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Alternsgerechtes Arbeiten

Generationenmanagement: Alt und Jung im Tandem

Der Beleuchtungsspezialist Zumtobel setzt auf Zusammenarbeit von Alt und Jung im Tandem.

Tandem-Arbeitsplatz
Tandem-Arbeitsplatz Mario Wintschnig

Die gesellschaftliche demografische Entwicklung macht es notwendig, dass man sich mit altersgerechten Strukturen auseinandersetzt. Unternehmen müssen sich aktiv dem Thema Wissensmanagement widmen, da sonst viel an Erfahrung und Know-how verloren gehen wird“, ist Mario Wintschnig, MSc, Head of Health & Age bei der Zumtobel Group AG, überzeugt. Der Beleuchtungskonzern sei diesbezüglich gut aufgestellt, so der Betriebsökonom, und würde die Verantwortung, die sich aus der Vorreiterrolle in Vorarlberg ergebe, wahrnehmen. Ausgangsbasis für die verstärkte Beschäftigung mit Generationenmanagement waren bei Zumtobel die Analyse von Altersstruktur und -entwicklung sowie die Erhebung der Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter. Die Altersstruktur zeigt, dass die Generation X der rund 37- bis 52-Jährigen die größte Gruppe bildet, gefolgt von der ab 1981 geborenen Generation Y. Mit fast 14 Prozent stellen aber auch die sogenannten Babyboomer, also die Kohorte der geburtenstarken Jahrgänge, noch einen großen Anteil der Belegschaft.

Mit einem Alter von derzeit 50 plus werden sich die Babyboomer in absehbarer Zeit in den Ruhestand verabschieden. Um einem Ausscheiden vor dem gesetzlichen Pensionsalter und damit verbundenen Produktivitätsverlusten entgegenzuwirken, wurde alternsgerechtes Arbeiten bei Zumtobel zum Topthema der nächsten fünf Jahre erklärt. Wintschnig betont die Eigenverantwortung der Betriebe und verweist auf ein Zitat des finnischen Arbeitswissenschafters Prof. Juhani Ilmarinen: „Länger arbeiten wird in erster Linie in Unternehmen und der Tätigkeit realisiert und nicht auf irgendeiner politischen Ebene.“

Evaluierung der Arbeitsbewältigungsfähigkeit

Damit neue Maßnahmen auch angenommen würden, sei eine Einschulung besonders wichtig, so Wintschnig. Ein gesundheitlicher Profit ergebe sich durch die ergonomischen Verbesserungen für alle Altersgruppen: „Was bei den älteren Mitarbeitern der Gesunderhaltung dient, ist als Prävention für die jüngeren Generationen zu sehen.“ Im Vergleich der Handlungsfelder der Betrieblichen Gesundheitsförderung erzielen Aktivitäten des gesetzlichen Arbeitnehmerschutzes eine besonders hohe Akzeptanz in der Belegschaft.

Ebenfalls zu den Spitzenreitern zählt, was die positiven Reaktionen der Mitarbeiter betrifft, das Handlungsfeld betriebliches Eingliederungsmanagement. Nach Langzeitkrankenständen haben alle Mitarbeiter, unabhängig von ihrem Alter und der Stellung, die Möglichkeit zur Wiedereingliederung. Betroffen sind vor allem Ältere, da diese zwar seltener, dann dafür aber länger krank sind. Unter den Gründen für mehr als sechs Wochen dauernde Ausfälle führen Muskel-Skelett-Erkrankungen, psychische Erkrankungen und Neubildungen (Krebs).

An den Unternehmensstandorten in Dornbirn und Umgebung wurde die Wiedereingliederung mit einer schrittweise gesteigerten Anzahl an Arbeitsstunden ein Jahr lang im Rahmen eines Pilotprojekts erprobt und für geeignet empfunden. „Mitarbeiter nach längerer Krankheit zu behalten, rechnet sich auch monetär“, erklärt Wintschnig. Den Betroffenen bleiben Existenzängste erspart, da ihnen trotz verringerter Stundenanzahl weiter der volle Lohn ausgezahlt wird – was die „positive Nebenwirkung“ hat, dass niemand krank am Arbeitsplatz erscheint. Dieses Modell gilt für alle Beschäftigten, auch für Teilzeitkräfte.

In Absprache mit den Arbeitsmedizinern, auf Wunsch des Betroffenen auch mit externen Ärzten und Psychologen, wird eine geringere, gesundheitsförderliche Stundenzahl festgelegt und innerhalb von zwölf Wochen an die gewohnte Arbeitszeit herangeführt. Herz­ratenvariabilitätsmessungen garantieren, dass sich der Rückkehrer dabei nicht überlastet. Etwa die Hälfte der Mitarbeiter, die dieses auf freiwilliger Basis wählbare Modell in Anspruch nehmen, kehrt an ihren früheren Arbeitsplatz zurück, die Übrigen wechseln zu einer Tätigkeit, die ihren aktuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen besser entspricht. Abgesehen von einem einzigen Fall konnten bisher alle Wiedereingegliederten im Unternehmen bleiben.

Vermeidung von Langzeitausfällen

Im Handlungsfeld Präsenzmanagement ist die Vermeidung von Langzeitausfällen ein Schwerpunkt. Häufen sich bei einem Mitarbeiter die Fehlzeiten, so wird dieser von einer Führungskraft zu einem Präventionsgespräch eingeladen. Speziell, wenn es sich um eine ältere Person handelt, ist dabei Fingerspitzengefühl gefragt. Im Handlungsfeld Führungsverhalten wird daher laut Wintschnig die Entstigmatisierung thematisiert: „Es heißt immer nur, dass Ältere oft krank, langsam und zu teuer sind, ohne den Mehrwert zu sehen. Die älteren Mitarbeiter haben eine positive Einstellung zum Unternehmen. Sie sind loyal und stellen die Probleme nicht in den Vordergrund.“

Portrait Mario Wintschnig
Mario Wintschnig Mario Wintschnig

Diese starke Bindung an den Arbeitgeber fehlt beim Nachwuchs häufig. „Lehrlinge sind dreieinhalb bis vier Jahre in einem geschützten Arbeitsverhältnis und haben einen Lehrlingsausbildner, der sich um sie kümmert. Wenn das wegfällt, verlassen viele den Betrieb“, erklärt Wintschnig. Dafür punkten die Jungen durch höhere Flexibilität und können bei der technologischen Entwicklung, den immer kürzer werdenden Produktentwicklungszyklen und der stetigen Sortimentserweiterung durch neue Mitbewerber besser mithalten als ihre älteren Kollegen.

Im Rahmen des Handlungsfelds Generationenmanagement werden alternsgerechte Strukturen geschaffen, um die Vorteile der unterschiedlichen Altersgruppen optimal nutzen zu können und einen generationenübergreifenden Wissenstransfer sicherzustellen. Beschäftigte verschiedenen Alters arbeiten in einem Tandem-Modell zusammen, bei dem einem erfahrenen ein junger Mitarbeiter zur Seite gestellt wird. Eine altersmäßige Durchmischung gibt es auch bei Projekten und in den Schichten. Die größte Herausforderung stellt die Weitergabe von Wissen, wenn eine Pensionierung bevorsteht, dar.

Verhaltens- und verhältnis­orientierte Maßnahmen

Das Handlungsfeld betriebliche Gesundheitsförderung beinhaltet verhaltens- und verhältnisorientierte Maßnahmen, die allgemein sehr gut angenommen werden, allerdings hängt es auch vom Interesse des jeweiligen Mitarbeiters und seiner persönlichen Betroffenheit ab. So werden etwa ergonomische Maßnahmen von Personen mit Muskel- und Skeletterkrankungen besonders positiv wahrgenommen. Generell lassen sich die Jüngeren leichter zu sportlichen Aktivitäten motivieren als Ältere. Männer sind eher für Sport zu begeistern, Frauen für klassische Gesundheitsthemen – und für Iyengar-Yoga, welches an vier Terminen pro Woche stattfindet.

An den Iyengar-Yoga-Kursen können Produktionsmitarbeiter in der Arbeitszeit, Angestellte in ihrer Freizeit teilnehmen, wobei der Arbeitgeber die Hälfte der Kosten übernimmt. Mit einigen Fitness­centern hat Zumtobel Partnerschaften abgeschlossen, die den Beschäftigten günstige Packages garantieren. Das Unternehmen hat den Mitarbeitern auch Leasing-E-Bikes zur Verfügung gestellt, damit die Wege zur Arbeit oder in der Freizeit zumindest zum Teil unter dem Einsatz von Muskelkraft zurückgelegt werden. Eine weitere E-Bike-Aktion ist gerade in Umsetzung.

Dass Zumtobel die sportlichen Aktivitäten der Mitarbeiter ein Anliegen sind, zeigt auch der Werkssportverein mit mehreren Sektionen wie Fußball, Volleyball und Tischtennis; Laufen soll demnächst dazukommen. Schon jetzt ist Zumtobel beim Business Run mit den meisten Läufern von allen Vorarlberger Unternehmen vertreten. Die Möglichkeit, mit nur zweimal sieben Euro im Jahr Werkssport­vereinsmitglied zu sein, wird von rund 400 der über 2.000 Mitarbeiter genutzt. Bei allen Bewerben, z. B. in Armbrustschießen oder Schifahren, treten die Teilnehmer in Teams gegeneinander an. „Das ist gut für die Gruppendynamik“, erklärt Wintschnig, der selbst Beirat des Werkssportvereins ist.

Hotspots der psychischen Belastung

Neben physischen spielen auch psychische Faktoren sowohl für das Wohlbefinden der Mitarbeiter als auch für deren Arbeitsbewältigungsfähigkeit eine entscheidende Rolle. Zumtobel hat in vielen Bereichen des Unternehmens Hotspots der psychischen Belastung am Arbeitsplatz evaluiert, z. B. in der Produktion bei bestimmten Linien. Von jeder dieser Linien wird nach Kriterien wie Alter oder Geschlecht eine ABS (Arbeits-Bewertungs-Skala-)Gruppe von Mitarbeitern repräsentativ ausgewählt, für die es vertiefende Workshops gibt. Bei diesen ist alternsgerechtes Arbeiten eines der wesentlichen Themen.

Psychisch belastend kann auch monotone, über Jahre gleichbleibende Arbeit sein. Statt auf Arbeitsplatzrotation setzt Zumtobel hier auf abwechslungsreichere Tätigkeiten mit höherem Handlungsspielraum. „Ein Mitarbeiter stellt eine komplette Leuchte her, das ist eine umfangreiche Arbeit. Zum Schluss sieht er die fertige Leuchte, was auch eine Identifikation mit dem Produkt und dem Unternehmen bringt“, nennt Wintschnig einen weiteren Vorteil dieser Arbeitsweise, die vor rund sechs Jahren eingeführt wurde und sich seither gut bewährt hat.

Lagerbereich
Alternsgerechter Arbeitsplatz im Lagerbereich der Retouren-Waren Mario Wintschnig

Ältere Menschen empfinden einen 40-Stunden-Job oft als belastend. Die Altersteilzeit nehmen bei Zumtobel pro Jahr im Schnitt bis zu zehn Beschäftigte in Anspruch. Weitere Möglichkeiten, die speziell die älteren Mitarbeiter nutzen, sind die laut Kollektivvertrag statt einer Lohnerhöhung wählbare Freizeitoption und die bezahlte Freistellung in Form eines Sabbaticals, dazu kommt die betriebliche Wiedereingliederung nach längerer Krankheit. Strebt jemand eine Reduktion der Arbeitszeit an, wird in persönlichen Gesprächen eine individuell passende Lösung gefunden.

Oft ist Wintschnig, der die Funktionen Betriebsrat, Sicherheitsvertrauensperson, Integrationsbeauftragter und seit 2014 auch Head of Health & Age vereint, dabei persönlich involviert. „Als Betriebsrat beschäftigt man sich automatisch mit den Themen Gesundheit und Alter“, so Wintschnig. „Zusätzlich habe ich Kurse über Betriebliche Gesundheitsförderung besucht und durch diese einen Eindruck davon bekommen, welche Maßnahmen man setzen kann.“ Schließlich kam noch ein berufsbegleitendes Masterstudium, die Ausbildung zum MSc „Arbeitsfähigkeit und Wiedereingliederungsmanagement“ an der Medizinischen Universität Wien, dazu.

Unterstützung durch das Management

Mit praktischer Erfahrung und theoretischen Kenntnissen ausgestattet, konnte Wintschnig die Geschäftsführung und die Führung von Human Ressources von der Notwendigkeit, umfassende Maßnahmen im Bereich Gesundheitsförderung zu ergreifen, überzeugen. „Eine wichtige – wenn nicht die wichtigste – Rolle kommt den Führungskräften zu. Dank der wertvollen Unterstützung seitens des Managements, der Personalabteilung, der aktiven Mitarbeit unserer Präventivkräfte und unseres Arbeitspsychologen, der Sicherheitsfachkräfte und der Betriebsratsgremien der Unternehmensbereiche erreichen wir immer mehr Mitarbeiter der Belegschaft und ‚verinnerlichen‘ das Betriebliche Gesundheitsmanagement“, so der Head of Health & Age.

Um das Thema alternsgerechtes Arbeiten und die diesbezüglichen Maßnahmen unter den Mitarbeitern bekannt zu machen, bedient sich Zumtobel unterschiedlicher Kommunikationskanäle. Der Bereich Health & Age mit seinen sechs Handlungsfeldern ist im „Lightweb“, dem firmeninternen Intranet, abgebildet; Neuigkeiten werden je nach Relevanz in der gesamten Unternehmensgruppe oder nur in bestimmten Bereichen bzw. an einzelnen Standorten gepostet. Für die Darstellung der Ergebnisse aus den ABS-Gruppen-Workshops zur Evaluierung der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz nutzt Zumtobel Plakate.

Sogenannte Gesundheitsbriefe in Papierform weisen die Beschäftigten auf neue gesundheitsbezogene Aktivitäten hin, was etwa bei der flächendeckenden Ausstattung mit Defibrillatoren, der Einführung höhenverstellbarer Arbeitsplätze und den ersten firmeninternen Iyengar-Yoga-Kursen der Fall war. Umfassendere Informationen, z. B. über die Ergebnisse der Evaluierung der Arbeitsfähigkeit und die daraufhin beschlossenen Maßnahmen, erhält die Belegschaft in speziellen Informationsveranstaltungen. Persönliche Anliegen können in den jährlich stattfindenden Mitarbeiterentwicklungsgesprächen „myTALK“ direkt mit einer Führungskraft besprochen werden.Ob die gesetzten Maßnahmen tatsächlich die erwarteten Erfolge gebracht haben, überprüft man im Rahmen eines Regelkreislaufs alle zwei bis drei Jahre durch die Kontrolle bestimmter Parameter. Die Key Performance Indicators in der Produktion befinden sich derzeit in Überarbeitung. Über die Wirkung der Aktivitäten zu alternsgerechtem Arbeiten sollen schon bald Resultate vorliegen, erklärt Wintschnig: „Aussagekräftige Ergebnisse über Veränderungen erwarten wir bei der Folgeevaluierung im Juni und Juli kommenden Jahres.“

Zusammenfassung

Zumtobel hat alternsgerechtes Arbeiten zum Top-Thema der nächsten fünf Jahre erklärt. Im Rahmen von „Nestor Gold bewegt“ wurden zu den Handlungsfeldern des Betrieblichen Gesundheitsmanagements konkrete Aktivitäten erarbeitet. Dazu zählen ergonomische Maßnahmen ebenso wie die schrittweise Wiedereingliederung nach langem Krankenstand, ein breit gefächertes Sportangebot und ein moderiertes Tandem-Modell für die Zusammenarbeit von jüngeren und erfahrenen Mitarbeitern.


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