Krebserzeugende Arbeitsstoffe
Gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe in Apotheken
Bei der Zubereitung von Arzneimitteln, bei der Identitätsprüfung, beim Umfüllen und Reinigen können Apothekerinnen und Apotheker mit krebserzeugenden, erbgutverändernden oder die Fruchtbarkeit gefährdenden Stoffen in Kontakt kommen. Informationen über Schutzmaßnahmen bietet das neue AUVA-Merkblatt M.plus 340.7 „Gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe in öffentlichen Apotheken“.
Die Einhaltung von Schutzmaßnahmen ist wichtig, auch wenn diese mit etwas mehr Aufwand verbunden sind. Dass das nicht nur im Hinblick auf das SARS-CoV-2-Virus gilt, betont Mag. Michaela Reisinger, Inhaberin der Apotheke Ottensheim in Oberösterreich: „Der Alltag hat sich in Zeiten von Corona verändert, Masken gehören jetzt zur Normalität.“ Beim Hantieren mit krebserzeugenden, erbgutverändernden oder die Fruchtbarkeit gefährdenden Stoffen (CMR-Stoffen) gehe es ebenfalls darum, sich an Schutzausrüstung und Hygienemaßnahmen zu gewöhnen, damit diese automatisch in die täglichen Abläufe integriert werden. In der Apotheke Ottensheim praktiziert man das schon seit Jahren, genauso wie in der Welt-Apotheke in Wien, die beide zu den Vorreitern in Bezug auf den Schutz vor CMR-Stoffen zählen. Laut Dr. Sonja Kapelari vom arbeitsinspektionsärztlichen Dienst für Oberösterreich und Salzburg sind die häufigsten CMR-Stoffe in öffentlichen Apotheken Sexualhormone, synthetische Glykokortikoide, Phenobarbital, Antibiotika wie Metronidazol und Steinkohlenteer zur Behandlung von chronisch entzündlichen Hauterkrankungen. Jede Apotheke sei verpflichtet, alle verordneten Arzneimittel herstellen zu können, auch solche mit CMR-Stoffen.
Die Häufigkeit, mit der mit diesen gefährlichen Substanzen hantiert wird, ist allerdings sehr unterschiedlich – von mehrmals täglich bis einmal wöchentlich oder noch seltener. „Wir verwenden z. B. Hydrocortison und cortisonähnliche Substanzen wie Prednisolon und Betamethason. Die gängigen Hormone Progesteron und Estradiol verarbeiten wir tagtäglich. Für magistrale Rezepturen brauchen wir auch andere CMR-Substanzen wie das Antibiotikum Erythromycin oder Metronidazol“, so Mag. Barbara Katanic, Inhaberin der Welt-Apotheke. In der Apotheke Ottensheim wird mit bio-identen Hormonen wie Progesteron, Estradiol und Testosteron einmal pro Woche zirka eine Stunde lang gearbeitet.
Unklare Einstufung
In beiden Apotheken ist man sich der Gefährlichkeit dieser Stoffe bewusst. Allerdings gibt es noch nicht für sämtliche Substanzen, die in Apotheken verwendet werden, eine gesetzliche Einstufung gemäß CLP-Verordnung1. „Das Problem besteht darin, dass sich die Hersteller nicht bei allen Stoffen einig sind, ob es sich um einen CMR-Stoff handelt“, so Kapelari. Bei nicht in Anhang I der Grenzwerteverordnung bzw. in Anhang VI der CLP-Verordnung gelisteten Stoffen können unterschiedliche Informationen über die Einstufung in Gefahrenkategorien vorliegen, da sie noch nicht harmonisiert sind. In diesen Fällen wird empfohlen, die gefährlichere Kategorie heranzuziehen, z. B. für Estradiol oder Progesteron.
Zu den Tätigkeiten, bei denen man in einer Apotheke mit CMR-Stoffen in Kontakt kommen kann, zählen die Identitätsprüfung, das Herstellen von Zubereitungen, Umfüllen aus Originalgebinden und Reinigungsarbeiten. Wie man sich bei diesen Tätigkeiten schützen kann, ist im neuen Merkblatt der AUVA M.plus 340.7 „Gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe in öffentlichen Apotheken“ nachzulesen. Entsprechende Maßnahmen sorgen dafür, dass man die verwendeten Arbeitsstoffe nicht einatmet und dass direkter Hautkontakt, Verschleppung sowie Verschlucken der Stoffe verhindert werden.
Identitätsprüfung und Zubereitung
Wer Arzneimittel an Letztverbraucherinnen und -verbraucher abgibt, hat die im Arzneibuch vorgesehenen Identitätsprüfungen durchzuführen. Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass Kundinnen und Kunden im Fall eines Fehlers des Herstellers bei der Etikettierung falsche Arzneimittel erhalten. In der Welt-Apotheke werden alle Substanzen geprüft, auch wenn laut Arzneibuch keine Prüfung erforderlich ist. Identitätsprüfungen von CMR-Substanzen finden in der Welt-Apotheke ausschließlich in einem eigenen CMR-Raum statt – nicht nur bei nasschemischen Methoden, sondern auch, wenn die Prüfung mit dem Infrarot-Spektrometer durchgeführt wird.
Bei der Herstellung von Rezeptur-Arzneimitteln kann es zu einer Aufnahme von CMR-Stoffen durch Einatmen oder über die Haut kommen. Um das zu vermeiden, setzt Katanic auf Routine und detaillierte Arbeitsanweisungen: „Rezepturen wiederholen sich. Bei uns ist jeder Handgriff und jeder Arbeitsschritt genau festgelegt. Wir überlegen aber auch, ob man etwas besser machen könnte, z. B., wo man eine Spatel ablegt. Es wird laufend evaluiert.“
Umfüllen von Arzneimitteln
Eine Exposition gegenüber CMR-Stoffen ist auch beim Umfüllen von Arzneimitteln zur Zubereitung von Rezepturen möglich. Ob dieses nötig ist, hängt laut Kapelari vor allem davon ab, ob sich das Transportgefäß als Lagergefäß nutzen lässt. Im Merkblatt wird empfohlen, für nicht vermeidbare Ab- und Umfülltätigkeiten Dosierhilfen zu nehmen und keinesfalls direkt aus Großgebinden umzufüllen. Bei nicht granulierten festen Stoffen hat das Umfüllen unter Verwendung einer Vorrichtung zur Erfassung von Schwebstoffen zu erfolgen.
Sämtliche Arzneimittel, die die Welt-Apotheke und die Apotheke Ottensheim beziehen, werden in für die Lagerung geeigneten Transportgefäßen geliefert. „Früher haben wir Arzneimittel zum Teil in Plastiksäckchen bekommen, jetzt sind es feste Kunststoffgefäße mit Schraubverschluss“, so Katanic. Die Angestellten haben diese Umstellung begrüßt, da ihnen bewusst ist, dass das Umfüllen eine Exposition mit sich bringt und eine Fehlerquelle darstellt, wenn das neue Gefäß irrtümlich nicht genauso beschriftet und gekennzeichnet ist wie das Original.
Die Vermeidung von Verwechslungen ist Katanic ein besonderes Anliegen: „Wir verwenden die ohnehin gekennzeichneten Transportgebinde und kleben auf den Deckel zusätzlich ein Gefahrenpiktogramm, damit man es auf den ersten Blick sieht, falls sich eine Substanz in den falschen Schrank ‚verirrt‘ hat. Ich nehme dafür die Aufkleber, die dem Merkblatt der AUVA beiliegen.“ Für genauere Informationen zu Inhaltsstoffen und Gefahren jedes Stoffs ist eine Mappe mit dem Arbeitsstoffverzeichnis und den Sicherheitsdatenblättern immer griffbereit.
In der Apotheke Ottensheim werden alle CMR-Stoffe in der Originalverpackung in einem eigenen Kasten gelagert, der sich im CMR-Raum befindet. Die Anzahl der CMR-Stoffe halte sich in Grenzen, erklärt Reisinger: „Die Beschäftigten, die mit diesen Stoffen arbeiten, sind eingeschult, ihnen ist klar, um welche Arbeitsstoffe es sich handelt. Insgesamt sind es nur fünf, sechs verschiedene Substanzen.“ Neue sind in den letzten Jahren nicht dazugekommen.
Reinigungsarbeiten
Bei Reinigungsarbeiten kann sowohl das Apotheken- als auch das Reinigungspersonal mit CMR-Stoffen in Kontakt kommen. Laut AUVA-Merkblatt sollte die Vorreinigung von potenziell kontaminierten Arbeitsflächen, -geräten, Rezepturgefäßen und sonstigen Utensilien, die beim Umgang mit CMR-Stoffen benötigt werden, durch das apothekenspezifische Fachpersonal erfolgen, um die Anzahl der exponierten Personen möglichst gering zu halten. Das wird auch in der Apotheke Ottensheim so gehandhabt, betont Reisinger: „Die Sicherheitswerkbank und die Oberflächen im Extra-Raum für die Einwaage werden von den Apothekerinnen und den pharmazeutisch-kaufmännischen Assistentinnen gereinigt, der Boden von einer Reinigungskraft.“
Die vorgereinigten Gegenstände sind in einem definierten Bereich abzustellen, aus dem sie das Reinigungspersonal entnimmt, damit sie entweder manuell oder in einem ausschließlich dafür vorgesehenen Geschirrspüler gewaschen werden. In der Welt-Apotheke sind die für CMR-Stoffe verwendeten Gefäße und Geräte durch ein anderes Aussehen bzw. eine Kennzeichnung deutlich von den übrigen zu unterscheiden. Sie werden in einer mit einem Gefahrenpiktogramm versehenen Kunststoffkiste zu dem nur für die kontaminierten Gegenstände reservierten Geschirrspüler transportiert, der aus baulichen Gründen in einem anderen Raum untergebracht ist.
Bei der Reinigung müssen Apothekenpersonal und Reinigungskräfte eine Schutzausrüstung verwenden. Einmal-Schutzkleidung, verwendetes Reinigungsmaterial, kontaminierte Auflagen und sonstige Einwegmaterialien kommen in einen separaten Abfallbehälter nur für CMR-Stoffe, der mit zwei ineinander gelegten Müllsäcken bestückt ist. Aufgrund des Verletzungs- und Kontaminationsrisikos sollte man vermeiden, in die Müllsäcke zu greifen. Diese sind vor der Entsorgung sachgemäß zu verschließen.
Substitution
Wie an allen Arbeitsplätzen, wo mit gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen hantiert wird, müssen auch in Apotheken Schutzmaßnahmen nach der STOP-Rangfolge gesetzt werden. Zum ersten Punkt, der Substitution, bemerkt Kapelari: „Fasst man den Begriff Substitution weiter, fällt darunter auch der Ersatz eines pulverförmigen Stoffs durch den gleichen in flüssiger Form, um Staubentwicklung zu vermeiden. Es ist schwieriger, mit Ansatzlösungen zu arbeiten, aber im Nachhinein stellt es sich heraus, dass es zwar ein bis zwei Arbeitsschritte mehr sind, es aber doch geht.“
Diese Erfahrung hat auch Reisinger gemacht: „Wir stellen Stammlösungen her, aus Estradiol mit Öl. Die Gefährlichkeit des Stoffs reduziert sich dramatisch, wenn man mit der Stammlösung arbeitet. Diese wird bald aufgebraucht, daher gibt es bei uns auch keine Probleme mit der Lagerstabilität. Cremen, die wir nicht am Einwiegetag zubereiten, kann man so zwischendurch ohne großen Aufwand anfertigen.“
Eine andere Möglichkeit der Substitution ist das Ersetzen eines Arbeitsverfahrens, etwa einer nasschemischen Prüfmethode zur Identitätsprüfung durch eine physikalische. Ob das machbar ist, hängt auch von den finanziellen Mitteln einer Apotheke ab, wie Katanic zu bedenken gibt: „Der Ersatz eines Arbeitsverfahrens ist möglich, sofern dieses im Arzneibuch steht, daran müssen wir uns halten. Oft ist das auch eine Frage des Geldes. Wir haben ein Infrarot-Spektrometer, das kostet 20.000 Euro, das können sich nicht alle Apotheken leisten.“ Werden in einer Apotheke nur einmal pro Woche magistrale Rezepturen hergestellt, sei es nicht sinnvoll, so ein Gerät anzuschaffen.
Technische Maßnahmen
Das Infrarot-Spektrometer ist eine von mehreren technischen Maßnahmen, die zur Vermeidung der Risiken durch CMR-Stoffe beitragen. „Wir haben ein vollautomatisches Rührsystem und eine mikrobiologische Sicherheitswerkbank, die ist einerseits für den Produktschutz, andererseits für den Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz wichtig“, nennt Katanic weitere technische Schutzeinrichtungen. Vollautomatische Rührsysteme verringern die Freisetzung von Stäuben und Dämpfen bei der Mischung von Salben, Cremen und Pasten. Mikrobiologische Sicherheitswerkbänke verhindern, dass Stäube über die Atemwege aufgenommen werden.
Bei allen technischen Schutzeinrichtungen muss darauf geachtet werden, dass sie ausreichend dimensioniert sind und regelmäßig überprüft werden. An einem Apothekenarbeitsplatz, bei dem technische Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit der Exposition ausreichend reduzieren, ist die Verwendung einer Atemschutzmaske und einer Schutzbrille nicht unbedingt erforderlich.
Organisatorische Maßnahmen
Eine der wichtigsten organisatorischen Maßnahmen für Arbeiten mit gesundheitsgefährdenden Stoffen ist laut Chemikerin Dr. Silvia Springer, Fachkundiges Organ Chemie in der AUVA-Hauptstelle, die räumliche Trennung: „Die Herstellung von magistralen Zubereitungen mit CMR-Substanzen, z. B. Hormonen, muss mit besonderer Sorgfalt in einem Labor oder einem ausschließlich dafür vorgesehenen Raum durchgeführt werden.“
Einen separaten Raum nur für Arbeiten mit CMR-Stoffen gibt es sowohl in der Welt-Apotheke als auch in der Apotheke Ottensheim. Schwierig sei es vor allem für in alten Gebäuden untergebrachte Apotheken, einen abgetrennten Bereich für Tätigkeiten mit gesundheitsgefährdenden Stoffen zu schaffen, so Kapelari: „Wenn man mit den vorgegebenen Räumlichkeiten zurechtkommen muss, ist es oft eine Herausforderung, den Arbeitsablauf nicht einzuschränken und sich gleichzeitig ausreichend zu schützen.“ Der CMR-Raum sollte genug Platz bieten, um einen Behälter für CMR-Abfälle und, wenn möglich, auch den Geschirrspüler für die kontaminierten Gegenstände dort aufzustellen. Räume, in denen mit CMR-Stoffen gearbeitet wird, dürfen nur von informierten und unterwiesenen Beschäftigten betreten werden. Eine Kennzeichnung des Bereichs mit dem Gefahrenpiktogramm GHS08 „Gesundheitsgefahr“ ist gut sichtbar anzubringen. Um eine Verschleppung zu vermeiden, muss die in diesem Raum getragene Schutzkleidung auch dort abgelegt werden.
Für Springer stellt das Verschleppen von Hormonen aus dem Arbeitsbereich eine besondere Gefahr dar, die verhindert werden muss: „Dazu ist es unbedingt notwendig, die Arbeitskleidung von der Straßenkleidung getrennt aufzubewahren. Die Reinigung der Arbeitsmäntel sollte idealerweise durch den Arbeitgeber erfolgen. Ist dies nicht möglich, weil z. B. die Reinigung pauschal abgegolten wird, dann hat der Arbeitgeber eine Einmalschutzkleidung zur Verfügung zu stellen.“
Persönliche Schutzmaßnahmen
Zur empfohlenen Schutzkleidung bei Arbeiten mit CMR-Stoffen zählen neben dem Schutzmantel geeignete Schutzhandschuhe gemäß EN 374, z. B. aus Nitril. Kann nicht verhindert werden, dass Stäube entstehen, und sind keine Abzüge bzw. Sicherheitswerkbänke vorhanden, muss man Atemschutzmasken verwenden, die mindestens der Filterklasse FFP2 entsprechen. Masken aus Zellstoff, wie sie z. B. das OP-Personal trägt, schützen nicht vor gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen. Schutzbrillen verhindern, dass Spritzer bzw. Stäube in die Augen gelangen. In der Apotheke Ottensheim wird laut Reisinger, obwohl es nicht vorgeschrieben ist, auch bei Arbeiten mit der Sicherheitswerkbank eine komplette Schutzausrüstung verwendet: „Wir tragen eine Schutzbrille, einen Sicherheitsanzug, eine FFP3-Maske, eine Haube und Füßlinge. Die Haare sind bedeckt, der Schmuck ist abgelegt.“
Schulung und Unterweisung
Damit die Schutzmaßnahmen eingehalten werden, ist eine regelmäßige Schulung und Unterweisung notwendig. „Wir haben halbjährliche Schulungen für das Personal. Es schleichen sich immer wieder Fehler ein, z. B.: Wie ziehe ich Handschuhe und Schutzkleidung richtig an und aus? Wie desinfiziere ich die Hände richtig? Zusätzliche Unterweisungen gibt es für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, neue Substanzen, Rezepturen oder Herstellungsverfahren“, beschreibt Katanic. Für das Reinigungspersonal, das die Oberflächen und Böden im CMR-Raum desinfiziert und die dort verwendeten Gefäße in den dafür vorgesehenen Geschirrspüler einräumt, gibt es ebenfalls eine Unterweisung.
Auch nach einem Unfall mit einem gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoff wäre eine Nachschulung erforderlich. Weder in der Welt-Apotheke noch in der Apotheke Ottensheim ist es bisher zu Zwischenfällen gekommen. Trotzdem hat Reisinger vorgesorgt: „Wir haben ein Notfallkit aus den USA zur schnellen Aufnahme gefährlicher Stoffe, es ist aber noch nie gebraucht worden.“
Eine Aufgabe von Schulungen ist es auch, Risikobewusstsein zu schaffen, betont Kapelari: „In Apotheken gibt es ein Bewusstsein für Gefahren durch brennbare oder explosive Stoffe, aber oft nicht für CMR-Stoffe. Wenn man im Kopf hat, dass die Kundinnen und Kunden diese Medikamente einnehmen und sie ihnen helfen, ist es schwer, die Gefährlichkeit zu sehen.“ Schwierig sei in vielen Apotheken insbesondere die Einhaltung des Ess- und Trinkverbots an Arbeitsplätzen, an denen mit gefährlichen Stoffen hantiert wird, sowie die organisatorische Trennung zwischen jenen Arbeitsplätzen, an denen mit gefährlichen Stoffen gearbeitet wird, und den übrigen.
Information und Bewusstsein
Für Katanic war zu Beginn vor allem der geringe zur Verfügung stehende Platz eine Herausforderung: „Wo stelle ich etwas hin, wo lege ich etwas ab, um eine Kontamination auszuschließen? Je weniger Platz man hat, umso wichtiger ist eine Arbeitsablaufevaluierung.“ Als sie vor rund sechs Jahren begann, sich intensiver mit der Problematik gefährlicher Arbeitsstoffe auseinanderzusetzen, war der Begriff „CMR-Stoffe“ den meisten Apothekerinnen und Apothekern in Österreich noch nicht geläufig, daher orientierte sie sich an den in Deutschland und den USA bereits üblichen Schutzmaßnahmen.
Reisinger machte ähnliche Erfahrungen und besuchte sogar einen Kongress in den USA, um die dortigen Standards kennenzulernen. Im Austausch mit anderen heimischen Apotheken überlegte sie sich Schutzmaßnahmen, bei Fragen wandte sie sich an das Arbeitsinspektorat oder an die AUVA. Ihre Mitarbeiterinnen reagierten positiv: „Ihnen war klar, dass wir Maßnahmen ergreifen müssen, die sind gerne angenommen worden.“
Der Kenntnisstand ist nicht in allen Apotheken so hoch, wie Kapelari bei Betriebsbesuchen festgestellt hat: „Vor allem am Anfang der Kampagne gegen krebserzeugende Arbeitsstoffe habe ich gesehen, dass Arbeitsplätze mit CMR-Stoffen nicht von anderen getrennt waren und dort sogar Speisen eingenommen worden sind.“ Das Merkblatt der AUVA sollte, wie sie hofft, zu mehr Wissen über gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe beitragen.
Katanic erwartet sich von der Kampagne und dem Merkblatt, dass der Begriff „CMR-Stoffe“ in den Apotheken bekannter wird: „Viele verwenden immer noch die ein Jahrhundert alte Klassifizierung von Stoffen in Indifferenda, Separanda und Venena. Diese gehört aufgrund einer Gesetzesänderung zwar bald der Vergangenheit an, allerdings muss sich das Apothekenpersonal in der Folge erst an die neue Einstufung gewöhnen.“ Bisher sei der Fokus auf dem Produktschutz gelegen, jetzt gelte es, auch den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vordergrund zu rücken.
FAQ zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen: Die AUVA antwortet!
Im Rahmen des AUVA-Präventionsschwerpunktes „Gib Acht, Krebsgefahr!“ beantworten AUVA-Expertinnen und -Experten in jeder Ausgabe von SICHERE ARBEIT bis Ende 2020 häufig gestellte Leserfragen zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe.
Haben auch Sie Fragen? Dann senden Sie diese an FAQkrebsgefahr@auva.at!
Welche Stoffe, die im Rahmen von medizinischen Tätigkeiten genutzt werden, fallen nicht unter das Chemikalienrecht? Schreibt das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz auch für diese eine Meldung vor?
Stoffe (z. B. Arzneimittel, Kosmetika, Medizinprodukte etc.), die im Rahmen von medizinischen Tätigkeiten genutzt werden, fallen dann nicht unter das Chemikalienrecht, wenn sie durch eine andere gesetzliche Regelung erfasst sind.
Da es sich hierbei aber auch um Arbeitsstoffe handelt, sind für diese ebenfalls Meldungen bzw. Aufzeichnungen gemäß ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) vorzunehmen. Laut ASchG muss für Arbeitsstoffe, die eindeutig krebserzeugend, erbgutschädigend oder fortpflanzungsgefährdend sind, sowie für biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppen 2, 3 und 4 eine „Meldung der beabsichtigten Verwendung“ vor Aufnahme der Tätigkeit an das Arbeitsinspektorat erfolgen. Ein „Verzeichnis der Arbeitnehmer“ muss zudem für Arbeitsstoffe, die entweder eindeutig oder vermutlich krebserzeugend, erbgutschädigend oder fortpflanzungsgefährdend sind, sowie für biologische Arbeitsstoffe der Gruppen 3 und 4 geführt werden.
Welche Informationen muss die „Meldung der beabsichtigten Verwendung“ von CMR-Stoffen an das Arbeitsinspektorat umfassen?
Die Meldung der beabsichtigten erstmaligen Verwendung von eindeutig krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fortpflanzungsgefährdenden Stoffen (= CMR-Stoffen) muss schriftlich vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgen und mindestens folgende Angaben enthalten:
- Name der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers und Anschrift der Arbeitsstätte
- voraussichtlich jährlich verwendete Mengen der betreffenden Stoffe und der Zubereitungen, in denen die betreffenden Stoffe enthalten sind
- Art der Arbeitsvorgänge
- Zahl der exponierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
- Angaben zur Exposition
- beabsichtigte Maßnahmen zur Gefahrenverhütung gemäß §§ 43 und 45 Abs. 5 ASchG
Auch für biologische Arbeitsstoffe der Gruppen 2, 3 und 4 besteht eine Meldepflicht. Mehr Details zur „Meldung der beabsichtigten Verwendung“ sind auf der Website der Arbeitsinspektion nachzulesen unter https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Arbeitsstoffe/Arbeitsstoffe/Meldung_der_Verwendung.html
In welchen Intervallen sind ausgetretene oder neu eingetretene Beschäftigte, die gegenüber CMR-Stoffen exponiert sind, an das Arbeitsinspektorat zu melden?
An das Arbeitsinspektorat ist in dem Sinne keine Meldung der exponierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erstatten, aber im Betrieb muss ein „Verzeichnis der Arbeitnehmer“, also ein Verzeichnis aller exponierten Personen, aufliegen und geführt werden.
Aus diesem Verzeichnis sind die Daten von jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die aus dem Betrieb ausscheiden bzw. nicht mehr exponiert sind, an den zuständigen Träger der Unfallversicherung zu übermitteln.
Auf der Website der Arbeitsinspektion finden sich weitere Informationen sowie ein Beispiel für die Gestaltung des Verzeichnisses der Arbeitnehmer unter: https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Arbeitsstoffe/Arbeitsstoffe_mit_eigenen-besonderen_Regelungen/Krebserzeugende_Arbeitsstoffe.html
Die Sammlung aller Fragen und Antworten zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen können Sie auf der Webseite zum AUVA-Präventionsschwerpunkt nachlesen: www.auva.at/krebsgefahr, Menüpunkt „Häufig gestellte Fragen (FAQ)“
Zusammenfassung
In Apotheken kann man bei der Zubereitung von Arzneimitteln, bei der Identitätsprüfung, beim Umfüllen und Reinigen mit CMR-Stoffen in Kontakt kommen. Zu den Vorreitern beim Setzen von Schutzmaßnahmen zählen die Apotheke Ottensheim in Oberösterreich und die Welt-Apotheke in Wien. Das AUVA-Merkblatt M.plus 340.7 „Gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe in öffentlichen Apotheken“ bietet Informationen über CMR-Stoffe und darüber, wie man sicher mit ihnen umgehen kann.