Notfall- und Krisenmanagement
Vom Feuerlöscher bis zum Krisenstab
Fast die Hälfte aller Klein- und Mittelbetriebe verfügen über kein Risikomanagement bzw. sind für ihre Risiken blind. So lautete das Ergebnis einer FH-Studie 2014, bei der knapp 3.000 Unternehmen mit 25 bis 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, quer durch alle Branchen, befragt wurden. Doch hat sich seit 2014 etwas geändert? Sind Unternehmen nun besser vorbereitet? Und was sind die „Hausaufgaben“, die Unternehmen im Risiko- und Krisenmanagement jedenfalls machen sollten?
Notfälle und Krisen können aufgrund verschiedenster Einflussfaktoren ein Unternehmen, eine Organisation oder eine Behörde treffen. Mögliche Einflussfaktoren dafür sind beispielsweise die Produktions- oder Geschäftstätigkeit, diverse politische und/oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen, der Ausfall von Kunden, Partnern oder Lieferanten, mögliche Risiken aufgrund des Unternehmensstandorts, etwaige Natur- und Umweltgefahren, Zwischenfälle im Nachbarbetrieb usw. In diesen dynamischen und komplexen Not- bzw. Krisensituationen reichen gewohnte Strukturen, Abläufe und Maßnahmen oft nicht aus, um Schäden zu minimieren oder nachhaltig zu vermeiden. Prävention durch gesicherte Abläufe bzw. Systeme, Kenntnis möglicher Risiken sowie ein darauf abgestimmtes, rasches und effektives Handeln im Ereignisfall ermöglichen eine erfolgreiche Bewältigung solcher Situationen.
Doch was ist Notfall- und Krisenmanagement? Und wie etabliert man dieses Managementsystem? Wie jedes funktionierende Konzept bzw. System benötigt man für ein funktionierendes Krisenmanagement einen Maßnahmenmix aus technischen, organisatorischen und personellen Lösungen. Während sich Arbeitssicherheit weitgehend auf Prävention ausrichtet, ist im Notfall- und Krisenmanagement Prävention und vor allem auch Reaktion essenziell notwendig. Während sich das Notfallmanagement operativ im Unternehmen ausrichtet, widmet sich das Krisenmanagement strategischen Problemlösungen im Zuge eines Zwischenfalls.
Notfälle treten meist plötzlich auf und erfordern ein rasches und zielgerichtetes Handeln, wie beispielsweise ein Erste-Hilfe-Ereignis im Betrieb, ein Einbruch oder ein (Klein-)Brand im Unternehmen. Die Charakteristik eines Notfalls ist, dass er immer auf eine Abteilung, einen Bereich, eine Person oder eine Tätigkeit beschränkt ist. Krisen sind meist existenzbedrohend und betreffen das ganze Unternehmen, die ganze Organisation. Hier ist strategisches Denken und Handeln nötig, um aus der Krise erfolgreich und gestärkt herauszugehen. Beide Ebenen im Betrieb sind absolut notwendig und gleichwertig zu behandeln, denn ein Krisenstab ohne Notfallorganisation ist nicht handlungsfähig und vice versa. Den Aufbau eines funktionierenden Krisenmanagements zeigt Grafik 1.
Wichtig ist, dass man sich auf mögliche Notfälle und Krisen bestmöglich vorbereitet. Der erste Schritt ist, eine Risikoanalyse im Unternehmen durchzuführen und mögliche Krisenpotenziale zu erkennen. Dieses Prinzip ist natürlich auch auf spezielle Tätigkeiten, z. B. Stillstand von Industrieanlagen oder Veranstaltungen, anwendbar, um Notfallszenarien zu erkennen und sich darauf vorzubereiten. Wenn nun Ergebnisse vorliegen, werden Maßnahmen definiert, um auf die mögliche Krise vorbereitet zu sein. Allgemeine, aber enorm wichtige Maßnahmen sind die Etablierung einer funktionierenden Alarm- und Informationskette, die Schulung und das Training der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Schaffung einer adäquaten Infrastruktur.
Alarmierung und Information
Die Alarmierung und Information muss rasch extern, z. B. durch betriebliche Interventionskräfte oder öffentliche Einsatzkräfte, aber auch intern, etwa durch Vorgesetzte, Abteilungsleitung oder das Management, erfolgen. Hierfür gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Möglichkeiten wie Funk, Mobiltelefone, Satellitenkommunikation bei schlechter Netzabdeckung bzw. automatische Alarmierungs- und Informationstools, die über PC, Tablet oder Handy gesteuert werden können. Alarmierungstools gewährleisten beispielsweise eine rasche und gleichzeitige Alarmierung einer oder mehrerer Personengruppen (auch in größerer Anzahl) – und das auch speziell für bestimmte, vordefinierte Szenarien. Berechtigte Teilnehmerinnen und Teilnehmer können hier mittels Zugangs- und Alarmcodes den Notfall- und/oder Krisenalarm auslösen. Während nun die Interventionskräfte den Notfall bearbeiten, kann so eine erste Einschätzung der Lage auf das Krisenpotenzial erfolgen. Somit ist es möglich, frühzeitig Krisen zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen zu setzen. Diese Systeme können auch als Informationssystem für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genutzt werden.
Interne und externe Krisenkommunikation
„Es dauert zwanzig Jahre, sich einen guten Ruf aufzubauen, aber nur fünf Minuten, um ihn zu verlieren“ (Warren Buffet). Kommunikation ist unverzichtbar in der Krise! Krisen sind, wie bereits erwähnt, meist existenzbedrohend und verlangen ein professionelles Krisenmanagement, aber auch eine professionelle Kommunikation.
Schwache Krisenkommunikation lässt großen Spielraum für Gerüchte, Spekulationen und falsche Tatsachen. Dies führt unter Umständen auch zu Panikmache (z. B. Aktieneinbruch durch Aktienverkäufe oder Arbeitsplatzverlust). Professionelle Krisenkommunikation schafft hier Abhilfe. In Krisenfällen stehen auch die Medien unter sehr hohem zeitlichen Druck, da diese möglichst als Erste berichten möchten.
Während Journalisten meist nach dem Zwei-Quellen-Prinzip arbeiten, ist das bei Social Media, Internetquellen und Co oft nicht der Fall. Ehe Journalisten eine Information veröffentlichen, prüfen sie anhand mindestens einer weiteren Quelle, ob diese zuverlässig und korrekt ist. Viele Fälle gerade aus der letzten Zeit haben gezeigt, dass auch Medienvertreter nicht vor Fehlinformationen gefeit sind. Oft fällt es auch schwer, zu verifizieren, ob nicht die zweite Quelle eigentlich denselben Ursprung hat.
Die Kommunikation im Internet ist schneller und der „Umgangston“ rauer geworden. Man sitzt gemütlich in Freizeitkleidung mit seinem Smartphone auf dem Sofa und tippt eine kleine Bemerkung auf Facebook, Twitter und Co ein. Oder man wird zufällig Augenzeuge eines Ereignisses, zückt sein Smartphone, filmt die Szenerie und lädt das Video in Sekunden ins Internet hoch. Wenig später wird dies von Tausenden gesehen, bewertet und mitunter weiterverbreitet. Das Internet bietet jedem die Möglichkeit, anonym seine Meinung kundzutun und sich „kein Blatt vor den Mund zu nehmen“. In einem kurzen Zeitraum kann so teils aggressiv, beleidigend und bedrohend gegen ein Unternehmen argumentiert und dieses dadurch möglicherweise auch diskreditiert werden. Dies kann zur Imagekrise für das Unternehmen bzw. die Organisation führen oder eine vorhandene Krise extrem verstärken. Hierzu ein paar Zahlen: Twitter hat derzeit etwa 336 Mio. User, Facebook über etwa 2,2 Mrd. User. Täglich werden in sozialen Medien knapp 5 Mrd. Inhalte veröffentlicht. Merkmal jeder (Kommunikations-)Krise ist auch die Eröffnung von Nebenschauplätzen. So können etwa Mitbewerber, Partner, Lieferanten oder (Ex-)Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter eine Krise nutzen, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.
Wie kann man sich nun auf eine Kommunikationskrise vorbereiten bzw. eine professionelle Krisenkommunikation aufbauen? Es gilt, einen Krisenkommunikationsplan zu implementieren (Wer spricht mit wem, wann, wo und wie?), Unternehmenssprecher zu definieren und vor allem zu trainieren. Grundregel: Es spricht nur einer in der Krise! Man muss seinen Internetauftritt durch eine Krisenkommunikationsstrategie absichern (Homepage, Social Media …) und vor allem Medien in den Alltagsbetrieb aktiv einbinden (z. B. Berichte von Veranstaltungen, Jubiläen und Tätigkeiten). So kennt man bereits eine Vielzahl der Stakeholder im Medienbereich persönlich. In die Krisenkommunikation gehören natürlich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter miteinbezogen. Sie sind einerseits ebenfalls daran interessiert, was in „ihrem“ Unternehmen passiert, und auf der anderen Seite Meinungsbildner für oder gegen das Unternehmen bzw. die Organisation. Man sollte daher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frühzeitig informieren, damit sie nicht aus den Medien erfahren müssen, dass ihr Unternehmen vielleicht ein Problem hat.
Schulungen, Trainings und realitätsnahe Übungen
Durch Schulungen und Trainings können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend reagieren und vielleicht den Notfall noch abfangen, bevor er zur Krise wird. Wichtige Basistrainings für Notfälle sind beispielsweise Lösch- und Rettungsübungen, Erste-Hilfe-Trainings bzw. Trainings für betriebliche Ersthelfer, Verhaltenstrainings bei polizeilichen Gefahrenlagen, Evakuierungstrainings sowie Schulungen über die interne Sicherheitsorganisation mit Aufgaben, Funktionen und Schnittstellen. So können die Notfallebene, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Führungskräfte angemessen auf einen Notfall reagieren – denn auch die strategische Ebene, das Krisenmanagement, ist entsprechend auszubilden und zu trainieren. Nur wer seine Werkzeuge kennt und damit vertraut ist, kann Krisen bewältigen.
Hierfür sind Workshops zu den Themen Krisenstabsarbeit, Führung, Lagedarstellung und Informationsaufbereitung sowie Krisenkommunikation fundamentale Werkzeuge. Ein weiterer wichtiger Punkt sind Übungen. Nicht umsonst heißt es: „Übung macht den Meister.“ Erst regelmäßige Notfall- und Krisenübungen bereiten das Unternehmen bzw. die Organisation für ein nachhaltig erfolgreiches Bewältigen von Notfällen bzw. Krisen vor. Krisen sind zum Glück nicht alltäglich oder Routine, deshalb gilt: Nur wer sich wenige Gedanken in dieser außergewöhnlichen Situation über „Wie, wo, wer, wann?“ machen muss, kann flexibel agieren und reagieren. Jedes Konzept sollte unbedingt geübt werden, nachdem es im Unternehmen bzw. der Organisation etabliert und geschult wurde. Unter realistischen, aber kontrollierten Bedingungen sollte das Konzept auf Herz und Nieren geprüft werden. In dieser realitätsnahen Übung zeigt sich, ob und wo noch nachjustiert werden muss und ob man damit die Realsituationen meistern kann.
Schaffung notwendiger Infrastruktur
Ein oft vernachlässigter Punkt ist die Schaffung der notwendigen Infrastruktur mit den dazugehörigen Hilfs- und Führungsmitteln. Dies beginnt bei Kommunikationseinrichtungen und endet bei einem Krisenstabsraum. Ist, wie bereits erwähnt, eine rasche Alarmierung und Information gewährleistet? Gibt es entsprechende Möglichkeiten, wo sich der Krisenstab zu einer Besprechung, einem Lagebriefing bzw. der Stabsarbeit einfinden kann? Sind diese Räumlichkeiten mit allen benötigten Hilfs- und Führungsmitteln (Kommunikation, Visualisierung, Dokumentation …) ausgestattet? Auch Ergonomie spielt für diese Räumlichkeiten eine sehr wichtige Rolle. Nur wenn die Krisenstabsräumlichkeiten ausreichend belichtet, beleuchtet, belüftet und entsprechend eingerichtet sind, ist ein effizientes Arbeiten über mehrere Stunden oder sogar Tage möglich. Krisen sind sowohl physisch als auch psychisch anstrengend. Ergonomie kann hier zu einer Entlastung beitragen. Die Räumlichkeiten können natürlich in Doppelfunktion genutzt werden: Im Alltag als Besprechungs- oder Seminarräume, im Anlassfall als Krisenstabsräume. Wichtig ist dabei nur, dass die Räume mit wenigen Handgriffen in den „Krisenmodus“ adaptiert bzw. umgebaut werden können – denn Zeit spielt in Krisen eine enorme Rolle.
Sind nun Unternehmen, Organisationen und Behörden auf Krisen besser vorbereitet? Ein tendenzieller Aufwärtstrend ist zwar zu verzeichnen, aus der Sicht des Autors ist jedoch hier noch sehr viel „Luft nach oben“. Seine Empfehlung: Betrachten Sie ihre Systeme, Abläufe und ihr Personal mit Fokus auf Notfallbewältigung und Krisenmanagement und bewerten Sie ihre Effektivität und Effizienz für diese Szenarien.
Zusammenfassung
Der Autor fasst aus seiner Sicht die wesentlichen Elemente eines funktionierenden Risiko- und Krisenmanagements zusammen.