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Persönliche Schutzausrüstung

Wegweiser zu individueller Persönlicher Schutzausrüstung

Die Bedingungen in der Arbeitswelt haben sich in den vergangenen Jahren nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Individualisierung von Arbeitsplätzen sowie des demografischen Wandels stark verändert. Dieser Entwicklung ist auch im Arbeitsschutz Rechnung zu tragen. Individuelle Persönliche Schutzausrüstung gewinnt daher zunehmend an Bedeutung.

Standard-PSA
Neben Standard-PSA (Bild) gewinnt die individuelle PSA zunehmend an Bedeutung. UVEX

Mit dem Bestreben nach einem nachhaltigen Erhalt der Arbeitsfähigkeit und dem Trend hin zu individualisierten Arbeitsplätzen tritt das Thema individuelle, ergonomisch gestaltete und alternsgerechte Persönliche Schutzausrüstung (PSA) zukünftig noch stärker als bisher in den Vordergrund. PSA muss nicht nur gegen zu erwartende Gefahren schützen und den Sicherheitsanforderungen entsprechen, sondern immer auch für die jeweiligen Bedingungen am Arbeitsplatz geeignet und ergonomisch tauglich sein. Darüber hinaus hat PSA den gesundheitlichen Erfordernissen der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers zu entsprechen. Das heißt: Sie muss gegebenenfalls auch individuell anpassbar sein.

Individuelle Persönliche Schutzausrüstung wird vor allem von Menschen mit besonderen gesundheitlichen Bedürfnissen wie beispielsweise einer angeborenen bzw. altersbedingten Seh- oder Hörbeeinträchtigung oder einer Fußfehlstellung benötigt. Am häufigsten kommt individuelle PSA in den Bereichen Augenschutz, Gesichtsschutz, Fußschutz sowie Gehörschutz zur Anwendung.

Die individuelle Anpassung der Persönlichen Schutzausrüstung an die speziellen Bedürfnisse des Trägers oder der Trägerin, beispielsweise aufgrund einer medizinischen Notwendigkeit, stellt eine Pflicht des Arbeitgebers dar. Etwaige gesundheitliche Einschränkungen sind dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nachzuweisen.

Individueller Augenschutz für Fehlsichtige

„Individueller Augenschutz gewinnt immer mehr an Bedeutung. Bei korrigierten Schutzbrillen wird z. B. speziell auf die Bedürfnisse der Anwender eingegangen, um ein Maximum an Tragekomfort und Trageakzeptanz zu erreichen. Neueste Fertigungstechnologien ermöglichen heute Sehen in HD-Qualität (High-Definition) und ein präziseres, ermüdungsfreies Arbeiten. Zudem wird die Konzentrationsfähigkeit deutlich erhöht und infolgedessen sinkt das Gefährdungspotenzial der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters und ihres bzw. seines Arbeitsumfelds. Laut einer finnischen Studie (Quelle: DGUV) wird eine korrigierte Schutzbrille übrigens bis zu sechs Mal länger getragen als eine normale Schutzbrille. Damit liegt die Notwendigkeit von individuellem Augenschutz klar auf der Hand“, betont René Höller, Geschäftsführer der Stuco GmbH.

Eine Korrektionsschutzbrille (KSB) ist eine Kombination aus Schutzbrille und Sehbehelf. Neben den Schutzfunktionen bietet eine KSB die individuellen, optischen Korrektionswerte des einzelnen Anwenders. Eine KSB ist eine Persönliche Schutzausrüstung im Sinne der gültigen rechtlichen Rahmenbedingungen und Normen (insbesondere ASchG, PSA-V, Inverkehrbringer-Vorschriften der EU, harmonisierte Normen v.a. EN 166 ff).

Wann eine KSB benötigt wird, erklärt Günter Preisinger, Vertriebsleiter UVEX Safety Austria GmbH: „Zunächst gelten die grundsätzlichen Voraussetzungen für PSA (Arbeitsplatzevaluierung, Maßnahmenhierarchie). Wird festgestellt, dass Schutzbrillen zu verwenden sind, gibt es für die normalsichtigen Anwender eine große Modellauswahl an industriell gefertigten Schutzbrillen ohne optische Korrektionswirkung (Planbrillen). Für die fehlsichtigen Anwender – und das sind in der Regel rund 50 Prozent (!) – sind sogenannte Überbrillen im Angebot, die über der privaten Brille getragen werden. In aller Regel ist das gleichzeitige Tragen von privater Brille und Überbrille kurzzeitig möglich.“

Durch Spiegelungen und Lichtreflexe, die meist von mehreren künstlichen Lichtquellen verursacht werden, ist das Tragen von „Brille über Brille“ bei mittel- oder längerfristigen Tätigkeiten problematisch, so Preisinger: „Der Tragekomfort, die Sehleistung und damit auch die Sicherheit werden beeinflusst. Deshalb ist hier die Anschaffung einer KSB sehr sinnvoll, weil der Anwender damit besser sieht und man eine entscheidend höhere Trageakzeptanz erreicht. Hinweis: Lesen Sie dazu auch PSA-V § 5 (1), § 6 (1) (2) und § 10 (3).“

Was ist bei der Beschaffung von KSB zu beachten?

Um die Ziele – Schutz, Trageakzeptanz und gute Sicht – zu erreichen, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:

  1. Festlegung des erforderlichen Schutzniveaus
  2. darauf abgestimmt Auswahl von Fassungen und Scheibenmaterialien (Achtung: Beides muss entsprechend der EN 166 geprüft und gekennzeichnet sein!)
  3. Abstimmung der KSB auf die individuellen Voraussetzungen des Anwenders – unter Berücksichtigung der Korrektur-, Focustyp- und Ausstattungsparameter der Privatbrille
  4. Dokumentation der getroffenen Auswahlkriterien und des gewünschten Beschaffungsablaufs; dabei entsprechende Berücksichtigung der KSB-Aufnahme durch Einbeziehung einer fachkundigen Person (wie z. B. eines Optikers oder ausgebildeten Brillenwarts)

Für eine normenkonforme Korrektionsschutzbrille (Komplettbrille inklusive Scheiben und Fassung) in einer guten Ausstattung und häufigen Korrektur sollte man für eine Einstärken-KSB ca. 100 bis 150 Euro, für eine Gleitsicht-KSB ca. 200 bis 350 Euro und für eine Nahkomfort-KSB ca. 150 bis 300 Euro veranschlagen (ungefähre Preisangaben exkl. USt). „Dabei ist positiv zu erwähnen, dass Korrektionsschutzbrillen im Vergleich zu industriell gefertigten Planbrillen eine wesentlich längere Lebensdauer haben, da unter anderem die Anwenderinnen und Anwender in Bezug auf Reinigung und Aufbewahrung durch den Umgang mit der Privatbrille erfahrener sind“, so Preisinger. „Die Benutzerinnen und Benutzer schätzen, dass die Privatbrille am Arbeitsplatz nicht mehr beansprucht wird, und tragen die KSB den ganzen Arbeitstag, wodurch die Tragequote und die Sicherheit besonders positiv beeinflusst werden“, betont er abschließend.

Individuell angepasster Fußschutz

Fußdeformationen oder Fußfehlstellungen sowie Folgen von Erkrankungen oder Verletzungen, die eine besondere Anpassung des Fußschutzes erforderlich machen, sind bei der Auswahl von Fuß- oder Beinschutz zu berücksichtigen.

„Änderungen an CE-gekennzeichneter PSA wie etwa Sicherheitsschuhen sind gesetzlich aber nicht zulässig, da bei jedweder Veränderung die CE-Kennzeichnung erlischt. Um Menschen mit Fußfehlstellungen dennoch die Möglichkeit des Tragens von Sicherheitsschuhen zu bieten, wurde im Jahr 2012 die ÖNORM Z 1259 für Orthopädische Sicherheits- und Berufsschuhe geschaffen. Diese Norm ist eine Verfahrensnorm für Orthopädieschuhmacher und erlaubt unter Einhaltung vorgegebener Verarbeitungsvorschriften die Umarbeitung des Schuhes, sofern dieses Modell auch mit dieser Veränderung einer Baumusterprüfung unterzogen wurde. Es gibt drei Möglichkeiten der Veränderung: Variante A – Einlagenversorgung, B – Zurichtung und Aufbau, C – Individual-Maßschuh. Mit dieser Norm erhält der Träger einen – auf seine Bedürfnisse – individuell angepassten Sicherheitsschuh, und der Orthopädieschuhmacher sowie der Arbeitgeber bekommen Rechtssicherheit“, erklärt Thomas Schützeneder, Geschäftsführer Schütze-Schuhe GmbH und Mitglied im Normenausschuss AG 052 11-Sicherheitsschuhe.

Eine Neufassung der ÖNORM Z 1259 ist Mitte Oktober in Kraft getreten und umfasst folgende Änderungen: 

  • Die Zusammenstellung des Bausatzes kann durch den Orthopädieschuhmacher erfolgen.
  • Die Kennzeichnung des Schuhes erfolgt durch die Verzeichnisnummer oder das Zeichen des Orthopädieschuhmachers.
  • Die Aufbewahrungsfrist der Dokumente für den Orthopädieschuhmacher beträgt nur mehr fünf Jahre.
  • Die Einlage kann – außer unter der Zehenschutzkappe – einen Durchbruch von rund sechs Quadratzentimetern aufweisen.
  • Die Verrechnung einzelner Leistungen ist möglich.

Auch geschlechterspezifische Anforderungen werden bei Fußschutz-PSA berücksichtigt: Ausgehend von speziell für die Bedürfnisse eines Damenfußes entwickelten Damenleisten für Damenmodelle entstehen Sicherheitsschuhe mit einer perfekten Passform – wodurch sich bei Frauen eine noch höhere Trageakzeptanz erzielen lässt.

Individueller Gehörschutz dank persönlichen Dämmwerts

Schädlicher Lärm gehört zu den drei größten Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz. Ebenso wie Atemschutz und Absturzsicherung erhält der Gehörschutz durch die neue PSA-Verordnung (EU) 2016/425 nun eine erhöhte Risiko-Kategorisierung: Schädlicher Lärm wird seit 2016 offiziell als irreversible Gesundheitsgefahr anerkannt. „Für die Unternehmen bedeutet das, eine noch sicherere Auswahl der Gehörschutzprodukte vorzunehmen sowie den korrekten Sitz zu kontrollieren. Denn bei ca. 30 Prozent der Gehörschutzstöpselträger wird nicht die gewünschte Dämmung erreicht, da die Stöpsel nicht richtig sitzen oder unsachgemäß verwendet werden“, erklärt Ing. Georg Frank-Zumtobel, Application Engineer PSD, Sicherheitsfachkraft, 3M Personal Safety Division, 3M Austria GmbH.

Zu den Faktoren, die bei der Auswahl von Gehörschutzprodukten zu berücksichtigen sind, zählen neben der Schalldämpfung auch:

  • die Anforderungen des Arbeitsplatzes (z. B. grundlegendes Kommunikationsverhalten) sowie die Arbeitsumgebung (z. B. heiß/feucht)
  • Komfort und Ergonomie (Kapselgehörschützer oder Ohrstöpsel)
  • die Wahrnehmbarkeit von Warnsignalen (Feueralarm, Gabelstapler)
  • die Kompatibilität mit anderer PSA (Helm, Schutzbrille, Atemschutz)

„Da es Abweichungen je nach Nutzer gibt und dasselbe Produkt nicht jedem passt, ist eine Dichtsitzprüfung wichtig! Die neue Verordnung zum Gehörschutz schreibt zudem vor: Für jeden Mitarbeiter im Betrieb muss der persönliche Dämmwert (PAR) bekannt sein. Für die zuverlässige Ermittlung dieses Werts haben die Gehörschutzexperten von 3M nun ein System entwickelt, das schnell und unkompliziert den PAR misst“, so Ing. Frank-Zumtobel.

„Das neue 3M E-A-Rfit Dual-Ear Validation System ermittelt den persönlichen Dämmwert (PAR) in drei einfachen Schritten: Zunächst setzt der Mitarbeiter seinen Gehörschutz ein. Verbunden mit dem System werden zwei Mikrofone angeschlossen und ein Prüfton über den Lautsprecher gestartet. Anschließend erfolgt die Auswertung per Computer, und aufgrund des ermittelten PAR kann ein maßgeschneiderter Gehörschutz ausgewählt werden.“ Das neue System bietet Unternehmen somit ein quantitatives Prüfverfahren auf wissenschaftlicher Grundlage.

Individualisierung für mehr Sicherheit

Wenngleich individuelle PSA derzeit in den Bereichen Augenschutz, Gesichtsschutz, Fußschutz sowie Gehörschutz am häufigsten zur Anwendung kommt, werden mittlerweile auch in vielen anderen PSA-Bereichen zunehmend individuelle Anforderungen berücksichtigt, wie z. B.:

  • Individuelle Schutzbekleidung: „Ich unterscheide hier zwischen zwei Gruppen: erstens arbeitstechnisch notwendigen Individualisierungen, zweitens marketingtechnischen Individualisierungswünschen für das Corporate Design (CD)“, erklärt Bernhard Nemcic, Sortimentsmanager Arbeitsschutz, Haberkorn GmbH. So machen neue technische Entwicklungen, u. a. bei den Geweben, eine auf den Kundenwunsch maßgeschneiderte Individualisierung von PSA-Bekleidung möglich, ohne dass die Schutzwirkung beeinträchtigt wird. Immer mehr Hersteller bieten auch spezielle Damenkollektionen an, die sich u. a. in Sachen Schnittführung, Farb- und Materialauswahl von den Herrenkollektionen unterscheiden.
  • Individueller Handschutz in Form von individuellen Maßanfertigungen stellt für Menschen mit Fehlstellungen an der Hand, fehlenden Fingern oder mit speziellen Maßen eine Notwendigkeit dar.
  • Individueller Hautschutz umfasst die Entwicklung und Umsetzung maßgeschneiderter, individueller und praxisorientierter Hautschutzkonzepte in Abhängigkeit von persönlichen und arbeitsplatztechnischen Anforderungen.
  • Individuelle Absturzsicherung beinhaltet u. a. die Anpassung der Ausrüstungsgegenstände an individuelle Anwendungen und Voraussetzungen.

Was für Persönliche Schutzausrüstung im Allgemeinen gilt, trifft gleichermaßen auf individuelle PSA zu: Auch bei individueller PSA kann die Trageakzeptanz durch die Miteinbeziehung des Mitarbeiters bei der Auswahl, z. B. durch Tragetests, deutlich erhöht werden. Klar ist in jedem Fall: Je passgenauer die Persönliche Schutzausrüstung ist, desto höher sind auch Trageakzeptanz und Tragequote – und damit die Sicherheit.

Verband Arbeitssicherheit

Der Österreichische Verband zur Förderung der Arbeitssicherheit (VAS) ist ein Zusammenschluss von Erzeugern und Fachhändlern von Arbeitssicherheitsprodukten. Ziel ist es, über optimale Informationsversorgung einen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitssicherheit in Österreich zu leisten. Als Schwerpunkt seiner Tätigkeit sieht der Verband Arbeitssicherheit daher die koordinierte und sachliche Information im Bereich des persönlichen Schutzes an. Der Verband Arbeitssicherheit wurde im Jahr 1990 gegründet und hat heute bereits 30 Mitglieder. Nähere Infos zum VAS und seinen zahlreichen Serviceangeboten finden Sie auf www.vas.at.

Der VAS bringt im Zweijahres-Rhythmus das „Handbuch Persönliche Schutzausrüstung“ heraus. Die darin enthaltenen Produktbeschreibungen, Qualitätskriterien, Auswahltipps und Verwender-Hinweise dienen Sicherheitsfachkräften, Einkäufern oder Verwendern von PSA als nützliche Basisinformationen. Dieses kompakte Nachschlagewerk ist bereits in der 9. Auflage verfügbar und in einer Sonderauflage über die AUVA erhältlich.

Zusammenfassung

Experten des Verbandes Arbeitssicherheit (VAS) führten beim diesjährigen Forum Prävention im Rahmen des Workshops „Wegweiser zu normkonformer individueller PSA“ aus, wie Bedarfsermittlung gemäß PSA-V, Beschaffungsablauf, Anpassung und Übergabe an den Anwender in der Praxis aussehen sollen.


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