wegunfälle, Abweichung „Bewegung des Körpers mit/unter körperlicher Belastung“
Kreisdiagramm zeigt die verschiedenen Ursachen für Arbeitsunfälle
Quelle: AUVA-Unfallstatistik, anerkannte Arbeitsunfälle von Erwerbstätigen ohne Wegunfälle, Abweichung „Bewegung des Körpers mit/unter körperlicher Belastung“

Umgebungsfaktoren

Um Unfälle bei der Manipulation von Lasten zu vermeiden, ist es laut Lebersorg-Likar notwendig, ein ganzes Maßnahmenpaket zu schnüren. Dabei hilft es, wenn man mit offenen Augen durch den Betrieb geht, um potenzielle Gefahrenquellen zu erkennen. Das gilt auch für Arbeitnehmer:innen, betont die Ergonomin, und nennt ein Beispiel: „Bevor ich eine schwere Last transportiere, schaue ich mir den Weg genau an: Gibt es Engpässe? Wo sind Stolperfallen wie Unebenheiten im Boden, Kabel oder herumliegendes Werkzeug?“ Auch auf eine gute Ausleuchtung der Arbeitsumgebung sollte man achten.

Beim Ziehen oder Schieben lässt sich durch eine möglichst gerade Wegführung in ausreichender Breite und einen ebenen Untergrund mit geringer Neigung die Unfallgefahr reduzieren. Genügend Platz für den Bremsweg und sichere Bremsbarkeit sind obligatorisch. Beim Abstellen des Transportmittels, insbesondere auf einer abschüssigen Fläche, sollte die Wegrollsicherung aktiviert werden. Das Transportmittel darf nur so hoch beladen werden, dass die Sicht auf den Weg nicht behindert wird.

Berufsbezogene Gefahren

Welche unfallträchtigen Situationen auftreten können, hängt vom Beruf und der jeweiligen Tätigkeit ab. So besteht im Transportgewerbe beim Ein- und Ausladen ein erhöhtes Stolperrisiko, in der Gebäudereinigung Rutschgefahr durch feuchte Böden. Bei der Heimpflege stellen enge Räume, verrutschende Teppiche und schlechte Lichtverhältnisse eine besondere Herausforderung dar. Ein von beiden Seiten zugängliches höhenverstellbares Bett, das Dr. Leodolter als „Basisanforderung“ bezeichnet, ist nicht immer vorhanden.

Mit schwierigen räumlichen Gegebenheiten in Privatwohnungen sind auch Tischler:innen und Installateure:Installateurinnen konfrontiert, etwa bei der Montage von Einbauküchen oder Heizsystemen. Zu ungünstigen Umgebungsbedingungen kommt häufig Zeitdruck, z. B. durch einen engen Terminplan oder eine verkehrsbedingte Verspätung. „Hilfsmittel werden oft nicht verwendet, wenn es schnell gehen muss, Tragegurte nicht ordentlich angelegt. Das erhöht das Unfallrisiko“, gibt Dr. Leodolter zu bedenken.

Ein geschulter Mitarbeiter erklärt einem Kollegen die richtige Hebetechnik
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Jüngere Arbeitnehmer:innen haben zum Teil Probleme damit, ihre persönliche Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen, oder wollen beweisen, dass sie auch ohne Hilfsmittel auskommen, meint Strebl. Bei älteren Personen können dagegen Vorerkrankungen bzw. Verletzungen und nachlassende Körperkraft zur Überlastung und damit zu einem erhöhten Unfallrisiko führen.

Höheres Sicherheitsbewusstsein

Insgesamt ist das Sicherheitsbewusstsein der arbeitenden Bevölkerung laut Dr. Leodolter gestiegen, was auch auf mehr Schulungen und bessere Ausbildungen zurückzuführen sei: „Bewegung muss aktiv geschult werden, das heißt: nicht nur erklären, sondern vorzeigen und üben lassen. Beim AUVA-Programm BAUfit lernt man z. B. das richtige Heben und Tragen auf der Baustelle.“

Weitere Angebote der AUVA wie Seminare und Workshops, z. B. zu den neuen Leitmerkmalmethoden, sind während des Präventionsschwerpunkts im Preis um 50 Prozent ermäßigt, Webinare kostenlos. Zusätzlich findet eine Reihe von Veranstaltungen zum Thema Muskel-Skelett-Erkrankungen statt. Schriftliche Informationen liefern Publikationen wie die Merkblätter M 025 „Heben und Tragen, Ziehen und Schieben“ und M.plus 021 „Ergonomie – Grundlagen der Arbeitsplatzgestaltung“.

„Die Basis für Unfallvermeidung ist die Gefahrenermittlung im Rahmen einer Arbeitsplatzevaluierung, z. B. mit den Leitmerkmalmethoden. Wie man MSE und Unfälle verhindern kann, erfährt man bei Veranstaltungen wie ‚Risikofaktor Lastenhandhabung – Prävention arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Erkrankungen‘ am 8. März 2022 in Graz“, so Lebersorg-Likar.

Zusammenfassung

Durch die Manipulation schwerer Lasten erhöht sich die Unfallwahrscheinlichkeit. Die häufigsten Verletzungen, zu denen es beim Heben und Tragen, Ziehen und Schieben kommt, sind Verstauchungen, Zerrungen und Knochenbrüche infolge eines Sturzes. Beim Setzen von Präventionsmaßnahmen sollte nach dem STOP-Prinzip vorgegangen werden. 


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