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Industrie 4.0

Drohnen erschließen neue Anwendungsgebiete

Informationen zu Anwendungsbereichen von Drohnen, Sicherheitsmaßnahmen und rechtliche Rahmenbedingungen waren Inhalt der Online-Konferenz zum Abschluss der Webinar-Reihe „Industrie 4.0“.

Adobe Stock

Das Interesse am Einsatz von Drohnen ist groß, wie eine Umfrage unter deutschen Unternehmen zeigt. Allerdings fehlen oft Informationen über konkrete Anwendungen und rechtliche Rahmenbedingungen. Mit der am 31. Dezember 2020 in Kraft getretenen Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission (EU) 2019/947 über die Vorschriften und Verfahren für den Betrieb unbemannter Luftfahrzeuge wird das Fliegen mit Drohnen in der EU einheitlich geregelt und vereinfacht. Die Zahl der registrierten Drohnen steigt seither auch in Österreich deutlich an.

Welche Möglichkeiten Drohnen bieten und welche Sicherheitsmaßnahmen und Rechtsvorschriften bei ihrem Betrieb zu beachten sind, war Thema der Konferenz „Drohnen und deren Einsatz in der Arbeitswelt“. Diese bildete den Abschluss der von DI Viktorijo Malisa, fachkundiges Organ Industrie 4.0 in der AUVA-Hauptstelle, geleiteten Webinar-Reihe „Industrie 4.0 – Sicherheitsspezifische Zuordnung neuer Technologien“. Die Konferenz wurde von den Unfallversicherungsträgern AUVA, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV) und Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) veranstaltet und fand am 30. Juni 2021 online statt.

Einen Überblick über die rechtlichen Vorschriften gaben Mag. Nina Dorfmayr, Abteilungsleiterin des Drone Competence Centers (DCC) der Austro Control GmbH, und DI Carsten Konzock vom deutschen Luftfahrt-Bundesamt (LBA). Im Vordergrund stand dabei die seit Inkrafttreten der EU-Verordnung geltende Einteilung in die drei Kategorien „Open“, „Specific“ und „Certified“. Diese orientieren sich an dem von der Drohne ausgehenden Risiko und stellen dementsprechend unterschiedliche Anforderungen an Betreiberinnen und Betreiber sowie an Drohnenpilotinnen und -piloten.

Drei Kategorien

In die Kategorie „Open“, die für ein geringes Risiko steht, fallen Drohnen mit einem Gewicht von weniger als 25 kg. Die maximale Flughöhe beträgt 120 m. Zusätzlich ist ein ununterbrochener Sichtkontakt zur Drohne ohne technische Hilfsmittel vorgeschrieben, was Konzock folgendermaßen erläutert: „Die bzw. der Steuernde muss die Lage des Luftfahrzeugs sicher erkennen können, nicht nur einen schwarzen Punkt am Himmel.“ Werden diese Bedingungen eingehalten, ist zwar eine Registrierung der Betreiberin bzw. des Betreibers der Drohne, aber keine Bewilligung des Flugs durch Austro Control erforderlich.

Die Zahl der registrierten Drohnen steigt auch in Österreich deutlich an.

Rosemarie Pexa

Die offene Kategorie wird in die drei Unterkategorien A1, A2 und A3 gegliedert. Diese unterscheiden sich nach dem maximalen Gewicht der Drohne und dem Abstand von unbeteiligten – also nicht eingewiesenen – Personen. „Wenn die Bauarbeiterinnen oder Bauarbeiter vor einem Vermessungsflug über einer Baustelle eingewiesen worden sind, gelten sie nicht als unbeteiligte Personen“, nennt Konzock ein Beispiel aus der Praxis. 

Von der Pilotin bzw. dem Piloten wird je nach Unterkategorie verlangt, sich mit dem Benutzerhandbuch vertraut zu machen, einen Online-Kurs samt Test zu absolvieren oder zusätzlich Flugpraxis nachzuweisen und eine Theorie-Prüfung bei Austro Control abzulegen.

In die Kategorie „Specific“ fallen Flüge außerhalb der Sichtweite, Flüge mit Drohnen über 25 kg bzw. mit Drohnen über 4 kg in besiedeltem Gebiet. Voraussetzung ist eine Risikobewertung, das Specific Operation Risk Assessment (SORA). Bei häufigen Anwendungen, für die bereits Standard-Szenarien ausgearbeitet worden sind, benötigt man keine spezielle Risikobewertung. Weitere Bedingungen, die für die Kategorie „Specific“ erfüllt werden müssen, sind die Erstellung eines Betriebshandbuchs und eines Concept of Operations (CONOPS). 

Die Bestimmungen für die Kategorie „Certified“ befinden sich noch in Ausarbeitung und sollen bis 2024 vorliegen. Diese Kategorie ist Drohneneinsätzen vorbehalten, bei denen das Risiko dem bei bemannter Luftfahrt vergleichbar ist, z. B. der Transport von Personen oder Gefahrgut und Flüge über Menschenansammlungen mit Drohnen von mehr als drei Metern Größe.

Zusätzlich zu den durch die Kategorien geregelten Beschränkungen müssen Drohnenpilotinnen und -piloten auch auf Kontrollzonen und Flugbeschränkungsgebiete achten, auf die sogenannten geografischen Zonen. „In den österreichischen Luftverkehrsregeln wird festgelegt, für welche Gebiete eine gesonderte Bewilligung bzw. Freigabe erforderlich ist. Dazu zählen z. B. die Flugbeschränkungsgebiete Wien, Neusiedler See und Rheindelta sowie militärische Lufträume. Für Kontrollzonen rund um Flughäfen braucht man eine Freigabe durch die Flugsicherung“, erklärt Dorfmayr. Die Geo-Zonen sind auf einer von Austro Control zur Verfügung gestellten Karte (https://map.dronespace.at) und mit der App „Drone Space“ ersichtlich.

Risiken durch Drohnen

Ernst Brust, Geschäftsführer der von ihm gegründeten velotech.de GmbH, Dienstleistungszentrum für Produktsicherheit in Schweinfurt, Bayern, wies darauf hin, wie häufig Flugbeschränkungen im Bereich von Flughäfen missachtet werden: „Die deutsche Flugsicherung hat im Jahr 2019 125 Behinderungen von Flugzeugen festgestellt, 2020 waren es 92. Vor allem bei Start und Landung werden Flugzeuge von Drohnen beschädigt.“ Unfälle sind auch möglich, wenn der erforderliche Abstand zu Autobahnen nicht eingehalten wird und eine Drohne die Windschutzscheibe eines Autos durchschlägt.

Kommt ein Mensch mit den Rotorblättern einer Drohne ohne Propellerschutz in Kontakt, können tiefe Schnittverletzungen die Folge sein. In den USA verlor ein Kleinkind dadurch sogar ein Auge, so Brust, der anhand einer von Experten erstellten Liste auf Gefährdungen durch Drohnen hinwies. Bei der Prüfung einer Race-Drohne im Jahr 2016 erlebte ein Mitarbeiter von velotech.de hautnah mit, wie der Akku explodierte und die Prüfmaschine in Brand setzte.

Dr. Wolfgang Uslar vom Fachbereich Handel und Logistik der DGUV, stellvertretender Präventionsleiter der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW), sprach ebenfalls von Drohnen ausgehende Risiken an. Neben dem Absturz einer Drohne, eines Drohnenteils oder des Transportguts können durch Störeinflüsse wie elektromagnetische Strahlung oder WLAN unkontrollierte Bewegungen der Drohne ausgelöst werden. Dadurch besteht bei nicht gekapselten Rotoren die Gefahr von Schnittverletzungen. Nur in Innenräumen betriebene Drohnen unterliegen nicht den Luftfahrtgesetzen, sondern der Maschinenrichtlinie. Das trifft z. B. auf den Einsatz von Drohnen in der Indoor-Logistik zu. In diesem Bereich eignen sich Drohnen insbesondere für Inventurarbeiten und den schnellen, flexiblen Transport von Gegenständen mit geringem Gewicht, etwa von Werkzeugen, leichten Serienbauteilen, Ersatzteilen oder Produktproben.

„Die klassische Lösung ist die Trennung von Mensch und gefährlichem Gut“, nannte Uslar eine wesentliche Schutzmaßnahme. Zu diesem Zweck können Flugkorridore definiert werden, die nicht betreten werden dürfen. Eine weitere Möglichkeit ist das Spannen von Netzen. Wo eine derartige Trennung nicht möglich ist, muss das Personal als persönliche Schutzausrüstung Helm und Schutzbrille tragen. Um Fehlfunktionen bis zum Akku-Brand zu verhindern, sollte man die Wartungsintervalle genau einhalten. Das Bedienpersonal der Drohnen muss entsprechend qualifiziert sein.

Drohnenlogistik

Will ein Unternehmen Drohnen verwenden, verfügt aber nicht über ausgebildetes Personal, kann auch auf externe Anbieter zurückgegriffen werden – etwa auf die Wiener D-ARIA GmbH. Der Fokus des 2015 gegründeten Start-up-Unternehmens lag von Anfang an auf dem Thema Sicherheit, wie CEO DI Maximilian Mrstik betonte: „Wir wollen Logistik-Exzellenz mit Arbeitssicherheit verbinden. Es gibt immer noch zu viele Unfälle im Logistiklager, die in Zusammenhang mit der Höhe stehen. Eine Drohne ist sicherer als ein Mensch im Personenkorb.“

D-ARIA setzt autonom fliegende Drohnen mit kamerabasierter Indoor-Navigation ein, die Auswertung des Bildmaterials erfolgt mithilfe von künstlicher Intelligenz. „Wir können für jeden einzelnen Stellplatz die Daten extrahieren: Ist da eine Palette? Wie viele Produkte sind auf der Palette? Welches Label und welcher Barcode sind auf den Produkten angebracht? Wir können gedruckte Texte erkennen, aber auch Texte, die ein Mensch geschrieben hat“, erklärte Raphael Maenle, Ingenieur bei D-ARIA. Beschädigte Verpackungen lassen sich ebenfalls identifizieren. Die Kundin bzw. der Kunde erhält binnen 24 Stunden einen digitalen Zwilling des Lagers, der in einem Online-User-Interface dreidimensional dargestellt wird. Auf einer Pop-up-Fehleranzeige ist klar ersichtlich, welche Stellplätze von einer Fehleinlagerung betroffen sind und um welche Fehler es sich handelt. Da Aufnahme und Analyse wenig Zeit benötigen, muss man sich nicht auf eine Inventur pro Jahr beschränken, sondern kann z. B. einmal monatlich einen digitalen Zwilling des Lagers schaffen. Diese Aktualität erlaubt es, die Sicherheitsbestände zu reduzieren.

Fabriken und Baustellen

Mit dem Forschungsprojekt „Autodrohne in der Produktion“ bietet das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) ein Good-Practice-Beispiel für den Einsatz von Drohnen zur Umgebungserfassung bei der Erneuerung, Erweiterung oder Neuplanung einer Fabrik. „Mit einer Drohne lässt sich eine mittelgroße Fabrik in 20 bis 40 Minuten erfassen, auf herkömmliche Weise kann das eine Woche dauern. Auch der Personalaufwand ist wesentlich geringer“, so Ing. Andreas Seel, MSc, Projektingenieur bei IPH. Die Kosten für die Fabrikplanung, die bis zu 50 Prozent auf die Umgebungserfassung zurückzuführen sind, lassen sich deutlich reduzieren. Gegenüber flurgebundenen Robotern punkten Drohnen mit einer vollständigeren Erfassung der Umgebung.

Auch bei der Vermessung von Baustellen liefern Drohnen bessere Ergebnisse. Bei der STRABAG AG nutzt man mit GPS und Kamera ausgestattete Drohnen für die Photogrammetrie, ein Verfahren, bei dem aus der Abfolge von Bildern aus unterschiedlichen Perspektiven 3-D-Modelle erstellt werden. Vor dem Flug bringt man für eine hohe Genauigkeit Pass- und Kontrollpunkte aus, die die Drohne abfliegt. Eine spezielle Software entfernt sich bewegende Personen und Fahrzeuge aus den Aufnahmen, Steine und Bewuchs werden manuell gefiltert und die Aufnahmen zu einem Geländemodell reduziert.

In der Bauindustrie gibt es unterschiedliche Anwendungsbereiche für Drohnen. So lässt sich etwa bei einem Steinbruch der Abbaufortschritt dokumentieren. Für Stabilisierungs- und Sicherungsmaßnahmen können kritische Neigungsgrenzen festgelegt werden. Die Inspektion von Bauwerken wie Brücken ist ohne Verkehrsbehinderung möglich, Aufnahmen von der Unterseite einer Brücke erfordern allerdings eine Drohne mit nach oben schwenkbarer Kamera. Inventurflüge bei Materiallagern bieten einen Überblick über Materialtyp, vorrätiges Volumen und Geldwert des Materials.

DI Peter Michael Haberfellner von der Stabsstelle für Digitalisierung der STRABAG AG wies auf die sicherheitstechnischen Vorteile der Vermessung mit Drohnen gegenüber konventionellen Methoden hin: „Fahrbahnen oder steile und unzugängliche Bereiche können aus einer sicheren Distanz aufgenommen werden. In Steinbrüchen und sonstigen Abbaugebieten müssen wir nicht mehr an die Abbruchkante herantreten.“ Als konkretes Beispiel nannte er einen Felssturz im Baustellenbereich. Der zuständige Geologe konnte anhand der von einer Drohne gelieferten Live-Bilder die Situation beurteilen und eine Gefahreneinschätzung abgeben.

Drohnen als Zukunftsthema

Unternehmen wie die STRABAG spielen beim Einsatz von Drohnen eine Vorreiterrolle. „Drohnenanwendungen sind noch nicht so etabliert, sie werden als Zukunftsthema verstanden“, stellte DI Sascha Schmel, Geschäftsführer des Fachverbands Fördertechnik und Intralogistik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Industrial Drone Solutions, fest. Damit fasste er die Ergebnisse der „Drone Readyness Analyse“, einer Befragung deutscher Unternehmen unterschiedlicher Branchen, zusammen.

66 Prozent der Befragten gaben an, aktuell keinen Einsatz von Drohnen im eigenen Unternehmen zu planen, allerdings bekundeten 71 Prozent ihr Interesse an Drohnentechnologie. Ein Potenzial wird vor allem im Bereich der Inspektion gesehen, gefolgt von allgemeiner Informationserfassung, automatisierter Durchführung von Inventurprozessen und Überwachung von Firmengeländen bzw. Infrastruktur. Unter den erwarteten Effekten liegt Kostenreduktion an erster Stelle, aber auch Substitution von manuellen Prozessen, Informationsgewinn und Erlangen eines Technologievorsprungs wurden genannt.

Die Antworten auf die Frage, was das Unternehmen daran hindert, Drohnen einzusetzen, zeigen, dass es vor allem an Informationen mangelt. Beklagt wurden hauptsächlich zu wenig etablierte Anwendungsfelder und Best-Practice-Beispiele sowie ein nicht ersichtlicher wirtschaftlicher Vorteil. Die rechtliche Lage schätzten die Befragten als unklar ein, Wissen über Drohnentechnologie fehlt. Schmels Schlussfolgerung aus den Befragungsergebnissen, die auch für österreichische Unternehmen gelten dürfte: „Da ist Aufklärungsarbeit zu leisten.“

Zusammenfassung

Zum Abschluss der Webinar-Reihe „Industrie 4.0“ der AUVA fand eine Online-Konferenz über den Einsatz von Drohnen in der Arbeitswelt statt. Themen waren Anwendungen, Schutzmaßnahmen und die aufgrund einer EU-Verordnung geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen. Best-Practice-Beispiele unterschiedlicher Branchen zeigten auf, wo Drohnentechnologie bereits erfolgreich angewendet wird.


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