Arbeitsplatz Krafftfahrzeug
Arbeitsplatz Pkw
Das Vermeiden von Beschwerden bei langen Autofahrten beginnt mit einem guten Sitz. Wie man ihn richtig einstellt und worauf man beim Be- und Entladen des Fahrzeugs achten sollte, wird beim AUVA-Seminar „Sicher und gesund am Arbeitsplatz Pkw“ geübt.
Es sind nicht nur die Berufskraftfahrerinnen und -fahrer, die täglich viele Stunden hinter dem Lenkrad verbringen. Auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst oder im Service, für Vielfahrerinnen und -fahrer in unterschiedlichen Branchen ist der Pkw zumindest zeitweise ihr Arbeitsplatz. Im Büro schützen der geeignete Sessel, eine gute Sitzhaltung und Übungen zwischendurch den Bewegungs- und Stützapparat vor Schäden. Genauso lassen sich auch in einem Fahrzeug durch einen richtig eingestellten ergonomisch günstigen Sitz und durch Bewegungspausen Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) verhindern.
„Wir haben immer wieder Anfragen von Unternehmen zu Sicherheit und Gesundheit im Pkw bekommen. Aufgrund des großen Interesses haben wir das Seminar ‚Sicher und gesund am Arbeitsplatz Pkw – Grundlagen, Technik und Praxis‘ ausgearbeitet“, erklärt Mag. Julia Lebersorg-Likar, fachkundiges Organ Ergonomie. Sie leitet die Veranstaltung gemeinsam mit Peter Schwaighofer, BSc, fachkundiges Organ Verkehr, beide von der Abteilung Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung in der AUVA-Hauptstelle.
Zu den im Seminar behandelten Themen zählen das Risiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen durch langes Autofahren, die optimale Sitzeinstellung im Pkw, Ablenkung und Ermüdung im Straßenverkehr sowie die Evaluierung von Gefahren für Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Dazu kommen Tipps und Tricks zum richtigen Be- und Entladen des Fahrzeugs und zur Ladungssicherung. Der theoretische Teil wird durch einen praktischen ergänzt, bei dem die Teilnehmenden das Einstellen des Sitzes und das Sichern der Ladung üben können.
Die meisten Unternehmen buchen das Seminar als Inhouse-Veranstaltung, bei der für den praktischen Part die Dienstfahrzeuge der Teilnehmenden verwendet werden können. Wenn das Interesse an Informationen und nicht die Praxis im Vordergrund steht, bietet sich die Webinar-Version an. Das Seminar „Sicher und gesund am Arbeitsplatz Pkw“ wird im Rahmen des aktuellen AUVA-Präventionsschwerpunkts „Packen wir’s an!“ (www.auva.at/mse) zur Prävention von arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen um 50 Prozent ermäßigt angeboten.
Good-Practice-Betrieb EBP
Zu den Firmen, die das Seminar als Inhouse-Veranstaltung gebucht haben, zählt die im Bau- und Projektmanagement tätige EBP GmbH aus Oberösterreich. Das Unternehmen hatte sich schon davor von der AUVA zum Thema Ergonomie bei Büroarbeitsplätzen beraten lassen und daraufhin mehrere Maßnahmen umgesetzt, etwa die alten Schreibtische gegen neue, höhenverstellbare getauscht. Als nächsten Schritt wollte Bmst. Ing. Jürgen Fleischanderl, geschäftsführender Gesellschafter von EBP, auch zum Arbeitsplatz Pkw Informationen von den Expertinnen und Experten der AUVA einholen.
Ausschlaggebend dafür war einerseits der Ratschlag des Senior-Geschäftsführers, bei der Auswahl eines Autositzes auf die Ergonomie zu achten, andererseits Fleischanderls eigene Erfahrungen: „In meinem Dienstfahrzeug, einem Bus, habe ich Rückenprobleme bekommen. Ein Bus ist von der Ausstattung her im Vergleich zum Pkw reduzierter. Nach der Anschaffung eines ergonomisch günstigen Sitzes haben die Beschwerden nachgelassen.“ Fleischanderl ließ erheben, inwieweit in der Belegschaft Bedarf bestand – immerhin sind neun der insgesamt 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von EBP regelmäßig mit dem Auto unterwegs. „Wir haben Bauleiter, die rund 50 Prozent ihrer Arbeitszeit im Auto verbringen“, so der Geschäftsführer. Für einen Mitarbeiter wurde daraufhin ein neues Elektroauto mit einem Gesundheitssitz mit Massagefunktion bestellt. Ist in Zukunft die Neuanschaffung eines Fahrzeugs erforderlich, legt man bei EBP Wert darauf, dass dieses mit einem ergonomisch hochwertigen Sitz mit Lordosenstütze ausgestattet ist.
Beim AUVA-Seminar, das im Juli 2021 bei EBP stattfand, schauten sich Lebersorg-Likar und Schwaighofer auch die Sitze der Dienstfahrzeuge aller Teilnehmenden an. „Die Ist-Einstellung der Sitze war im Wesentlichen in Ordnung. Zum Teil ist empfohlen worden, die Rückenlehne etwas aufrechter zu stellen“, erinnert sich Fleischanderl. Zusätzlich zu den Bewegungsübungen, die beim Seminar gezeigt wurden, hat er für seine Angestellten auch Trainingsgeräte für die Büroräume angeschafft, an denen speziell nach langen Autofahrten geübt werden kann. Das Setzen von Maßnahmen zur Vermeidung von MSE sieht er als „Win-win-Situation“: Die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird gefördert und es gibt weniger Ausfälle durch Krankenstände.
Gesundheitliche Belastungen
Welchen Belastungen der Bewegungs- und Stützapparat von Vielfahrern ausgesetzt ist, beschreibt Lebersorg-Likar: „Bei längerem Sitzen im Auto handelt es sich um eine Form der Körperzwangshaltung. Die Fahrerin bzw. der Fahrer nimmt eine Position ein, in der man sich noch weniger bewegen kann als an einem Bildschirmarbeitsplatz. Von Beschwerden betroffene Körperregionen sind vor allem der Rücken und der Schulter-Nacken-Bereich.“ Jeder ergonomisch gestaltete Arbeitsplatz habe sich an den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt. In einem Fahrzeug müsse die Arbeitshaltung des Sitzens unterstützt werden.
Psychische Faktoren wirken sich ebenfalls auf den Körper aus. So verursachen die andauernde Fokussierung auf den Straßenverkehr und aggressives Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer Stress, der sich häufig in Verspannungen äußert. „Das Stresspotenzial ist bei fremdbestimmter Arbeit größer. Dazu gehören Dinge, die man nicht selbst steuern kann, was im Straßenverkehr z. B. auf Staus oder Baustellen zutrifft“, erklärt Schwaighofer.
Wie stark dieser Stress empfunden wird, hängt auch von den Vorgaben der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers ab. Hat die Fahrerin bzw. der Fahrer einen ausreichenden Zeitpolster zwischen den Terminen, ist der Druck geringer, einen durch die Verkehrssituation entstandenen Zeitverlust durch schnelleres Fahren oder Auslassen von Pausen wettzumachen. Diese Vorgehensweise kann nicht nur Stress und körperliche Beschwerden verstärken, sondern auch die Verkehrssicherheit beeinträchtigen.
Abhilfe lässt sich durch ein Gespräch zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmern schaffen, in dem geklärt wird, ob eine weniger straffe Zeitplanung möglich ist und welche Termine notfalls verschoben werden können. Um Ablenkung zu vermeiden, sollte man vereinbaren, dass Telefonate während der Fahrt kurz gehalten werden oder man die Erreichbarkeit auf bestimmte Zeiträume beschränkt.
Der Fahrerin bzw. dem Fahrer rät Schwaighofer, die Route zu planen, sich vor Antritt der Fahrt über die Verkehrslage und bei einem E-Fahrzeug über Ladestationen an der Strecke zu informieren. Ein Navigationsgerät hilft nicht nur bei der Orientierung, sondern zeigt auch bei einem Stau alternative Routen an. Da das Gerät ausfallen kann, empfiehlt es sich, analoges Kartenmaterial mitzuführen. Vorsorge zu treffen für längere Staus heißt auch, immer Getränke für die notwendige Flüssigkeitszufuhr und kleine Snacks im Auto zu haben.
Besonders belastend für den Bewegungs- und Stützapparat ist die Kombination von langem Sitzen mit schwerem Heben und Tragen. Während der Fahrt wird der Körper lange Zeit hindurch nicht aktiviert und dann plötzlich stark gefordert. Betroffen sind beispielsweise Außendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die Anschauungsmaterial mitführen, oder Servicepersonal mit Werkzeugkisten. Beim Herausheben des Materials aus dem Kofferraum nimmt man meist eine vorgeneigte Haltung ein, die die Wirbelsäule belastet. Informationen zu richtigem Heben und Tragen kann man im AUVA-Merkblatt M 025 „Heben und Tragen, Schieben und Ziehen. Lasten sicher handhaben“ nachlesen.
Einstellen des Sitzes
Sowohl beim Heben und Tragen als auch bei der Einstellung des Autositzes kommt es darauf an zu wissen, wie man es richtig macht. Während Lastenhandhabung in den meisten Unternehmen schon länger ein Thema ist, sind oft sogar Vielfahrerinnen und -fahrer nicht darüber informiert, welche Möglichkeiten ihr Autositz bietet. „Wenn eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer ein Fahrzeug mit einem neuen Sitz erhält, sollte man nicht nur die Bedienungsanleitung dazugeben, sondern auch bei der Einstellung des Sitzes unterstützen. Die Fahrerin bzw. der Fahrer braucht ausreichend Zeit, um sich mit dem Fahrzeug auseinanderzusetzen, sich zu informieren, ob der Sitz z. B. Seitenwangen oder eine Lordosenstütze hat, und welche Einstellungen möglich sind“, so Schwaighofer. Wie man den Autositz richtig einstellt, ist anhand von Grafiken auf der AUVA-Infokarte „Car Board Card“ anschaulich dargestellt, die auch beim Seminar „Sicher und gesund am Arbeitsplatz Pkw“ verteilt wird. In der Seitenablage des Autos verstaut, hat man die Karte immer rasch zur Hand. „Beim Einstellen des Sitzes geht man Schritt für Schritt vor und beginnt mit dem richtigen Abstand des Sitzes zu den Pedalen“, beschreibt Lebersorg-Likar. Sitzt der Fahrer in der richtigen Position, sind Arme und Beine nicht ganz durchgestreckt.
Eine nach dem Einsteigen passende Einstellung ist nach einer längeren Fahrt meist nicht mehr optimal, weil der Körper langsam nach unten rutscht und sich dadurch z. B. die Lordosenstütze an der falschen Stelle befindet. Dann sollte man den Sitz nachjustieren – oder, besser noch, eine Pause einlegen. Auf der Rückseite der Infokarte finden sich Vorschläge für Bewegungs- und Dehnungsübungen, die man im Fahrzeug sitzend oder im Stehen durchführen kann.
Arbeitsplatz Lkw
Die Bewegungsempfehlungen gelten auch für den Arbeitsplatz Lkw. „Fahrerinnen und Fahrer von Lkw haben viel längere Sitzzeiten, manchmal fahren sie zwei bis drei Tage – mit Pausen – durch. Umso wichtiger ist es, in die statische Arbeitshaltung kleine Bewegungen einzubauen. In den Pausen sollte man Ausgleichsübungen machen und zumindest ein paar Schritte gehen“, gibt Lebersorg-Likar Anregungen gegen die arbeitsbedingte Bewegungsarmut. Damit sich die Fahrerin bzw. der Fahrer in den Ruhephasen ausreichend erholen kann, muss das Unternehmen für eine ergonomisch günstige, ausreichend große Liege sorgen.
Der Sitz im Lkw hat die gleichen Ansprüche zu erfüllen wie der in einem Pkw, allerdings gibt es laut Schwaighofer Unterschiede bei der Einstellung: „Die Lehne sollte nur leicht zurückgeneigt sein, im Lkw sitzt man aufrechter. Bei Langstreckenfahrten ist eine etwas nach hinten abfallende Sitzfläche günstiger, wenn man häufig ein- und aussteigen muss, eine etwas nach vorne abfallende, die das Aufstehen erleichtert.“ Ein nicht automatischer luftgefederter Sitz muss vor der Fahrt auf das Gewicht der Fahrerin bzw. des Fahrers eingestellt werden. Für das sichere Ein- und Aussteigen hat Schwaighofer ebenfalls Tipps: Im Idealfall stellt man den Lkw auf ebenem, festem Grund ab und macht vor dem Aussteigen einen Kontrollblick, um sich zu vergewissern, dass man gefahrlos aussteigen kann. Dann schwenkt man die Fahrzeugtür möglichst weit auf, hält sich mit beiden Händen fest und steigt zum Fahrzeug gewandt aus. Das vor allem bei jungen Fahrerinnen und Fahrern beliebte Abspringen kann zu Verletzungen führen und belastet längerfristig den Stützapparat. Festes Schuhwerk und gereinigte, nicht mit Matten belegte Trittstufen verringern die Rutschgefahr. Für Arbeiten am Anhänger oder Sattelaufleger muss eine sichere Aufstiegsmöglichkeit vorhanden sein.
Vorbeugen statt heilen
Ob Pkw oder Lkw, für beide Arbeitsplätze gilt, dass nicht erst dann Schutzmaßnahmen ergriffen werden sollten, wenn die Fahrerin bzw. der Fahrer schon gesundheitliche Probleme hat. „Tendenziell sind eher ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von MSE betroffen. Mit den Beschwerden steigt das Bewusstsein, dass etwas verändert werden muss“, stellt Lebersorg-Likar fest. Prävention sollte allerdings ansetzen, bevor es zu Gesundheitsschäden kommt. Ziel sei es, die richtige Einstellung des Sitzes schon für junge Fahrerinnen und Fahrer zu einer Selbstverständlichkeit zu machen, genauso wie das Anlegen des Sicherheitsgurts. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, wie sicher sie bzw. er beruflich unterwegs ist, kann dafür das kostenlose Online-Tool GUROM (https://www.gurom.de) nutzen. Anhand von Antworten auf Fragen zur Verkehrsteilnahme ermittelt das Tool ein Gefährdungsprofil. Unternehmen erhalten ein Unternehmensprofil, das anhand der Antworten aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erstellt wird. Gibt es Auffälligkeiten bei der Fahrzeugnutzung, schlägt GUROM konkrete Verbesserungsmaßnahmen vor – unter anderem auch den Besuch des AUVA-Seminars „Sicher und gesund am Arbeitsplatz Pkw“.
Zusammenfassung
Lange Autofahrten können Schmerzen im Rücken und im Schulter-Nacken-Bereich verursachen sowie langfristig zu Muskel-Skelett-Erkrankungen führen. Verhindern lässt sich das durch die Wahl eines ergonomisch günstigen Sitzes, der richtig eingestellt werden muss, durch Bewegungspausen und Stressreduktion. Worauf Fahrerinnen und Fahrer achten sollen, wird beim AUVA-Seminar „Sicher und gesund am Arbeitsplatz Pkw“ geübt.