Raumlufthygiene
Energieeffizienz vs. Raumlufthygiene?
Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und zur Ressourcenschonung sind eine Notwendigkeit für die nachhaltige Entwicklung unserer Zivilisation. Im Sinne der Energieeffizienz von Gebäuden werden deshalb Energieverluste mittels dichter Gebäudehüllen gesenkt. Durch die hochwirksame Dämmung erfolgt jedoch nur noch ein sehr geringer natürlicher Luftaustausch. Ohne geeignete Lüftungsmaßnahmen steigen die Risiken unzureichender Raumlufthygiene wie Senkung von kognitiver Leistungsfähigkeit und Vitalität durch zu hohe CO2-Konzentration. Raumluftmonitoring kann dem entgegenwirken.
Den größten Teil ihres Lebens verbringen die Menschen bei Arbeit, Bildung, Wohnen und Freizeit in Innenräumen. So wie der vom Menschen verunreinigte Luftanteil steigt, erhöhen sich auch die Konzentrationen von Luftschadstoffen aus den Baumaterialien, Einrichtungsgegenständen und Haushaltschemikalien (z. B. Kohlendioxid, Gerüche, Allergene, Biozide, Tabakrauch, flüchtige organische Verbindungen). Manche Alltagsstoffe, z. B. Formaldehyd, werden sogar als krebserzeugend oder mutagen eingestuft.
Luft ist bekanntlich das wichtigste Lebensmittel des Menschen. Nur mit ausreichender Frischluftversorgung kann miserable Lufthygiene, können gar gesundheitsschädliche Schadstoffkonzentrationen vermieden werden. Wenn sich die hygienisch erforderliche Frischluftzufuhr durch natürliche Belüftung der Räume (z. B. Fensterlüftung) nicht erreichen lässt, kommen zusätzliche bedarfsorientierte mechanische Lüftungsanlagen zur Anwendung.
Kohlendioxid (CO2) gilt als die wichtigste Leitgröße für die Raumlufthygiene
Schlechte (verbrauchte) Innenluft führt zu signifikantem Anstieg von Befindlichkeitsstörungen wie verminderter Konzentration, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Trockenheitsgefühl oder Reizung von Nase, Rachen und Augen. Nicht selten werden Gesundheitsbeschwerden durch schlechte Lufthygiene ausgelöst bzw. verstärkt.
Für die Frischluftzufuhr zu Wohnräumen gilt gemäß OIB-Richtline 3 (bautechnische Vorschrift für Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz in Österreich) ein üblicher Richtwert von etwa 25 m³ pro Person und Stunde, was bei geringer Raumluftqualität nur ausreicht, wenn nicht geraucht wird, offene Flammen einen eigenen Abzug besitzen, keine flüchtigen Lösungsmittel von Bauprodukten oder Einrichtungsgegenständen abgegeben werden und auch auf geruchsintensive Haushalts- und Hobbychemikalien verzichtet wird.
Bedauerlicherweise bestätigen CO2-Messungen große Lüftungsdefizite in zahlreichen normalen Alltagssituationen an Arbeitsplätzen, bei Bildung, Freizeit oder Wohnen. Oft besteht unakzeptable Luftqualität weit jenseits der Ziel- oder Richtwerte. Deshalb darf je nach Aufenthalt oder Tätigkeit die individuell erforderliche Mindestlüftung nicht außer Acht gelassen werden. Für den hygienisch empfohlenen Zielwert bei geistiger Tätigkeit (< 800 ppm CO2) liegt der Frischluftbedarf in Innenräumen bei etwa 54 m³ pro Person und Stunde.
Im Sinne der Energieeffizienz widerspricht eine ausreichend hohe Frischluftversorgung allerdings dem Ziel eines möglichst niedrigen Luftwechsels. Energie- und Kostenüberlegungen sollten jedoch kein Grund sein, Abstriche bei der Raumluftqualität und, daraus resultierend, bei Behaglichkeit bzw. Gesundheitsschutz zu machen.
CO2 hat Einfluss auf kognitive Fähigkeiten
Wissenschaftliche Studien belegen den großen Einfluss von CO2-Konzentrationen auf kognitive Fähigkeiten: Wissenschaftler der Harvard Universität in Massachussetts und der Universität von New York in Syracuse berichten im Oktober 2015 in ihrer Publikation „Green buildings and cognitive function“ von den Auswirkungen verschiedener CO2-Expositionsszenarien auf die geistige Leistungsfähigkeit.
Die kognitive Leistungsfähigkeit wurde bei 24 Versuchspersonen an sechs verschiedenen Arbeitstagen unter Büroarbeitsbedingungen (9.00–17.00 Uhr) getestet. Die Prüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit erfolgte mittels Computer-Programms namens Strategic Management Simulation (SMS). Der SMS-Test wird von Experten eingesetzt, um die Auswirkungen von verschiedenen Drogen, VOCs, Stress, Überlastung, Schädeltrauma und dergleichen auf die Entscheidungsfähigkeit zu ermitteln. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden über ca. 1,5 Stunden mit verschiedenen computergenerierten Alltagsszenarien konfrontiert, die es zu lösen gilt. Dabei werden neun Kompetenzen validiert: Aktivitätsniveau, angewandte Aktivität, fokussierte Aktivität, Aufgaben-orientierung, Initiative/Krisenreaktion, Informationssuche, Informationsnutzung, Breite des Ansatzes und grundlegende Strategie.
Mittels des Tests wurde festgestellt, dass die Ergebnisse betreffend die kognitive Leistungsfähigkeit der Teilnehmenden, die in Umgebungen bei max. 600 ppm CO2 (Green+) arbeiteten, im Durchschnitt doppelt so hoch waren wie die Leistungen jener, die bei ca. 950 ppm CO2-Konzentration gearbeitet haben.
Die Ergebnisse derjenigen, die in einer Umgebung mit ca. 750 ppm CO2 (Green) arbeiteten, zeigten sich um bis zu 61 % höher als die der Teilnehmer bei ca. 950 ppm CO2 in der Raumluft.
Bereits 2012 haben Wissenschaftler des Indoor Environment Department, Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley (LBNL), und des Department of Psychiatry and Behavioral Science, Upstate Medical University, State University of New York in Syracuse, die Studie „Is CO2 an Indoor Pollutant?“ über die Auswirkungen von CO2 auf die menschliche kognitive Leistungsfähigkeit veröffentlicht. Dafür waren 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in sechs Gruppen an einem Tag in einer büroartigen Kammer unterschiedlichen CO2-Konzentrationen bei 600, 1.000 und 2.500 ppm CO2 und drei 2,5-stündigen Sitzungen einem SMS-Test ausgesetzt worden.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die kognitive Leistungsfähigkeit der Teilnehmenden, die bei Raumluft mit 600 ppm CO2-Konzentration arbeiteten, durchschnittlich etwa 15 Prozent höher lagen als die Leistungen bei 1.000 ppm CO2. Die Leistungen der Testteilnehmer waren beim CO2-Wert von 2.500 ppm in der Umgebungsluft bereits mehr als die Hälfte geringer als bei 600 ppm CO2.
Raumluftkontrolle: Ideale Balance zwischen Vitalität und Energieeffizienz
1.000 ppm CO2 als Richtwert für die CO2-Konzentration in Wohn- und Aufenthaltsräumen wurden bereits 1858 vom Hygieniker Max von Pettenkofer vorgeschlagen. Diese Konzentration korreliert grob mit der Geruchsintensität menschlicher Ausdünstung sowie etwa mit der Menge eines Teils flüchtiger organischer Verbindungen (VOC).
Wie die zitierten wissenschaftlichen Studienergebnisse zeigen, bestehen bei 1.000 ppm CO2-Konzentration in der Umgebungsluft bereits signifikante Defizite in der kognitiven Leistungsfähigkeit von Menschen.
Vitalität ohne gesunde Raumluft ist undenkbar, nur ausreichende Frischluftzufuhr sichert Wohlbefinden. Dabei gilt es, die ideale Balance zwischen gesunder Raumluftqualität und geringem Energieeinsatz bzw. Lüftungsverlust zu erreichen.
Personen, die optimale Atmosphäre für geistige Performance und Vitalität wünschen, sollten in Innenräumen für reichlich Frischluftversorgung mit einem Zielwert von möglichst unter 800, besser 600 ppm CO2 sorgen. Dies gilt speziell bei längerem Aufenthalt. Wird bei nur mäßiger Lüftung nach üblichen Mindeststandards der Energieersparnis der Vorzug gegeben, sollten signifikante Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und eventuell auch ein erhöhtes Krankheitsrisiko für die Menschen in diesen Räumen bedacht werden.
Ein erschwinglicher Raumluftmonitor (beispielsweise SenseLife Green Eye mit Datenlogger) misst die wichtigsten lufthygienisch und energierelevanten Parameter der Raumluft: CO2, Temperatur und Luftfeuchte. Er ist überall sofort einsetzbar, eine Steckdose genügt. Bei Überschreitung gesundheitsrelevanter Grenzwerte wird optisch und akustisch alarmiert.
Wenn die Lufthygiene in Räumen nur schwer optimiert werden kann, ist zum Ausgleich schädlicher Folgen geringer Luftqualität jedenfalls ausreichende Schonzeit an frischer Luft anzuraten.
Zusammenfassung
Wird in energieeffizienten Gebäuden die ausreichende Lüftung außer Acht gelassen, kann sich das negativ auf die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Beschäftigten auswirken. Der Autor empfiehlt daher neben ausreichender Lüftung das laufende Monitoring der Raumluft.