Krebserzeugende Arbeitsstoffe
Krebs durch Arbeit ist vermeidbar!
Die AUVA-Informationsveranstaltungen zum aktuellen Präventionsschwerpunkt: Know-how, Tipps und Good-Practice-Beispiele zum Schutz vor krebserzeugenden Arbeitsstoffen.
Gelten auf acht Arbeitsstunden bezogene Grenzwerte auch für einen Zwölf-Stunden-Tag? Wer führt bei Verdacht auf Grenzwertüberschreitungen Messungen durch? Wird Krebs durch Passivrauch als Berufskrankheit anerkannt? Diese und andere Fragen aus dem Publikum wurden bei den Informationsveranstaltungen der AUVA mit dem Titel „Krebs durch Arbeit ist vermeidbar!“ diskutiert. Die vier Veranstaltungen fanden 2018 anlässlich des AUVA-Präventionsschwerpunkts „Gib Acht, Krebsgefahr!“ in Innsbruck, Graz, Bad Ischl und Wien statt.
Die traditionell zum jeweiligen Schwerpunktthema angebotenen Informationsveranstaltungen zeigten diesmal auch ein interaktives Tool. Darüber konnten die Anwesenden anonym Fragen stellen und an Abstimmungen teilnehmen. Dabei zeigte sich, dass sich die Mehrheit besonders dafür interessierte zu erfahren, wie man krebserzeugende Arbeitsstoffe erkennt. Mit einem Durchschnittswert von knapp 60 Prozent führte dieses Thema vor Good-Practice-Beispielen, dem Zusammenhang zwischen Krebs und Arbeit, der Sicht von Behörden und Interessenvertretungen sowie Krebserkrankungen als Berufskrankheiten. Eine Erkrankung gilt dann als Berufskrankheit, wenn sie nachweisbar durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden ist. Zusätzlich zu jenen, die in der Berufskrankheiten-Liste angeführt sind, können auch andere Erkrankungen unter bestimmten Bedingungen über die sogenannte Generalklausel als Berufskrankheiten anerkannt werden. Voraussetzung für eine Anerkennung ist die Meldung der Ärztin bzw. des Arztes an die Unfallversicherung. Nur Versicherte, deren Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wurde, können auch Leistungen aus der Unfallversicherung erhalten. In der April-Ausgabe von SICHERE ARBEIT wird sich ein Beitrag mit diesem Thema befassen.
Zu einigen Branchen, in denen ein Krebsrisiko besteht, sind bereits Artikel in SICHERE ARBEIT veröffentlicht worden bzw. für die kommenden Ausgaben geplant. Informationen zum Schutz vor krebserzeugenden Arbeitsstoffen und zur Hygiene bei gefährlichen Arbeitsstoffen gibt es auf dem YouTube-Kanal der AUVA (www.auva.at/youtube) in den beiden Videos „Krebserzeugende Arbeitsstoffe“ und „Hygienemaßnahmen“ zu sehen. Einen Überblick über die verschiedenen Aspekte des Themas krebserzeugende Arbeitsstoffe, vom Erkennen der Krebsgefahr bis zu den gesundheitlichen Auswirkungen, boten die Vorträge auf den Informationsveranstaltungen, die in diesem Beitrag zusammengefasst sind.
Gib Acht, Krebsgefahr!
Zu Beginn der Informationsveranstaltung präsentierten Mag. Marie Jelenko und Dr. Silvia Springer bzw. Mag. Norbert Neuwirth, alle von der AUVA-Hauptstelle, den Präventionsschwerpunkt der AUVA „Gib Acht, Krebsgefahr!“. Eine Erhebung der AUVA hatte gezeigt, dass die Verantwortlichen in den Betrieben bereit sind, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, aber in vielen Fällen zusätzliche Informationen benötigen. Abhilfe schaffen nun kostenlose Betriebsberatungen speziell zum Thema Krebs am Arbeitsplatz, vergünstigte Schulungen, interaktive Online-Tools und eine Reihe neuer Merkblätter.
Während des Arbeitsprozesses entstehende krebserzeugende Arbeitsstoffe lassen sich oft nur schwer erkennen. Umso wichtiger ist es zu wissen, bei welchen Tätigkeiten krebserzeugende Stoffe freigesetzt werden können. In welchem Ausmaß Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber diesen Stoffen exponiert sind, lässt sich durch Vergleichsarbeitsplätze oder durch Messungen, die von der AUVA auf Anfrage durchgeführt werden, feststellen, wie Neuwirth nach einer Anfrage aus dem Publikum erklärte. Auch bei der Planung und Umsetzung von Schutzmaßnahmen bietet die AUVA Unterstützung.
Beratung und Kontrolle
Beim Präventionsschwerpunkt „Gib Acht, Krebsgefahr!“ kooperiert die AUVA mit dem Arbeitsinspektorat und stimmt ihre Materialien fachlich mit diesem ab, um den Betrieben akkordierte Informationen bieten zu können. Bei den Informationsveranstaltungen wurde der Beratungs- und Kontrollschwerpunkt der Arbeitsinspektion von Dipl.-Ing. Katrin Arthaber vom Zentral-Arbeitsinspektorat, Dipl.-Ing. Uta Remp-Wassermayr vom Arbeitsinspektorat Oberösterreich/Ost bzw. Dipl.-Ing. Guido Steinhauser vom Arbeitsinspektorat Vöcklabruck erläutert.
Im Rahmen des Schwerpunkts besuchten Arbeitsinspektorinnen und -inspektoren Betriebe, die mit krebserzeugenden Stoffen arbeiten. Zu den am häufigsten festgestellten Problemen zählten Unklarheiten, welche PSA zu verwenden sei, Mängel bei der Unterweisung und die Überschreitung von Grenzwerten. Diese beziehen sich auf einen Acht-Stunden-Tag und müssen bei zwölf Arbeitsstunden umgerechnet werden, antwortete Arthaber auf die Frage eines Teilnehmers. Dabei kann es sich nicht um eine lineare Berechnung handeln, da die Belastungen mit zunehmender Arbeitsdauer überproportional ansteigen. Die Arbeitsinspektion arbeitet bereits an einer Lösung.
Krebs als Berufskrankheit
Dr. Sandra Wonisch von der AUVA-Rehabilitationsklinik Tobelbad bzw. Prof. Michael Kundi von der Medizinischen Universität Wien stellten arbeitsbedingten Krebs aus medizinischer Sicht dar – und räumten mit einem verbreiteten Missverständnis auf: Arbeitsbedingte Erkrankungen sind nicht immer auch Berufskrankheiten. Scheint eine Erkrankung nicht in der Berufskrankheiten-Liste auf, kann sie aber über die Generalklausel anerkannt werden. Eine Teilnehmerin erkundigte sich, ob das auch für Krebs durch Passivrauch in der Gastronomie gelte. Bisher sei in Österreich noch kein derartiger Fall über die Generalklausel anerkannt worden, allerdings würde die Möglichkeit dazu bestehen, so Wonisch.
Dem Thema Berufskrankheiten war ein weiterer Vortrag gewidmet. In diesem legten Prim. Dr. Barbara Machan und Dr. Sandra Wonisch, beide von der Rehabilitationsklinik Tobelbad, bzw. Dr. Heinz Fuchsig von der AUVA-Außenstelle Innsbruck, den Schwerpunkt auf das Begutachtungsverfahren. Wann die Kriterien für die Anerkennung als Berufskrankheit erfüllt seien, wurde anhand konkreter Fallbeispiele erläutert, wie etwa eines Patienten mit einem bösartigen Tumor des Brustfells – eine typische Krebserkrankung nach Asbestexposition. Ob eine jährliche Röntgenkontrolle als Asbestnachsorge bei Rauchern trotz der Belastung durch Röntgenstrahlen zu empfehlen sei, müsse man im Einzelfall abwägen, beantwortete Wonisch eine Frage aus dem Publikum.
Positionen von AK und WKÖ
Die Position der Arbeitnehmerseite im Kampf gegen arbeitsbedingte Krebserkrankungen präsentierten Dr. Christoph Streissler und MMag. Petra Streithofer, beide von der Arbeiterkammer Wien, bzw. Mag. Mirna Specht-Prebana von der AK Oberösterreich. Sie wiesen darauf hin, dass die Gefahren durch krebserzeugende Stoffe insbesondere in Branchen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, oft übersehen werden, etwa in Gesundheitsberufen oder im Reinigungsgewerbe.
Auch der Zusammenhang zwischen Nacht- bzw. Schichtarbeit und Brustkrebs wurde genannt. Ob hier eine Anerkennung als Berufskrankheit abzusehen sei, musste leider verneint werden. Dies ist nach dem derzeitigen Berufskrankheiten-System nicht möglich, da über die Generalklausel nur Erkrankungen aufgrund von Stoffen oder Strahlen anerkannt werden können.
Dr. Christian Gründling vom Fachverband der Chemischen Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich referierte über den sicheren Umgang mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen. Er betonte, dass er nicht aus Sicht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sprechen, sondern generell auf die Situation in der chemischen Industrie eingehen wolle. Der Schwerpunkt seines Vortrags lag auf den rechtlichen Vorschriften, die bei der Arbeit mit krebserzeugenden Stoffen einzuhalten sind, darunter die Verordnung nach dem europäischen Chemikalienrecht REACH und das österreichische ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG). Bestrebungen, die Bestimmungen von REACH und ASchG zu vereinheitlichen, gebe es derzeit keine, musste Gründling diesbezügliche Hoffnungen auf eine einfachere und verständlichere Regelung enttäuschen.
Der Ersatz krebserzeugender Stoffe sei bei der Formulierung von Gemischen einfacher als bei der Herstellung von Chemikalien durch chemische Synthese, so Gründling. Hier müsse man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem durch technische Maßnahmen schützen. Als sensible Bereiche nannte er Befüllen und Entleeren sowie Wartung und Reinigung, eine oft von externen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern übernommene Tätigkeit. Eine entsprechende Unterweisung und die Vorbildfunktion von Vorgesetzten würden laut Gründling eine wesentliche Rolle bei der Vermeidung von Zwischenfällen spielen.
Good-Practice-Beispiele
Am Nachmittag präsentierten Betriebe, die für den Schutz vor krebserzeugenden Stoffen vorbildliche Lösungen gefunden hatten, diese den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Darunter waren Good-Practice-Beispiele zu Holzstaub und Formaldehyd in der Holzbe- und Holzverarbeitung sowie zu Polyoxymethylen im Kunststoffspritzguss, bei dem ebenfalls Formaldehyd frei werden kann, sowie zur Belastung durch Zytostatika und Formaldehyd in Krankenanstalten. Dem Thema Holz und Krebsgefahr ist ein eigener Beitrag in dieser Ausgabe von SICHERE ARBEIT gewidmet; zu Krankenanstalten wird ein Artikel in einer der nächsten Ausgaben erscheinen.
Als Good-Practice-Beispiel im Weichenbau diente die Weichenwerk Wörth GmbH, ein Gemeinschaftsunternehmen der voestalpine Weichensysteme GmbH und der ÖBB Infrastruktur AG. Das Werk fertigt Weichen und sonstiges Oberbaumaterial wie Bahnschwellen. Das dafür verwendete Holz ist mit dem Steinkohleteeröl Kreosot imprägniert, das krebserzeugendes Benzo(a)pyren enthält. Um die Belastung zu reduzieren, werden die Schwellen erst zur Bearbeitung übernommen, nachdem sie drei Wochen lang ausgegast haben. Weitere Schutzmaßnahmen sind Vermeidung des direkten Kontakts mit dem eingeölten Holz, Absaugung und Hygiene.
Wissenswertes und Anregungen wurden in den Pausen bei mehreren Informationsständen angeboten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten die Möglichkeit, in das neue, kostenlose Online-Tool der AUVA zur Erstellung eines Verzeichnisses gefährlicher Arbeitsstoffe (https://arbeitsstoffverzeichnis.auva.at/) Einblick zu nehmen und eine Sammlung kanzerogener Stoffe zu begutachten. Selbst aktiv werden konnte man z. B. bei einem Stand zum Schwerpunkt Hautschutz, wo eine UV-Lampe an den Tag brachte, ob man sich beim Ausziehen von Schutzhandschuhen kontaminierte. Hygiene und Verschleppung wurden ebenfalls anhand eines praktischen Versuchs anschaulich demonstriert. Und zum Thema Asbest gab es nicht nur Informationsmaterial, sondern auch Schutzanzug und Atemschutzmaske zum Probieren.
Weitere Informationen zu Asbest und anderen krebserzeugenden Arbeitsstoffen sind in der branchenbezogenen Merkblatt-Reihe M.plus 340, die sich speziell an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Führungskräfte und Präventivfachleute richtet, nachzulesen. Die Schwerpunkt-Website www.auva.at/krebsgefahr bietet einen Überblick über alle Materialien und Service-Angebote zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen. Am 15. Mai 2019 findet erstmals das Seminar mit dem Titel „Sicherer Umgang mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen“ für Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner statt. Es wurde von der AUVA in Kooperation mit der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention konzipiert. Information und Anmeldung unter www.aamp.at (Fortbildungsseminare).
Die AUVA beantwortet häufig gestellte Fragen
Ab der nächsten Ausgabe von SICHERE ARBEIT wird es eine neue Rubrik zum Schwerpunkt „Gib Acht, Krebsgefahr!“ geben. Unter dem Titel „FAQ zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen: Die AUVA antwortet!“ greifen unsere Expertinnen und Experten anonymisierte Leserfragen zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe auf, die von allgemeinem Interesse sind. Alle veröffentlichten Fragen und Antworten werden anschließend auf der Schwerpunkt-Website www.auva.at/krebsgefahr laufend unter dem Menüpunkt „Häufig gestellte Fragen (FAQ)“ ergänzt.
Haben auch Sie Fragen zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen? Dann lassen Sie uns diese per E-Mail (FAQkrebsgefahr@auva.at) zukommen!
Zusammenfassung
Anlässlich des AUVA-Präventionsschwerpunkts „Gib Acht, Krebsgefahr!“ fanden vier Informationsveranstaltungen statt. Die Vortragenden behandelten unterschiedliche Aspekte des Themas vom Erkennen krebserzeugender Arbeitsstoffe über Aktivitäten von Arbeitsinspektorat und Interessenvertretungen bis hin zu medizinischen Aspekten. Darüber hinaus wurden Good-Practice-Beispiele von Unternehmen, die für den sicheren Umgang mit krebserzeugenden Stoffen vorbildliche Lösungen gefunden hatten, präsentiert. Die Anwesenden konnten zudem über ein interaktives Tool Fragen an die Referentinnen und Referenten stellen. Ab der kommenden Ausgabe von SICHERE ARBEIT werden auch anonymisierte Leserfragen in der neuen Rubrik „FAQ zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen: Die AUVA antwortet!“ behandelt und auf der Schwerpunkt-Website www.auva.at/krebsgefahr laufend veröffentlicht.