Ergonomie
Ergonomische Lichtplanung im modernen Büro
Bei der Planung von ergonomischen Lichtkonzepten für Büroräume muss eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren berücksichtigt werden. Unter dem Schlagwort Human Centric Lighting wird ein Konzept verfolgt, das zielgerichtet und langfristig die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Menschen positiv beeinflussen soll. Bei der Umsetzung von HCL-Konzepten hat man bisher gute Erfahrungen sammeln können.
Bei der Optimierung von Arbeitsbedingungen und Arbeitsabläufen in Bürogebäuden geht es darum, auf den aktuellen technischen Stand der Lichtplanung aufzusetzen, die Intentionen der Norm aufzuzeigen und kritisch mit der tatsächlichen Umsetzung abzugleichen sowie Korrekturpotenziale zu benennen. Der erste Teil dieses Artikels beschäftigt sich daher mit den normativen Anforderungen der ÖNORM EN 12464-1. Darauf aufbauend spielen aktuelle Trends, Tendenzen und Entwicklungen eine Rolle, die möglicherweise in Zukunft den allgemeinen technischen Stand definieren werden und in jedem Fall über den heutigen Stand hinaus maßgeblich zur Arbeitsverbesserung beitragen. Der zweite Teil widmet sich dem branchenbestimmenden Thema des Human Centric Lighting (HCL). Da Innovationen immer auch auf ihre erfolgreiche Realisierbarkeit geprüft werden müssen, sind Best-Practice-Beispiele notwendig, die zugleich standardisierte Anforderungen und veränderte, qualitative Zielsetzungen an eine ergonomische Lichtplanung verbinden. Der dritte und abschließende Teil befasst sich mit den konkreten lichttechnischen Ausführungen des seit Ende 2015 neu entstandenen Bürostandortes der österreichischen Vertriebsgesellschaft der Zumtobel Gruppe in der Wagramer Straße im 22. Wiener Gemeindebezirk.
Was legt die Norm fest?
Die Anforderungen an die Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen werden durch die ÖNORM EN 12464-1 definiert. Diese setzt sich u. a. mit den Sehaufgaben in Büroräumlichkeiten auseinander, wobei die Eingrenzung auf der visuellen Wahrnehmung eines Menschen mit normalem Sehvermögen liegt und hauptsächlich den Sehkomfort und die Sehleistung bestimmt. Die geltende Norm selbst entspricht jedoch nur noch in Teilen ihrer Erstfassung aus 2002, diese wurde durch die Überarbeitung aus 2011 ersetzt. Zu den wichtigsten Mess- und Berechnungsgrößen zählen die Beleuchtungsstärke, die Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärkeverteilung, die Entblendung und der Farbwiedergabeindex, die entweder einem Bereich der Sehaufgabe und/oder Räumen zugeordnet werden.
Mit der Aktualisierung der ÖNORM EN 12464-1 wurden ganze Sektionen verändert oder ergänzt. So geht die „Lichtumgebung“ (zuvor „Lichtklima“) auf die Variabilität in Niveau und Farbe des Lichts ein. Die Leuchtdichteverteilung an Raumbegrenzungsflächen ist flächig im Mittel angehoben und zielt darauf ab, das Adaptionsverhalten des menschlichen Auges infolge geringer Differenzierungen zwischen hellen und dunklen Flächen zu harmonisieren. Aus derselben Intention heraus wurde der bereits definierte Bereich der Sehaufgabe um den „unmittelbaren Umgebungsbereich“ und den „Hintergrundbereich“ erweitert. Ausgehend vom Beleuchtungsniveau der jeweiligen zu verrichtenden Arbeit reduziert sich die Ausleuchtung für den unmittelbaren Umgebungs-/Hintergrundbereich graduell auf Mindestwerte.
Überhaupt wurde die Harmonisierung der Beleuchtungsstärkeniveaus durch die Fixierung von Gleichmäßigkeitsvorgaben pro Sehaufgabe aufgewertet. Im Punkt der Reflexblendung sind die gestiegenen Eigenleuchtdichten von Bildschirmen aufgenommen und demzufolge die Grenzwerte für die mittleren Leuchtdichten von Leuchten reduziert worden. Als neuere Messgröße wurde die zylindrische Beleuchtungsstärke ergänzt und ausdefiniert, welche insbesondere eine gute visuelle Kommunikation unterstützen soll, indem Gesichter, Gestik und Mimik besser erkennbar werden. Die Erwähnungen von Tageslicht und der Veränderlichkeit von Licht deuten zwar bereits oberflächlich auf nicht-visuelle Funktionen des Lichts hin, gehen jedoch nur unzureichend darauf ein. Das Auslassen von Dynamik und biologischer Wirksamkeit des Tageslichts und ihrer Ableitungen auf das Kunstlicht wird bereits im wissenschaftlichen Kontext als „Biologische Dunkelheit“ betitelt, da die nicht-sichtbaren Effekte des Lichts keine Berücksichtigung finden.
Auch in Bezug auf die rein visuelle Wahrnehmung hat es Korrekturen der ÖNORM EN 12464-1 zum Ende des Sommer dieses Jahres gegeben. Zum Beispiel wird ein weit verbreitetes Manko adressiert, dass der Wartungswert einer Beleuchtungsstärke gleichgesetzt wird mit der Anforderung für eine Sehaufgabe. Dafür soll ein zusätzlicher, erhöhter Wartungswert (upper maintained illuminance) eingeführt werden. Des Weiteren soll das UGR-Verfahren zur Regulierung von Blendungen erneuert werden. Auch bedarf es Veränderungen bezüglich der Thematiken Abschirmwinkel und Flicker von Leuchten.
Human Centric Lighting: Der Mensch im Mittelpunkt
Die Wahrnehmungen durch das menschliche Sehorgan lassen sich nicht auf die rein visuelle Funktion wie das Helligkeits- oder Farbsehen reduzieren. Diese Funktion steht für Kontrastierung und Differenzierung, also für die eigentliche Sehleistung. Eine weitere Funktion des Lichts bestimmt das emotionale Empfinden. Sie ist ganz wesentlich für die Akzeptanz der räumlichen Umgebung verantwortlich, ist stimmungsgebend und -gestaltend. Hierbei haben flächiges, farbiges Licht und eine hohe Übereinstimmung der Spektren von Lichtquelle und Materialität einen wesentlichen Einfluss. Die Funktion des Lichts als biologischer Taktgeber ist bereits länger bekannt. Jedoch erst mit der Entdeckung der Ganglienzellen als photosensitive Rezeptoren im menschlichen Auge im Zusammenhang mit der Erforschung von chronobiologisch geregelten Tagesabläufen ist die Bedeutung des Lichts für die vordefinierte Taktung sämtlicher Stoffwechselvorgänge im menschlichen Organismus wissenschaftlich fundiert worden.
Der Arbeitsrhythmus im Büro wird weitgehend bestimmt durch künstliches Licht. Dies hat licht.de (eine Brancheninitiative des ZVEI) als Grundlage genommen, um einen Leitfaden zu erstellen, der den Menschen in den Mittelpunkt des Lichtkonzepts stellt und sämtliche Funktionen des Lichts betrachtet. Der Fokus auf die menschlichen Bedürfnisse in der Lichtplanung von Arbeitsstätten in Innenräumen wird seit einiger Zeit unter der Begrifflichkeit Human Centric Lighting (HCL) zusammengefasst. Dies war der gegebene Anlass, eine gewisse inhaltliche Ausdefinierung, Verständnisschärfung und Abgrenzung vorzunehmen.
Grundlegend festzuhalten ist, dass HCL zum einen nicht gleichzusetzen ist mit „biologischem Licht“, also lediglich mit jener Funktionsweise des Lichts, die die Taktung des circadianen Rhythmus des menschlichen Organismus triggert. Zum anderen ist HCL auch keine neue Beschreibung für eine lichterzeugende Technologie wie „Tunable White“, welche variables Kunstlicht in puncto Farbtemperatur und Helligkeit zur Verfügung stellt. Damit ist HCL auch kein Produkt, das per Artikelnummer bestellt wird. Hingegen ist Human Centric Lighting ein Konzept. HCL unterstützt zielgerichtet und langfristig die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Menschen. Beginnend mit einer Fachplanung, über die Inbetriebnahme der installierten Beleuchtungslösung bis hin zum Servicieren, Warten und Schulen werden sämtliche Phasen vor und während der Nutzungszeit abgedeckt. Ausgehend von einer Objekt- und Bedarfsanalyse wird ein tageszeitlicher Verlauf der Lichtwirkung am Ort der jeweiligen Sehaufgabe und des Raumes unter Einbezug geeigneter Technologien erstellt. Dies konkretisiert die Licht- und Steuerungsplanung.
Mit der Errichtung und Inbetriebnahme entstehen Tagesverläufe in jahreszeitlicher, saisonaler und uhrzeitlicher Abhängigkeit, die neben der Inkludierung notwendiger, automatisierter Verschattung zur Vermeidung unerwünschter Blendungen durch Tageslichtkonstellationen vor allem vordefinierte Empfehlungen des Leitfadens umsetzen. Die professionelle Dokumentation der konkreten Realisierung im Gebäude sichert die zielgerichtete Verwendung der Anlage für die gesamte Nutzungszeit ab.
Die Einbeziehung der Anwender und Nutzer im Büro, vor allem deren Schulung über Grundlagen zu Sinn und Zweck und individueller Bedienbarkeit stellt einen wichtigen Eckpfeiler von HCL als Konzept dar. Um neben der visuellen und emotionalen Wirkung des Lichts die biologische Wirksamkeit durch Kunstlicht anzusprechen, sind ganz allgemein wirksame Faktoren: ein hohes Beleuchtungsstärke-Niveau, umfangreiche Lichtaustrittsflächen, melanopisch wirksame Blaulichtanteile im Lichtspektrum, lange Einwirkdauer, eine Lichtdynamik in Synchronisation zu tatsächlichen Tageslichtverhältnissen und hohe Leuchtdichten an Raumbegrenzungsflächen vor allem an Wänden und Decken.
Am eigenen Bürostandort umgesetzt
Der Ende 2015 neu entstandene Wiener Bürostandort der österreichischen Vertriebsgesellschaft der Zumtobel Gruppe im IZD-Tower, Wagramer Straße 19, zeigt die Ergebnisse einer Lichtplanung, Ausführung und Nutzung im Sinne einer holistischen Berücksichtigung aller Funktionsweisen des (Tages-/Kunst-)Lichts. Bereits in der Lobby werden aus dem Verständnis für Orientierung und Wegführung die vertikalen Flächen im Stiegenbereich hervorgehoben und leiten in das erste Obergeschoss.
Der vielseitige Wechsel von unterschiedlichsten Reflexionswerten der verwendeten Materialien und Oberflächen lehnt sich an den natürlichen Wechsel von Licht und Schatten an und bietet zugleich einen harmonischen Übergang von der tatsächlichen Außenwelt ins Innere, indem hohe vertikale Beleuchtungsstärken die Adaption des Auges kaum beanspruchen. Für Veranstaltungen inszeniert farbiges Licht und das Lichtspiel mit dem Relief der Branding Walls die Atmosphäre im Obergeschoss.
Das Bürolayout integriert Arbeitsräume (Großraum-, Gruppen- und Einzelbüros), unterbricht und ergänzt sie mit Besprechungs- und einer Break-out-Zone. Große Fensterflächen entlang der langgestreckten Fassade und ein innenliegender Lichthof versorgen die Räumlichkeiten mit natürlichem Licht. Das Kunstlicht ergänzt in der Break-out-Zone mit großflächigen, Farbtemperatur veränderlichen Lichtaustrittsflächen im Bereich von 2.700 bis 6.500 K stufenlos den Verlauf des Lichts der natürlichen Umgebung oder kreiert eine abendliche Stimmung nach Arbeitsschluss. Hohe und besonders gleichmäßige Beleuchtungsstärken in der zylindrischen Ausleuchtung von sitzenden und stehenden Personen vereinfachen die nonverbale Kommunikation durch eine hohe Unterstützung der visuellen Wahrnehmung von Gesichtern, Gestik und Mimik.
An den Schreibtischarbeitsplätzen kommt die Integration einer Gebäudesteuerung im Einklang mit einem reichhaltigen Tageslichtpotenzial besonders zur Geltung. Dabei wird die Art, Menge und Richtung des Tageslichts durch einen Tageslichtmesskopf am Dach erfasst. Je nach Sonnenstand trifft das Tageslicht als direktstrahlendes Licht steiler oder flacher auf die Außenfassade und kann für direkte Blendung oder Reflexblendung sorgen. Teil der Gebäudeautomation ist es, das in der Software hinterlegte, eingenordete Gebäude mit dem kalendertäglich bedingten Sonnenstand und den tatsächlichen Lichtverhältnissen abzugleichen und daraus resultierend betroffene Fassadenteile zu verschatten und dahinterliegende Büroteile synchron mit Kunstlicht zu versorgen.
Bei blendfreien Konstellationen, zum Beispiel durch diffuses Tageslicht, bleibt die Verschattung inaktiv und reduziert den Kunstlichtbedarf auf die raumtieferen Bereiche. Parallel zur Steuerung der Lichtmengen werden passend zur Tageszeit die Farbtemperaturen nachgeführt, sodass die Vorteile der Break-out-Zone ebenso am Arbeitsplatz zur Geltung kommen. Der Algorithmus orientiert sich dabei am HCL-Leitfaden des ZVEI und definiert entsprechend den Einsatz von aktivierenden Blaulichtanteilen uhrzeitlich vor. Trotz aller Automatismen bleibt der manuelle Eingriff für die einzelnen Nutzer sehr wichtig. So ist es jederzeit möglich, das individuelle Beleuchtungsniveau über die Norm hinaus oder die Farbtemperatur am eigenen Arbeitsplatz zu verändern, um die Lichtsituation den situativen oder individuellen Bedürfnissen anzupassen. Der Eingriff erfolgt entweder über den PC oder per Wandbedienung. Zusammenfassend wurden sehr gute Erfahrungen aus der täglichen Praxis gesammelt, die die Wirksamkeit auf die positive Gestaltung der Arbeitsprozesse in puncto Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit durch Licht unterstreichen.
Zusammenfassung
Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit – all das kann heute auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschungsergebnisse durch die Wahl des „richtigen“ Lichts am Arbeitsplatz beeinflusst werden. Die ergonomische Lichtplanung nutzt diese Erkenntnisse.