Strahlenschutz
Das neue Strahlenschutzgesetz 2020
Nach 51 Jahren ist es nun so weit. Mit 1. August 2020 ist ein neues, überarbeitetes Strahlenschutzgesetz in Kraft getreten, das StrSchG 2020, und mit ihm eine Reihe geänderter und zusammengefasster Verordnungen. Eine gänzlich neue Verordnung, die Radonschutzverordnung, steht (zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels) noch aus. Was bleibt, was ändert sich? Welche Auswirkungen ergeben sich beim Umgang mit Strahlenquellen?
Mit 1. August 2020 ist ein neues, überarbeitetes Strahlenschutzgesetz samt neuer Verordnungen in Kraft getreten. Neu bzw. anders geregelt werden:
- Tätigkeiten mit einer Exposition zwecks nicht-medizinischer Bildgebung
- Verbraucherprodukte, die radioaktive Stoffe enthalten
- Tätigkeiten mit natürlich vorkommenden radioaktiven Materialien (NORM)
- Expositionen aufgrund kontaminierter Waren und radioaktiver Altlasten
- Schutz vor Radon
Welche Verordnung regelt was?
Die Struktur an Verordnungen zum StrSchG wurde vereinfacht. Die AllgStrSchV 2020 regelt weite Bereiche des Strahlenschutzes im Detail einschließlich natürlicher Strahlenquellen (bisher NatStrV) sowie den Strahlenschutz des fliegenden Personals (bisher FlP-StrSchV). Geblieben ist, in eine Neufassung gegossen, die Interventionsverordnung (IntV 2020). Die bisherige Strahlenschutzpass-Gebührenverordnung entfällt zur Gänze. Die medizinische Strahlenschutzverordnung (MedStrSchV) wurde schon 2018 umfassend novelliert. Hier wurden aktuell nur kleinere Anpassungen vorgenommen. Die Radioaktive-Abfälle-Verbringungsverordnung aus 2009 wurde novelliert und bleibt eine eigenständige Verordnung. Neu geregelt wird der Schutz vor natürlich auftretendem Radon. Dafür ist eine eigene Verordnung vorgesehen, die Radonschutzverordnung (RnV). Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels ist diese noch nicht in Kraft.
Expositionssituationen
Man unterscheidet rechtlich drei Arten von Situationen der Exposition:
- Bestehende Expositionssituation
- Geplante Expositionssituation
- Notfallexposition
Eine bestehende Expositionssituation ist schon vorhanden, soll aber in Hinkunft einer behördlichen Kontrolle unterworfen werden. Typischerweise sind das u. a. Expositionen durch Radon oder Expositionen durch natürlich vorkommende radioaktive Materialien beispielsweise bei deren Ableitung.
Eine geplante Expositionssituation kann tatsächlich oder nur potenziell existieren, d. h. Bedienungsfehler oder Versagen technischer Ausrüstung sind miteingeschlossen. Zu den geplanten Expositionssituationen zählen:
- alle Tätigkeiten und Arbeiten im Sinne dieses Gesetzes
- eine berufliche Exposition durch kosmische Strahlung (fliegendes Personal)
- eine Radonexposition am Arbeitsplatz, wenn eine effektive Dosis von mehr als 6 mSv pro Jahr für eine Arbeitskraft erwartbar ist
- und in seltenen Fällen bestehende Expositionssituationen durch kontaminierte Waren und Altlasten mit einem rechtlich Verantwortlichen
Die beiden letzten Punkte sind neu hinzugekommen und den Dosisgrenzwerten unterworfen.
Tätigkeit
Als neuer, zentraler Begriff im Strahlenschutz wird die Tätigkeit eingeführt. Sie ersetzt bisherige Definitionen wie den Umgang oder das Arbeiten mit Strahlenquellen. Eine Tätigkeit bewirkt eine Exposition gegenüber ionisierender Strahlung aus einer geplanten Expositionssituation heraus. Somit fallen Handlungen bei Notfallsituationen oder bei bestehenden Expositionssituationen nicht unter den Tätigkeitsbegriff im Sinne des Gesetzes. Mit dem Begriff der Tätigkeit verbindet sich zwingend die Rechtfertigung einer Exposition.
Dosisgrenzwerte
Die Dosisgrenzwerte gelten mit Ausnahme der Augenlinsendosis wie bisher. Im Falle der Augenlinsen wurde aufgrund von Studien [ICRP-118, ICRP-103, BSS, AUVA-R75] der Grenzwert gesenkt. Es gilt ein Wert von 100 mSv in einem Fünfjahreszeitraum, d. h. im Mittel 20 mSv pro Jahr, bei einem gleichzeitigen Maximum von 50 mSv je einzelnem Jahr, bei strahlenexponierten Arbeitskräften zwischen 16 und 18 Jahren 15 mSv pro Jahr.
Die Strahlenschutzbeauftragten
Das Konzept der Strahlenschutzbeauftragten bleibt vom Aufbau her ident. Die Ausbildung hat gemäß den Modulen in Anlage 18 des AllgStrSchV 2020 zu erfolgen (Schema auf Seite 43 unten). Generelle Voraussetzungen für Strahlenschutzbeauftragte sind entweder eine naturwissenschaftliche oder technische Ausbildung an einer Universität, Fachhochschule oder BHS oder eine Universitätsausbildung in der Human-, Zahn- oder Veterinärmedizin oder eine Ausbildung gemäß dem MTD-Gesetz. Es gibt auch, wie bisher schon, Lockerungen bezüglich der Grunderfordernisse, wenn ausschließlich spezifische Tätigkeiten ausgeführt werden.
Der oder die Strahlenschutzbeauftragte muss der Behörde genannt werden. Der bisher verwendete Begriff „weitere mit dem Strahlenschutz beauftragte Personen“ entfällt. Stattdessen gibt es jetzt weitere Strahlenschutzbeauftragte, die der Behörde nicht genannt sind. Sie brauchen nur die Strahlenschutzausbildung gemäß Anlage 18, Abschnitt C und erforderliche Fachkenntnis vorzuweisen.
Strahlenexponierte Arbeitskraft
Die bisher als „beruflich strahlenexponierte Personen“ (Kategorie A oder B) bezeichnete Gruppe wird fortan schlicht strahlenexponierte Arbeitskräfte genannt. Dies umfasst jedenfalls Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, selbständig tätige Personen, Auszubildende und Studierende sowie Rekruten.
Davon erfasst sind auch externe Arbeitskräfte, die nicht von Bewilligungsinhabern beschäftigt, aber in deren Überwachungs- und Kontrollbereichen tätig sind. Arbeiten externer Arbeitskräfte bedürfen einer Genehmigung. Bisher galt als externe Arbeitskraft im Sinne des Gesetzes nur jene, die als beruflich strahlenexponierte Person der Kategorie A eingestuft ist und im Kontrollbereich tätig ist. Somit ist nach dem StrSchG 2020 die externe Arbeitskraft umfassender definiert.
Strahlenexponierte Arbeitskräfte zwischen 16 und 18 Jahren
Bisher war es Personen unter 18 Jahren kategorisch untersagt, in Bereichen zu arbeiten, die sie definitionsgemäß zu strahlenexponierten Arbeitskräften machen würde. Das bleibt auch so. Neu ist, dass Personen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren ein Arbeiten mit Strahlenquellen für Ausbildungszwecke bzw. Studium erlaubt ist. Es kommen dabei dieselben Dosisgrenzwerte zur Anwendung wie für strahlenexponierte Arbeitskräfte der Kategorie B.
Schwangere und stillende Arbeitskräfte
Bisher war es so, dass Schwangere in Strahlenbereichen (Überwachungs- und Kontrollbereich) nicht tätig sein dürfen. In der Neufassung wird dezidiert festgesetzt, dass der Dosisgrenzwert von 1 mSv in der Zeit der Schwangerschaft für das ungeborene Kind nicht überschritten werden darf. Die Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet werden, dass dies gewährleistet ist. Es ist aber nicht per se verboten, in einem Überwachungsbereich zu arbeiten. Bei stillenden Arbeitskräften muss gewährleistet werden, dass nicht über eine Inkorporation von Radionukliden eine nicht außer Acht zu lassende Exposition beim Säugling auftritt. D. h., es sind die Freigrenzen von Anlage 1 zur AllgStrSchV 2020 zu beachten. Dies kommt der bisherigen Regelung gleich.
Umschlossene radioaktive Quellen
Umschlossene radioaktive Quellen müssen an das Zentrale Quellenregister [ZQUR] gemeldet und regelmäßig auf ihre Dichtheit geprüft werden. Es müssen jetzt nur mehr jene Quellen geprüft werden, deren Aktivität das Zehnfache der Freigrenzen laut Anlage 1, Abschnitt D überschreitet. Hoch radioaktive umschlossene Quellen müssen von dafür akkreditierten Stellen geprüft werden. Andere radioaktive umschlossene Quellen können von fachkundigen Personen auf ihre Dichtheit hin getestet werden.
Bauartzugelassene Geräte
Es wird nur mehr Bauartzulassungen für Geräte mit niedrigem Gefährdungspotenzial (bisher § 19 StrSchG 1969) und für nicht-medizinische Anwendungen geben. Alte bauartzugelassene Geräte, die die Anforderungen nach dem StrSchG 2020 nicht erfüllen, bedürfen bis spätestens 31. 12. 2022 einer strahlenschutzrechtlichen Bewilligung.
Die Zulassung als Bauart an sich und die Anforderung an den beizugebenden Bauartschein bleiben gleich. Die Inhaber einer Bauartzulassung haben jedes in Verkehr gebrachte bauartzugelassene Gerät ins Zentrale Quellenregister einzutragen [ZQUR]. Die Verwender bauartzugelassener Geräte müssen die Aufnahme, Weitergabe oder Beendigung der Tätigkeit der zuständigen Behörde melden. Ein Strahlenschutzbeauftragter ist für ein bauartzugelassenes Gerät nicht mehr erforderlich.
Natürlich vorkommende radioaktive Materialien (NORM)
NORM wurden als ein Bestandteil in die neue Strahlenschutzgesetzgebung integriert. Neu ist, dass menschliche Betätigungen mit NORM als Tätigkeiten nach dem StrSchG 2020 aufzufassen sind. Die Bestimmungen beziehen sich auf bestimmte industrielle/gewerbliche Bereiche, die in der Anlage 3 zur AllgStrSchV 2020 aufgeführt sind. Für das Personal ist entscheidend, dass die effektive Dosis von 1 mSv pro Jahr unterschritten wird. Sind die ermittelten Aktivitätskonzentrationen unterhalb der Freigrenzen bzw. der uneingeschränkten Freigabewerte, dann ist von einem Einhalten der Dosis von 1 mSv pro Jahr auszugehen. Andernfalls muss eine Dosisabschätzung erfolgen.
Strahlenschutzpass
Das Führen eines Strahlenschutzpasses ist in Zukunft nur mehr für externe Arbeitskräfte, die im Ausland beschäftigt sind, notwendig. Bei externen Arbeitskräften im Inland ist der Strahlenschutzpass nur mehr eine Option. Die bisherige Strahlenschutzpass-Gebühr entfällt.
Ärztliche Untersuchungen
Das Regime der ärztlichen Untersuchungen bleibt in seiner grundsätzlichen Form bestehen. Es gibt Eignungsuntersuchungen, Kontrolluntersuchungen und Sofortuntersuchungen. Die bisher auch vorgesehene Enduntersuchung entfällt.
Fazit
Es wurden die wichtigsten Neuerungen des neuen Strahlenschutzregimes aufgezeigt. Für die bisher schon vom Strahlenschutz erfassten Betriebe bleibt ein Großteil der Bestimmungen, Vorgangsweisen und Schutzmaßnahmen gleich. Das neue Strahlenschutzregime zeigt sich aber im Detail flexibler und an die aktuelle Situation besser angepasst.
Wenn es um Fragen der Arbeitsplatzsicherheit in Bezug auf ionisierende Strahlung geht, steht den Betrieben auch die AUVA, neben den zuständigen Behörden als Erstanlaufstelle, zur Verfügung. Wenn fachlich optimierter Strahlenschutz dem Personal als täglich „gelebter“ Strahlenschutz in Fleisch und Blut übergeht, so ist das zum Nutzen aller – des Personals, der Unternehmen, der Unfallversicherungsträger und der Behörden. Das neue Strahlenschutzgesetz und die dazugehörigen Verordnungen sind die Instrumente dafür.
Literatur und Verweise
- [AUVA-R75]: AUVA-Report Nr. 75 – Bestimmung der Augenlinsendosis und der Risikogruppen beruflich-strahlenexponierter Personen, 2016
- [BSS]: Basic Safety Standard: Richtlinie 2013/59/EURATOM des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung
- [ICRP-103]: ICRP (International Commission on Radiological Protection): The 2007 Recommendations of the International Commission on Radiological Protection. ICRP publication 103. Ann ICRP 2007; 37: 1–332.
- [ICRP-118]: ICRP, 2012. ICRP Statement on Tissue Reactions / Early and Late Effects of Radiation in Normal Tissues and Organs – Threshold Doses for Tissue Reactions in a Radiation Protection Context. ICRP Publication 118. Ann. ICRP 41(1/2).
- [ZQUR]: Zentrales Strahlenquellenregister: http://www.edm.gv.at/
Übersicht
Eine detaillierte Übersicht über das neue Strahlenschutzgesetz und seine Verordnungen (mit Ausnahme der Radonschutzverordnung) findet man im neuen AUVA-Merkblatt M.plus 075.1 „Das neue Strahlenschutzgesetz 2020“, das online als barrierefreies PDF bereits verfügbar ist und in Kürze auch in gedruckter Version bestellt werden kann.
Zusammenfassung
Der Autor gibt eine Übersicht über das neue Strahlenschutzgesetz 2020 und die dazugehörigen Verordnungen. Was bleibt gleich, was ändert sich und wie wirken sich die neuen Regelungen auf die Tätigkeit mit Strahlenquellen aus?