Krebserzeugende Arbeitsstoffe
Schutz vor Quarzfeinstaub
Auf dem Forum Prävention wurden Praxislösungen für den als krebserzeugend eingestuften Quarzfeinstaub vorgestellt.
Quarz ist nicht nur das zweithäufigste Material der Erdkruste, sondern auch unverzichtbarer Bestandteil zahlreicher Baustoffe. Gleichzeitig birgt alveolengängiger Quarzfeinstaub aber ein hohes Gefahrenpotenzial, da er Silikose und in der Folge Lungenkrebs verursachen kann.
Dementsprechend schwierig war es, eine praxistaugliche Lösung für den Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz zu finden. Nach einem langen Diskussionsprozess wurde die 2017 erlassene EU-Richtlinie 2017/2398, die Quarzfeinstaub als krebserzeugend einstuft, im Herbst 2020 in Österreich in nationales Recht umgesetzt. Aus diesem Anlass erarbeitete die AUVA das neue Merkblatt M.plus 340.12 „Quarzstaub als krebserzeugender Arbeitsstoff“, das am Forum Prävention 2021 vorgestellt wurde und unter www.auva.at/merkblaetter bestellbar ist. Es behandelt die gesetzlichen Vorgaben, die zum Teil von jenen für andere krebserzeugende Arbeitsstoffe abweichen, beschreibt Schutzmaßnahmen und erläutert anhand von Beispielen, wie man bei einzelnen Tätigkeiten die Belastung durch Quarzfeinstaub reduzieren kann. Die bisherige Praxis auf Baustellen zeigt laut DI Peter Neuhold vom Zentral-Arbeitsinspektorat, Leiter der Abteilung Bau- und Bergwesen, dass nicht nur Bedarf an konkreten Lösungen besteht, sondern es oft auch an Risikobewusstsein mangelt: „Wenn wir von der Arbeitsinspektion auf eine Baustelle kommen und dort staubt es, brauchen wir nicht mehr darüber diskutieren, ob die Grenzwerte eingehalten werden oder nicht. Dann sind Maßnahmen erforderlich.“
Unsichtbare Gefahr
Das Argument, dass man den gefährlichen alveolengängigen Staub mit freiem Auge ja nicht sehen könne, ließ Neuhold nicht gelten. Er zitierte den Leitsatz des deutschen Feinstaub-Experten Dr. Reinhold Rühl, auf dessen Messungen mehrere Branchenlösungen in Deutschland beruhen, z. B. für Straßenbau, Tiefbau und Gleisbau: „Viel sichtbarer Staub, viel alveolengängiger Staub. Wenig sichtbarer Staub, wenig alveolengängiger Staub.“
Viel sichtbarer Staub, viel alveolengängiger Staub. Wenig sichtbarer Staub, wenig alveolengängiger Staub.
Wann es zu viel ist, wurde mit der Einstufung von Quarzfeinstaub als krebserzeugend festgelegt. „Man hat mit der Novelle keinen neuen Grenzwert für Quarzfeinstaub geschaffen, sondern den bestehenden Grenzwert von 0,15 mg/m³ auf 0,05 mg/m³ maximale Arbeitsplatzkonzentration stark gesenkt. Dabei handelt es sich um einen MAK-Wert als Tagesmittelwert mit einem Bezugszeitraum von acht Stunden“, erläuterte DI Robert Rosenberger von der Bundesinnung Bau und vom Fachverband der Bauindustrie der Wirtschaftskammer Österreich.
Für Baustellen und andere betroffene Arbeitsstätten gelten nun strengere Regeln als bisher – laut Neuhold eine Herausforderung, die sich aber durch technische Maßnahmen meistern lässt. Er fasste die wesentlichen Neuerungen zusammen: „Die wichtigsten gesetzlichen Vorgaben aufgrund der Kanzerogenität sind die Substitution, Messungen, Eignungs- und Folgeuntersuchungen, das Führen eines Arbeitnehmerverzeichnisses, das an den zuständigen Unfallversicherungsträger zu übermitteln ist, und gegebenenfalls die Meldung von Arbeiten mit krebserzeugenden Stoffen.“
Gesetzliche Vorgaben
Mit quarzhaltigen Materialien, aus denen Quarzfeinstaub entstehen kann, wird im Baugewerbe und in anderen Berufssparten wie Bergbau, Gießereien, Steinmetzbetriebe, Glaserzeugung, keramische Industrie, Zahntechnik und Gartenbau schon lange gearbeitet. Es handelt sich daher nicht um eine beabsichtigte erstmalige Verwendung, was auch auf neu gegründete Unternehmen in diesen Branchen zutrifft. Eine Meldung an das zuständige Arbeitsinspektorat ist daher nur für jene Betriebe erforderlich, bei denen nicht aufgrund der Wirtschaftsklasse vermutet werden kann, dass eine Exposition gegenüber Quarzfeinstaub besteht.
Für gefährliche Arbeitsstoffe gilt das Substitutionsgebot. Das bedeutet, dass Bauprodukte, Zuschlagstoffe oder andere Erzeugnisse, die keinen oder nur einen geringen Anteil an Quarzfeinstaub enthalten, zu bevorzugen sind. Arbeitsverfahren, bei denen Quarzfeinstaub entsteht, müssen durch Verfahren ersetzt werden, mit denen sich die Emission von Quarzfeinstaub vermeiden oder vermindern lässt, wenn damit ein gleichwertiges Arbeitsergebnis erzielt werden kann.
Die Einhaltung des Grenzwerts von 0,05 mg/m³ MAK ist mit Grenzwertvergleichsmessungen nachzuweisen. Neuhold wies auf eine Ausnahme von dieser Verpflichtung hin: „Man muss keine Grenzwertvergleichsmessungen vornehmen, wenn es vergleichbare Arbeitsplätze gibt, für die eine Bewertung nach dem Stand der Technik mit Messergebnissen vorliegt.“ Bewertete Tätigkeiten und Arbeitsverfahren wurden in den Branchenlösungen zusammengefasst. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit Stoffen hantieren, die krebserzeugend, erbgutverändernd oder reproduktionstoxisch sind, sind laut der Verordnung über die Gesundheitsüberwachung am Arbeitsplatz (VGÜ) Eignungs- und Folgeuntersuchungen vorgeschrieben. Entspricht das durchschnittliche tägliche Expositionsausmaß maximal der Hälfte des MAK-Werts, sind keine Untersuchungen nötig. „Neu eingeführt wurde § 3, Abs. 3a VGÖ: Obwohl Quarzfeinstaub eindeutig krebserzeugend ist, kann die Ein-Stunden-Regel angewandt werden“, so Neuhold. Das bedeutet, dass bei einer durchschnittlichen Exposition von weniger als einer Stunde pro Tag die Untersuchungspflicht entfällt. Bezüglich der Verpflichtung zum Führen eines Verzeichnisses der exponierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 47 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz gilt für das Baugewerbe eine Sonderregelung. Aufgrund der gängigen Praxis, dass die Beschäftigten saisonbedingt bzw. auftragsbedingt gekündigt und danach wieder angemeldet werden, soll die Übermittlung des Verzeichnisses an die Unfallversicherungsträger nicht bei einer Unterbrechung der Anstellung erfolgen, sondern erst, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer endgültig aus dem Betrieb ausscheidet, z. B. durch Pensionierung, oder Wechsel zu einem anderen Unternehmen.
Substitution
Wie bei allen gefährlichen Arbeitsstoffen ist auch bei Quarzfeinstaub nach der STOP-Rangfolge – Substitution vor technischen, organisatorischen und zuletzt persönlichen Schutzmaßnahmen – vorzugehen. Ing. Manfred Frühwirth von der Abteilung 1 Bau- und Bergwesen des Zentral-Arbeitsinspektorats erklärte, dass man das quarzhaltige Material zwar meist nicht ersetzen, aber auf staubarme Arbeitsverfahren umstellen könne, und nannte ein Beispiel: „Bei Spritzbetonarbeiten sollte man das Nass-Spritzverfahren wählen, weil man beim Trockenspritzen eine extreme Staubentwicklung hat.“
Ein anderes Beispiel zur Staubreduktion führte DI Dr. Reinhold Both, Geschäftsführer der deutschen CFT GmbH Compact Filter Technic, an: „Eine Bedüsung mit Wasser ist in der Lage, 40 bis 50 Prozent der vorhandenen Stäube unter 4 µm zu binden. Bei Quarzfeinstaub sind die Partikel oft zu leicht, sie werden über die Oberflächenspannung weggeschoben. Man verbessert das durch den Einsatz von Additiven, die die Oberflächenspannung verringern, auf eine Effizienz von 50 bis 60 Prozent.“
Technische Maßnahmen
Weitere Firmenvertreter, die ihre praktischen Lösungen beim Forum Prävention präsentierten, gingen vor allem auf technische Schutzmaßnahmen ein. Maria Baumgarten, Technical Training Specialist der Hilti Austria GmbH, plädierte für eine integrierte Staubabsaugung, da diese keinen zusätzlichen Aufwand mit sich bringt. Alexander Steiner von der DeWalt Stanley Black & Decker Austria GmbH nannte als Option für Baustellen, auf denen noch kein Strom zur Verfügung steht, die Verwendung von Akku-Staubsaugern.
Die von den Bauverbänden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsinspektion ausgearbeitete Branchenlösung für die praxisgerechte Handhabung von Quarzfeinstaub auf Baustellen soll den Einsatz staubfreier bzw. -armer Verfahren fördern. „Kern der Branchenlösung ist eine Best-Practice-Liste mit roten und grünen Spalten. In den roten Spalten stehen schlechte, in den grünen Spalten gute Praktiken“, erläuterte Rosenberger. Wenn man die guten Praktiken einhält, kann man davon ausgehen, dass die Quarzfeinstaub-Grenzwerte unterschritten sind. Die Branchenlösung soll eine „lebende Liste“ sein, die bei Überarbeitung der Baumappe durch zwischenzeitlich durchgeführte Messungen ergänzt wird.
Organisatorische Maßnahmen und PSA
Frühwirth sprach das Problem an, dass sich der beim Arbeiten entstehende Staub auf der Baustelle ausbreitet. Damit möglichst wenige Personen der Staubbelastung ausgesetzt sind, müssen nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz Maßnahmen getroffen werden, um Staub produzierende von anderen Tätigkeiten zu trennen. „Nur mit einer entsprechenden Koordination zwischen den einzelnen Arbeiten kann gewährleistet werden, dass keine gegenseitigen Gefährdungen vorliegen“, so Frühwirth. In der Praxis passiere es leider oft, dass nachträglich gebohrt oder etwas herausgestemmt werden müsse, weil man im Vorfeld nicht gut genug geplant oder weil es Veränderungen gegeben habe. Bereiche, in denen es zu einer starken Staubentwicklung kommt, sind abzuschotten. Bei Arbeiten in Innenräumen muss gut durchlüftet werden. Um ein Aufwirbeln des Staubs zu vermeiden, sollte man für die Reinigung nasse Verfahren bevorzugen. Wie bei allen krebserzeugenden Arbeitsstoffen kommt der Arbeitshygiene eine besondere Bedeutung zu; so sind Essen, Trinken und Rauchen im Arbeitsbereich verboten. Regelmäßige Schulung und Unterweisung der Mitarbeiter soll dafür sorgen, dass die Schutzmaßnahmen auch eingehalten werden.
Sind alle technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Minimierung der Staubbelastung ausgeschöpft und liegt trotzdem eine Grenzwertüberschreitung vor, so ist persönliche Schutzausrüstung zu verwenden. Durch die Neueinstufung von Quarzfeinstaub gelten auch in Bezug auf die PSA strengere Vorgaben, etwa das Tragen von Atemschutz, wenn der MAK-Wert nicht eingehalten werden kann. Bei Filtermasken sollte man Modelle mit Ausatemventil wählen. Ist eine lange Tragedauer erforderlich, empfiehlt sich die Verwendung eines gebläseunterstützten Atemschutzes.
Bestellung kostenfrei unter www.auva.at/merkblaetter
Praxisbeispiele
Eine bessere Lösung ist jedenfalls die Vermeidung oder zumindest Minimierung von Quarzfeinstaub. Konkrete Vorschläge zu Tätigkeiten mit besonders hoher Staubbelastung bietet das Merkblatt „Quarzstaub als krebserzeugender Arbeitsstoff“:
Für Abbrucharbeiten in Innenräumen sollte man nur abgesaugte handgeführte Geräte verwenden. Sinnvoll ist zusätzlich der Einsatz eines Bauentstaubers, bei länger andauernden Arbeiten oder beim Anfall größerer Staubmengen in kurzer Zeit in Kombination mit einem Vorabscheider. Für die Reinigung eignen sich Nassreinigungsverfahren oder Staubsauger mit Zyklonvorabscheider. Bei Steinmetzarbeiten ist ebenfalls die Verwendung abgesaugter Handmaschinen oberstes Gebot. Empfohlen wird auch, das Material nass zu halten und den Entstauber bereits bei halber Füllhöhe zu leeren oder alternativ eine Absaugung über den Vorabscheider anzuwenden. Als optimal hat sich der Einsatz einer Steinmetzkabine mit vertikaler bzw. schräger Durchlüftung erwiesen. Beim Fräsen von Asphalt ohne Absaugung und Wasserberieselung wird der Grenzwert für Quarzfeinstaub deutlich überschritten. Abhilfe schaffen lässt sich durch Verwendung einer Großfräse mit Staubabsaugung. Eine zufriedenstellende Lösung kann allerdings erst durch Zusatzmaßnahmen wie Nassbetrieb oder Beschränkung der Einsatzzeiten erzielt werden. Im Merkblatt heißt es dazu: „Wie man beim Einsatz von Großfräsen sieht, müssen meistens mehrere Maßnahmen gesetzt werden.“
Zusammenfassung
Im Herbst 2020 wurde die EU-Richtlinie, die Quarzfeinstaub als krebserzeugend einstuft, in nationales Recht umgesetzt. Dadurch ergeben sich für die Arbeit auf Baustellen mehrere Änderungen. Welche Maßnahmen man ergreifen kann, um den auf 0,05 mg/m³ herabgesetzten MAK-Wert einzuhalten, ist im neuen Merkblatt M.plus 340.12 der AUVA nachzulesen. Auch auf dem Forum Prävention der AUVA, das coronabedingt online abgehalten wurde, widmete man sich dem Thema Quarzfeinstaub.