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Arbeitspsychologie

Stress im Homeoffice?

Neue Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung eröffnen neue Chancen – aber auch neue Risiken. Um potenzielle Ressourcen möglichst gut zu nutzen und Risiken für Belastungen zu minimieren, sind in puncto Homeoffice einige Aspekte zu beachten.

Symbolbild Stress
pedrofigueras / pixabay

Eine der großen Stärken von Homeoffice und elektronischer Vernetzung hat sich in der Pandemie gezeigt: Es war in vielen Bereichen möglich, den Betrieb und Beschäftigungsverhältnisse aufrechtzuerhalten. Die damit erlebte Jobsicherheit stellt bereits eine starke Ressource für alle Betroffenen dar. Viele Personen finden Gefallen am Arbeiten im Homeoffice – nicht nur wegen des Wegfalls des täglichen Arbeitsweges und der damit verbundenen Ärgernisse über andere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Auch die flexibl(er)e Einteilung des Arbeitsalltags kommt vielen zugute. Und da es meist zu weniger Unterbrechungen durch Kolleginnen und Kollegen kommt, kann im Homeoffice viel konzentrierter und häufig auch produktiver als im Büro gearbeitet werden. Der Handlungsspielraum, sprich inhaltliche und zeitliche Flexibilität bei der Aufgabenbewältigung, gehört zu den wichtigsten Ressourcen der Arbeitsgestaltung, kann das Stresserleben senken und dazu führen, im Homeoffice Privat- und Berufsleben besser miteinander vereinbaren zu können. Damit die damit verbundene erhöhte Selbstorganisation nicht zur Überforderung führt, sollte man nachfolgenden Überlegungen Aufmerksamkeit schenken.

Homeoffice ist nicht für alle Tätigkeiten gleich gut geeignet

Vor der Einführung von Homeoffice sollte überlegt werden, welche Arbeitstätigkeiten überhaupt dafür geeignet sind. Im Allgemeinen zählen dazu Aufgaben, die hohe Konzentration erfordern, wenig Austausch mit anderen benötigen, und viel Gestaltungsspielraum bieten. Insofern ist Homeoffice in Pandemiezeiten eine Ausnahmeerscheinung, da es hier primär gilt, Kontakte und damit Ansteckungsrisiken zu verringern. In pandemiefreien Zeiten sollte das Augenmerk verstärkt darauf gerichtet werden, inwieweit die Art der durchzuführenden Tätigkeit zu den Rahmenbedingungen eines Homeoffice-Arbeitsplatzes passt.

Arbeit sollte nicht ausschließlich daheim stattfinden

Bei Personen, die etwa zwei bis drei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten, ist die Arbeitszufriedenheit hoch, der Kommunikations- und Informationsfluss ausreichend, und Gefühle sozialer Isolation bleiben weitgehend aus. Vier bis fünf Tage wöchentlich im Homeoffice verursachen deutlich mehr negative Folgen bis hin zum Gefühl sozialer Isolation.

Geeignete technische Ausstattung und Unterstützung

Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf technische Hilfsmittel zur Erledigung der Aufgaben und zur Kommunikation angewiesen sind, sollten diese Mittel in angemessener Funktionalität zur Verfügung stehen. Leider funktioniert die Technik nicht immer so, wie sie gerade soll, und nicht alle Anwenderinnen und Anwender sind erfahren (genug) im Umgang damit. Daher ist es wichtig, raschen und unkomplizierten Support aus der Ferne anzubieten, um produktive Arbeit und Teilnahme an Meetings zu ermöglichen und unnötigen Stress und Ärger bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu vermeiden.

Auf Arbeits- und Ruhezeiten achten!

Im Homeoffice werden, meist aufgrund von (zu) hoher Arbeitsintensität, deutlich mehr Arbeitsstunden geleistet als vor Ort im Unternehmen – auch in der unbezahlten Freizeit. Gerade bei für Homeoffice besonders gut geeigneter Wissensarbeit ist der tatsächliche Aufwand zur Zielerreichung oft nur schwer abschätzbar. Hier gilt: Vorsicht und Augenmaß bei der Vereinbarung von Arbeitszielen! Sollte es nicht gelingen, das Vereinbarte in der vorgesehenen Zeit fertigzustellen, ist eine Rücksprache mit Vorgesetzten unerlässlich! 

Abgesehen davon, dass Arbeitszeitaufzeichnungen ohnehin meist gesetzlich verpflichtend sind, helfen sie im Homeoffice auch der (eigenen) Kontrolle von Mehrstunden und der Einhaltung vorgeschriebener Ruhezeiten. Die Begrenzung von Tages- und Wochenarbeitszeit sowie das erforderliche Ausmaß von Ruhe- und Urlaubszeiten sind nämlich wichtig, um ein „Abschalten“ zu ermöglichen. Ein Nichteinhalten von Ruhezeiten kann längerfristig gesundheitsschädigende Auswirkungen haben, von Schlafstörungen bis zu einem schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand.

Pausen erhalten die Leistungsfähigkeit

Im Homeoffice wird leicht(er) auf Pausen vergessen. Dabei sind diese wichtig, um Konzentrations- und Leistungsfähigkeit zu erhalten und um Fehler zu vermeiden. Neben der Mittagpause sind Kurzpausen, je nach Tätigkeit alle ein bis zwei Stunden, wichtig für den Erhalt der Produktivität. Bei vorwiegender Bildschirmarbeit wäre es aber kontraproduktiv, in der Pause privat im Internet zu surfen. Werden in der Pause Haushaltstätigkeiten verrichtet, sollten diese nicht in belastende Arbeit ausarten.

Selbstorganisation ist notwendig

Teilweise ist die Mehrarbeit im Homeoffice darin begründet, dass man unbedingt beweisen möchte, zu Hause mindestens genauso leistungsfähig zu sein wie in der Arbeitsstätte. Ein anderer Grund kann sein, dass man aufgrund schlechter Selbstorganisation einiges an Zeit vertrödelt hat und diese wieder aufholen will. Techniken aus Zeitmanagement-Seminaren können hilfreich für die Selbstorganisation sein. Eine gute Strategie ist zum Beispiel, am Ende des Arbeitstages die To-do-Liste für den nächsten Tag anzulegen. Meist hat man parat, welche Punkte noch zur Erledigung offen sind, und muss sich nicht am nächsten Morgen wieder alles zusammensuchen. Das Erstellen der Liste ist ein gutes Signal dafür, dass die Arbeit für heute zu Ende ist – und ermöglicht am nächsten Morgen einen rascheren Start in den Arbeitstag.

Symbolbild Belastungen
Um potenzielle Ressourcen möglichst gut zu nutzen und Risiken für Belastungen zu minimieren, gilt es, im Homeoffice verschiedenen Aspekten Beachtung zu schenken. Serena Wong / pixabay

Klare Absprachen und Regeln

Mit dem Einzug neuer Technologien wurde es in vielen Bereichen üblich, auch außerhalb der offiziellen Arbeitszeiten telefonisch erreichbar zu sein oder E-Mails zu beantworten. Diese Tendenz wird durch mobile, frei einteilbare Arbeit noch verstärkt. Auch wenn diese Erreichbarkeit nicht explizit gefordert ist, entsteht oft das Gefühl, dass sie erwartet wird. Speziell dort, wo Vorgesetzte selbst E-Mails weit außerhalb der Arbeitszeiten verschicken, fühlen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft unter Druck, es ihnen gleich zu tun.

Klare Regeln und Vertrauen sind wichtig für das Arbeiten im Homeoffice

Susanne Mittermayr, Sylvia Ebner, Eva Blödorn

Was auf den ersten Blick nach hohem Arbeitsengagement und Kollegialität aussieht, ist insofern problematisch, als es die tatsächlich arbeitsfreie Zeit zum „Abschalten“ verkürzt. Klare Absprachen und Regeln mit Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten, klare Rahmenbedingungen bezüglich Erreichbarkeit und erwarteter Antwortzeit sind hier besonders wichtig. Manche Unternehmen unterbinden auch die Weiterleitung von E-Mails außerhalb der Arbeitszeit. Führungskräfte sollten selbst mit gutem Beispiel vorangehen und Arbeitszeiten einhalten. Ist das nicht möglich, sollten sie es explizit machen, dass sie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht dasselbe erwarten. Wenn hochkonzentriertes Arbeiten notwendig ist, man aber durch eingehende E-Mails leicht abgelenkt wird, kann man das Mailprogramm für diese Zeit auch schließen. Telefone lassen sich lautlos stellen, und auch via Skype gibt es die Möglichkeit zu signalisieren, ob man gerade verfügbar ist. Schlussendlich können Computer und Firmenhandys auch abgeschaltet werden. Im Sinne ungestörter Erholungsphasen ist das nach Arbeitsende ratsam, um gar nicht erst in Versuchung zu kommen, spätabends noch eingehende E-Mails zu lesen oder einen Anruf entgegenzunehmen.

Privatleben im Homeoffice: Klarheit und Rituale

Ein anderer Aspekt der Entgrenzung im Homeoffice kann sich zeigen, indem Privates den Arbeitsfluss unterbricht. Vor allem in der Pandemie kam es durch Homeschooling oft zu hohen Doppelbelastungen. Wenn einen Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde oder Nachbarinnen und Nachbarn bei der Arbeit unterbrechen, sollte man klar kommunizieren, dass zu gewissen (Arbeits-)Zeiten Störungen nicht willkommen sind. Auch hier helfen möglichst klare (Zeit-)Vereinbarungen. Optimalerweise ist der Homeoffice-Arbeitsplatz räumlich vom Wohnraum getrennt. Es sollte zumindest ein geeigneter, möglichst ruhiger Platz sein, der eventuell Rückzug und Abgrenzung ermöglicht. 

Ganz wichtig ist es, nach Arbeitsende die Unterlagen samt Laptop wegzupacken. Rituale, die Beginn und Ende der Arbeitszeit signalisieren, unterstützen zusätzlich die eigene Abgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben. Ungeeignete räumliche Ausstattung, Möblierung oder Beleuchtung und Lärm sind nicht nur ergonomische Probleme, sondern können sich in Form von Ärger, Frust und erhöhter Anstrengung auch psychisch negativ auswirken.

Kommunikation, Küchentratsch und „Skypuccino“

Auch wenn formale Meetings und Besprechungen recht gut über Zoom, Skype & Co. abgehalten werden können, kommt der informelle Austausch mit Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice meist zu kurz. Gerade dabei werden jedoch auch wichtige arbeitsbezogene Infos ausgetauscht, und die vermeintlichen „Plaudereien“ sind wesentlich für soziale Kontaktpflege und gute Zusammenarbeit. Ist ein großer Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumindest teilweise im Homeoffice, wird der persönliche Austausch an den Bürotagen umso wichtiger. Hier liegt es an den Führungskräften, diesen Austausch zu fördern und klar zu signalisieren, dass es in Ordnung ist, an Bürotagen vermehrt den Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen zu suchen! Ein weiteres Mittel wäre, Arbeitsaufträge zu vergeben, die eine Kooperation mehrerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfordern oder zumindest anregen – und die dafür notwendige Zeit zur Verfügung zu stellen. Denn (zu) hoher Arbeitsdruck hindert den informellen Austausch. Ebenso gibt es die Möglichkeit, sich Online-Termine zum informellen „Kaffeetrinken“ und Austausch zu vereinbaren. Grundsätzlich gilt: Kommunikation per Video ist besser als Telefon ist besser als E-Mail.

Präsentismus: Wer krank ist, ist krank! 

Präsentismus – also zu arbeiten, obwohl man krank ist – tritt im Homeoffice verstärkt auf. Man muss nicht aus dem Haus gehen, kann sich jederzeit hinlegen, Kolleginnen und Kollegen können sich nicht über Ansteckungsgefahr beschweren, Vorgesetzte sehen die laufende Nase nicht und werden einen nicht nach Hause schicken – da ist eine Erkrankung ja gar nicht so schlimm. Vielleicht hilft es, sich klarzumachen, dass „übertauchte“ Krankheiten dem allgemeinen Gesundheitszustand nicht zuträglich sind. Mittel- bis langfristig drohen bei einem geschwächten Immunsystem wesentlich häufigere und längere Ausfälle, als wenn man sich gleich auskuriert. Auch hier sind Führungskräfte stark gefordert, eine „Unkultur“ des Präsentismus nicht zu fördern.

Fazit 

Fast alle der genannten Bedingungen und Gestaltungsmodi für das Arbeiten im Homeoffice sind auch der Qualität „normaler“ Arbeit vor Ort im Büro zuträglich. Dysfunktionale oder beeinträchtigende Arbeitsmerkmale wirken sich jedoch im Homeoffice verstärkt negativ aus. Eine auf Wertschätzung und Vertrauen basierende Führung ist für die gute Gestaltung der Rahmenbedingungen im Homeoffice Voraussetzung. Die Kommunikation der Vorgesetzten sollte empathisch und offen sein und Interesse am Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter signalisieren. 

LITERATUR

  • Bentley, T. et al.: The role of organisational support in teleworker wellbeing: A sociotechnical systems approach. Applied Ergonomics, 2015.
  • Bonin, H. et al.: Verbreitung und Auswirkungen von mobiler Arbeit und Homeoffice. IZA Research Report No. 99. Oktober 2020.
  • IFES – Institut für empirische Sozialforschung GmbH: Zeit- und ortsungebundenes Arbeiten. Mai 2020.
  • Institut DGB-Index Gute Arbeit (Hrsg): Report 2020. Mehr als Homeoffice – Mobile Arbeit in Deutschland. 2020.
  • Lengen, J., et al.: Soziale Isolation im Homeoffice. Hinweise für die Gestaltung von Homeoffice in Hinblick auf soziale Bedürfnisse. Kompetenznetz Public Health COVID-19, 2020.
  • Mann, S.; Holdsworth, L.: The psychological impact of teleworking: stress, emotions and health. New Technology Work and Employment, October 2003.
  • Messenger, J.: Working anytime, anywhere: The evolution of telework and its effects on the world of work. IUSLabor 3/2017.
  • Mojtadahedzadeh, N. et al.: Gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung im Homeoffice im Kontext der COVID-19-Pandemie. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie, 2/2021.

Zusammenfassung

Die drei Arbeitspsychologinnen zeigen auf, welche Risiken beim Homeoffice zu beachten sind und geben Tipps, wie diese minimiert werden können.


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