Krebserzeugende Arbeitsstoffe
Betriebsberatungen zu Krebsrisiken: Arbeitsstoffverzeichnis gefragt
Nach fast zwei Jahren und über 100.000 Betriebsbesuchen berichten AUVA-Beraterinnen und -Berater über ihre Erfahrungen in Unternehmen zum Präventionsschwerpunkt „Gib Acht, Krebsgefahr!“ Das Verzeichnis gefährlicher Arbeitsstoffe spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Nur wenn bekannt ist, welche krebserzeugenden Arbeitsstoffe in einem Unternehmen verwendet werden, können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausreichend geschützt werden. Bei den AUVA-Beratungen zum aktuellen Präventionsschwerpunkt „Gib Acht, Krebsgefahr!“ ist das Verzeichnis gefährlicher Arbeitsstoffe daher ein zentrales Thema. Die Beraterinnen und Berater fragen zunächst, ob ein Arbeitsstoffverzeichnis vorhanden ist und ob darin auch im Arbeitsprozess entstehende Stoffe berücksichtigt sind. Zudem werden die einzelnen krebserzeugenden bzw. krebsverdächtigen Stoffe erhoben und die damit verbundenen Arbeitsvorgänge bzw. Tätigkeiten identifiziert. Seit Juli 2018 sind krebserzeugende Arbeitsstoffe Schwerpunktthema bei den AUVA-Betriebsbesuchen. Der größte Anteil an Beratungen entfiel bisher auf Klein- und Mittelbetriebe, die von den Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmedizinerinnen bzw. -medizinern von AUVAsicher betreut werden. In Betrieben mit über 50 Beschäftigten führen Fachkundige Organe und Arbeitsmedizinerinnen bzw. -mediziner der AUVA-Präventionsdienste Schwerpunktberatungen anhand von Betriebschecks durch. Welche Fragen, Anliegen und Probleme sie dabei festgestellt haben, berichten 18 Beraterinnen und Berater aus ganz Österreich, die in Unternehmen verschiedener Branchen und Größen unterwegs waren.
Die Anzahl der Beratungen zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen pro AUVA-Mitarbeiterin bzw. -Mitarbeiter lag in den ersten eineinhalb Jahren des Präventionsschwerpunkts bei bis zu mehreren Hundert; besucht wurden Betreuungseinrichtungen, Dienstleistungs-, Gewerbe- und Industriebetriebe. Krebserzeugende Arbeitsstoffe wurden bei allen Gesprächen thematisiert, selbst in Bereichen, in denen kein Kontakt mit gefährlichen Stoffen zu erwarten war. „Ich habe das Thema auch im Bürobetrieb angesprochen, um zu sensibilisieren“, so Sicherheitsfachkraft Konrad Rusch vom Präventionszentrum Dornbirn.
Mangelhaftes Wissen
Dass eine Sensibilisierung nötig ist, zeigen die zum Teil großen Wissenslücken. „Auffallend war, dass vielen die Verwendung potenziell krebserzeugender Stoffe nicht bewusst war – sowohl Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern als auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dies hat im ersten Moment zu Verwunderung bzw. Unsicherheit geführt“, erklärt DI Dr. Johannes Sturn, Fachkundiges Organ Unfallverhütungsdienst, von der Außenstelle Dornbirn. Dass krebserzeugende Stoffe sowohl über die Atemwege als auch durch Verschlucken oder über die Haut aufgenommen werden können, ist laut DI (FH) Kurt Jäger, Experte für Maschinenbau, vom Unfallverhütungsdienst Salzburg – Innsbruck, ebenfalls oft nicht klar.
Selbst bei gekennzeichneten gefährlichen Arbeitsstoffen ist das Wissen oft gering. So gab es laut Arbeitsmedizinerin Dr. Cornelia Ortner vom Präventionszentrum Salzburg immer wieder Fragen zu H-Sätzen (Gefahrenhinweisen) und Gefahrenpiktogrammen, vor allem zu dem auch als “Exploding Man” bezeichneten Piktogramm „Gesundheitsgefahr“. Rusch erklärt sich dies folgendermaßen: „Die wenigsten schauen die Symbole oder die Datenblätter an, der ‘exploding man’ ist meistens unbekannt. Die bisherige Kennzeichnung mit Totenkopf-Symbol war vielleicht abschreckender. Ich erkläre dann, dass der Totenkopf zum Teil durch den Exploding Man ersetzt worden ist.“
Einige der Beraterinnen und Berater sehen unter anderem folgendes Problem: „Leider wurden krebserzeugende oder vermutlich krebserzeugende Eigenschaften von Produkten von Lieferanten oder Vertretern der Lieferanten oftmals nicht besonders explizit den Anwenderinnen und Anwendern kommuniziert“, beklagt Sicherheitsfachkraft Alfred Fischböck vom Präventionszentrum Salzburg. Statt den gefährlichen Produkten Sicherheitsdatenblätter beizulegen, würde häufig nur mehr ein auf dem Lieferschein oder der Rechnung aufgedruckter Link zur Online-Version des Sicherheitsdatenblatts führen.
Versteckte und verdrängte Gefahren
Die Beraterinnen und Berater weisen bei ihren Betriebsbesuchen darauf hin, dass man das Sicherheitsdatenblatt auch bei Produkten lesen sollte, in denen man keine krebserzeugenden Stoffe vermutet. „Ab und zu sind krebserzeugende Arbeitsstoffe nicht gleich offensichtlich erkennbar, etwa in Geschirrreinigern, Klebstoffen oder Härtern“, führt Ing. Daniela Komerzky, BSc, Fachkundiges Organ Maschinenbau, vom Unfallverhütungsdienst Wien einige Beispiele an. Sicherheitsfachkraft Roland Hlawaty vom Präventionszentrum Linz nennt mit Benzol im Treibstoff einen weiteren krebserzeugenden Stoff, der leicht übersehen wird.
Noch schwieriger ist das Erkennen von krebserzeugenden Stoffen, die während des Arbeitsprozesses entstehen oder freiwerden. „Entstehende Stoffe werden selten miteinbezogen, da keine Sicherheitsdatenblätter vorliegen“, so DI Herwig Hammerschmid, Fachkundiges Organ Chemie, vom Unfallverhütungsdienst der Außenstelle Klagenfurt. Diese Stoffe scheinen dann im Arbeitsstoffverzeichnis nicht auf, obwohl sie eigentlich darin erfasst werden müssten. Manchmal werden sogar als krebserzeugend bekannte Stoffe wie Edelstahl-Schweißrauch, einatembarer Holzstaub oder Dieselmotoremissionen nicht als solche erkannt.
Aber auch wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen, dass ein Arbeitsstoff krebserzeugend ist, erscheint ihnen das Risiko, selbst zu erkranken, zm Teil als gering. Das liegt zum einen daran, dass die Latenzzeit vom Kontakt mit dem krebserzeugenden Stoff bis zum Ausbruch der Krankheit sehr lange ist, andererseits neigen viele Menschen dazu, Unangenehmes zu verdrängen. Das hat auch Komerzky festgestellt: „Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist wie bei anderen Dingen, die nicht sofort eine Schädigung bewirken, das Risiko nicht abschätzbar: ‚Das ist weit weg, passiert mir nicht, betrifft mich nicht.‘“
Diesem gefährlichen Verdrängungsmechanismus leisten manchmal sogar Führungskräfte Vorschub, wie Sicherheitsfachkraft Ing. Milan Vrecl vom Präventionszentrum Graz festgestellt hat: „Ab und zu werden die Gefahren aus Kostengründen verharmlost wie die Benzinabgase im Forstbereich. Da werden Beispiele von ehemaligen Forstarbeiterinnen und Forstarbeitern aufgezeigt, die schon älter sind und keinen Krebs bekommen haben.“ „Es hängt auch von der Chefin bzw. vom Chef ab, ob ein Bewusstsein da ist und etwas gemacht wird“, bringt es Arbeitsmedizinerin Dr. Maria Malle-Verdel vom Präventionszentrum Innsbruck auf den Punkt.
Unvollständiges Arbeitsstoffverzeichnis
Mit Aufklärung allein ist es oft nicht getan, stellt Sicherheitsfachkraft Mag. Dr. Johannes Fried vom Präventionszentrum Innsbruck fest: „Umfangreichere Arbeitsstofflisten sind meist nur dann vorhanden, wenn schon eine Messpflicht bzw. Untersuchungspflicht in den betreffenden Betrieben wahrgenommen oder behördlich vorgeschrieben wurde, oder wenn in früheren Beratungen der AUVA darauf hingewiesen wurde.“ Für Ortner ist fachliche Hilfe bei der Erstellung des Arbeitsstoffverzeichnisses vorrangig: „Insbesondere die Kleinstbetriebe brauchen da professionelle Hilfe, sie sind sonst inhaltlich und vor allem zeitlich überfordert.“
Dass das Arbeitsstoffverzeichnis vorhanden und richtig geführt ist, trifft nach Einschätzung der Beraterinnen und Berater je nach Branche nur auf wenige bis maximal die Hälfte der kleineren Betriebe zu. „Das Arbeitsstoffverzeichnis ist zu zirka 50 Prozent nicht vorhanden bzw. nicht aktualisiert oder unvollständig. Optimale Arbeitsstoffverzeichnisse sind vorrangig in Betrieben mit zertifiziertem Sicherheits- und Gesundheitsmanagement-System zu finden“, erklärt Arbeitsmedizinerin Dr. Ingrid Kaller vom Präventionszentrum Graz. Das bei den Beratungen empfohlene Online-Tool „AUVA-Arbeitsstoffverzeichnis“ wird von zahlreichen Unternehmen als willkommene Hilfestellung geschätzt.
Hygiene und PSA
Zu den Problembereichen zählen auch Hygiene und PSA. „Mängel bei der allgemeinen Hygiene und unzureichende Schutzausrüstung sind in zirka der Hälfte der Fälle anzutreffen“, so Arbeitsmediziner Dr. Johannes Ringseis vom Präventionszentrum Linz. Laut Hlawaty nehmen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hygienevorschriften häufig nicht ernst genug: „Leider werden Speisen und Getränke sehr oft in Bereichen eingenommen, in denen gefährliche Arbeitsstoffe verarbeitet werden oder entstehen. Die typischen ‚Pausenräume‘ stehen meist zur Verfügung, sie werden aber teilweise nicht genutzt.“
Aber auch den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern attestieren die Beraterinnen und Berater der AUVA Verbesserungspotenziale, etwa bei Schulung und Unterweisung. Bei den Beratungen wird darauf geachtet, ob die Belegschaft über gefährliche Arbeitsstoffe informiert ist. Bei längeren Betreuungsintervallen und höherer Fluktuation in einem Unternehmen entdeckt man Informationsdefizite laut Malle-Verdel häufig erst später: „Kleine Betriebe besuchen wir oft nur alle zwei bis drei Jahre. Wenn in der Zwischenzeit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechseln und die Unterweisung unvollständig ist, wissen die Neuen nicht über die Gefahren Bescheid.“
Unterschiedliches Interesse an den Beratungen hat Dr. Parisa Ansari Eshlaghi, Fachkundiges Organ Chemie, von der Abteilung Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung der AUVA-Hauptstelle wahrgenommen, wobei der positive Gesamteindruck überwogen hat: „Viele Unternehmen waren sehr interessiert. Einige haben auch näher nachgefragt. So hat etwa eine Firma den Hinweis, dass Beschäftigte ihre Arbeitskleidung nicht zu Hause reinigen dürfen, wenn sie mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen arbeiten, gleich dankbar aufgegriffen. Für den Betrieb war das ein Aha-Effekt. An die Gefährdung durch das Verschleppen der Arbeitsstoffe haben sie einfach nicht gedacht."
Umsetzung von Schutzmaßnahmen
Unter den technischen Maßnahmen ist es vor allem die Absaugung, die bei den Beratungen auffällt. Sie entspricht häufig nicht den Anforderungen, wird falsch oder gar nicht verwendet und fehlt manchmal sogar komplett. Noch immer kommt es etwa vor, dass Holzstaub abgeblasen statt abgesaugt wird.
Speziell kleinere Unternehmen wissen oft nicht darüber Bescheid, welche Sicherheitsmaßnahmen vorgeschrieben sind und wie sich diese mit den vorhandenen Ressourcen verwirklichen lassen. „Es kommen z. B. Fragen nach den erforderlichen Schutzmaßnahmen und vor allem nach der Umsetzbarkeit im betrieblichen Alltag – eine oftmals durchaus berechtigte Sorge von Kleinunternehmen, wie ich sie betreue“, so Fried.
Bei der Frage, ob sich Unternehmen bestimmter Branchen bezüglich ihres Wissensstands und der Umsetzung von Schutzmaßnahmen unterscheiden, gehen die Meinungen der Beraterinnen und Berater auseinander. So wird etwa dem Bau- und Baunebengewerbe zum Teil ein hoher Wissensstand attestiert, aber auch kritisiert, dass insbesondere bei Arbeiten mit Asbest Schutzmaßnahmen außer Acht gelassen werden. Dabei gilt Asbest als hochgradig krebserzeugend. Die Verwendung ist zwar seit 1990 in Österreich verboten, doch Beschäftigte können nach wie vor bei Abbruch- und Umbauarbeiten mit Asbest in Kontakt kommen.
Generell dürften Betriebe, in denen nicht ständig mit krebserzeugenden Stoffen gearbeitet wird, weniger gut informiert und auch bei der Umsetzung nicht so konsequent sein. In Branchen, die – zusätzlich zum ArbeitnehmerInnenschutz – einer strengeren gesetzlichen Regulierung unterliegen, wird hingegen auch auf den Schutz vor krebserzeugenden Arbeitsstoffen besonders geachtet. Dr. Josef Drobits, Chemiker im Unfallverhütungsdienst Wien, nennt als Beispiel die Pharmaindustrie: „Wo Produktschutz mit dem Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutzschutz (fast) zwingend verlinkt ist, funktioniert es ausgezeichnet!“ Laut Ing. Gerhard Schmid, Maschinenbau-Experte im Unfallverhütungsdienst der Landesstelle Graz, sind Wissensstand und Standard in der Lebensmittelindustrie aufgrund der gesetzlichen und hygienischen Vorgaben sehr hoch.
Überraschung und Erstaunen
Konfrontiert man ein Unternehmen damit, dass es – bisher nicht als solche erkannte – krebserzeugende Arbeitsstoffe verwendet, sind die Reaktionen laut den Beraterinnen und Beratern unterschiedlich. Oft schlage ihnen Überraschung und Erstaunen entgegen. Das hat auch DI Eva Ruppert-Pils, Präventionsexpertin in der Abteilung Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung der AUVA-Hauptstelle beobachtet: „Es gibt immer wieder Betriebe, die sich gar nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben, keine ordentliche Arbeitsstoffliste führen und dann überrascht reagieren, dass es auch bei ihnen krebserzeugende Arbeitsstoffe gibt.“
Manchmal wird abgeblockt, wenn die Beraterin bzw. der Berater auf krebserzeugende Arbeitsstoffe zu sprechen kommt. Man sieht, dass sich manche Betriebe mit diesem Thema nicht sehr gerne auseinandersetzen“, so Hlawaty. Laut Malle-Verdel folgt nach einer abwehrenden Reaktion oft eine Nachdenkphase: „Im ersten Moment sind viele erstaunt, dass das in ihrem Betrieb ein Thema sein kann, dann kommt die reflexartige Antwort: ‚So etwas haben wir nicht.‘ Dann Erstaunen und Irritation, wenn wir gemeinsam mit ihnen den einen oder anderen krebserzeugenden Stoff finden.“ Daraufhin würden meist Schutzmaßnahmen gesetzt, etwa durch Substitution.
Jäger sieht unterschiedliche Reaktionen einerseits bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, andererseits bei den Beschäftigten: „Bei den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gibt es kaum Bedenken, da sie darauf vertrauen, dass ihre Präventivkräfte die gefährlichen Arbeitsstoffe evaluiert und gegebenenfalls Maßnahmen gegen die Gefährdung gesetzt haben. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren teilweise sehr interessiert daran, ob in ihrem Bereich krebserzeugende Arbeitsstoffe schädlich einwirken können.“ Das treffe aber nicht auf alle zu, da es rund einem Drittel egal sei, mit welchen Arbeitsstoffen sie arbeiten.
Das Interesse ist bei jenen Personen am stärksten, die selbst an Krebs erkrankte bzw. bereits verstorbene Angehörige oder Arbeitskolleginnen bzw. -kollegen haben. Typische Fragen sind für Jäger: „Was ist Asbestose? Wie lange dauert es, bis man an Krebs erkrankt? Sterben viele Menschen durch Krebs, der durch das Arbeiten mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen entstanden ist?“ Auch Informationen über die Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit sind gefragt, so die Beraterinnen und Berater. Einschränkend muss allerdings erwähnt werden, dass das Anerkennungsgeschehen nur teilweise etwas über das Erkrankungsrisiko aussagt, da nur ein Teil der arbeitsassoziierten Krebserkrankungen über die Berufskrankheitenliste erfasst wird und die Dunkelziffer dementsprechend hoch ist.
Sorgen der Arbeitgeber
Sorgen anderer Art haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, wenn ihnen klar wird, dass sie (zusätzliche) Schutzmaßnahmen ergreifen müssen. „Teilweise besteht Unsicherheit, wie geeignete und ausreichende Maßnahmen realisiert werden können“, so Hammerschmid. Das kann auch Fried bestätigen, der als Schreckgespenst für die Arbeitgeberseite einerseits die „anstehende Bürokratie“ mit Erstellen von Arbeitsstoffverzeichnis und Betriebsanweisungen, Durchführung von Unterweisungen sowie Meldungen an Behörden sieht, andererseits die finanziellen Folgen durch die Schaffung technischer Schutzmaßnahmen oder den Umstieg auf teurere Ersatzstoffe. Befürchtet die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber, dass die Maßnahmen eine Umstellung im gewohnten Betriebsablauf mit sich bringen könnten, wird manchmal abgeblockt. Aber Fried weiß Rat: „Wenn man dann mit konkreten Fallbeispielen oder Statistiken Fakten erklären, vielleicht auch noch ganz einfache Schutzmaßnahmen als Vorschlag nennen kann, schwindet die Skepsis schnell.“ Ein weiterer von den Beraterinnen und Beratern genannter Punkt, der zu einer Abwehrhaltung führt, ist die Angst vor den Reaktionen der – davor nicht informierten – Belegschaft. Auch hier helfen faktenbasierte Informationen der Beraterinnen und Berater.
Positives Feedback
Obwohl es sich bei krebserzeugenden Arbeitsstoffen um ein sehr ernstes, auch emotional betroffen machendes Thema handelt, herrscht bei den Beraterinnen und Beratern Einigkeit darüber, dass es in den Betrieben ausgesprochen gut angenommen wird. „Von all den Schwerpunkten, die ich begleiten durfte, ist dieser hier der nicht nur meiner Meinung nach wohl erfolgreichste und effizienteste. Auch deshalb, weil wir Präventionsfachkräfte der AUVA auf dieses Thema sehr intensiv geschult wurden und die AUVA den Betrieben mit ihren Broschüren, Merkblättern und dem Online-Arbeitsstoffverzeichnis ausgezeichnetes Hilfsmaterial gibt, um mit dem Thema umzugehen“, zeigt sich Fried begeistert.
Besonderes Lob gibt es für das Online-Tool „Arbeitsstoffverzeichnis“ der AUVA. Für die Betriebe bringe es eine deutliche Vereinfachung, betont Vrecl: „Wenn dieses Tool den Unternehmerinnen und Unternehmern gezeigt bzw. vorgestellt wird, dann wird es wegen seiner Einfachheit und dem professionellen Ergebnis sehr gerne angenommen.“ Mittlerweile seien in der Datenbank bereits viele namhafte Lieferanten und Hersteller mit ihren Produkten vertreten, wodurch man nicht für jeden verwendeten Arbeitsstoff alle Daten eintragen müsse.
Die Merkblätter der M.plus-Serie zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe mit allgemeinen und branchenbezogenen Informationen stoßen in den Betrieben ebenfalls auf reges Interesse und unterstützen die AUVA-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihren Beratungsgesprächen. „Die Unterlagen sind gut, ich habe sie gern bei Beratungen herangezogen. Man kann sich bei der Beratung nicht alles merken, daher sage ich dazu, wo man was nachlesen kann“, so Komerzky.
Erfolge des Schwerpunkts
Die Beratungen haben bereits zu Erfolgen geführt. Einer der größten ist die durch die Beratungen der AUVA beschleunigte Entwicklung von gesundheitlich unbedenklichen Reinigungsmitteln. „In Gastronomiebetrieben haben bereits mehrere Unternehmen auf die Lieferanten Druck ausgeübt, damit krebserzeugende Substanzen aus Reinigungsmitteln entfernt werden. Jetzt finde ich in fast keinem Gastronomiebetrieb mehr Geschirrspülmittel oder Bodenreiniger, die vermutlich krebserzeugend sind. Das kann durchaus als Erfolg von Beratungen der AUVA angesehen werden“, ist sich Vrecl sicher. Beobachten lässt sich auch ein gestiegenes Interesse daran, Klarheit über eine mögliche Gefährdung durch krebserzeugende Arbeitsstoffe im eigenen Betrieb zu bekommen. Neben stoffspezifischen Beratungen ist insbesondere der Bedarf an Messungen gestiegen. „Vor allem der Wunsch, Grenzwertvergleichsmessungen durchzuführen, hat zugenommen. Auch werden Beratungen zu speziellen Stoffen angefragt. Dieses Thema hat viele, auch persönlich, angesprochen und wachgerüttelt“, erklärt Sturn. Manchmal, so Komerzky, könne auch Entwarnung gegeben werden, etwa, wenn im Zuge von Beratungen oder Messungen festgestellt werde, dass die Arbeitsvorgänge im grünen Bereich liegen.
Die Merkblätter der M.plus-Serie zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe mit allgemeinen und branchenbezogenen Informationen stoßen in den Betrieben auf reges Interesse.
Neues AUVA-Merkblatt: Krebserzeugende Arbeitsstoffe auf Baustellen
In Österreich entfällt auf Bauberufe der durchschnittlich höchste Anteil an Berufskrankheiten mit Diagnose „Krebs“ (AUVA-Statistik 2010–2018). Für Betriebe bietet die AUVA daher jetzt in einem neuen Merkblatt einen Überblick über Schutzmaßnahmen für zehn häufig vorkommende krebserzeugende bzw. -verdächtige Arbeitsstoffe auf Baustellen.
Das Merkblatt M.plus „340.6 Krebserzeugende Arbeitsstoffe auf Baustellen“ zeigt, bei welchen Tätigkeiten potenziell krebserzeugende Stoffe verwendet oder freigesetzt werden, wie sie in den Körper gelangen und wie man sich schützt. Das erleichtert es Vorgesetzten auf Baustellen, Risikopotenziale zu erkennen und Schutzmaßnahmen für Beschäftigte zu setzen. Das Merkblatt ist kostenlos unter www.auva.at/merkblaetter bestellbar.
Staubarmes, sauberes Arbeiten wichtig
Einige Stäube, wie etwa Asbest-, Quarz- oder einatembarer Holzstaub, bergen ein erhöhtes Risiko für Krebs- bzw. Atemwegserkrankungen. Staubarmes Arbeiten ist daher eine wichtige Basis für den Gesundheitsschutz auf Baustellen. Dasselbe gilt für die Hygiene bei der Arbeit. Sie schützt Beschäftigte davor, gefährliche Stoffe unabsichtlich aufzunehmen oder etwa über ihre Arbeitskleidung nach Hause zur Familie zu verschleppen.
Das neue Merkblatt ist unter www.auva.at/merkblaetter kostenlos bestellbar.
Die Merkblätter der M.plus-Serie zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe mit allgemeinen und branchenbezogenen Informationen stoßen in den Betrieben auf reges Interesse.
FAQ zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen: Die AUVA antwortet!
Im Rahmen des AUVA-Präventionsschwerpunktes „Gib Acht, Krebsgefahr!“ beantworten AUVA-Expertinnen und -Experten in jeder Ausgabe von SICHERE ARBEIT bis Ende 2020 häufig gestellte Leserfragen zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe.
Haben auch Sie Fragen? Dann senden Sie diese an FAQkrebsgefahr@auva.at!
Gibt es auch Untersuchungspflichten nach VGÜ für krebsverdächtige Stoffe?
Auch einige krebsverdächtige Arbeitsstoffe wie z. B. Chloroform oder Isocyanate können laut VGÜ eine Untersuchungspflicht auslösen. Bei Isocyananten steht allerdings für die Untersuchungspflicht nicht die krebsverdächtige, sondern die sensibilisierende Wirkung im Vordergrund.
Sind Arbeitnehmer, die mit künstlichen Mineralfasern (z. B. Aluminiumsilikatfasern) arbeiten, untersuchungspflichtig gemäß VGÜ? Gibt es hier eine Empfehlung?
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die mit „alten“ künstlichen Mineralfasern (sofern krebserzeugend gem. GKV-Anhang III C) arbeiten, muss laut VGÜ eine freiwillige Untersuchung (§ 51 ASchG) angeboten werden. Der empfohlene Zeitabstand zwischen den Untersuchungen beträgt fünf Jahre.
Ab wann muss man Beschäftigte in das „Verzeichnis der ArbeitnehmerInnen“ aufnehmen?
Wenn Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer der Einwirkung krebserzeugender, erbgutverändernder, fortpflanzungsgefährdender oder biologischer Arbeitsstoffe (Gruppe 3 oder 4) ausgesetzt sind, dann ergibt sich aus dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (§ 47 ASchG) die Verpflichtung zur Führung eines Verzeichnisses exponierter Arbeitnehmer („Verzeichnis der ArbeitnehmerInnen“).
Muss man auch Beschäftigte in das „Verzeichnis der ArbeitnehmerInnen“ aufnehmen, die mit krebsverdächtigen Stoffen arbeiten?
Ja, auch bei der Verwendung von krebsverdächtigen Arbeitsstoffen ergibt sich aus dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (§ 47 ASchG) die Verpflichtung zur Führung eines Verzeichnisses exponierter Arbeitnehmer („Verzeichnis der ArbeitnehmerInnen“).
Ist jemand, der durch persönliche Schutzausrüstung „perfekt“ geschützt ist und mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen arbeitet, noch als exponiert anzusehen?
Ja, auch trotz Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung sind Beschäftige, die mit krebsverdächtigen oder krebserzeugenden Arbeitsstoffen in Kontakt kommen, als exponiert anzusehen.
Welche Meldeverpflichtungen gibt es für Stoffe mit begründetem Verdacht auf krebserzeugendes Potenzial?
Im Unterschied zu eindeutig krebserzeugenden Stoffen müssen Stoffe mit begründetem Verdacht auf krebserzeugendes Potenzial, die mit H351 gekennzeichnet sind, vor erstmaliger Verwendung nicht gemeldet werden. Die Grenzwerteverordnung sieht für Arbeitsstoffe mit begründetem Verdacht auf krebserzeugendes Potenzial unter § 11 Z 2 GKV bezüglich der Meldeverpflichtung an die Arbeitsinspektion vor der erstmaligen Verwendung (§ 42 Abs. 5 ASchG) eine Ausnahme vor.
Die Sammlung aller Fragen und Antworten zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen können Sie auf der Webseite zum AUVA-Präventionsschwerpunkt nachlesen: www.auva.at/krebsgefahr, Menüpunkt „Häufig gestellte Fragen (FAQ)“
Zusammenfassung
Zum Präventionsschwerpunkt „Gib Acht, Krebsgefahr!“ finden seit Mitte 2018 Betriebsberatungen statt. Die Beraterinnen und Berater der AUVA informieren über krebserzeugende Arbeitsstoffe und unterstützen die Betriebe beim Erkennen dieser Stoffe und bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Welchen Herausforderungen sie dabei begegnet sind und in welchen Bereichen sich bereits Erfolge abzeichnen, berichten AUVA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter von ihren Besuchen in Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen in ganz Österreich.