Elektromagnetische Felder
Belastung durch starke Magnetfelder: die Hand im Fokus
In einem von der AUVA initiierten und von der Seibersdorf Labor GmbH durchgeführten Forschungsprojekt wurde der Frage nachgegangen, wie man eine verbesserte Bewertung von manueller Tätigkeit an starken Magnetfeldquellen durchführen kann. Auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Ansätze konnten dabei zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Zum Schutz der Beschäftigten vor elektromagnetischen Feldern ist in Österreichs Betrieben die Verordnung elektromagnetische Felder (kurz: VEMF [1]) anzuwenden; es werden hier entsprechende Vorgaben aus der Ebene der EU ([2], [3]) umgesetzt. Für das von außen einwirkende Feld werden sogenannte Auslösewerte festgelegt. Deren Unterschreitung garantiert die Einhaltung der zugeordneten Expositionsgrenzwerte – zumindest für all jene beruflich exponierten Personen, die keine zusätzliche bzw. besondere Gefährdung gegenüber EMF (wie z. B. Implantat-Träger) aufweisen. Die Merkblätter M 470 und M.plus 666 der AUVA sowie ein früherer Artikel in der SICHEREN ARBEIT ([4],[5]) geben allgemein zum Thema EMF & Evaluierung Auskunft.
Manuelle Tätigkeiten an starken Magnetfeld-Quellen
Am Arbeitsplatz ist gerade die Immission durch Magnetfelder im Niederfrequenzbereich – damit sind Frequenzen unterhalb von 100 kHz gemeint – besonders häufig und zum Teil durch starke Magnetfeld-Quellen gegeben. Da die Belastung rund um Letztere mit steigender Distanz sehr schnell abnimmt, ist eine hohe Exposition meist bei manuellen Tätigkeiten im Hand- und Unterarmbereich zu finden, da dabei die Nähe zu den emittierenden Geräten fast unvermeidbar ist. Zu solchen Expositionssituationen zählen Arbeiten an Induktionserwärmungsanlagen, Elektroschweißen (Führen des Kabels, einer Schweißpistole bzw. eines Schweißbrenners oder eines Werkstücks an einer Punktschweißanlage) sowie auch die Deaktivierung von Sicherungsetiketten („Tags“) bei einigen Warensicherungssystemen im Handel.
Zur Bewertung sind oftmals Computersimulationen erforderlich, da Auslösewerte bereits überschritten – oder aufgrund von enger Annäherung bzw. direktem Kontakt zur Quelle – gar nicht anwendbar sind. Auch die scheinbar einfache Frage, bis zu welchen Nennströmen Kabel und andere (isolierte) Anlagenteile expositionsbedingt noch berührt werden dürfen, zählt dazu.
Gemäß dem gesetzlichen Auftrag für sicherheitstechnisch relevante Forschung hat die AUVA zu diesem komplexen Thema ein Forschungsprojekt unterstützt, welches die „Bewertung von stark lokalisierten Magnetfeldexpositionen der Hände am Arbeitsplatz“ zum Titel hatte. Ziel war es, genauere Modelle und Methoden zur Bewertung der Magnetfeldexposition der Hand zu erarbeiten und in Relation zu oben genannten Expositionssituationen und den aktuellen Auslösewerten zu setzen.
Forschung an neuen Modellen für Hand & Haut
Zur Umsetzung war es notwendig, die Modellierung von Händen auf neue Beine zu stellen, da hier die bisher verfügbaren, teilweise stark vereinfachten Modelle die Qualität der Berechnungen begrenzt haben. Mittels Magnetresonanztomographie konnten Modelle für drei in der Praxis wichtige Handhaltungen neu erstellt werden (vgl. Abbildung 1). Dabei wurde bei der Modellierung der Haut wissenschaftliches Neuland betreten, indem auf dem anatomischen Modell ein mehrschichtiges Hautmodell mit bis zu neun Schichten implementiert wurde. Eine physiologische Diskussion zur Frage, in welchen Gewebeschichten eine biologische Wirkung überhaupt zu erwarten ist, ergänzt die Analyse.
Ergebnisse
Durch die neue Modellierung konnte die Qualität der Computersimulationen und damit der Bewertung deutlich gesteigert werden. So war es mittels systematischer Tests möglich, die Validität der Auslösewerte für Gliedmaßen, also die Gewährleistung des Schutzes, bei Exposition des Hand- und Unterarmbereichs klar zu belegen. Dabei wurden auch Situationen mit einem beidhändig gehaltenen Werkstück, wie das bei Punktschweißen vorkommen kann, berücksichtigt – dies kann nämlich zu höheren Belastungen führen und wird bei Analysen der Exposition oft noch zu wenig beachtet. Einige in der Praxis häufig anzutreffende Expositionssituationen mit stark lokalisierter Magnetfeldeinwirkung können auf Grundlage der neu erarbeiteten Erkenntnisse deutlich positiver beurteilt werden als bisher. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass das Umgreifen eines 50-Hz-Energiekabels bis zu Stromstärken von knapp über 18 Kilo-Ampere (kA, Voraussetzung ist dabei ein vernachlässigbarer Oberschwingungsanteil) noch zu keiner Überschreitung der Expositionsgrenzwerte führt, obwohl die Auslösewerte im Bereich der Hand um ein Vielfaches überschritten werden.
Selbst unter der Annahme eines hohen Oberschwingungsgehaltes kann das Umgreifen eines Leiters mit bis zu 1,6 kA Stromstärke im Leiter daher als a priori konform zu den Expositionsgrenzwerten angenommen werden. Diese Information ist eine wichtige Ergänzung bei der Evaluierung von Feldern der Energieversorgung gemäß OVE Richtlinie R27 [6]. Manuelle Tätigkeiten an Induktionserwärmungsanlagen und an Deaktivatoren für die Warensicherung im Handel konnten in unserem Evaluierungsbeispiel zwar ebenfalls positiv beurteilt werden, allerdings zeigt sich dabei, dass dies ausschließlich mittels solcher Berechnungen, die möglichst vom Hersteller der Anlage kommen sollten, möglich ist. Auslösewerte sind hier in der Praxis meist schon deutlich überschritten. Schließlich gibt es Technologien wie das Bolzenschweißen mit Kondensatorentladung, bei denen eine Überschreitung der Grenzwerte als wahrscheinlich anzusehen ist, wie auch die aktuellen Berechnungen zeigen [7].
Abseits der Forschung darf selbstverständlich Grundlegendes bei der Evaluierung von EMF nicht vergessen werden. Es gilt mit offenen Augen jene Bereiche in den Betrieben zu identifizieren, in denen relevante Exposition auftritt, und dabei Augenmerk auf besonders gefährdete Personen wie Implantat-Träger zu richten. Bei der Expositionsbewertung ist neben Gliedmaßen selbstverständlich auch auf Kopf und Rumpf zu achten. In einigen Fällen werden Maßnahmen zur Minimierung der Exposition, beispielsweise Sicherheitsabstände, Nutzungsverbote, Kennzeichnung und Unterweisung, erforderlich sein.
Der Autor dankt den Projektauftragnehmern DI Gernot Schmid und René Hirtl, MSc (beide: Seibersdorf Labor GmbH) für die ausgezeichnete wissenschaftliche Arbeit, die Grundlage für diesen Artikel war. Das Projektteam bedankt sich bei Gerhard Netzker (AUVA Traumazentrum Wien – Standort Lorenz-Böhler Krankenhaus) für die Unterstützung bei der Durchführung der Magnetresonanz-Aufnahmen.
Der vollständige Projektbericht [7] ist unter www.auva.at/emf verfügbar.
LITERATURVERZEICHNIS UND QUELLENANGABE
- [1] Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmer/-innen vor der Einwirkung durch elektromagnetische Felder (Verordnung elektromagnetische Felder – VEMF), BGBl. II Nr. 179/2016, i.d.g.F.
- [2] Richtlinie 2013/35/EU über „Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (elektromagnetische Felder)“, Amtsblatt der EU Nr. 179 vom 29.06.2013, Seite 1–21
- [3] Nicht verbindlicher Leitfaden mit bewährten Verfahren im Hinblick auf die Durchführung der Richtlinie 2013/35/EU – Elektromagnetische Felder, Band 1: ISBN 978-92-79-45885-9 und Band 2: ISBN 978-92-79-45947-4, Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2015 („EMF-Leitfaden“)
- [4] Metallische Implantate und arbeitsbedingte Magnetfeld-Exposition, SICHERE ARBEIT 06/2018, 2018
- [5] Merkblatt M 470 und M.plus 666 der AUVA, http://www.auva.at/emf
- [6] OVE-Richtlinie R27 „Verfahren zum Nachweis der Einhaltung der Auslösewerte gemäß Verordnung Elektromagnetische Felder im Bereich elektrischer Energieversorgungsanlagen für Frequenzen von 0 bis 100 kHz“ (2019)
- [7] Projektbericht und AUVA Report R80 (2019)
Zusammenfassung
Das AUVA-Projekt „Bewertung von stark lokalisierten Magnetfeldexpositionen der Hände am Arbeitsplatz“ präsentiert neue, speziell entwickelte anatomische Handmodelle sowie wissenschaftlich neue Ansätze für das dabei eingesetzte Modell der Haut, um die Bewertung von manueller Tätigkeit an starken Magnetfeldquellen besser durchführen zu können. Durch das Vermeiden bislang bestehender Inkonsistenzen konnte mit genaueren Simulationen die Gültigkeit der Auslösewerte für Gliedmaßen validiert werden. Aufgrund der genaueren Ergebnisse können für manche Situationen wie das Halten eines 50-Hz-Energiekabels auch Belastungen durch vergleichsweise hohe Nennströme nun positiv evaluiert werden.