Prävention & Rehabilitation berufsbedingter Hauterkrankungen - Teil 2
Frühzeitig intervenieren, gesunde Haut gesund erhalten
Zur Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen hat die AUVA einen prozess-orientierten dreiteiligen Stufenplan entwickelt. Damit soll es besser als bisher gelingen, möglichst viele Menschen durch Problemsensibilisierung, Schulung und frühzeitige Intervention in ihrem Beruf zu halten.
In der Ausgabe 6/2015 von SICHERE ARBEIT wurde ein erster Blick auf das neue „AUVA-Stufenmodell zur Verhinderung bzw. Behandlung von berufsbedingten Hauterkrankungen“ geworfen. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der „BK 19“ („Berufskrankheiten 19: arbeitsbedingte Hauterkrankungen“) bereits um die am zweithäufigsten auftretende Gruppe unter den Berufserkrankungen handelt, war hier aus Sicht der AUVA dringender Handlungsbedarf gegeben. Alleine im vergangenen Jahr registrierte die AUVA österreichweit knapp 3.500 Berufskrankheitsmeldungen, fast ein Viertel davon betraf die Haut. Die vermuteten ungemeldeten Hauterkrankungen betragen laut Expertenschätzungen ein Vielfaches davon. Besonders betroffen sind Arbeitnehmer in den „Hochrisikogruppen“ Friseurhandwerk, Metallbranche, Reinigungs- und Pflegebranche, Gastronomie sowie in der holzverarbeitenden Industrie. In Teil zwei der Artikelserie wird der Fokus auf die spezifischen Maßnahmen und Angebote im Bereich der Primär- bzw. Sekundärprävention gerichtet.
Primärprävention
Im Rahmen einer aktiven Primärprävention wird versucht, mithilfe von Informations-, Schulungs- sowie bewusstseinsbildenden Maßnahmen gesunde Haut auch gesund zu erhalten. Dafür hat die AUVA bereits seit vielen Jahren ein wirkungsvolles und umfassendes Angebot etabliert, das im Zuge der Entwicklung des integrierten Stufenmodells nun nochmals verfeinert wurde. Das Angebot richtet sich an die versicherten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso wie an ihre Arbeitgeber. Ein zentrales Element im Rahmen der Primärprävention sind die sogenannten Hautschutztage. „Die AUVA-Hautschutztage sind ein Angebot an Betriebe, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berufsbedingt mit einer Belastung der Haut konfrontiert sind“, erläutert Dr. Roswitha Hosemann, Arbeitsmedizinerin und Projektleiterin „Haut“ in der AUVA. „Ziel ist es, auf potenzielle Gefahrenquellen aufmerksam zu machen und gleichzeitig das Problembewusstsein bei Arbeitgebern, Führungskräften sowie den Beschäftigten selbst zu fördern.“ Ebenso gelte es, den Verantwortlichen klar zu machen, dass sie vom Gesetz her verpflichtet sind, entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen und allen Mitarbeitern die notwendige persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Verfügung zu stellen.
Interessierte Betriebe können sich direkt bei den AUVA-Landesstellen für einen Hautschutztag anmelden. Im Rahmen eines Betriebsbesuches wird von einer AUVA-Arbeitsmedizinerin bzw. einem AUVA-Arbeitsmediziner des Unfallverhütungsdienstes, der hausinternen Betriebsärztin bzw. dem Betriebsarzt sowie der Geschäftsführung gemeinsam der Status quo erhoben, werden die betroffenen Arbeitsplätze inspiziert und mögliche Gefahrenquellen ermittelt. Anschließend erarbeiten Unternehmen und AUVA – je nach Rahmenbedingungen vor Ort, betrieblichen bzw. produktionsbedingten Anforderungen und zur Verfügung stehenden Ressourcen – gemeinsam ein Programm für den Hautschutztag. „Einen fixen Ablauf gibt es nicht“, erläutert Hosemann. „Da passen wir uns an die Möglichkeiten und Wünsche der Unternehmen an.“ Allerdings habe sich erfahrungsgemäß ein „Stationsbetrieb“ als effizienteste Variante erwiesen. Dabei werden Stationen aufgebaut, die dann von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einzeln besucht werden. Das bringt gleich mehrere Vorteile mit sich: Zum einen kann an den Stationen individuell auf jede und jeden Beschäftigten eingegangen werden, zum anderen verlaufen Vier-Augen-Gespräche in der Regel viel offener und fördern die Bereitschaft der Beschäftigten, Probleme von sich aus aktiv anzusprechen. Trotz der individuellen Gestaltung lassen sich bei entsprechender Organisation bis zu 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem solchen Tag betreuen.
Stationen eines AUVA-Hautschutztages
An einer ersten Station erstellt die AUVA-Arbeitsmedizinerin bzw. der AUVA-Arbeitsmediziner eine individuelle Hautanalyse. Dabei werden technische Hilfsmittel – etwa eine Spezialkamera mit entsprechender Vergrößerung zur Darstellung kleinster Hautschäden oder ein Tewameter – eingesetzt. Mit diesem Gerät lässt sich der Feuchtigkeitsverlust der Haut messen – ein aussagekräftiger Indikator für bereits vorliegende Hautschäden: Je mehr Feuchtigkeit die Haut verliert, desto größer sind die Schäden.
An einer nachfolgenden Station erläutert die Arbeitsmedizinerin bzw. der Arbeitsmediziner des Betriebes der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter nochmals die korrekte Verwendung seiner persönlichen Schutzausrüstung im Detail und informiert über betriebsinterne Schutzmaßnahmen sowie das dafür erforderliche „richtige“ Verhalten in der jeweiligen Arbeitssituation. Unter anderem kann in diesem Zusammenhang auch ein von der AUVA zur Verfügung gestelltes Dermalite-Gerät zum Einsatz kommen. Mittels UV-Lichts wird dabei sichtbar gemacht, ob nach dem Eincremen der Hände mit der entsprechenden Hautschutzcreme auch tatsächlich ein lückenloser Schutz gegeben ist oder schwerer zugängliche Stellen ungeschützt bleiben.
Abschließend erstellen die AUVA-Expertinnen und -Experten eine schriftliche Zusammenfassung. Sie stellt die wesentlichen Ergebnisse – natürlich in anonymisierter Form – und Erkenntnisse des Hautschutztages für den Arbeitgeber in einer sehr übersichtlichen Weise dar und beantwortet Fragen wie: Bei wie vielen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern traten Auffälligkeiten oder Probleme auf? Welche Probleme überwiegen, welche Ursachen haben sie? etc. Die Zusammenfassung liefert den Verantwortlichen somit eine fundierte Grundlage, um zu beurteilen, ob und in welchen Bereichen Handlungsbedarf gegeben ist und wo die Gefahr einer Berufserkrankung entstehen könnte. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Fachkräften der Arbeitsmedizin des Betriebes und jenen des AUVA-Unfallverhütungsdienstes ist für den Erfolg des Präventionsangebotes elementar, weiß Hosemann: „Wir können zwar die entsprechende Fachexpertise, das notwendige Equipment und viel Erfahrung einbringen. Die betriebsbedingten Anforderungen, die spezifischen Gefahrenquellen, Problemzonen und Abläufe kennen aber wiederum nur die Experten vor Ort. Daher geht es nur gemeinsam.“
„Start!klar – Hautnah an der Schönheit“
Neben den Hautschutztagen werden im Zuge der Primärprävention regelmäßig branchenspezifische Schwerpunktaktionen für Hochrisikogruppen durchgeführt. Derzeit werden Frisörinnen und Frisöre mithilfe der Kampagne „Start!klar – Hautnah an der Schönheit“ für das Thema sensibilisiert, aufgeklärt und mit der entsprechenden Schutzausrüstung ausgestattet. Ziel der Kampagne sei es, erklärt Hosemann, „alle am Prozess Beteiligten ins Boot zu holen, beginnend bei den Berufsschullehrerinnen und -lehrern, die die Lehrlinge ausbilden, bis hin zu den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, die verpflichtet sind, die entsprechenden Schutzmaßnahmen zu treffen und die notwendige PSA zur Verfügung zu stellen.“
Berufsschullehrerinnen und -lehrern bietet die AUVA kostenlose eintägige Seminare an, die regelmäßig auf regionaler Ebene stattfinden. 2014, im ersten Jahr der Aktion, wurden auf diesem Weg 110 Berufsschulfachlehrerinnen und -lehrer ausgebildet. Zwei Drittel von ihnen kamen im darauffolgenden Jahr zu den sogenannten Refresher-Seminaren wieder, um ihr Wissen zu vertiefen. Das spricht für die Qualität und die Sinnhaftigkeit des Programms. Die Termine für 2016 stehen derzeit noch nicht fest, die Berufsschuldirektionen erhalten jedoch rechtzeitig per Rund-E-Mail eine entsprechende Einladung inklusive Programm zugesandt. Zusätzlich bietet die AUVA den Berufsschulen Schutz- und Pflegecremen, Einmal-Schutzhandschuhe, Dermalite-Geräte zur Schulung des richtigen Hautschutzes, Informationsmaterialien sowie Unterrichtsunterlagen kostenlos an.
In einer zweiten Schiene des Programms wendet man sich direkt an die Lehrlinge. „Unserem Wunschdenken verpflichtet, dass es am wirkungsvollsten ist, gleich zu Beginn einer Ausbildung die wichtigsten Schutzmaßnahmen kennenzulernen, sprechen wir alle Lehrlinge möglichst frühzeitig persönlich an“, sagt Hosemann. Denn anders als bei vielen Berufen, in denen Hautschäden als Spätfolge eines jahrelangen Arbeitsprozesses auftreten, beginnen die Hautprobleme bei Frisörinnen und Frisören oft nahezu zeitgleich mit dem Berufseinstieg. Die Lehrlinge erhalten daher bereits mit dem Lehrvertrag einen Gutschein für ein Starter-Set, das neben Schere und Haarschneidekamm auch hochwertige Hautschutz- und Pflegecremen sowie langstulpige Nitril-Einmalschutzhandschuhe beinhaltet – alles zielgruppenadäquat verpackt in einer jugendlich-modischen Umhängetasche. Wer den Gutschein einschickt, bekommt sein persönliches Starter-Set per Post zugesandt. Seit Beginn der Kampagne wurden auf diesem Weg bereits mehr als 3.600 Starter-Sets an die Lehrlinge gebracht.
Auf einer dritten Ebene werden auch Frisörbetriebe selbst angesprochen. Im Rahmen von Innungsveranstaltungen und mittels Informationsmaterials wird Problembewusstsein bei den Ausbildnern geschaffen, über die gesetzlichen Schutzbestimmungen informiert (u. a. die bestehende Fürsorgepflicht der Betriebe) und über Schutzmöglichkeiten und -materialien aufgeklärt. Die Kampagne „Start!klar – Hautnah an der Schönheit“ läuft noch bis Ende 2016.
Sekundärprävention
Teil der Fürsorgepflicht der Betriebe ist die Meldung an die AUVA, sollte der Verdacht auf eine berufsbedingte Hautschädigung bei einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter bestehen. Dr. Hosemann appelliert hier an die Verantwortung der Arbeitgeber, Betriebsärztinnen und Betriebsärzte ebenso wie an die Eigenverantwortung der Versicherten: „Erst wenn bei uns eine Meldung eingelangt ist, können wir im Rahmen der sekundären Prävention aktiv werden und entsprechende Maßnahmen setzen.“
Eine solche Maßnahme im Zuge dieser zweiten Stufe des BK19-Stufenmodells ist die Einladung an Betroffene, zur „Hautsprechstunde“ zu kommen. Die Teilnahme ist Voraussetzung für eine etwaige spätere Anerkennung einer Berufskrankheit. „Es gibt eine Mitwirkungspflicht der Betroffenen“, erläutert Hosemann, „denn wir müssen klären, ob eine Kausalität zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankung gegeben ist. Wer nicht zur Sprechstunde kommt, kann auch keine Leistung erhalten.“ Im Rahmen der Sprechstunde werden eine Arbeitsplatzanamnese, eine Berufsanamnese sowie eine Arbeitsplatzexposition erstellt. Dafür muss die bzw. der Versicherte bereits im Vorfeld einen detaillierten Fragebogen ausfüllen und bei der AUVA einreichen. Außerdem erfolgt eine komplette dermatologische Untersuchung plus Fotodokumentation der Hautveränderungen durch eine Dermatologin bzw. einen Dermatologen. Hautsprechstunden finden derzeit in Tobelbad und in Klagenfurt statt. Nach der geplanten österreichweiten Ausrollung des Pilotprojekts werden ab 2017 auch die anderen Landesstellen miteinbezogen.
Haut-Intensivseminar
Wird im Rahmen der Hautsprechstunde ein Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit und Hautschädigung diagnostiziert und ist diese Schädigung noch nicht so weit fortgeschritten, dass ein unmittelbarer stationärer Aufenthalt erforderlich ist, dann werden die Versicherten in einem nächsten Schritt zu einem eintägigen Haut-Intensivseminar nach Tobelbad eingeladen. Im Rahmen dieses Seminares bieten Dermatologinnen bzw. Dermatologen und Gesundheitspädagoginnen bzw. -pädagogen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine individuelle Beratung. Sie schulen sie darin, Risikopotenziale selbst zu erkennen und Schutzmaßnahmen, etwa in Form der geeigneten persönlichen Schutzausrüstung, anzuwenden. Am Ende des Seminars werden alle Teilnehmenden mit ihrer individuell angepassten Schutzausrüstung ausgestattet.
Dann kehren die Versicherten für acht Wochen mit der von der AUVA zur Verfügung gestellten PSA in den Arbeitsprozess zurück, um anschließend zu einer zweiten Hautsprechstunde nach Tobelbad wiederzukommen. Dabei wird überprüft, ob die im Seminar vereinbarten Maßnahmen tatsächlich gegriffen haben.
„Wir sind noch in einer frühen Projektphase, in der wir gerade die ersten Versicherten in diese zweite Sprechstunde zu uns holen“, berichtet Hosemann. Die ersten Erfahrungen seien daher statistisch noch nicht verwertbar, aber „unsere persönlichen Eindrücke sind äußerst positiv“.
Jene wenigen aber, bei denen sich mit den beschriebenen sekundären Präventionsmaßnahmen keine nachhaltigen Verbesserungen erreichen lassen, werden zukünftig im Zuge der Tertiärprävention stationär in der Reha-Klinik Tobelbad aufgenommen. Über diese dritte Stufe im AUVA-Modell berichtet SICHERE ARBEIT in der nächsten Ausgabe.
Nähere Informationen zu den Aktivitäten und Angeboten der AUVA zur „BK19“ finden sich unter www.auva.at/gesunde-haut, über die Rehabilitationsklinik Tobelbad informiert die Website www.rktobelbad.at
Zusammenfassung
Mit einem dreiteiligen Stufenplan will die AUVA berufsbedingte Hauterkrankungen bekämpfen. Dieser Plan umfasst unter anderem eine gezielte Primär- und Sekundärprävention, um möglichst viele Menschen durch Problemsensibilisierung, Schulung und frühzeitige Intervention in ihrem Beruf zu halten.