Katastrophenschutz
IRONORE – eine internationale Übung für den Katastrophenfall
Um auf überregionale Schadenslagen wie etwa Erdbeben reagieren zu können, bedarf es nicht nur durchdachter strategischer Herangehensweisen, sondern auch praktischen Trainings. Nationale wie internationale Einheiten müssen miteinander kommunizieren, sich koordinieren und die einzelnen Schadensplätze abarbeiten. All dies wurde im Rahmen einer 3-tägigen Katastrophenschutzübung im steirischen Eisenerz trainiert.
Von 12. bis 15. September 2019 fand im steirischen Eisenerz eine vom Österreichischen Roten Kreuz (ÖRK) organisierte, von der EU kofinanzierte internationale Katastrophenschutzübung statt. In rund 30 unterschiedlichen Szenarien mit über 1.000 beteiligten Personen trainierten nationale wie internationale Einheiten aus Österreich, Slowenien, Ungarn und Deutschland den Ernstfall eines Erdbebens der Stärke von 6,8 nach Richter.
Die Übungsannahme war folgende:
Das Epizentrum lag in Leoben. Betroffen waren alle Regionen auf der Nord-Süd-Achse inklusive der angrenzenden Bezirke von Niederösterreich und Kärnten. Im Bezirk Leoben waren lt. Annahme 15.000 Personen betroffen, ersten Berichten zufolge gab es mehr als 1000 Tote. 200 bis 300 Menschen wurden unter Trümmern vermutet. Die meisten der 4.300 Bewohner der Region seien obdachlos, ohne Strom, Wasser und Nahrung. Die wichtigsten Straßen wären aber benutzbar, Telefon und Internet funktionieren noch. Zur Bewältigung des Ereignisses riefen die Behörden den Katastrophenstatus aus. Da die lokalen Kräfte des Roten Kreuzes, der Feuerwehren, der Polizei und des Bundesheeres aber selbst stark geschwächt sind, braucht es Hilfe von außen, durch EU-Einheiten und Rotkreuz-Teams aus nicht betroffenen Regionen.
Im Rahmen der Übung im Sandbox-Ansatz (hierbei werden Schadenslagen erstellt, die Entscheidung, wie gearbeitet wird, obliegt den Einheiten aber autark) wurden zusätzlich auch neue, innovative Tools getestet und zum Einsatz gebracht. So zum Beispiel das Projekt „Driver+“, wobei Daten eines bodengesteuerten Flugzeugs der DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) hochauflösendes Bildmaterial in Echtzeit an die Einsatzleitung übermittelt wurden und 3-D-Simulationen des Einsatzgebietes zur Anwendung kamen.
Die „Driver +“-Datenzentrale und das für die Übung reaktivierte KH Eisenerz
Unterschiedlichste Schadenslagen forderten die Einsatzkräfte
Die Ironore-Übung verlangte den Einsatzkräften alles ab. Vom Busunfall über Verschüttetenrettung, Schadstoffunfälle, Schienenverkehrsunfälle, Höhen- und Höhlenrettungen bis hin zu Verkehrsunfällen in Tunneln galt es nicht nur zu retten und zu bergen, sondern auch die dementsprechenden Versorgungsstrukturen aufzubauen. Um die Vielzahl an Verletzen versorgen zu können, bauten deutsche und ungarische Einheiten Feldspitäler auf, steirische Einheiten kümmerten sich um die Etablierung einer Trinkwasserversorgung,Technik und Stromversorgung. Sogar ein bereits geschlossenes Krankenhaus wurde reaktiviert und als Notfallzentrum eingerichtet. Alle an der Übung beteiligten Figurantenopfer wurden, um die Übung so realitätsnah wie möglich zu gestalten, entsprechend geschminkt, auch real transportiert (per Hubschrauber und durch bodengebundenen Einheiten) und in den oben genannten Einheiten „versorgt“.
Um zu illustrieren, womit die Einsatzkräfte konfrontiert waren, werden im Folgenden exemplarisch drei Szenarien näher beschrieben.
SAR-Arbeiten und Verschüttetenrettung
Im Rahmen dieses Szenarios galt die Annahme, dass Personen durch das Erdbebenereignis verschüttet und verletzt wurden. Die Übungsbeobachtung führte das enorme Ausmaß, das eine derartige Schadenslage annehmen kann, deutlich vor Augen.
Slowenische SAR-Einheiten hatten dabei die Aufgabe, sich Zugang zu den verschütteten Personen zu verschaffen. Dies bedeutete allerdings, sich stundenlang mit schwerem Gerät durch Wände zu arbeiten, Schuttmaterial beiseite zu räumen und sich durch Stahlträger zu schneiden. Nachdem der Zugang ins Gebäude und zu den zu Rettenden einmal geschafft war, konnten Suchhunde zum Einsatz kommen. Nicht gehfähige Personen wurden von den Höhenrettungseinheiten abgeseilt, gehfähige Personen durch die Einsatzkräfte hinausgebracht. Danach übernahmen Einheiten des ÖRK die weitere Versorgung bzw. den Abtransport in die genannten Versorgungseinrichtungen.
Passagier- und Frachtzugunfall
Ein weiteres Szenario war ein Zugunfall, bei dem ein Personenzug mit einem Frachtzug zusammengestoßen ist. Mehrere Waggons waren deformiert bzw. entgleist, auch trat aus einem der Chemiefrachtwaggons ein Schadstoff aus. Es gab über 150 Verletzte, die teilweise zu dekontaminieren waren und erst anschließend medizinisch versorgt werden konnten. Da dieses Szenario erst gegen 16:00 Uhr nachmittags startete, waren die Einsatzkräfte neben den herausfordernden Zugangsmöglichkeiten ins Zuginnere, den beschränkten Platzverhältnissen und der Vielzahl an Verletzten auch mit der langsam hereinbrechenden Dunkelheit konfrontiert. Hier unterstützten auch Luftrettungseinheiten des ÖAMTC den Abtransport der Verletzten.
Verkehrsunfall im Tunnel
Den Abschluss der Übung bildete am Samstag ein sehr aufwendiges Szenario im Versuchsstollen der Montanuniversität Leoben direkt am Erzberg. Nach einer Kollision von Fahrzeugen im Tunnelbereich ist Feuer ausgebrochen. Dieses muss zuerst gelöscht werden, anschließend müssen die über 80 teils schwerverletzten Personen aus den deformierten Pkw und Bussen gerettet werden – ein Szenario, das sich in völliger Dunkelheit, zusätzlich eingehüllt in Rauch, abspielte. Die ersteintreffenden Einsatzkräfte der Feuerwehr wurden von den Schreien Verletzter begleitet, die zu Beginn nur im Licht der Helmscheinwerfer erkennbar waren. Aufgrund der Umgebungsbedingungen (Dunkelheit, Atemschutz, Rauch, Lärm, Schreie, etc.) kam in diesem Szenario ein sehr starkes psychisches Belastungsmoment für die Rettungskräfte hinzu.
Dieser kleine Überblick über einen Teil der Szenarien illustriert sehr deutlich, dass eine überregionale Schadenslage eine Vielzahl an Einsatzkräften mit unterschiedlichen Spezialgebieten und dementsprechenden Gerätschaften erfordert. Auch zeigte die Übungsbeobachtung deutlich, dass es bei solchen Ereignissen kein „schnell“ gibt, da es oft Stunden, wenn nicht sogar Tage dauert, um etwa überhaupt zu verschütteten Personen vorzudringen. Dies stellt natürlich die Einsatzkräfte vor große Herausforderungen, denn auch Hilfskräfte verfügen nicht über unendliche Kräfte und benötigen Regenerationszeit. Dazu kommen die massiven physischen und psychischen Belastungen, die solche Einsätze mit sich bringen.
Und immer Thema: (Arbeits-)Sicherheit
Im Realeinsatz wie auch bei Übungen steht der Sicherheitsaspekt aller Beteiligten an oberster Stelle. Dies beginnt im Kleinen bei der persönlichen Schutzausrüstung jedes einzelnen (Helm, Sicherheitsschuhwerk, Schutzbekleidung, Handschuhe, Pressluft- bzw. Regenerationsatemschutzgeräte, Schutzbrillen und Visiere, etc.) und setzt sich fort in einer koordinierten und sicheren Arbeits- und Vorgehensweise am Einsatzort bis hin zur fachgerechten Versorgung aller benutzten Gerätschaften und PSA nach dem Einsatz.
Unfallversicherungsschutz für Hilfsorganisationen
Bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) sind rund 3,5 Millionen Erwerbstätige und 1,4 Millionen in Ausbildung befindliche Personen versichert. Versicherungsschutz besteht für Mitglieder und Helferinnen/Helfer folgender freiwilliger Hilfsorganisationen:
- Freiwillige Feuerwehren
- Freiwillige Wasserwehren
- Freiwillige Rettungsgesellschaften
- Österreichisches Rotes Kreuz
- Österreichischer Bergrettungsdienst
- Österreichische Wasserrettung
- Österreichische Rettungshunde-Brigade
- Lawinenwarnkommissionen
- Rettungsflugwacht
- Strahlenspür- und -messtrupps
Ein Unfall im örtlichen, zeitlichen, ursächlichen Zusammenhang mit Ausbildung, Übung oder Einsatz bei den genannten Hilfsorganisationen ist dem Arbeitsunfall rechtlich gleichgestellt. Die damit verbundenen Wege sind ebenfalls geschützt.
Weiterführende Informationen finden Sie unter www.auva.at/versicherteninformation.
Zusammenfassung
Im Herbst 2019 fand die 3-tägige internationale Katastrophenschutzübung IRONORE im steirischen Eisenerz statt. Annahme war ein starkes Erdbeben mit einer Vielzahl an Verletzten und Verschütteten. Unterschiedlichste Szenarien stellten die Einsatzkräfte vor schwierige und fordernde Aufgaben.