Krebserzeugende Arbeitsstoffe
Unverwüstliche krebserzeugende Altlasten
Im Zuge des aktuellen Präventionsschwerpunktes „Krebserzeugende Arbeitsstoffe“ sind in der AUVA, aber auch bei Partnern der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt neue bzw. überarbeitete Informationsmaterialien zu Asbest und künstlichen Mineralfasern entstanden, die auch aktuelle Entwicklungen berücksichtigen.
Noch vor weniger als drei Jahrzehnten hielt die Bauwirtschaft auf Asbest aufgrund seiner nahezu unverwüstlichen Eigenschaften große Stücke. Die Sanierung von asbesthaltigen Gebäuden verursacht bis heute hohe Kosten und stellt überdies eine große Gesundheitsgefahr sowohl für ArbeitnehmerInnen als auch für private HausbesitzerInnen und AnrainerInnen dar.
In den 1960er-Jahren wurde Asbest als Baumaterial hochgelobt und nahezu überall eingesetzt. Mehr noch, es galt als wahres Wundermaterial. Das natürlich vorkommende Mineral ist nahezu unverwüstlich, hitzebeständig, zugfest, widersetzt sich – fast – allen Chemikalien und Korrosion, ist einfach nicht umzubringen. Heute kämpfen viele Länder mit den asbesthaltigen Altlasten. Die Gefahr beginnt, sobald asbesthaltige Materialien abwittern oder mechanisch bearbeitet bzw. beschädigt werden. Dann gelangen Asbestfasern in die Luft und werden unweigerlich eingeatmet.
Gesundheitsgefahr durch feine Fasern
Eingeatmete Asbestfasern können, je nach Faserdimension, bis in die kleinsten Atemwege und Alveolen (Lungenbläschen) vordringen. Beim Versuch des Körpers, die Fasern zu entfernen, gehen Abwehrzellen zugrunde. Das führt zu einer Entzündungsreaktion und in weiterer Folge zur Vermehrung des Bindegewebes der Lunge, der sogenannten Staublunge. Im ungünstigsten Fall können bösartige Tumore der Lunge, des Kehlkopfes und des Rippen- und Bauchfells entstehen. Heimtückisch daran ist die lange Latenzzeit, d. h. dass bis zum Auftreten der ersten Krankheitssymptome 10 bis 15 Jahre, in manchen Fällen sogar bis zu 40 Jahre vergehen können. Die Kombination Rauchen und Asbestfaserbelastung erhöht das Risiko einer Lungenkrebserkrankung um mehr als das 50-Fache. So weist die AUVA-Statistik jährlich noch immer bis zu 130 Neuerkrankungen und 70 Todesfälle durch Asbest auf.
Wissen schützt
Die Herstellung und Verwendung von Asbest ist heute in der EU und in Österreich bereits seit 1990 verboten. Für die Sanierung und Entsorgung von mit Asbest belasteten Gebäuden, Anlagen oder Geräten gelten daher strenge Schutzmaßnahmen. Grundlagen sind entsprechende EU-Regelungen. In Österreich wird der Umgang mit Asbest und asbesthaltigen Produkten in der GKV 2018 (Grenzwerteverordnung) und in der Chemikalien-Verbotsverordnung 2003 geregelt.
Das Ziel jeder Asbestsanierung besteht vor allem darin, die von asbesthaltigen Produkten ausgehende potenzielle Gefahr der Freisetzung von Asbestfasern in die Atemluft nachhaltig zu minimieren bzw. zu verhindern.
Sogenannter fest gebundener Asbestzement, wie er beispielsweise für Dächer oder Fassadenverkleidungen häufig verwendet wurde, kann relativ harmlos bleiben, solange er nicht bearbeitet oder beschädigt wird bzw. deutlich sichtbar verwittert ist. Als besonders gefährlich gilt dagegen z. B. schwach gebundener Spritzasbest, der zur Isolierung und als Brandschutzbeschichtung eingesetzt wurde. Auch Asbesttextilien, Dichtungen und Schnüre, Asbestplatten in Elektrogeräten oder Fußbodendämmungen etwa unter PVC-Böden, asbesthaltige Klebstoffe für Bodenbeläge, Brandschutzklappen oder z. B. auch Verkleidungen von Heizkörpern können bei mechanischer Manipulation leicht Fasern freisetzen. Jegliches Überbauen, Beschichten bzw. Versiegeln von Asbestprodukten bedeutet nur eine „Verschleppung“ dieses Problems in die Zukunft und stellt keine dauerhafte Lösung dar. Bei Fassaden und Dächern stellt auch die faserfreisetzende Reinigung vor der Beschichtung ein erhebliches Problem dar. Der Wiedereinbau, die Wiederverwendung oder Weitergabe asbesthaltiger Materialien ist gesetzlich verboten!
Anerkannte Berufskrankheiten durch Asbest (2004 bis 2016):
- BK 27a Asbestose (Asbestlunge)
- BK 27b bösartige Neubildungen des Rippenfells (Pleuramesotheliom), des Herzbeutels und des Bauchfells durch Asbest
- BK27c Berufskrankheit (BK) 27 c: bösartige Neubildungen der Lunge durch Asbest
- Berufskrankheit (BK) 27 d: bösartige Neubildungen des Kehlkopfes durch Asbest
Richtiger Umgang mit Asbest
Wie im Einzelnen vorgegangen werden muss, ist von der zu erwartenden Menge an freigesetzten Asbestfasern abhängig. Können Verfahren nach DGUV 201-012 oder Verfahren, wie im neuen AUVA-Merkblatt M.plus 267 beschrieben, angewendet werden, ist davon auszugehen, dass eine Konzentration unter 15.000 Fasern/m3 (geringfügige Konzentration) eingehalten wird und die aufwendige Errichtung von Schleusensystemen entfallen kann. Solche Verfahrensbeschreibungen gibt es beispielsweise für die Entfernung von asbesthaltigen Bodenbelägen, Entfernung von Dach- und Fassadenplatten, die Demontage von Asbestzementrohren, den Ausbau von asbesthaltigen Teilen von Nachtspeicheröfen etc. Bei diesen geringfügigen Arbeiten ist die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung gemäß Merkblatt M.plus 267 vorgeschrieben.
Nicht für alle Tätigkeiten kann mit einem Verfahren die Einhaltung der geringfügigen Konzentration von 15.000 Fasern/m3 gewährleistet werden. Ist davon auszugehen, dass der Grenzwert für Asbest (100.000 Fasern/m3) überschritten wird, wie bei der Entfernung von Spritzasbest oder schwachgebundenen Brandschutzplatten, muss mit Hilfe eines Schleusensystems und zugehöriger Unterdruckhaltung eine Sanierungszone eingerichtet werden. Dadurch wird sichergestellt, dass Asbestfasern nicht in Bereiche außerhalb der Sanierungszone gelangen können und dass MitarbeiterInnen sowie sonstige Personen entsprechend geschützt werden. Innerhalb dieser Sanierungszone sind motorunterstützte Filtergeräte oder umluftunabhängige Atemschutzgeräte und Schutzanzüge zu verwenden. Details dazu finden sich in der TRGS 519.
Neue Vorschriften lt. GKV 2018
Werden Arbeiten mit geringfügiger Konzentration (15.000 Fasern/m3) nicht nur gelegentlich durchgeführt oder ist mit einer Grenzwertüberschreitung (mehr als 100.000 Fasern/m3) zu rechnen, sind nach Tabelle 2 gesetzliche festgelegte Vorschriften einzuhalten:
- Verzeichnis der ArbeitnehmerInnen führen
- Eignungs- und Folgeuntersuchungen veranlassen
- Asbestarbeiten über die BUAK an das Arbeitsinspektorat meldenArbeitspläne erstellen
- MitarbeiterInnen besonders unterweisen
KMF (künstliche Mineralfasern)
Ein weiteres Problemfeld im Sanierungs- und Abbruchbereich sind künstlichen Mineralfasern – KMF (siehe auch den Artikel in Sichere Arbeit 5/2018, Seiten 16 ff). Bei künstlichen Mineralfasern (z. B. Mineralwolle, Keramikfasern, polykristalline Fasern) handelt es sich, anders als bei Asbest, um künstlich hergestellte anorganische Fasern, die überwiegend als Dämmstoffe zur Wärme- und Brandschutzisolierung und in allen möglichen Formen von der Trittschalldämmung bis zur Stopfwolle zum Einsatz kommen.
KMF sind kein Asbest, obwohl bei der Bearbeitung von KMF ebenfalls lungengängige Fasern freiwerden können. Wenn diese Fasern ausreichend lange im Gewebe verbleiben und eine hohe Biobeständigkeit aufweisen, können sie Krebs auslösen. Seit 1998 werden in Österreich nur noch die sogenannten „neuen“ KMF-Dämmstoffe in Verkehr gebracht, die aufgrund der Löslichkeit im Lungengewebe nicht als krebserregend eingestuft sind. Diese Produkte sind mit dem RAL-Gütezeichen gekennzeichnet. Bei „alten“ KMF-Dämmstoffen, die vor 1998 produziert wurden, besteht der Verdacht auf eine krebserregende Wirkung (sofern diese nicht durch einen Einzelnachweis widerlegt ist). Kontakt mit diesen „alten“ Dämmstoffen ist bei fast allen Abbruch-, Sanierungs-. und Instandhaltungsarbeiten gegeben.
Aufgrund der möglichen Gesundheitsgefährdung ist, wenn mit KMF gearbeitet wird, die Exposition der ArbeitnehmerInnen als auch die Freisetzung der Fasern in die Umwelt durch Anwendung staubarmer Arbeitsverfahren so gering wie möglich zu halten. Neben organisatorischen Maßnahmen, wie Kennzeichnung und Abgrenzung des Arbeitsbereiches, staubdichte Verpackung der Abfälle am Entstehungsort, sind persönliche Schutzmaßnahmen der ArbeitnehmerInnen konsequent einzuhalten. Zu diesen zählen u. a. die Verwendung der PSA (Atemschutz FFP2, Arbeitskleidung oder Schutzanzug, Schutzhandschuhe und Schutzbrille), Reinigungsmöglichkeit nach der Arbeit oder getrennte Aufbewahrungsmöglichkeit der Arbeits- und Freizeitkleidung.
Ablaufschema
Aesetzestabelle
AUVA-Informationen zu Asbest
- Merkblätter:
- M.plus 267 Richtiger Umgang mit Asbest
- M.plus 267.1 Information und Unterweisung bei Asbestexposition
- Fachseminar „Fachkundiger Umgang mit Asbest“ – 2 Tage
- Basisinformation Fachkundiger Umgang mit Asbest – 1 Tag
- ÖSBS – Prüfstelle für Staubschutzeinrichtungen, Staubschutzmaßnahmen und gesundheitsgefährdende Stoffe
- Aktueller Präventionsschwerpunkt „Gib Acht, Krebsgefahr!“ zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen.
www.auva.at/krebsgefahr – Website mit Informationen zu gefährdeten Branchen, relevanten Stoffen und Angeboten der AUVA - Eval.at – die Evaluierungshomepage der AUVA: https://www.eval.at/asbest-gruppe/richtiger-umgang-mit-asbest
Weitere Informationen zum Thema auf der Arbeitsinspektionsseite: https://www.arbeitsinspektion.gv.at/inspektorat/Arbeitsstoffe/Asbest/
Kontakte zum Thema Asbest unter: https://www.eval.at/asbest-gruppe/unterlagen-und-kontakt#
Informationen zum Thema KMF:
- Im Leitfaden der Wirtschaftskammer Österreich,
- „Kurzanleitung für den UMGANG MIT KÜNSTLICHEN MINERALFASERN (KMF) IM BAUWESEN“
- sowie in der deutschen Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 521
- „Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit alter Mineralwolle“
Zusammenfassung
Da sich ein hoher Prozentsatz der krebserzeugenden Materialien noch immer in den Gebäuden und Anlagen befindet, ist eine Sensibilisierung der Arbeitgeber, ArbeitnehmerInnen, Bauherren und HausbesitzerInnen sowie die konsequente Anwendung der Schutzmaßnahmen unumgänglich. Dies kann nur durch ausreichende Kenntnis der Thematik durch Schulungs- und Unterweisungsmaßnahmen gewährleistet werden. Ein erneuter Anstieg der Erkrankungen und Todesfälle durch Asbest, bedingt durch bevorstehende Abbruch- und Sanierungsarbeiten in den nächsten Jahrzehnten, kann nur durch gemeinschaftliche Anstrengungen verhindert werden.