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Sicherheits- und Gesundheitsmanagement

ISO 45001: Die Arbeitswelt soll sicherer werden

Die AUVA definiert ein Sicherheits- und Gesundheitsmanagement als „… eine systematische vorausschauende Auseinandersetzung mit Arbeitssicherheit und Gesundheit im Zusammenhang mit betrieblichen Leistungsprozessen“. Die Basis für Managementsysteme für Prävention bildeten in Österreich bisher die britische Norm OHSAS 18001 und das von der AUVA herausgegebene „AUVA-SGM“. Seit dem Frühjahr 2019 ist der neue weltweite Standard ISO 45001 nun auch als ÖNORM erhältlich. Ziel dieser weltweit gültigen Norm ist es, die Arbeitswelt sicherer und die Beschäftigten gesünder zu machen.

Schlüssel in einem Schloss
F. Hutter

Jährlich sterben bei Arbeitsunfällen weltweit über 2 Millionen Menschen, manche Schätzungen gehen sogar von fast 2,8 Millionen tödlichen Arbeitsunfällen aus.  Das bedeutet, dass weltweit an jedem Kalendertag fast 5.500 Beschäftigte an den Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer arbeitsbedingten Erkrankung versterben. Täglich erleidet mehr als eine Million Menschen einen mehr oder weniger schweren Arbeitsunfall oder eine arbeitsbedingte Erkrankung wird entdeckt, die oft lange dauernde Krankenstände oder anhaltende gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann. Vor diesem Hintergrund sind alle nationalen und internationalen Anstrengungen, die zu einer Senkung dieser dramatischen Zahlen führen sollen, nur allzu verständlich.

Eine dieser Anstrengungen war in den letzten Jahren die Normierung eines allgemeingültigen Standards für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Dieser wurde am 12. März 2018 als ISO 45001 „Occupational health and safety management systems - Requirements with guidance for use“ herausgegeben. Im Mai 2018 folgte die deutsche Übersetzung als DIN ISO 45001 „Managementsysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung“. Am 15. Mai 2019 wurde die ISO 45001 auch als ÖNORM ISO 45001 mit dem selben Titel veröffentlicht.

Eine 20-jährige Geschichte

Normen für Managementsysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit haben eine mittlerweile 20-jährige Geschichte: 1999 veröffentlichte die OHSAS-Projektgruppe die Serie OHSAS 18000 „Occupational Health and Safety Assessment Series“. Die damals neu gegründete Gruppe setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern nationaler Normungsgremien, Fachleuten aus dem akademischen Bereich, Akkreditierungsstellen und Einrichtungen, die sich mit Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beschäftigen, zusammen und wurden administrativ unterstützt durch das BSI (British Standards Institution). Ihr Ziel war es, aus der Vielzahl vorliegender nationaler Normungsansätze einen europaweit gültigen Standard zu schaffen. Die OHSAS-Serie bestand aus den beiden Normen OHSAS 18001 „Occupational health and safety management systems – Requirements“ und OHSAS 18002 „Occupational health and safety management systems – Guidelines für implementation of OHSAS 18001“.

Der OHSAS 18000-Serie blieb jedoch der Durchbruch als international gültige Norm versagt: Lediglich Großbritannien und Polen schrieben sie schon bald nach dem Erscheinen als nationale Norm fest, viele weitere Länder und deren Institutionen verwendeten sie als „Pseudo-Standard“. Bezeichnend ist, dass die OHSAS-Serie 18000 vollkommen losgelöst von der International Organization for Standardization (ISO) konzipiert wurde. Um aber Verwirrungen bei den Nutzerinnen und Nutzern zu vermeiden, hat die ISO auf die Herausgabe einer ISO-Norm mit der Nummer 18000 (Nummernkreis von Radiofrequenz-Normen) verzichtet.

Die BS OHSAS 18001 wurde 2007 überarbeitet, um einerseits den Richtlinien der International Labour Organization (ILO), der Arbeitsschutzorganisation der Vereinten Nationen (ILO-OSH - Guidelines on occupational safety and health management systems) und andererseits dem Aspekt der „Gesundheit“ stärker Rechnung zu tragen.

Heute existiert die OHSAS 18000-Serie nicht mehr: Großbritanniens Normungsinstitut BSI hat mit der Veröffentlichung der ISO 45001 die OHSAS-Normen mit einer Übergangsfrist aufgelassen und die neue ISO-Norm als BS ISO 45001 übernommen. Bis März 2021 müssen all jene Unternehmen, deren Sicherheits- und Gesundheitsmanagementsystem bis zuletzt nach OHSAS 18001 zertifiziert worden ist, auf ISO 45001 umgestiegen sein, um eine Zertifizierung aufrechterhalten zu können.

Was lange währt …

Die Entwicklung der heute international gültigen ISO 45001 sollte ein halbes Jahrzehnt benötigen. Bereits im März 2013 kontaktierte das BSI die ISO mit dem Vorschlag der Erarbeitung einer neuen Arbeitsschutznorm auf Grundlage der BS OHSAS 18001. Im Juli 2013 wurde dieser Vorschlag angenommen, im Oktober 2013 entstand der erste „working draft“ des Projektkomitees ISO/PC 283, dem Expertinnen und Experten aus über 70 Nationen, unter ihnen auch die stellvertretende Leiterin der Präventionsabteilung der AUVA, Mag. Barbara Libowitzky, angehörten. In diesem Working Draft findet sich erstmalig der Name „ISO 45001“.

Bereits in diesem Arbeitspapier erfolgte auch die Festlegung auf die sogenannte High Level Structure (HLS) der ISO. Die HLS wurde durch die ISO festgeschrieben, um Normen für Managementsysteme zu standardisieren. Eine einheitliche Struktur und gleiche Inhalte – gegliedert in zehn Kapitel – sollen eine Angleichung unterschiedlicher ISO-Normen verbessern. Langfristiges Ziel der HLS ist es, dass alle Normen zu Managementsystemen darauf basieren. Derzeit sind bereits einige wichtige Normen, wie die ISO 27001 „Informationstechnik – Sicherheitsverfahren – Informationssicherheitsmanagementsysteme“ (sie war im Jahr 2013 die erste ISO-Norm, die auf der HLS basierte), die ISO 9001 „Qualitätsmanagementsysteme“, die ISO 14001 „Umweltmanagementsysteme“, ISO 50001 „Energiemanagementsysteme“, welche auf dieser Grundlage aufgebaut sind.

Was folgte, waren zwei Working Drafts in den Jahren 2014 und 2015. Der im November 2015 zur Abstimmung weitergegebene „Draft International Standard“ (DIS) wurde im Juni 2016 von mehr als einem Viertel der nationalen Normungsgremien abgelehnt. Es dauerte 13 Monate – also bis in den Juli 2017 –, bis eine weitere Variante, die DIS 2, veröffentlicht wurde. Und auch an diesem Entwurf musste noch gefeilt werden, ehe er im November 2017 als „Final Draft International Standard“ veröffentlicht und im Jänner 2018 im Projektkomitee mit 93 Prozent Zustimmung beschlossen wurde.

Portrait Mag. Barbara Libowitzky
R. Reichhart

Mag. Barbara Libowitzky: Die AUVA bietet fundierte Beratung der heimischen Unternehmen unterschiedlicher Betriebsgröße in Sachen Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

ISO: Hohe Erwartungen auf internationaler Ebene

Die lange Entstehungsgeschichte der ISO 45001 zeigt, dass lange um einen weltweit einheitlichen Standard diskutiert wurde und dieser nur mit Kompromissen zu erreichen gewesen ist. Andererseits macht der lange Vorlauf auch klar, warum man auch seitens der ISO sehr hohe Erwartungen in diese Norm steckt.

David Smith, Vorsitzender des bei der ISO zuständigen Projektkomitees ISO/PC 283, wird in Aussendungen der deutschsprachigen Normungsgremien Austrian Standards Institute (ASI) und  dem deutschen Institut für Normung (DIN) mit euphorischen Statements zitiert: Er sei überzeugt, dass der neue Internationale Standard für Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern einen „echten Wendepunkt“ darstelle: „Es ist zu hoffen, dass die ISO 45001 zu einer grundlegenden Veränderung der Arbeitssituation führt und damit die tragisch hohe Zahl an arbeitsbedingten Unfällen und Krankheiten auf der ganzen Welt zurückgeht. Der neue Standard wird Unternehmen dabei helfen, eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung zu schaffen, indem sie ihre Arbeitsschutzleistung kontinuierlich verbessern.“

Eher nichts für Kleinbetriebe

Mag. Barbara Libowitzky teilt diese Euphorie nur bedingt: „Man muss definitiv festhalten, dass die ISO 45001 nichts für Kleinbetriebe ist“, gibt sie zu bedenken. Ein Blick in die Zahlen der KMU Forschung Austria zeigt, dass 99,7 Prozent aller heimischen Unternehmen nach EU-Definition KMUs sind (unter 250 Beschäftigte, Jahresumsatz unter 43 Millionen Euro). Wie kleinbetrieblich strukturiert die österreichische Wirtschaft ist, geht auch aus den statistischen Zahlen der Wirtschaftskammer Österreich hervor: Demnach beschäftigen 93,6 Prozent aller heimischen Unternehmen weniger als 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Betrachtet man die Zahl der Betriebe unter 20 Beschäftigten, so sind es 509.486 oder 96,7 Prozent aller heimischen Unternehmen.

Tabelle ISO 45001 und OHSAS 18001 im Vergleich
AUVA

Ein weiterer Kritikpunkt von Mag. Libowitzky an der ISO 45001 ist die Tatsache, dass aus österreichischer Sicht dem Gesundheitsaspekt in der neuen Norm zu wenig Augenmerk geschenkt wurde und die Forderung nach der Definition des Begriffs „Indikatoren“ in diesem Bereich abgelehnt wurde.

Daher verwundert es auch nicht, dass man seitens der AUVA eine realistische Einschätzung für die Einführung von Managementsystemen nach ISO 45001 vornimmt und parallel zu ISO 45001 am eigenen „AUVA-SGM“ festhalten wird, das künftig als eine Art „Gütesiegel“ für Kleinbetriebe als systematischer Ansatz für mehr Sicherheit und Gesundheit im Unternehmen angeboten werden soll.

Das aus mehr als 10 Expertinnen und Experten bestehende MS-P Team (Managementsysteme für Prävention-Team) der AUVA sieht seine Aufgabe heute mehr denn je in einer fundierten Beratung der heimischen Unternehmen unterschiedlicher Betriebsgröße in Sachen Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz an. Deshalb wurden die verschiedenen Aktivitäten nun auch unter diesem Namen gebündelt und ein neuer Ansatz in der Beratung entwickelt (Details siehe www.auva.at/ms-p). Auch die noch heuer stattfindenden Informationsveranstaltungen nehmen das Thema unter folgendem Titel auf: „Von der Pflicht zur Kür – Managementsysteme in der Prävention erleben“ (siehe Kasten).

Wesentliche Neuerungen der ISO 45001

  • Begriff „worker“
  • Führung und Beteiligung
  • Chancen und Risiken (bereits in ISO 14001)
  • Umfeld/Lieferkette muss stärker einbezogen werden
  • PDCA-Zyklus stark verankert innerhalb der einzelnen Kapitel, aber auch in der Norm als Gesamtheit

Was ist SGM?

SGM steht für „Sicherheits- und Gesundheitsmanagement“ und ist eine systematische vorausschauende Auseinandersetzung mit Arbeitssicherheit und Gesundheit im Zusammenhang mit betrieblichen Leistungsprozessen.

Ein SGM organisiert alle Bereiche, die Sicherheit und Gesundheit berühren. Es klärt Verantwortlichkeiten, zeigt Verbesserungspotenziale auf, koordiniert Aktivitäten und legt Messgrößen zur Erfolgskontrolle fest.

Was kann es bringen, ein SGM einzuführen?

  • mehr Sicherheit Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
  • Imagegewinn
  • Informationen für unternehmerische Entscheidungen
  • Eigenverantwortung Ihrer Beschäftigten mobilisieren
  • Reduktion der Krankenstände
  • Kundenanforderungen optimal entsprechen
  • Wettbewerbsvorteil
  • Rechtskonformität
  • verbesserter Informationsfluss
  • mehr Transparenz

„Von der Pflicht zur Kür – Managementsysteme in der Prävention erleben“

– so sind zwei Informationsveranstaltungen betitelt, welche die AUVA im Herbst 2019 veranstaltet. Die Infotage finden am 24. Oktober 2019 in Stegersbach und am 13. November 2019 in Kitzbühel statt. Die Veranstaltungsorte wurden bewusst so gewählt, dass sie eine gute Erreichbarkeit für die Teilnehmer aus dem Osten und Süden Österreichs bzw. aus den westlichen Bundesländern ermöglichen.

Die Informationsveranstaltungen sollen Präventivfachkräften, Managementsystem-Verantwortlichen, Führungskräften und unabhängigen Beratern Einblicke geben, wie erfolgreiche Unternehmen auf ihrem Weg zu einer umfassenden betrieblichen „Sicherheitskultur“ vorgegangen sind und welche Erfahrungen sie dabei sammeln konnten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen daraus Strategien für ihr eigenes Unternehmen ableiten.

Abgerundet werden die Infotage durch eine ausführliche Darstellung des neuen Beratungsansatzes der AUVA.

Nähere Informationen und Anmeldung unter www.auva.at/veranstaltungen

Zusammenfassung

Mit der EN ISO 45001 soll die Arbeitswelt international sicherer werden. Der Artikel analysiert die Situation und berichtet, wie sich die AUVA künftig bei Managementsystemen für die Prävention positioniert.


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