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Forschung

Beurteilung bewegungsarmen Verhaltens bei der Arbeit mittels Wearables

Die Partnerschaft für europäische Forschung im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (PEROSH, www.perosh.eu) hat eine Gruppe von Wissenschaftern aus mehreren europäischen Forschungseinrichtungen beauftragt, einen für die Praxis nützlichen Leitfaden zur Bewertung des sitzenden Verhaltens am Arbeitsplatz zu entwickeln.

Smartwatch
Adobe Stock

Der Forschergruppe „technical measurement of physical acticity“ gehörten auch zwei Fachleute der AUVA an. Die Initiative fokussierte sich auf Wearables, also am Körper getragene Bewertungssysteme für den Einsatz in der Bewegungsanalyse. In industrialisierten Gesellschaften verbringen wir mehr und mehr Zeit mit bewegungsarmem Sitzverhalten. Untersuchungen lassen allerdings keine einheitlichen Aufschlüsse über gesundheitliche Auswirkungen zu. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass diese fast ausschließlich auf Fragebögen basieren, die zwar geringe Kosten und geringen Aufwand verursachen, bisweilen aber ungenau und verzerrt sind.

Voraussetzung: Definition für bewegungsarmes Sitzverhalten

Bei den ebenso angewandten visuellen Beobachtungen stellen wiederum höhere Kosten, begrenzte Durchführbarkeit und methodische Unsicherheit Probleme dar. Daher empfiehlt sich die Verwendung objektiver technischer Instrumente für die Bewertung. Es existiert eine Vielzahl Wearables, bis dato aber noch keine praktische Anleitung, um diese für die Beobachtung sitzender Arbeit zu verwenden. Daher die eingangs erwähnte Initiative, an der mit Mag. Norbert Lechner und Mag. Michaela Strebl ein Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin der Ergonomiefachgruppe der Präventionsabteilung der AUVA beteiligt waren.

Jede Bewertung einer bestimmten Körperhaltung muss auf einer klaren Definition beruhen, sonst kann es zu Divergenzen zwischen Forschern und Praktikern kommen. Deshalb hat ein Netzwerk aus Experten eine strenge Definition für bewegungsarmes Sitzverhalten vorgeschlagen. Als bewegungsarmes Sitzverhalten gilt demnach „jede Körperhaltung, welche durch einen Energieaufwand von ≤ 1,5 METs beim Sitzen oder Liegen betrieben wird“. Eine Bewertung erfordert also die Berücksichtigung der Komponenten Energieaufwand und Körperhaltung. Der Energieaufwand wird in „metabolic equivalent units (METs)“ gemessen, wobei ein Wert von 1 den Ruhezustand beschreibt. Im Allgemeinen werden physische Aktivitäten in vier Kategorien unterteilt: „Minimal“ ist definiert im Bereich 1–1,5 METs, „leicht“ im Bereich 1,5–3 METs, „mäßig“ zwischen 3–6 METs, und „energisch“ über 6 METs. 

Neben der Dauer des Sitzens müssen (meist per Fragebogen) auch Zeitspannen und Zeitabstände erfasst werden. Kontinuierliches Sitzen kann nämlich eventuell gesundheitsschädlicher sein als die gleiche Gesamtdauer in mehreren Perioden. Mithilfe von Wearables kann unterschieden werden, ob ein Energieaufwand von mehr als 1,5 METs durch Sitzen oder andere Körperhaltungen erbracht wird.

Bei der Auswahl der Instrumente und des Bewertungsverfahrens müssen Forscherinnen und Forscher und Praktikerinnen und Praktiker mehrere Faktoren berücksichtigen, was durch die große Auswahl von Wearables erschwert wird. Es wird daher ein Klassifizierungssystem vorgeschlagen.

Abbildung: Objektive technische Instrumente
Objektive technische Instrumente: Mithilfe von Wearables können verschiedene Körperparameter erfasst und ausgewertet werden. Adobe Stock

Sensortechnologien für die Bewertung 

Die derzeit populärste Sensortechnologie ist der Beschleunigungsmesser, der sowohl die statisch-räumliche Ausrichtung als auch dynamische Bewegungen beurteilen kann. Der 3-Achsen-Beschleunigungsmesser kann als Neigungsmesser verwendet werden, ist für schnelle Bewegungen und eine genaue Bewertung der räumlichen Orientierung jedoch weniger geeignet. Beschleunigungsmesser sind recht klein, weisen geringen Batterieverbrauch auf und sind mit anderen Sensoren leicht zu integrieren. Sie eignen sich also für den Einsatz vor Ort. Unterschiede gibt es bei der Methode zur Berechnung der Zählwerte, der Energieaufwand anhand der Zähl-Frequenzen kann außerdem nicht zwischen den Aktivitätstypen (z. B.: Rasenmähen, Stufen steigen) unterscheiden. Für genauere 3-dimensionale kinematische Feldbeurteilungen sind daher Inertialmesseinheiten (IMUs) erforderlich. Diese müssen aus 3-Achsen-Beschleunigungsmessern, 3-Achsen-Gyroskopen und 3-Achsen-Magnetfeldsensoren (Magnetometern) bestehen. 

Durch die Herzrate (HR), die mittels elektrischer Herzratensensoren gemessen wird, kann der Energieverbrauch geschätzt werden, welcher die Daten von Beschleunigungsmessern ergänzt und eine bessere Beurteilung ermöglicht. Das 12-Kanal-EKG ist Standard im klinischen Umfeld, während ein tragbares 3-Kanal-EKG mobil eingesetzt werden kann. Übliche verfügbare Wearables basieren meist auf 1- oder 2-Kanal-EKGs, das Captiv-System der Fachgruppe Ergonomie besteht aus einer Vielzahl von Sensoren und beinhaltet neben einem Herzfrequenzsensor auch letzterwähnten 3-Kanal-EKG-Sensor. Es wird zur Arbeitsplatzanalyse vor Ort im Betrieb eingesetzt.

(Die Herzfrequenz ist nur ein Teilaspekt des Pulses. Er gibt Auskunft über die Anzahl der Herzschläge pro Minute und wird in beats per minute [bpm] angegeben. Ein weiterer Begriff, der oft synonym verwendet wird, ist der Begriff der Herzrate. Die Herzrate beschreibt jedoch eigentlich den Puls von Schlag zu Schlag. Anm.)

Infografik: Kategorisierung von Wearables
Kategorisierung von Wearables basierend auf Art und Anzahl der verwendeten Sensoren, der Anbringung der Sensoren am Körper und der Genauigkeit und Komplexität der bewerteten und bereitgestellten Daten. PEROSH

Optische Herzfrequenzsensoren verwenden integrierte Fotodioden, die Licht auf die Haut strahlen und die Menge des reflektierten Lichts erfassen. Durch gegebene Kontraktion und Verengung der Blutgefäße und die damit verbundene Änderung der Menge des reflektierten Lichts kann die Herzrate berechnet werden. Die günstigen Sensoren können im Prinzip überall am Körper angebracht werden, typische Stellen sind aber das Handgelenk, das Ohrläppchen oder die Fingerspitzen. Die Technologie ist auf gute Datenverarbeitung angewiesen und im Allgemeinen weniger genau als elektrische Herzraten-Sensoren.

Die Durchführung einer Open-Circuit-Spirometrie ist die präziseste Art und Weise, die Intensität der körperlichen Aktivität zu analysieren. Durch Vergleich des Sauerstoffverbrauchs mit der Produktion von Kohlendioxid in Ruhe wird die Oxidation von Makronährstoffen und damit die Produktion chemischer Energie indirekt geschätzt. Ambulante Atemanalysatoren können auch vor Ort eingesetzt werden, jedoch machen die Maske und der Schlauch diese für Langzeituntersuchungen eher weniger praktikabel. Darüber hinaus kann die Erstkalibrierung des Systems im Labor vor dem Transport oder die Kalibrierung direkt vor Ort problematisch sein.

Typen und Charakteristika von Wearables

Obwohl Wearables eine große Bandbreite an technischen Spezifikationen aufweisen, haben sie einige Hauptmerkmale gemeinsam. So gut wie alle sind klein und handlich und können selbst angelegt werden. Sie sind meist mit hautfreundlichem, synthetischem Material bedeckt, in kleinen Gehäusen eingeschlossen und zusätzlich oft in synthetische oder textile Bänder integriert. Abhängig von den technischen Eigenschaften können die Daten in Abständen von Millisekunden bis Sekunden aufgezeichnet werden, aufgrund der Benutzerfreundlichkeit wird aber in den meisten Fällen eine tägliche Zusammenfassung bereitgestellt, die mittels zusätzlicher Applikation veranschaulicht werden kann. Anhand der integrierten Sensor-Technologie können Wearables in drei Kategorien unterteilt werden.

Die meisten Wearables der Kategorie 1 sind Beschleunigungsmesser, welche üblicherweise als Armband, seltener an der Hüfte, getragen werden. Die aufgezeichneten Daten werden als allgemeine körperliche Aktivität interpretiert. Bei Platzierung am Bein (z. B. Oberschenkel) besteht die Möglichkeit, zwischen körperlichen Aktivitäten wie Sitzen, Stehen, Gehen und Radfahren zu unterscheiden. Der Energieaufwand wird meist gemessen, indem die Rohdaten in Kilokalorien oder METs berechnet und umgewandelt werden. Durch die Kombination von Beschleunigungsmessern und Herzfrequenzmessern kann die Genauigkeit deutlich verbessert werden, die meisten Wearables der Kategorie 1 kombinieren jedoch Beschleunigungsmessung mit optischen Herzratensensoren.

Genauere Bewertungen der kinematischen und physiologischen Eigenschaften können mit Wearables der Kategorie 2 durchgeführt werden. Diese bestehen aus relativ wenigen, unabhängig voneinander positionierten Beschleunigungsmessern und physiologischen Sensoren. Die Platzierung mehrerer Beschleunigungsmesser auf einem bestimmten Körpersegment oder auf zwei miteinander verbundenen Körpersegmenten liefert beispielsweise eine genauere Beurteilung der Körperhaltung und des Energieverbrauchs als die Verwendung nur eines einzigen Beschleunigungsmessers. Daten von Beschleunigungsmessern, welche auch physiologische Variablen wie die mittels EKG bestimmte Herzfrequenz einbinden, liefern auch valide Information über den Energieaufwand und die Intensität der physischen Aktivität. Als Beispiel hierfür dient eine Kombination aus Brustgurt und Aktivitätstracker. Der Brustgurt erfasst die Herzfrequenz, während der Aktivitätstracker, welcher am Handgelenk getragen wird, einen Beschleunigungsmesser enthält, der in Kategorie 2 fällt. Die Integration der Sensoren in „smart textiles“ kann das Anbringen, Positionieren und Tragen mehrerer Sensoren erheblich erleichtern.

Ähnlich genau wie unter Laborbedingungen

Wearables der Kategorie 3 bestehen aus mehrteiligen Sensorsystemen, welche extra dafür entwickelt wurden, gleichzeitig körperliche Aktivität, Körpersegmentorientierungen und -bewegungen sowie den Energieaufwand im Feld mit einer ähnlichen Genauigkeit wie unter Laborbedingungen zu bewerten. Sie sind im Allgemeinen teurer als Wearables der Kategorien 1 und 2 und wurden primär für Forschungszwecke entwickelt. Sie sind auf Expertenwissen angewiesen und erfordern eine relativ hohe Investition an Ressourcen. 

Zusammenfassung

Mit Hilfe sogenannter Wearables soll künftig eine Bewertung von bewegungsarmem Sitzverhalten erfolgen.


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