Zum Hauptinhalt wechseln

Lärm

Sprachverständlichkeit von Durchsagen und Hörbarkeit von Warnsignalen

Jeder kennt so eine Situation: Man steht am Bahnhof, am Flughafen oder im Einkaufszentrum, und es kommt eine wichtige Durchsage, doch man versteht bestenfalls Fragmente davon. Was meist nur ein Ärgernis ist, kann bei Alarmsignalen und sicherheitsrelevanten Durchsagen ein ernsthaftes Problem darstellen. Hier stellt sich die Frage: Woran liegt es, dass Alarmsignale nicht gehört oder Durchsagen nicht verstanden werden? Und wie lassen sie sich verbessern?

Lautsprecher für Durchsagen
Adobe Stock

Eine häufige Ursache für schlechte Sprachverständlichkeit ist ein zu hoher Störgeräuschpegel (Umgebungsgeräuschpegel) im Vergleich zur Lautstärke der Durchsage beim Empfänger. Um eine angemessene Verständlichkeit der Sprachkommunikation sicherzustellen, sollte der Sprachpegel beim Hörer im relevanten Frequenzbereich mindestens 10 dB über dem Pegel des Störgeräusches liegen. Denn eine Schallpegeldifferenz von 10 dB entspricht in etwa der doppelten Lautstärke im Vergleich zum Störgeräuschpegel. Ein weiteres wesentliches Kriterium für die Verständlichkeit von Durchsagen ist die passende Lautstärke und eine gute Artikulation des Sprechers. Wenn dieser leise bzw. undeutlich spricht, erschwert das natürlich auch die Sprachverständlichkeit beim Empfänger. Undeutliches Sprechen kommt häufig vor, wenn sehr laut gesprochen werden muss, um das Umgebungsgeräusch zu übertönen bzw. wenn der Sprecher keine direkte Rückmeldung von den Empfängern erhält, z. B. weil er über eine Lautsprecheranlage durchsagt und die Empfänger dabei nicht sehen kann.

Übertragungssystem und Raumakustik

Bei einer Sprachübertragung über ein elektroakustisches System (z. B. Lautsprecheranlage, Mobiltelefon, Funkanlage) ist die Qualität des Übertragungssystems von entscheidender Bedeutung. Für eine gute Sprachverständlichkeit sind eine ausreichende Bandbreite der Frequenzwiedergabe sowie geringe Verzerrungen und Störgeräusche des Systems und eine ausreichende Lautstärke beim Empfänger erforderlich.

Einen maßgeblichen Einfluss auf die Sprachverständlichkeit hat aber auch die raumakustische Ausstattung der Örtlichkeit, in welcher sich der Empfänger befindet. In Räumen, in welchen die Raumbegrenzungsflächen überwiegend schallreflektierend (z. B.: Beton, Glas) ausgeführt sind, tritt ohne spezielle akustische Maßnahmen oft ein starker Nachhall auf. Dadurch werden die Silben der Wörter vom Nachhall der vorherigen Silben mehr oder weniger stark übertönt, und die Verständlichkeit wird erschwert.

Nicht zuletzt hat natürlich auch das Hörvermögen des Empfängers einen wesentlichen Einfluss auf die Sprachverständlichkeit. Bei Schwerhörigkeit ist schließlich vor allem die Sprachverständlichkeit beeinträchtigt. Auch bei der Verwendung von Gehörschutz ist eine Beeinträchtigung der Sprachverständlichkeit zu erwarten.

Subjektive und objektive Beurteilungsverfahren

Wie sollten Durchsagen und Signale nun gestaltet werden, damit sie bestmöglich gehört und verstanden werden? Die ÖNORM EN ISO 9921 beschreibt die Beurteilung der Verständlichkeit von Sprache detailliert und bietet hierfür gute Anhaltspunkte. Es wird dabei zwischen „direkter Kommunikation zwischen zwei Personen“ (ohne elektroakustische Hilfsmittel), öffentlicher Ansage (elektroakustisches System, das zum Ansprechen einer Gruppe von Personen verwendet wird) und Systemen zur Kommunikation zwischen Personen (z. B. Verwendung von Mobiltelefonen und von Hand gehaltenen Funkgeräten) unterschieden. Es gibt gemäß Norm ein „subjektives Beurteilungsverfahren“ und „objektive Beurteilungs- und Vorhersageverfahren“. Beim subjektiven Beurteilungsverfahren werden von einem geübten Sprecher Listen von Prüfwörtern vorgelesen. Es können dabei Wörter oder auch ganze Sätze vorgelesen werden. Einer oder mehrere Hörer schreiben auf, was sie gehört haben. Aufgrund des Prozentsatzes an richtig verstandenen Wörtern kann die Sprachverständlichkeit bestimmt werden.

Für die objektive Beurteilung der Sprachverständlichkeit stehen als allgemein anerkannte Verfahren der Sprach-Störschallpegel (SIL), der Sprachübertragungsindex (STI) und der Sprachverständlichkeitsindex (SII) zur Verfügung. Der Sprach Störschallpegel (SIL) ist ein einfaches Verfahren zur Vorhersage oder Beurteilung der Sprachverständlichkeit. Es wird dabei die Differenz zwischen dem A bewerteten Sprachpegel und dem arithmetischen Mittelwert der Schalldruckpegel der Störgeräusche in vier für die Sprachverständlichkeit relevanten Oktavbändern am Ort des Hörers messtechnisch ermittelt. Die Sprachverständlichkeit lässt sich durch diese Differenz bestimmen: Je größer die Differenz, also je lauter das Sprachsignal im Vergleich zum Störgeräusch ist, desto besser ist auch die Sprachverständlichkeit. Eine aussagekräftigere objektive Bestimmung der Sprachverständlichkeit kann durch Ermittlung des Sprachübertragungsindex (STI) oder des Sprachverständlichkeitsindex (SII) erfolgen. Diese Verfahren erfordern allerdings einen hohen messtechnischen Aufwand und eine spezielle Auswertungssoftware. Die Verständlichkeit wird sowohl beim subjektiven Beurteilungsverfahren als auch bei den objektiven Beurteilungs- und Vorhersageverfahren in „schlecht“, „schwach“, „angemessen“, „gut“ bis „ausgezeichnet“ eingestuft. Falls z. B. nur das korrekte Verstehen einfacher Sätze erforderlich ist, sollte die Verständlichkeit zumindest die Anforderung „schwach“ erfüllen. Bei Mitteilungen von Person zu Person bei längerer Kommunikation sollte zumindest die Anforderung „gut“ erfüllt sein.

stark besuchte Zugstation
Um Alarmsignale und sicherheitsrelevante Durchsagen bestmöglich hörbar zu machen, sind einige Rahmenbedingungen zu beachten Richard Reichhart

Sprachverständlichkeit verbessern

Nachfolgend sind Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit zusammengefasst:

  • Der Störgeräuschpegel sollte sowohl beim Sprecher als auch beim Hörer möglichst gering gehalten werden.
  • Als Sprecher für Durchsagen sollten Personen ausgewählt werden, die klar und deutlich sprechen können bzw. Personen darauf trainiert werden. Der erforderliche Stimmaufwand des Sprechers (Lautstärke der gesprochenen Sprache) sollte dabei angemessen sein. Können mit normalem Stimmaufwand des Sprechers keine ausreichenden Schallpegel beim Hörer erreicht werden, ist eine elektroakustische Beschallungsanlage zu empfehlen.
  • Elektroakustische Beschallungsanlagen sollten eine Übertragung der Sprache im Frequenzbereich von 125 Hz bis 8 kHz ermöglichen. Die Lautstärke der übertragenen Sprache beim Hörer muss einen ausreichenden Abstand zum Störgeräusch ermöglichen. Einige Beschallungsanlagen können die Lautstärke dem jeweiligen Umgebungsgeräuschpegel am Empfangsort entsprechend regulieren. Weiters sollte eine elektroakustische Beschallungsanlage selbst keine relevanten Störgeräusche und Verzerrungen, z. B. Rauschen, Knacksen oder Aussetzer, verursachen.
  • In der Umgebung, in der sich der Empfänger befindet, kann gegebenenfalls durch spezielle raumakustische Maßnahmen der Nachhall reduziert und damit auch die Sprachverständlichkeit verbessert werden.
  • Bei der Verwendung von Gehörschutz sollten Produkte ausgewählt werden, welche für Sprachverständlichkeit optimiert wurden. Diese haben üblicherweise nur relativ geringe Unterschiede in der Dämmung zwischen den Frequenzen, sodass Sprache nur wenig verzerrt wird.

Akustische Gefahrensignale

Die Anforderungen an akustische Gefahrensignale sind in der ÖNORM EN ISO 7731 „Ergonomie – Gefahrensignale für öffentliche Bereiche und Arbeitsstätten – Akustische Gefahrensignale“ angegeben. Die zuverlässige Erkennbarkeit eines Gefahrensignals erfordert, dass das Signal deutlich hörbar ist, sich von anderen Geräuschen der Umgebung ausreichend unterscheidet und eindeutig ist. Wird Gehörschutz getragen, so muss dessen Schalldämmung bekannt sein und in die Beurteilung mit einbezogen werden. Der A-bewertete Schalldruckpegel eines akustischen Gefahrensignals darf an jedem Ort des Signalempfangsbereiches nicht niedriger als 65 dB sein. Um eine deutliche Wahrnehmung eines Gefahrensignals sicherzustellen, sollte der A-bewertete Schalldruckpegel des Gefahrensignals den Störschalldruckpegel um 15 dB oder mehr überschreiten. Ist dies nicht der Fall, kann die Unterscheidbarkeit vom Störgeräusch durch eine Frequenzanalyse genauer untersucht und nachgewiesen werden. Um Hörschäden zu vermeiden, sollte das Gefahrensignal dabei auf jeden Fall eine Höchstintensität von 118 dB nicht überschreiten. Zur Bestimmung, ob ein akustisches Gefahrensignal den Anforderungen der Norm entspricht, kann es einer subjektiven Prüfung (Hörprobe mit Personen) oder einer objektiven Messung unterzogen werden. Wobei gemäß Norm die objektive Messung der subjektiven Prüfung vorzuziehen ist. Bei der subjektiven Prüfung ist eine Gruppe von zehn Personen zu bilden. Alle Personen müssen dazu ihren persönlichen Gehörschutz, den sie auch im Betriebsablauf verwenden, tragen. Das akustische Signal wird der Gruppe fünfmal unter ungünstigen Hörbedingungen dargeboten. Die Hörbarkeit des Signals wird als ausreichend beurteilt, wenn 100 Prozent der Teilnehmenden bestätigen, dass das Signal für sie bei allen fünf Testläufen deutlich hörbar war.

Hingewiesen wird, dass es speziellen Gehörschutz im Handel gibt, der auch für die Hörsamkeit von Warnsignalen konzipiert ist. Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung „IFA“ bietet auf seiner Website eine kostenlose „Software zur Auswahl von Gehörschützern“ auch unter Berücksichtigung der Sprachverständlichkeit und der Hörsamkeit von Alarmsignalen zum Download an.

Wissen: Verständlichkeit künstlicher Stimmen

Für Durchsagen auf öffentlichen Plätzen werden immer öfter künstliche Stimmen verwendet. Die derzeitigen Methoden der Sprachsynthese, also der automatischen Umsetzung von geschriebenem Text in gesprochene Sprache, basieren alle auf der Verwendung großer Mengen von Sprachaufnahmen. Diese Aufnahmen werden annotiert (Laute, Silben und Wörter werden transkribiert). Dann wird das synthetische Signal entweder aus den kleinen Stücken dieser Aufnahmen zusammengesetzt oder aus einem statistischen Modell erzeugt. Auch Siri von Apple oder Alexa von Amazon funktionieren so. Moderne Methoden der Sprachsynthese erzeugen Durchsagen, deren Verständlichkeit fast so gut ist wie jene natürlich gesprochener Sprache. Da die Methoden auf Aufnahmen realer Stimmen basieren, können auch die Eigenschaften der Sprecherin bzw. des Sprechers erhalten werden. Das ist von Vorteil, wenn eine bekannte Stimme eingesetzt werden soll (z. B. die Stimme von Chris Lohner für die ÖBB).

Fehlerquellen, welche die Verständlichkeit der synthetisierten Sprache beeinflussen, sind hauptsächlich:

  1. Annotationsfehler: Laute im Sprachsignal wurden nicht richtig übersetzt (z. B. ein A im Sprachsignal wurde als ein O transkribiert).
  2. Fehler im Aussprachelexikon führen dazu, dass Wörter falsch ausgesprochen werden. Das passiert oft bei Eigennamen, deren Aussprache durch eigene Regeln beschrieben werden muss.
  3. Fehlende Aufnahmen: Wurde eine bestimmte Lautkombination nicht aufgenommen bzw. wurde das Modell nicht entsprechend „trainiert“, dann kann diese Lautkombination bei der Synthese auch nicht gefunden werden.
  4. Fehler in der Satzmelodie: Der Wortakzent wird auf die falsche Silbe gelegt. Dies kann passieren, wenn regionale Besonderheiten nicht berücksichtigt werden. So wird etwa im Wort „Kaffee“ in österreichischem Deutsch die zweite Silbe betont und in der norddeutschen Variante die erste Silbe.

Aktionstag „Schallarm schärft Hörsinn“

24. April 2019: Internationaler Tag gegen Lärm

Das Institut für Schallforschung (ISF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften veranstaltet anlässlich des „Internationalen Tages gegen Lärm 2019“ einen Aktionstag. Bei diesem Open-House-Event öffnet das Institut seine Pforten und lädt in Kooperation mit der AUVA und weiteren Partnern bei freiem Eintritt ein.

Die Schallforscherinnen und -forscher der ÖAW sowie die Expertinnen und Experten der AUVA präsentieren vor Ort Lärminteressierten bzw. -geplagten unter dem diesjährigen Motto „Schallarm schärft Hörsinn“ Forschungen zum Thema Lärm und Schall. Die Besucherinnen und Besucher können an zahlreichen kostenlosen Stationen mitmachen, mithören, erfahren, verstehen und – manchmal staunen. Computerunterstützte Simulationen, Animationen, Hörbeispiele und Experimente bieten ein abwechslungsreiches Programm. Daneben kann auch das akustische Forschungslabor des ISF besichtigt oder ein kostenloser Hörtest absolviert werden.

Wann: Mi., 24. April von 9.30 bis 17.30 Uhr
Wo: Institut für Schallforschung, Wohllebengasse 12–14, 1040 Wien

Auszug aus den Stationen:

  • Lärmbewertung: Wie lästig ist Lärm?
  • Hörtest mit AUVA-Experten: Wie gut höre ich?
  • Wie schützt man sich vor Lärm am Arbeitsplatz? AUVA-Experten beraten.
  • Wie laut oder leise darf ein Elektrofahrzeug sein?
  • Wie hört man mit Hörprothesen?
  • u. v. m.

Alle Infos unter: www.kfs.oeaw.ac.at/tgl19

Zusammenfassung

Bei der Anschaffung von elektroakustischen Beschallungsanlagen wird generell empfohlen, die Anforderungen für gute Sprachverständlichkeit und Hörbarkeit gemäß dem Einsatzzweck sowie der raumakustischen Verhältnisse unter Berücksichtigung der örtlichen Geräuschverhältnisse bei Sprecher und Empfänger festzulegen. Wird die elektroakustische Beschallungsanlage für die akustische Alarmierung oder zur Durchsage von Gefahrenhinweisen verwendet, ist eine Prüfung, ob die normgemäßen Anforderungen erfüllt werden, unbedingt zu empfehlen.


Aktuelle Ausgaben

Ausgabe 5/2024
Ausgabe 5/2024
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 5 MB)
Ausgabe 4/2024
Ausgabe 4/2024
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 7 MB)
Ausgabe 3/2024
Ausgabe 3/2024
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 5 MB)
Ausgabe 2/2024
Ausgabe 2/2024
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 5 MB)